Die Frage nach den "intellektuellen" Unterschieden zwischen verschiedenen Musikrichtungen ist naturgemäß nicht so leicht zu beantworten. Wer solche Unterschiede jedoch per se bestreitet, oder diese allein über Texte definieren will (musikalische Qualität ist keineswegs textgebunden), macht es sich zu einfach.
Ich versuche es mal mit einer spontanen Gedankensammlung, die sicher ebenso unvollständig wie diskussionswürdig sein dürfte.
Dabei unterscheide ich zunächst zwischen qualitativem und kommerziellem Anspruch, sozialer Herkunft und Zielrichtung sowie intellektueller Wechselwirkung.
Die Intellektualilität von Musik muß dabei differenziert werden in:
- den Intellekt des Komponisten/Produzenten
- den Intellekt des Rezipienten/Konsumenten.
Hier darf man feststellen, daß zwischen beiden Gruppen eine intellektuelle Kommunikation stattfindett, was allerdings keine notwendige Bedingung darstellt (vulgo: auch ein Dummbeutel kann Gefallen an qualitativ hochwertiger Musik finden vice versa.).
Die oben dargestellten Wechselwirkungen gelten auch für die soziale Interaktion zwischen Machern und Konsumenten von Musik (Der Besuch eines Auftritts z.B. der "Flippers", eines Punk-Konzertes, eines Jazz-Happenings oder eines Techno-Raves dürften hierbei zur Veranschaulichung recht aufschlußreich sein).
Schwieriger wird es allerdings bei der qualitativen Beurteilung, da hier doch mannigfaltige Faktoren zum Tragen kommen, wie Anspruch, Intellekt und Können des Musikers, Geschmack, Erwartung und Urteilskraft des Konsumenten. Zur Diskussion stellen möchte ich jedoch hierbei die Annahme, daß es eine Beziehung zwischen dem kommerziellen Anspruch des Produzenten und der, über das rein handwerkliche hinausgehenden Qualität des Produktes gibt: Schlager und leichte Popmusik sind auf eine möglichst breite Zielgruppe zugeschnitten und bedienen anhand ihrer musikalischen Schemata und textlichen Einfältigkeit die gewünschten Klischees und Sehnsüchte der Konsumenten (Herz,Schmerz, Glück, ferne Länder, leben wie die Schönen und Reichen).
Je höher der Intellekt und der musikalische Anspruch des Produzenten, desto untergeordneter die kommerzielle Gewinnabsicht: einem K.H. Stockhausen dürfte es herzlich egal sein, ob seine Werke von einer breiten Zielgruppe präferiert werden, oder nicht.
Andererseits können auch z.B. Schlagerproduzenten von überdurchschnittlichem Intellekt sein, doch weisen sie zumeist dennoch eine hohe Affinität zu ihren Produkten auf (Anspruch!).
Wie ohnehin die Affinität zur gehörten Musik mit der Sozialisation des Konsumenten interagiert. Neudeutsch ausgedrückt: Es besteht oft ein enger Zusammenhang zwischen sog. Lifestylegruppen und der präferierten Musikrichtung.
Noch ein Wort zu den hier immer wieder als "Dudelfunk" diskreditierten AC/HOT-AC-Stationen:
Diese bedienen durchaus unterschiedliche soziale Schichten von Rezipienten, in deren Prioritätenleiter Werte, wie "Musik" oder gar "Radio" eine eher untergeordnete Rolle spielen (da sind wir wieder beim Begriff "Sekundärmedium"). Deutsche Schlager allerdings werden von diesen Hörergruppen eben daher zumeist abgelehnt, weil die verständlichen und zumeist doch recht einfältigen Texte einen Irritationsfaktor im Musikteppich darstellen, was, wie hier an anderer Stelle bereits festgestellt wurde, bei englischen Texten weniger auffällig ist.
Die Frage, ob Schlagerkonsumenten intellektuell unterprivilegiert sind im Vergleich z.B. zu Jazz-Liebhabern, darf anhand meiner Ausführungen jeder für sich selbst schlußfolgern.