Müssen Radio-Nachrichten live sein?

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Es geht darum, das in diesem Thread selbst die Verzögerung beim Iternetradio gegenüber UKW als nicht live angesehen wird.
 
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So Ihr Lieben, da will ich nach zwei Wochen doch nohmal schnell eine Antwort schreiben, weil der Thread gerade eine sehr interessante und grundlegende Radioproblematik berührt (zumindest aus meiner Sicht). Um mal richtig sentimental zu werden, will ich konstatieren, dass für mich die ursprüngliche Faszination des Radios war (und der Grund/Motivation, warum ich selber dann viele Jahre Radio gemacht habe), dass da zu jeder Tages- und Nachtzeit da gerade "Einer" am Mikro sitzt, Dinge erzählt, und ich sonstwo unterwegs, quasi einen echten Begleiter am Ohr hatte. Um es mit noch mehr Schmalz auszudrücken: ... my only friend through teenage nights .... DAS war Radio, stets und ständig live. HR 3, Werner Reinke, Rainer Maria Ehrhardt etc. Live mit allem Zubehör, Versprecher, Falsche Elemente, falsche O Töne, Hustenanfälle, dumme Antworten im Live-Interview, sexistischer Kram (aus heutiger Sicht). Das ist Radio. So, und jetzt mal Sentimentalität wieder aus. Der Radiomacher in mir hat dann später wiederum gesehen, dass vieles Illusion war - und leider die nüchtern denkenden und alles optimierenden Geschäftsführer und Programmchefs der Sender Nachrichten einkaufen aus Bayern, um sie in Rostock zu senden, der halbe Sendetag aus voicetracking besteht, niemand mehr Telefoninterviews live wagt (und 90% der Mods sowas auch garnicht mehr können) - und eigentlich alles vorproduziert ist. Der ursprüngliche Radiocharme ist verflogen, geblieben ist eine sauber professionell produzierte Radioimitation mit Live-Application. Da ich aber kein Naivling bin, und die Dinge sich verändern, kehre ich zu meine ersten Posting inhaltlich zurück. Live-News sind kein Muss. Wichtig ist der Inhalt. stimmt da alles, dann können die News gern aufgezeichent sein, weil so die Abläufe optimiert werden können. Das ist durchaus professionell.
Und für meine puristischen Radiovorlieben werde ich wohl eine eigene Station aufmachen müssen, auf UKW selbstverständlich!!! :)
 
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Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Nein! Live-on-tape ist übrigens nicht erst seit der NDR-Talkshow üblich. Und keiner hat es gemerkt. Es gibt Gründe dafür, es so zu machen (Programmfluß, Backtiming etc.). Radioromantik ist hier fehl am Platz. Es hilft dem Produkt, damit es professioneller wird (vorausgesetzt die Technik stimmt). Und jetzt bitte Shitstorm ;).
 
Wir haben zwei Diskussionen:
1. Was ist (technisch gesehen) live, was ist nicht live und darf deshalb auch nicht so bezeichnet werden. Ich glaube, da sind wir uns weitgehend einig geworden.
2. Was ist besser? Oder was ist in welchem Fall besser? Hier streiten sich die Geister und da stimme ich @Wanderdüne zu, dass Radioromantik fehl am Platze ist. Die Entscheidung ist situationsbedingt. Die Live-Reportage aus einem Kriegsgebiet ist möglicherweise handwerklich mit vielen Mängeln behaftet, aber so authentisch und auch gar nicht anders zu machen, dass es alle anderen Argumente schlägt. Das sorgfältig geschnittene, bearbeitete und auf Sendezeit gebrachte Interview kann Sinn machen, zumal dann, wenn es kein strittiges, kontroverses und emotionales Interview ist. Sollte es aber emotional geführt sein, dann nimmt jeder nachträgliche Schnitt von dieser Emotionalität etwas weg und macht es damit langweiliger/uninteressanter und weniger aussagekräftig. Ich denke, der Inhalt und die Erfahrung des Redakteurs/Moderators, wann was wie am besten einzusetzen ist, spielt hier eine große Rolle. Was keine Rolle spielen sollte, aber leider immer stärker dominiert, sind die Faktoren Bequemlichkeit, Kapazitäten/Personal und vorgefertigtes Programmschema.
 
Alles richtig, @Mannis Fan. Schlagen wir aber die Brücke zu den Nachrichten:

Es gibt Gründe dafür, es so zu machen (Programmfluß, Backtiming etc.). [...] Es hilft dem Produkt, damit es professioneller wird (vorausgesetzt die Technik stimmt).

Auch eine Live-Nachrichtensendung professionell über die Bühne zu bringen, halte ich weiterhin für eine lösbare Aufgabe. Und um eine Aufzeichnung mit möglichst wenig Zeitversatz zur Ausstrahlung zu produzieren, darf man eh nicht allzu früh aufzeichnen, da sonst schon wieder der Aktualitätswert der Nachrichten in Mitleidenschaft gezogen wird. Ergo darf ich nicht so viele Fehler in meine Konserve packen, weil ich die Aufnahme sonst hinterher zu aufwendig bearbeiten müsste, wofür die Zeit nicht reicht. Also kann man die Meldungen doch gleich live verlesen, und das Produkt wirkt immer noch professionell.

Mit Radioromantik hat das in der Tat nichts zu tun. Romantisch waren meine ersten Live-Einsätze Ende der 80er nämlich ganz sicher auch nicht: Zur vollen Stunde wurde der Nachrichten-Bumper abgefahren, sieben Sekunden später musste ich mit den Meldungen beginnen. Und alle konnten zuhören. Ich war natürlich angespannt bis zum Gehtnichtmehr, letztendlich hat es aber trotzdem funktioniert und mit der Zeit kam die Routine.
Weshalb das heute nicht mehr möglich sein sollte, erschließt sich mir nicht. Insofern kann man Nachrichten schon im Voraus produzieren, wenn die Aktualität gewährleistet ist, ich erkenne nur keinerlei Nutzen.
 
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum vieles für Vorproduktion spricht. Die Nutzung, auch von linearen Radioangeboten, wird im Zeitalter immer stärker fragmentiert. Nachrichten sind faktisch als "zentrale Dienste" anzusehen, die auf mehreren Programmen ausgestrahlt werden können, sofern die Zielgruppe passt. Ferner kann ich die Nachrichten besser "einbetten" ins laufende Programm und somit den Programmfluss erhöhen. Wesentlich wichtiger sind aber die sich verändernden Nutzungsgewohnheiten. Alexa macht es uns doch faktisch vor. Ich möchte die Nachrichten, im Idealfall "meines" Senders zu jeder Zeit in der aktuellsten Fassung verfügbar haben. Bevor ich einen Mitschnitt irgendwo hinlegen muss, produziere ich es von vornherein doch als Einzelelement und kann es dann entsprechend verteilen: Für lineare Produkte und On-Demand. Am Ende spricht, wie nahezu für alle Programmbausteine mit einem USP und Mehrwert, allein das Prozessmanagement und Effizienz für eine derartige Produktionsweise. Und wie schon bei sovielen Live-on-Tape Produktionen im TV-Bereich - am Ende merkt es keiner. Und wen stört es am Ende?
 
Wen stört es, wenn der Käse nicht mehr Käse, sondern Analogkäse ist. Die Mehrheit sicher nicht. Und bald wird man den Geschmack von echtem Käse auch vergessen haben, wenn man ihn lange genug nicht mehr im Mund hatte. Und es ist wie alle Lebensmittel mit einem "USP und Mehrwert, allein das Prozessmanagement und Effizienz, die für eine derartige Produktionsweise" sprechen.
 
Der Käsevergleich hinkt. Denn es ist, um in Deinem Bild zu bleiben, derselbe Käse. Nur mit dem Unterschied, dass es Deinen Käse nur immer um Punkt zur vollen Stunde an der Käsetheke gibt. Und da stelle ich mir die Frage, warum ich denselben Käse nicht zu jeder Zeit und überall genießen kann. Übertragen auf die reale Welt bedeutet es doch dasselbe: Ich will überall und jederzeit Verfügbarkeit von Content. Da komme ich mit der alten Produktionsweise eben nicht weiter, sondern muss vertrauen, dass mein Kunde immer zur vollen Stunde zur Käsetheke kommt. Wenn es aber andere gibt, die ihm einen ebenso guten Käse anbieten, und zwar überall und jederzeit, dann wird es immer weniger Kunden an der Käsetheke geben. Also muss ich doch als Sender meine Produktionsweise umstellen. Dass es dann im linearen Programm als Live-on-tape läuft ist halt so, schadet aber auch nicht.

Kleiner Nachtrag: Der erfolgreichste Sender in Berlin verfügt ja auch über einen Moderator, der jeden Tag morgens live ist :D. Daher nochmals meine Frage: Wer merkt es (wenn er es nicht weiß) und wen stört es?
 
Mir ist nur wichtig, dass die Meldungen aktuell sind. Ob das Live gesprochen oder eine viertel Stunde zuvor aufgezeichnet wurde empfinde ich eher als belanglos.
 
@FrankSch: Voll einverstanden! Es geht ja auch nicht darum, alte News zu produzieren und anzubieten. Ich halte nichts davon, wenn Sender gegen 21 Uhr News bis 5 Uhr vorproduzieren in diversen Variationen (damit der Hörer nichts merkt. Mein Gott, wenn da mal was passiert, da schleifen die umgefallene Mülltonnen bis zum Sonnenaufgang durch die News, während woanders die Hütte brennt....). Wenn ich als Sender schon auf so einer Schiene bin (und dass sind ja auch schon größere Sender, die es wirtschaftlich nicht nötig hätten - warum schauen da eigentlich nicht die LMAs drauf?), dann sollte ich die News einkaufen, von mir auch in Kiel von einer gewissen Firma die zwar REGIOnal ist (und nicht in CASTrop-Rauxel sitzt), wenngleich da noch viel qualitative Luft nach oben ist, um nicht zu sagen, sehr viel....

Aber wenn veränderte Workflows ermöglichen, dass Programmfluss und Optionen für anderweitige Verwertungen (z.B. On-Demand) und (Kosten-)Effizienz sprechen, why not?
 
Wanderdüne, ich hab mich echt aufgeregt ... wahrscheinlich hast du auch noch die Möglichkeit, dein Denken unter die Leute zu bringen. Festnetzfreak stimme ich sehr viel eher zu. Herrschaftszeiten nochmal (Wanderdüne und Co.): Es kann doch nicht alles nur unter Effizienzgesichtspunkten gesehen und VERWALTET werden. ZUM KOTZEN (so eine Haltung). Wäre es eigentlich egal, ob man (zum Beispiel) eine Party besucht (oder nachher, zeitversetzt) ein Video davon konsumiert? (NEIN, natürlich nicht). Macht von mir aus einen auf Bestattungsunternehmer, da wäre ich mal gespannt (wenn`s mich vermutlich auch erst recht schaudern würde), wie (innovativ oder auch nicht) ihr das Leben bzw. den Tod verwalten würdet. Nachrichten müssen LIVE sein, was sollte denn sonst überhaupt noch live sein ... Das Leben ist seltsamerweise auch live ... irgendwie und immer noch ... bin mal gespannt, wer daran irgendwann noch rumschraubt ... Nichts für ungut, aber es gibt auch noch Leute mit Leidenschaft ...
 
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