@ Tom
Es freut mich, wie sehr doch dieses Thema alle hier beschäftigt!
MDR Life war wirklich was für fast alle: die einen hassten es abgründig, die anderen liebten es, weil es halt der Sender war "wo nicht so viel gequatscht wird". Insofern war MDR Life wirklich für die meisten ein Begriff.
mdr LIFE war für die damalige Zeit ziemlich "bahnbrechend" gewesen!
Oh ja, das war er. Niemals zuvor hatte sich eine ARD-Anstalt gewagt, ein dermaßen steifes Konzept an den Hörern vorbei zu installieren. Das wirkte wie Behördenfunk pur. Und inhaltlich wurde ebenfalls die Meßlatte für ARD-Wellen (und damals auch für Private) weit nach unten geschraubt. So weit, daß ein Thüringer CDU-Mann sinngemäß zitiert wurde, wäre MDR Life privat, es würde abgeschaltet werden, da es die Auflagen nicht erfülle. Den Hörern wars Anfangs offenbar recht, irgendwie wirkte das für Außenstehende allerdings wie "akustische Glasperlen" (wo hab ich das nur gelesen?) für Ossis.
Plötzlich gab es einen Sender der locker lustig und viel Musik gespielt hat.
Locker? Ich fand das dermaßen steif. Die ganze Ansprechhaltung mit "Hieeer ist Emmmm-Deeee-Errrr Life", das nie zu brechende Format mit "Lifeland" und "Lifezeit", die Witze, die wie aus einem schlechten Drehbuch wirkten. Tiefpunkt für mich war, als ich eine Folge der "MDR Life-Klinik" zu hören bekam. Wenn sie die Stammtischkalauer aus der untersten Schublade wenigstens nicht so steif und affektiert rübergebracht hätten...
Keiner war mehr genötigt Antenne Bauern, Bauern 3, FFH, HR3, NDR2...... zu hören
Ich gehe mal davon aus, daß vor allem 2 Dinge den Ausschlag gaben: einerseits die problemlose Empfangbarkeit immer & überall. Die wagehalsigen Antennenkonstruktionen, mit denen daheim seit langem "Westsender" gehört wurden, passen eben schlecht auf ein Autodach. Andererseits eine Art "Ossi-Zusammengehörigkeitsgefühl", mit dem sich viele damals Haltlose versuchten, Struktur zu geben (einige versuchen es heute noch...).
AntenneBauern Radioshows wurden nicht mehr in Gera abgehalten - weil es eh keiner mehr gehört hat!
Gabs das wirklich mal? Wobei: Gera war bis 91 ohnehin fest in der Hand von RIAS 2, da hat kaum ein Mensch was anderes gehört, wenn es um Popradio ging.
LIFE war alleiniger Marktfüher in mdr-Gebiet.
Kunststück, als einzige lokal empfangbare Popwelle...
Es gab mdrLIFE Radioshows mit dem LIFE Truck und Feuerwerk mit Knallerjupp.
Und damit für die mit Events jeglicher Art chronisch unterversorgte Jugend abseits der wenigen Großstädte (in denen damals auch noch fast nix los war) wenigstens etwas biedere Unterhaltung. Sowas Großes hatten die meisten damals noch nicht gesehen, heute ist die Jugend wesentlich mobiler und die nächste Großdisse auch ohne präsentierenden Radiosender meist nicht allzu weit, für die freakigeren hat sich auch teils eine lebendige Clubszene etabliert - was da läuft, kommt eh nicht im Radio.
Außerdem wurden die Hörer immer älter und wanderten zu den meist sanften Privaten ab.
Also, soweit ich mich erinnere, lief am 1.1.1992 auf MDR Life sogar offiziell Udo Jürgens ("Gaby wartet im Park") und nebenbei gesagt ein hochdramatisch wirkendes Newsbett, das sie ziemlich schnell kippten. Auf SAW hingegen gab es zu Beginn sogar eine Indie-Sendung, hieß wohl "Schallmauer" oder so ähnlich, ich glaube mit Andy Hein. Da gab es teilweise Krach zu hören, den der MDR sich auf Life nie getraut hätte... Wieso also sollten die Privaten sanfter gewesen sein als Life? Die zweite Serie der Privaten (Radio Brocken, Antenne Sachsen, Landeswelle Thüringen) war hingegen als definitiv "älter", softer und oldielastiger gestartet.
Und die Leute bei Life hatten was drauf. Die meisten kamen von hier!
Hat das eine zwingend was mit dem anderen zu tun? Für mich klang das oft wie "Schallplattenalleinunterhalter" auf LPG-Kulturhausniveau *sorry*... Gute Radioleute gibts in Ost und West, auch heute noch. Und neben ihrem Talent entscheidet nach wie vor das Korsett des Programms, wie sie wirken. Einen Ralf Bieniek wollte ich mir z.B. auf Jump nicht mehr anhören, das war aua³.
Aber ob ein so harter Schnitt mit neuem Namen und Mod´s nötig war?
Ich bin ziemlich davon überzeugt, daß es unumgänglich war. Schließlich hatte man schon unter Kneib und Vogel 2 mal versucht zu reformieren, ohne überzeugendes Ergebnis. Weitere Frickeleien hätten das ganze nur noch unglaubwürdiger gemacht, hier war eine radikale Neuorientierung fällig: Schiewack nannte die neue Zielgruppe die "jungen und dynamischen", ich sage einfach, er hat versucht, diejenigen abzugreifen, denen die Privaten und Life zu altbacken, zu lau waren. Jump war um Längen aggressiver, zumindest in der Anfangszeit.
Nun zeigt sich an den aktuellen Problemen bei Jump aber etwas, das möglicherweise ein Ost-Phänomen ist: es gibt keine Konstanz in der Produktwahl. Die Leute im Osten wählen ihren Radiosender offenbar bei Unlust genauso ab wie die Regierungsparteien in Sachsen-Anhalt. Warum, wäre zu untersuchen. Möglicherweise hat hier erstmal für lange Zeit nichts mehr Bestand, weil die Bevölkerung Anfang der 90er radikal jeglicher "Tradition" entrissen wurde. Andererseits halten sich die 3 "großen" Privaten erstaunlich konstant...
Mehr Wortbeiträge, Informationen, sanfte aber stetige Veränderungen!
Mehr Wort und mehr Infos bringt aber auch Jump nicht, und die waren erstmal erstaunlich erfolgreich und sind es trotz Kränkeleien auch heute noch...
Bauern3 schaltet doch auch keiner ab!!! Und die haben seit ca.10 Jahren sinkende MA.
Da isses wieder: im Altbundesgebiet gib es wesentlich mehr "Tradition", mehr "heilige Kühe", mehr "Unantastbares" als im Osten, wo man es seit den 90ern halt gewohnt ist, daß heute nichts so sein muß wie gestern. Im Osten blieb kein Stein auf dem anderen, das schlägt sich oft auch spürbar im Alltag nieder. Ein Land voller entwurzelter Menschen, mit oft sehr rüden Umgangsformen, die ich so im Altbundesgebiet kaum erlebt habe...
Eine Kontuinität wie etwa SAW oder PSR(Zahlenmäßig) ist einfach bei jüngeren Hörern nicht drin - oder die hören noch richtig hin!
Meine bescheidene Erfahrung mit jungen Menschen: die merken, wenn das Radio nicht authentisch das widerspiegelt, was es vorgibt zu sein. Wenn die "Szeneinfos" nicht wirklich aus den Clubs und von der Straße kommen, machen sie schnell zu. Und da hat im MDR-Gebiet kaum einer was zu bieten. Top40 vielleicht (noch) und evtl. Sputnik auf UKW, aber wer sonst? Erstaunt war ich darüber, daß erstaunlich viele Leute unter 30 OKs und NKLs eingespeichert haben und auch einzelne Sendungen benennen können. Für die meisten spielt Radio im Zeitalter von MP3 und DVD-Grabbing keine Rolle mehr. Die größten Musikfreaks in meinem Umfeld (auch der, der als DJ einen Teil seiner Kohle verdient) nutzen kein Radio.
Abschließend:an einer Fanseite wäre ich sehr interessiert!
Fan- und Chronikseiten sind schon was feines, auch wenn man kein Fan war - ist halt Zeitgeschichte. Dem steht allerdings (speziell im Falle des MDR) ein merkwürdig verkrampfter Umgang mit der verblichenen Marke entgegen. Die MDR Life - Gedenkseite wurde AFAIK auf Initiative des MDR geschlossen. Wenigstens "unblutig" isses wohl für Marci ausgegangen...