Mal wieder die Grundsätze

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Schnittchen

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Schon seit längerem schaue ich mir die Beiträge hier an und eines ist mir aufgefallen: Immer sind die Bösen, die Programmdirektoren, die Geschäftsführer oder die Radioberater.
Aber warum schimpft hier keiner mal über die jenigen, die tatsächlich den Trend zum Formatradio ausgelöst oder besser gesagt verbrochen haben:
UNSERE HÖRER
Wenn die Leute wirklich inteligentes Radio wollen, dann sagt mir doch, weshalb haben die Format-"mehr Hits und Vielfalt, Abwechslung und lustige Morgenshow"-Radios solchen Erfolg? Beispiel Ba-Wü Antenne 1 Abwechslung und Major Promotions in jedem Break , von Info oder gar sinnvollen Dialogen keine Spur. Und trotzdem haben sie zugelegt.
Die Menschen scheinen keine Infos zu wollen und wenn dann nur leicht bekömmlich verpackt, dass sie eher wie Unterhaltung aussehen, das sieht man vielleicht auch daran, dass die Pseudo-News von RTL II (um mal einen Vergleich zu ziehen) tolle Quoten haben.
Oder was sagt Ihr zu diesem Ansatz?
 
Ich denke, da ist leider sehr viel Wahres dran.
Zuhören ist anstrengend, Nachdenken noch viel mehr. Besonders in einer Zeit, in der das Radio nun wirklich nicht das einzige ist, was man zu Hause und unterwegs anstellen kann. Die heutige Reizüberflutung durch neue Medien und den immer hektischer werdenden Alltag haben die Intensität, mit der Radio wahrgenommen wird, weit gesenkt. Die Zeiten, in denen die ganze Familie vorm (Röhren)radio saß und andächtig einem Fußballspiel, einem Boxkampf oder einem Krimi lauschte, sind wohl schon seit der Verbreitung des Fernsehens vorbei.
Die Zahl derer, die gezielt Radio als Informations- und Kulturquelle nutzen, dürfte niedrig, aber stabil sein. Solange diese Nutzer sie ansprechende Angebote vorfinden, ist gegen eine "Verflachung" der übrigen Programme eigentlich nicht mal was zu sagen, vom ewigen Streit zwischen "Ich zahle nicht für Hochkultur" und "Ich zahle nicht für Dudelfunk" einmal abgesehen. Niemand muß die BILD kaufen - es gibt auch die ZEIT - da braucht man auch eine Woche für. Leider sieht der Hörfunkmarkt lokal teils doch heftig arm aus. Während man auf ORB, NDR, BR oder hr noch ansprechende Jugendkulturangebote findet (auch wenn man teils lange danach suchen muß...) und beispielsweise in Hamburg auf dem nichtkommerziellen FSK herausragende Inhalte angeboten werden (Sunday Service...), siehts im Sendegebiet von MDR und SWR diesbezüglich ziemlich mau aus, um nicht zu sagen, wer dort anspruchsvolleres Radio hören will, geht leer aus. Da gibts halt nur die BILD, nicht aber die ZEIT am Kiosk. Genau das darf nicht sein... aber über den Auftrag der öffentlich-rechtlichen will ich nicht schon wieder was schreiben.

Der Mensch geht nunmal wie der elektrische Strom den Weg des geringsten Widerstandes... leider. Und die Zeit, in der man die Menschen durch ein staatliches "Sendemonopol" zwingen konnte, entweder Niveau oder gar nichts zu hören, die ist vorbei. Ob nun leider oder nicht, das mag jeder selbst entscheiden.
 
Genau.
Leider alles wirklich richtig. Die Mehrheit der Hörer will genau das, was die Dudelsender bieten. Und Minderheiten bringen numal eben nicht den notwendigen Profit.

Aber ich möchte noch auf etwas anderes hinweisen: Dass dies heute so ist, ist eine Entwicklung. Es spielen viele Einflüsse, wie z.B. die erwähnte Reizüberflutung, die immer hektischer werdende Lebensart, etc. eine große Rolle dabei. Aber, es spielt auch eine Rolle, was die Radiosender dem Hörer bieten. Den ersten Schritt haben nicht die Hörer gemacht...

Und auch weiterhin bestimmt der Sender die Richtung der Entwicklung. Der Hörer gibt dazu nur sein Feedback, ob ihm die Richtung gefällt, oder nicht...

Nun? Quo vadis?
 
Ein wirklich interessantes Thema! Die Erklärung ist jedoch sehr einfach. Die Entwicklung der Radiosender unterscheidet sich eigentlich kaum von der Entwicklung anderer Wirtschaftszweige wie z.B. dem Einzelhandel. Früher haben die Leute auch noch gerne im Tante-Emma-Laden eingekauft und es sind mit Sicherheit nicht nur die günstigeren Preise, die sie dazu bewegt haben, heutzutage im XX-Superstore einzukaufen. Das Marketing und die daraus resultierende Positionierung sind die wahren Beeinflussungsfaktoren. Früher hat es dem Hörer gereicht, wenn er einen Sender hörte, bei dem ein symphatischer Moderator eine gute Auswahl an Schallplatten auflegte und die wichtigsten Infos über den Äther brachte. Das Hörerverhalten hat sich jedoch stark verändert und der Wandel vom "normalen" zum "Marketingradio" war die logische Schlussfolgerung daraus.
Die Anzahl der Konsumenten, die sich die gute alte Radiostation wieder wünschen, ist so gering, daß Sie von den Sendern nicht beachtet wird. Radio ist mittlerweilen ein Massenprodukt, welches nur noch auf Profit und somit auch auf dahingehendes Marketing mit größtmöglicher Hörerbindung ausgelegt ist. Klar kann man immer den alten Zeiten hinterherjammern, aber sie werden leider auch dann nicht zurückkommen.

<small>[ 07-09-2002, 21:35: Beitrag editiert von radiobayern ]</small>
 
Warum bitte so allgemein? Warum sind es immmer DIE HÖRER? Die Hörer sind so viele unterschiedliche Leute mit total unterschiedlicher Intention. Wer sagt EUCH denn, wer DIE HÖRER sind? Umfragen, Berater, Branchenblätter? Grundlage sind doch immer nur Umfragen. Damit lässt sich bestenfalls ein Trend feststellen.

Wenn einer kommt und sagt: „Die Jugendlichen wollen durchformatierte Chartmucke“ dann ist das nur noch falsch, weil: Wer sind die Jugendlichen? Wollen das wirklich ALLE Jugendlichen? Wurde vielleicht nur eine Minderheit befragt, weil man die Leute, die Heavy Metal bevorzugen nicht erreicht hat?

Für mich liegt die Schuld dennoch eindeutig bei den Verantwortlichen. Station XY hat Erfolg mit Format „Superduperhits“, also machen alle anderen Stationen eben auch „Superduperhits“. Siehe Fernsehen: Einer macht erfolgreich ne Quizshow, alle anderen machen es nach. Analog dazu: Soaps, Überwachungscontainer oder Gerichtsshows.

Welche Wahlmöglichkeit hat der Durchschnittshörer denn überhaupt? Ich gehe davon aus, dass Radio meistens als Hintergrundberieselung läuft. Es läuft also je nach Geschmack irgendein Sender (Charts, Schlager, Oldies ...).
Wenn dann die Musik nicht passt – zapp – schon haben wir den nächsten Sender. Gewinner sind dann meiner Meinung nach aber meisten die Sender, die die größten Plakatwände mit ihrem Logo bekleistern. Aber hat nicht kürzlich ohnehin ein schlauer Kopf festgestellt, dass Plakatwerbung effizienter ist? Da kommen wohl noch düstere Zeiten.
 
Guten Abend allerseits,

nach längerer Pause melde ich mich auch mal wieder zu Wort.
Das Thema ist wirklich sehr interessant.

Ich sehe das mit dem Erfolg der ganzen Dudelwellen - so sagt man doch - etwas differenzierter.

So gibt es ja imk Bereich der "Massenwellen" auch kaum noch Alternativen (lässt man die sehr guten Alternativen wie D-Radio, DLF, diverse weitere Landes-Öffentlich-Rechtliche außen vor) im Äther.

Nicht nur die Hörer, auch die Macher selbst verdammen das Radio zum Nebenbeimedium.
Als letztes Bollwerk bspw. hat vor kurzem ndr2 den "Heißen Draht", sonntagabends aus dem Programm gekippt. Das war eine gut gemachte Kontaktbörse mit Hörergesprächen. Zwischendurch gabs natürlich Musik. Aber es war immer interessant, den einamen Herzen zuzuhören.
Jetzt gibt es auch auf ndr 2 sonntagabends nur noch Musik.
So wie bei den meisten anderen Sendern auch.
Dem Hörer wird nichts mehr geboten, verstehen Sie, werte Mitleser, was ich meine?
Andersrum brauchen wir uns nicht wundern, das "lustigste Morningshows, mehr Hits und Vielfalt" so viel Erfolg haben.
Wir servieren den Leuten ja kaum noch anderes.
Wir bieten ihnen ja nur noch leichte Kost.
Auf Hörerbitten- und Beschwerden (siehe Gästebuch ndr2 zum Thema "Der heiße Draht") reagieren wir nicht.
Schade ist es nur, für den wirklich geneigten und interessierten Hörer, der alleine ist, unterwegs, arbeitet ohne viel Kollegen drumherum, vormittags alleine im Haus ist..der will unterhalten werden, der will Aufmerksamkeit. Der im Radio mehr sieht, als eine Musikbox.
Aber das vermögen wir kaum noch zu leisten.

Einens schönen Abend wünsche ich.
Margot.

<small>[ 08-09-2002, 19:55: Beitrag editiert von Margot ]</small>
 
Es zieht sich doch durch alle Bereiche. Überall wird versucht, 'der breiten Masse' gerecht zu werden. Was die Menschen wollen, erfährt man aus Umfragen, die oft so einseitig und undifferenziert sind, dass schon ein großer Teil von Individualität gar nicht berücksichtigt wird. Verzweifelt wird versucht, Trends hinterherzulaufen, Machtpositionen auszubauen und Profit zu machen. Ich vermisse bei dem Einheitsbrei die Risikobereitschaft und das Engagement, auch einmal couragiert neue Wege einzuschlagen.
Aber in Zeiten, die von Marktanalysen und Umsatzzahlen geprägt sind und der damit verbundenen Angst zu versagen, wird sich mit Sicherheit nichts daran ändern. <img border="0" title="" alt="[Entt&auml;scht]" src="frown.gif" />
 
Hallo Margot!

Leider hast du Recht. Mit der schleichenden Absenkung des Programmniveaus ist vielen Hörern überhaupt nicht mehr bewusst, dass es überhaupt möglich ist, beim Radio überhaupt zuzuhören. Die jetzige Krise kam ja nicht von gestern auf heute, sondern war vielmehr ein schleichender Prozess von nahezu zehn Jahren. Mit jeder Reform wurde die eine oder andere profilierte Sendung aus den Programmen geschmissen und durch einen klebrig-süßen Klangteppich ersetzt, der sich durch einen langen Gewöhnungsprozess etabliert hat. Als es vor zehn Jahren bei DT64 im Rahmen des "Superradio 2000 O" eine Simulation des Dudelfunks heutiger Machart gab, dachte man noch, das ganze wäre eine überzogene Karikatur. Heute ist das ganze leider auf den meisten Wellen die Realität. In der Folge dieser Entwicklung haben wir halt die Situation, dass das Medium vielen nur noch als "Badezimmer-Jukebox" zur musikalischen Untermalung des Zähneputzens dient. Im ernsten Wortbereich trifft das nicht zu - da gibt es in Deutschland ja nach wie vor ein ganz brauchbares Angebot. Woran es wirklich mangelt, ist die gutgemachte Unterhaltung, bei der das Zuhören Spaß macht, mit der man einen Sender verbindet, für die man vielleicht sogar mal das Radio einschalten würde, obwohl man eigentlich auch noch was anderes zu tun hätte. In dieser Hinsicht kann man hr3 ausnahmsweise mal in einem positiven Kontext erwähnen, denn die neue Sendung von Werner Reinke ist so ein Beispiel dafür. Gestern Vormittag hat mir das Hören von hr3 endlich mal wieder Spaß gemacht...

<small>[ 09-09-2002, 00:01: Beitrag editiert von studix ]</small>
 
Hallo studix (und alle anderen natürlich),

es gibt sie tatsächlich noch, die Ausnahmen, die eine gewisse Bindung zu einem Sender bewirken.
Schau dir alleine hier an, wie oft irgendwelche Stationen immer wieder als gutes Beispiel genannt werden.
Leider ist es regional betrachtet, nicht an jedem Standpunkt möglich auf Alternativen zuzugreifen. Dies ist aber ein politisches Problem.

Apropos. Die Situation, wie sie heute herrscht, ist auch hauptsächlich der Politik und der Wirtschaft zu verdanken, wenn nicht sogar ausschließlich.

Und dennoch. Ich selbst habe weiter oben ja geschrieben, dass die Richtung nicht die Konsumenten, sondern die Produzenten vorgeben.

Es liegt alles nur daran, dass immer weiter optimiert werden muss. Und so ergibt sich der Trend zu immer minimalistischeren Programmen, die das maximale herauszuholen versuchen.

Alles andere kann sich nur erlauben, wer nicht auf die wirtschaftliche Lage angewiesen ist.
Und genau so sieht der Radiomarkt von heute aus.

Nur geht es so nicht weiter. Denn irgendwann ist nunmal eine Grenze erreicht, und was dann passiert...
 
Freut mich so viel feedback auf meinen Beitrag zu lesen.
Besonders gefällt mir, dass das übliche Gezetere (Formatradio ist scheiße) ausgeblieben ist.

Mich würde Eure Meinung zu einem ähnlichen Thema interessieren: Klar ist, dass das allgemeine Niveau gesunken ist, ich frage mich nun, ob die Medien an dem sinken Schuld sind oder ob die Medien einfach nur reagiert haben.

Denn dass das Niveau auch im TV und Print-Bereich gesunken ist, kann jeder an den Media-Daten sehen.
Je langweiliger und schlechter desto besser.

Bin gespannt auf Eure Meinungen <img border="0" title="" alt="[Sch&uuml;chtern]" src="rolleyes.gif" />
 
Ist das Niveau wirklich gesunken? War früher alles besser? Oder sind wir (wen meine ich jetzt mit 'wir'? *grübel* <img border="0" title="" alt="[Winken]" src="wink.gif" /> ) einfach anspruchsvoller geworden?

Nicht dass ich die Entwicklung begrüße, aber hätte sich die Medienlandschaft in den letzten Jahren nicht verändert, wäre wohl auch kaum jemand zufrieden, oder? <img border="0" title="" alt="[Sch&uuml;chtern]" src="rolleyes.gif" />
 
@radiopassiv:
Das finde ich jetzt mal lustig, denn Du hast recht:
Das Niveau ist gesunken, weil die Ansprüche gestiegen sind... verrückt, aber wahr.

Wobei, es ist jetzt auch die Frage, was man als Niveau ansieht.

Denn, wenn ich so die Privatsender aus der Anfangszeit mit denen von heute vergleiche, könnte ich nicht behaupten, dass das Niveau sich verändert hat, sondern nur, dass es professionalisiert wurde.
Ich sagte ja so oft, es menschelte früher mehr. Heute wird ja selbst das künstlich und professionell erzeugt, das Menscheln...

Aber Inhalte gab's auch schon früher keine niveauvolleren. Ob Rezepte oder Horoskope, etc.
Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir diese Dinge heute fehlen.

Aber streng genommen, wie ich schon sagte, wurde alles nur weg-optimiert, und damit also verbessert.

Zum Vergleich mit dem Niveau im TV: Da ist das Niveau im Radio aber vergleichsweise ganz schön hoch geblieben! Selbst eine Energy-Station hat eigentlich noch ein höheres Niveau als ne Talk-Sendung im Fernsehen <img border="0" title="" alt="[Winken]" src="wink.gif" />
 
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