Kürzung der Werbezeiten im WDR-Hörfunk beschlossen

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Bei der WDR Mediagroup werden in den nächsten sechs Jahren ein Drittel der 470 Vollzeitstellen abgebaut. Auch wenn das für den einzelnen schmerzlich ist, so frage ich mich: 470 Leute? Um Werbung auf drei Radiosendern zu verkaufen? Was machen die da?
 
Z. B. Lizenzen für Hörspiele und anderen Radioproduktionen an Hörbuchverlage verkaufen. (TV entsprechend)
Untertitel und Audiodeskriptionen für Fernsehsendungen erstellen bzw. beauftragen.
Etc. pp.
 
Vielleicht sind sie sich inzwischen halbwegs sicher, dass sich das Thema "öffentlich-rechtlicher Rundfunk" durch die intern laufenden Selbstzerstörungsmaßnahmen bald erledigen wird?

https://www.dwdl.de/nachrichten/64689/dpfner_bezeichnet_wdrschritt_als_ein_gutes_signal/
https://uebermedien.de/23630/wdr-redakteure-enttaeuscht-wo-ist-buhrows-liebe-hin/

Was hier abläuft, ist nichts anderes als die Gewöhnung an die endgültige Selbstvernichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und damit des Teils der elektronischen Medien, der zumindest prinzipiell wertvoll und relevant sein könnte, wenn er es selbst nur sein wollte. Der Teil, der überleben soll und wird, von dem ist schon aus prinzipiellen Gründen nichts wertvolles zu erwarten. Es bräuchte eigentlich einen Aufstand des Volkes zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber der wird ausbleiben. Die, denen ein wertvoller öffentlich-rechtlicher Rundfunk am Herzen läge, haben weitgehend resigniert nach all den bereits durchgeführten Inhaltsvernichtungen der vergangenen 25 Jahre. Und den anderen dürfte es egal sein, wer den Superhitmix spielt - solange er sie zumindest auf direkt erkennbarem Wege nichts kostet.
 
Wurde auch Zeit, dass da mal durchgegriffen wurde. :)
Ich hoffe, das war ironisch gemeint.
Da sagt Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei:
"...um mit einem Gutachten erst einmal zu untersuchen, ob eine Reduzierung der Werbung bei den öffentlich-rechtlichen Radiosendern überhaupt zu mehr Einnahmen bei den Privaten führt oder nicht"
Wie soll ich das verstehen? Da macht der sich stark für Werbeeinkünfte bei den ÖR's? Oder was?
Dann:
Vertreter der Öffentlich-Rechtlichen hatten in der Vergangenheit stets betont, dass mit der Werbefreiheit bei öffentlich-rechtlichen Sendern eine generelle Schwächung der Gattung Radio als Werbeträger einhergehe, weil die insgesamt erreichbaren Reichweiten sinken würden.
Wessen Reichweiten? Die der Werbetreibenden freilich. Und deren Rede reden "Vertreter der Öffentlich-Rechtlichen"?
Liminski kritisch. "Man muss sich nur darüber im Klaren sein, wenn die Einnahmen runtergehen, ist das zweite Ziel, das wir verfolgen, die Gebühren möglichst stabil zu halten, schwierig zu erreichen. Alles, was ich an potenziellen Einnahmen wegnehme, muss ich woanders generieren."
Welche Einnahmen gehen denn um wie viel Prozent herunter, wenn wir wissen, dass die Hörfunk-Werbeeinnahmen unter zehn Prozent der Finanzierung durch Beitrag beträgt? Inzwischen hat die ARD mehr Überschuss in Milliarden-(!)-Höhe durch den Beitrag eingenommen als die KEF zur Ermittling des Finanzbedarfs ausgerechnet hat.

Werden denn Beitragszahler, Zuschauer und Hörer durch derlei Augenwischerei und Nebelkerzen absichtlich so hinters Lichts geführt? Kann mir jemand bitte mit fachkompetenter Aufklärung auf die Sprünge helfen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Erstaunlich, dass die neue Landesregierung satte zwei Jahre für ein Gutachten benötigt. Eilig hat es die Laschet-Truppe anscheinend nicht.

Dummerweise hat Onkel Tom die Tage groß verkündet, dass für das geplante Defizit im Jahr 2018 von rund 100 Mio. Euro ausgerechnet die Werbezeitenreduzierung verantwortlich sei. Dumm nur, dass die erst so richtig 2019 greifen sollte und jetzt erst - wenn sie denn kommt - erst 2021. Und selbst wenn man dem WDR die gesamte Hörfunkwerbung streichen würde, würden gerade einmal rund 40 Mio. Euro netto im Haushalt fehlen. Im Milliardenspiel des WDR eher ein Tropfen auf den heißen Stein.

Bleibt festzuhalten: Haben die Privaten und Verlage vor zwei Jahren beste Lobbyarbeit geleistet, so haben sie offensichtlich die letzten Monate richtig verpennt.

Am Rande muss man aber auch festhalten, dass 1LIVE (was wohl als Werbeträger übrig geblieben wäre) und der Lokalfunk seit 2014 gut ein Viertel ihrer werberelevanten Zielgruppe verloren haben, was - würde man die Entwicklung so fortschreiben - 2019 mit Streichung von WDR 2 und WDR 4 eine Reduzierung von fast 50% der ursprünglichen Reichweite von 2014 bedeuten würde. Das wäre in der Tat schwierig für die Gattung. Aber anstatt eine politisch richtige Entscheidung weiter zu entwickeln, rudert man offensichtlich nun zurück. Wie eine Weiterentwicklung aussehen würde? Marktöffnung die in Ermangelung von UKW-Frequenzen über DAB+ erfolgt, um die Reichweitenverluste des Lokalfunks und des WDR zu kompensieren. Schade, Herr Laschet. Wäre ne Chance gewesen, NRW aus der Radiosteinzeit zu holen...
 
Am Rande muss man aber auch festhalten, dass 1LIVE (was wohl als Werbeträger übrig geblieben wäre) und der Lokalfunk seit 2014 gut ein Viertel ihrer werberelevanten Zielgruppe verloren haben, was - würde man die Entwicklung so fortschreiben - 2019 mit Streichung von WDR 2 und WDR 4 eine Reduzierung von fast 50% der ursprünglichen Reichweite von 2014 bedeuten würde.
Die Reichweite der Sender hat sich laut MA keineswegs vermindert. Im Sinne einer nicht durch (die für Hörfunk eh geringen) Werbeeinkünfte hervorgerufene Quotenhatz halte ich das vorgeschriebene Werbeverbot für vertretbar, ja: notwenig.
 
Da sagt Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei:
"...um mit einem Gutachten erst einmal zu untersuchen, ob eine Reduzierung der Werbung bei den öffentlich-rechtlichen Radiosendern überhaupt zu mehr Einnahmen bei den Privaten führt oder nicht"
Wie soll ich das verstehen? Da macht der sich stark für Werbeeinkünfte bei den ÖR's? Oder was?
Es gibt drei Denkschulen, welche Auswirkungen ein Werbeverbot bei den Öffentlich-Rechtlichen auf die Werbeeeinnahmen der Privaten hätte:
  • Schule 1: Die Werbebudgets, die bislang an die Öffentlich-Rechtlichen gehen, fallen nun an die Privaten, deren Einnahmen dadurch steigen. (Position z.B. des VPRT und der alten rotgrünen NRW-Regierung)
  • Schule 2: Wenn die Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen entfällt, fällt Hörfunkwerbung insgesamt aus dem Relevant Set. Die Einnahmen der Privaten sinken. (Position z.B. des WDR)
  • Schule 3: Die Werbeeinnahmen ergeben sich aus den Reichweiten. Die werden durch ein Werbeverbot bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht verändert, daher gibt es auch keine Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen der Privaten.
Das haben wir hier auch im Forum schon ein paar mal durchdiskutiert. Ich selbst neige zu Position drei.

Liminski kritisch. "Man muss sich nur darüber im Klaren sein, wenn die Einnahmen runtergehen, ist das zweite Ziel, das wir verfolgen, die Gebühren möglichst stabil zu halten, schwierig zu erreichen. Alles, was ich an potenziellen Einnahmen wegnehme, muss ich woanders generieren."
Welche Einnahmen gehen denn um wie viel Prozent herunter, wenn wir wissen, dass die Hörfunk-Werbeeinnahmen unter zehn Prozent der Finanzierung durch Beitrag beträgt? Inzwischen hat die ARD mehr Überschuss in Milliarden-(!)-Höhe durch den Beitrag eingenommen als die KEF zur Ermittling des Finanzbedarfs ausgerechnet hat.
Wenn die Öffentlich-Rechtlichen keine Werbung mehr verkaufen dürfen, haben sie geringere Einnahmen. Auf den Gesamthaushalt gerechnet ist das jedoch vernachlässigbar, da ist der "Schaden" etwa durch Rentenrückstellungen oder die blödsinnigen Sportrechteeinkäufe (aktuell etwa: Olympia) wesentlich höher.

Bei den aktuellen Überschüssen muss man verstehen, dass die KEF ja davon ausgegangen war, dass der Rundfunkbeitrag, der seit der Umstellung von Rundfunkgebühren auf Rundfunkbeiräge bei 17,50 Euro/Monat liegt, für die Periode 2017-2020 hätte sinken müssen, dafür ab 2021 auf ein Niveau deutlich über 17,50 Euro hätte steigen müssen. Die Idee der Politik war und ist es, den Rundfunkbeitrag 2017 NICHT zu senken, so dass die Öffentlich-Rechtlichen bewusst Überschüsse erwirtschaften, dafür den Rundfunkbeitrag 2021 NICHT zu erhöhen, so dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre sich dann ergebenden Defizite aus den zuvor erwirtschafteten Überschüssen ausgleichen. Die Öffentlich-Rechtlichen trommeln aber seitdem, dass trotz der Nichtsenkung 2017 eine Erhöhung 2021 unvermeidbar sei. Durch ein weitergehendes Werbeverbot im WDR würde aber die Politik den Öffentlich-Rechtlichen Argumente liefern, warum 2021 eben doch erhöht werden müsse.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Reichweite der Sender hat sich laut MA keineswegs vermindert. Im Sinne einer nicht durch (die für Hörfunk eh geringen) Werbeeinkünfte hervorgerufene Quotenhatz halte ich das vorgeschriebene Werbeverbot für vertretbar, ja: notwenig.

Sagt wer? Schau Dir bitte einmal die werberelevante Zielgruppe 14-49 in der Entwicklung der MA 2014 I bis zur MA 2017 II an - dort wirst Du feststellen, dass beide Sender, Radio NRW und 1LIVE jeweils fast 25% (!!!) der Hörer verloren haben. Und zwar kontinuierlich. Das im Zusammenspiel mit den fehlenden Bruttoreichweiten von WDR 2 und WDR 4 führt dazu, dass der Werbedruck nicht mehr ausreicht. Mag 2015 bei der Beschlussfassung die Bruttoreichweite für die Kampagnenfähigkeit noch ausgereicht haben, so dürfte dies heute keinesfalls mehr der Fall sein. Wenn man national in Nielsen II keinen ausreichenden Werbedruck mehr aufbauen kann, kann die Entscheidung gegen die Gattung Radio in einer Mediaagentur ausfallen. Vertretbar? Notwendig? Politisch ist die Entscheidung richtig gewesen. Unter den Voraussetzungen ist eine Umsetzung riskant. Es sei denn, man bringt Alternativangebote in den NRW Markt, die die fehlende Bruttoreichweite kompensieren.

  • Schule 1: Die Werbebudgets, die bislang an die Öffentlich-Rechtlichen gehen, fallen nun an die Privaten, deren Einnahmen dadurch steigen. (Position z.B. des VPRT und der alten rotgrünen NRW-Regierung)
Ist so nie gesagt worden. Es ist immer gesagt worden, dass ein Teil der Werbegelder rüberwandern (müssen), um kampagnenfähig zu bleiben. Der zweite Punkt ist, dass Werbetreibende, die früher nur die Best-Of 14-49 in Nielsen II belegt hatten, dann Lokalfunk plus 1LIVE buchen müssten. Damit wandern Werbebudgets rüber und gleichzeitig wäre die Kampagnenfähigkeit gesichert gewesen, da eine ausreichende Bruttoreichweite vorlag. Damals. Heute eben nicht mehr.

  • Schule 2: Wenn die Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen entfällt, fällt Hörfunkwerbung insgesamt aus dem Relevant Set. Die Einnahmen der Privaten sinken. (Position z.B. des WDR)
Damals nein, heute ja. Das erklärt wohl auch, warum die NRW Verlage und der Lokalfunk gerade die Füße still hält. Aber evt. auch ein Schweinedeal zwischen Onkel Tom und den NRW-Verlagen. WDR macht weniger Onlinetexte, dafür darf er wieder Radiowerbung machen (siehe Horizont). Wenn dem so wäre, eher ein Fall für die Kartellis und die Frage, welche Steigbügelhalterrolle Laschets Truppe in dem Spiel abgibt.

  • Schule 3: Die Werbeeinnahmen ergeben sich aus den Reichweiten. Die werden durch ein Werbeverbot bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht verändert, daher gibt es auch keine Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen der Privaten.

Prinzipiell ja. Da aber Märkte als Ganzes gesehen werden, gibt es unterschiedliche Effekte. Die Marktführerrolle der RMS ist durch den Wegfall von WDR 2 weiter gesichert. Der Abstand zwischen ASS und RMS ist in den letzten Jahren immer weiter geschwunden. Das verschafft der RMS Luft. Der Marktführer bekommt bei den Shares den höheren Anteil der Budgets. Auf Nielsen II bezogen tritt der Effekt wie oben ein; Budgets wandern von einer Buchung von der Best-Of, die eine Zubuchung des Lokalfunks überflüssig machen können, in die einzige "Zwangskombi" aus Lokalfunk und 1LIVE (damit die notwendige Bruttoreichweite erreicht wird).
 
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