Musikplanung im Hörfunk: Völlig am Publikum vorbei?

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Es gibt übrigens noch das Phänomen des überraschenden Markterfolgs. Of Monsters and Men, Foster the People und Bastille hatte lange keiner auf dem Radar, der Musikberater hatte auch sehr lange mit der Freigabe gezögert und diese erst erteilt als es gar nicht mehr anders ging (die Songs bereits durch andere Medienkanäle so bekannt waren, dass man sie einsetzen musste). Ich bin aktuell nicht mehr im Funk aktiv, weiß aber von den Ex-Kollegen, dass derzeit eine ähnliche Diskussion um Arcade Fire läuft. Bisher waren die ein absolutes Radio-no-Go, aber mit "Reflektor" haben sie in vielen Ländern plötzlich einen großen Single-Erfolg. Man muss nun sehen, wie das Ding in Deutschland testet, bisher ist die Freigabe noch nicht da. Na ja, vielleicht zu Weihnachten platzt der Knoten (dann muss es aber mindestens Top 10 der Single-Charts erreichen). Da sieht man aber auch dass nicht nur die Berater entscheiden was gespielt wird. Das kann alles auch alleine marktbetrieben sein.

BTW: Wir hatten auch den ein oder anderen Song eingeplant, obwohl die Freigabe noch nicht da war. Hat uns einfach alles zu lange gedauert. So war's etwa mit "Luftbahn" von Deichkind. Der MUSSTE einfach auf die Playliste, vor allem weil sich viele im Sendegebiet mit dieser Truppe identifizieren konnten.
 
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Ich selbst würde mich als ziemlichen Hardcore-Radiohörer bezeichnen, imun gegen Mist aller Art, dennoch bereit, aus Interesse jeden Schwachsinn auch mal anzuhören. Und wenn so einer wie ich dann zunehmend im Auto auf langen Fahrten lieber die CD einlegt, das will dann schon was heißen. Aber es passiert immer häufiger.
 
Ich bin aktuell nicht mehr im Funk aktiv, weiß aber von den Ex-Kollegen, dass derzeit eine ähnliche Diskussion um Arcade Fire läuft. Bisher waren die ein absolutes Radio-no-Go, aber mit "Reflektor" haben sie in vielen Ländern plötzlich einen großen Single-Erfolg. Man muss nun sehen, wie das Ding in Deutschland testet, bisher ist die Freigabe noch nicht da. Na ja, vielleicht zu Weihnachten platzt der Knoten ...

Mal abgesehen von meiner Frage hoffe ich mal inständig, dass man nicht eine weitere Alternative Band versaut, indem man "die eine" Single ein Jahr sinnlos rauf- und runternudelt...

Aber wieso war Arcade Fire denn bisher ein No Go? Erstens sieht man zB an Mumford & Sons, dass das geneigt Publikum eh alles hört, auch, wenn's weder in die Playlist des betreffenden Lieblingssenders, noch in den eigenen - sofern überhaupt noch vorhanden - Musikgeschmack passt. Und zweitens hat es ein paar Singles gegeben (Intervention, The Suburbs...), die doch radiotauglich genug sind - der Vermarktungsaufwand hält sich angesichts der Musikdownload-Option doch auch in Grenzen, oder?
Welche Kriterien greifen denn da?
 
@Coffey77: Da kann ich nur mit dem antworten für das Arcade Fire in der Beraterbranche stehen: Reine Album-Band, Depri, Gejaule, macht miese Stimmung, viel zu sperrig. Genau "mit dem einen Song" wird sich das Image auch nicht ändern. Siehe Kaiser Chiefs: Nach "Ruby" war keine der Nachfolgesingles radiotauglich. Auch von Foster the People und Of Monsters and Men kann man nix anderes spielen. Bei Bastille ist's was anderes, die Nachfolge-Single hat dem Musikberater weit weniger Bauchschmerzen bereitet als "Pompeii", das flutschte diesmal mit dem Sprung auf die Playlisten.

Ach ja, noch so ein Beispiel war "Video Games" von Lana del Rey. Ein absoluter Anti-Radio-Song. Da haben schon viele Faktoren mitgespielt (u.a. das Depri-Wetter/ drei Wochen Dauer-Hochnebel in Deutschland im vorletzten Dezember), das der überhaupt auf die Playlisten kam.
 
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Es gibt darüber empirische Studien, und demzufolge würdet ihr auch verstehen warum von ABC nur "The Look of Love" geht und nicht etwa "Poison Arrow", auch wenn es ähnlich erfolgreich war ("Poison Arrow" mag ich sehr, aber der Song fügt sich harmonisch in keinen Musikflow ein und eckt viel zu sehr an).

Mal angenommen, das würde ich richtigen Leben so funktionieren, wie du es da beschreibst: was ist dann mit "Be Near Me" und "When Smokey Sings"? Und wieso höre ich nirgends "The Fixx" und "Wang Chung", wenn wir schon dabei sind?

Und zum Thema Musikflow mal ein Original-Playlisten-Auszug von Life Radio, meinem heurigen "Sozialprojekt" ;)

13.07 Max - Cant wait until tonight
13.10 Deep Purple - Smoke on the Water
13.19 Loreen - Euphoria
13.21 Roxette - Sleeping in my Car
13.28 Reamonn - Supergirl
13.31 Falco - Vienna Calling
13.36 No Doubt - Settle Down
13.39 Yazoo - Dont go

oder:

13.50 Queen - Who wants to live forever
13.59 Rihanna - Diamonds
14.03 Bob Marley & the Wailers - Buffalo Soldiers
14.06 Shakira - Underneath my Clothes
14.09 Cher - Believe
14.21 David Christie - Saddle up
14.27 Silbermond - Himmel auf
14.30 David Bowie - China Girl

Die haben auch Erfolg (zumindest steigen Marktanteile und Facebook-Likes... - aber ich sehe da keinen Musikflow

BTW. Das "polarisierende und unharmonische" "Shout" ist zB der einzige Tears for Fears-Song in der Life Radio Playlist...
 
Genau "mit dem einen Song" wird sich das Image auch nicht ändern. Siehe Kaiser Chiefs: Nach "Ruby" war keine der Nachfolgesingles radiotauglich. Auch von Foster the People und Of Monsters and Men kann man nix anderes spielen.

Wie argumentieren diese Berater dann, dass man plötzlich Mumford & Sons spielen kann - und zwar genau diesen einen Titel, der das Image auch nicht ändert - davor und danach aber nix, obwohl die Singles - mit Verlaub - ziemlich ähnlich klingen? Geht es hier nicht um das Abbrennen einzelner Raketenstufen, um das vordergründige "Wir haben wieder eine neue Band entdeckt" - mit anderen Worten eine astreine Einweg-Musik-Strategie?
 
Ist das Life Radio Austria? Na ja, es holpert in der Tat, aber jeder Song ist bekannt und gut getestet. Und Mumford/Sons setzen zumindest die großen Privaten hier im Norden nicht ein.
 
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Wie argumentieren diese Berater dann, dass man plötzlich Mumford & Sons spielen kann - und zwar genau diesen einen Titel, der das Image auch nicht ändert - davor und danach aber nix, obwohl die Singles - mit Verlaub - ziemlich ähnlich klingen? Geht es hier nicht um das Abbrennen einzelner Raketenstufen, um das vordergründige "Wir haben wieder eine neue Band entdeckt" - mit anderen Worten eine astreine Einweg-Musik-Strategie?

Neuentdeckung? Und das wo die Band schon seit 2009 im US-amerikanischen Alternative-Radio Hit um Hit landet? Mainstream-tauglich ist sie deswegen noch lange nicht. Erst als die Band 2012 mit "I Will Wait" einen Hot-AC-Hit hatte liegen die Agenten der Plattenfirmen den deutschen Radioverantwortlichen mit der Gruppe in den Ohren. Eineinhalb Jahre und vier Singles später ist der Mainstream-Erfolg verpufft, deswegen zieren sich die Berater, die anhand ihrer "Researches" wohl vor allem die zu erwartenden Provisionen aus dem Plattengeschäft ausloten wollen. Ein alternatives Rockformat wird vom deutschen Kommerzfunk ohnehin nicht angeboten.
 
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Was um Himmels Willen ist "Hitmusik"?
Um mal auf den Gegenstrom einzugehen: Ich hab ja nix dagegen, dass es ein paar Sender gibt, die Lady Gaga und Co. spielen. Es mag ein paar Leute geben, die das hören wollen. Es fehlen einfach die Alternativen. Ach ja, "Mad World" hab ich schon häufig im Radio gehört, ebenso Pale Shelter. Auf durchaus viel gehörten Programmen. Oder würdest Du BBC Radio 2 und Studio Brussel sowie Radio 2 (NL) als Minderheitenprogramme einstufen? Eben, geht doch! Mit fähigen Musikredakteuren wird das was. Die Titel wollen eben auch entsprechend ins Programm eingebettet werden, manche eignen sich auch nur für bestimmte Tageszeiten.
 
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Ach ja, "Mad World" hab ich schon häufig im Radio gehört, ebenso Pale Shelter. Auf durchaus viel gehörten Programmen. Oder würdest Du BBC Radio 2 und Studio Brussel sowie Radio 2 (NL) als Minderheitenprogramme einstufen? Eben, geht doch!
Schön, dass das hier auch mal so konkret Erwähnung findet. Alle von Gegenstromanlage genannten Titel (und noch wesentlich "sperrigere") dürften einen großen Teil des Programms von Studio Brussel ausmachen, und die Flamen fahren damit immerhin den Platz 3 in ihrer Sprachengemeinschaft (also der Mehrheit der Belgier) ein. Der deutsche Markt wäre durchaus groß genug, um sich bewusst gegen die ausschließlich bedenkenlos getestete Musik zu stellen, wenn man es denn nur wollte, einen langen Atem hat und das entsprechende Versorgungsgebiet hat.
Radioeins vom RBB spielt in der Hörergunst ebenfalls auf hohem Niveau (und setzt Arcade Fire und Konsorten auch im Tagesprogramm ein), es brauchte nur eine gewisse Zeit, bis sich das rumgesprochen hat.
Alternative AC ließe sich bei den rund 15 Millionen "radiohörfähigen" Nordrhein-Westfalen sicherlich auch erfolgreich landesweit vermarkten, da wäre der Topf der interessierten sicherlich groß genug.

Das Deutschland so anders tickt als das europäische Ausland glaube ich nicht. SWF3 und SDR3 hatten damals mit durchaus "ausgefallenem" im Tagesprogramm ebenfalls keine schlechte Reichweite, man muss die Marke nur gut positionieren, pflegen und ein bisschen in Bewegung bleiben. Ein Stillstand auf den immergleichen Heulern ohne Aktionen und Höhepunkte im Programm wird langfristig (!) wohl eher nicht zum Erfolg führen, vor Allem zu einer Zeit, in denen auch weniger technikaffine neue Verbreitungswege und damit Programme und Möglichkeiten entdecken. Und blöde Gewinnspiele oder "ich lege dem Ex eine brennende Hundekotanhäufung vor die Tür"-Aktionen sind keine Höhepunkte. Außenübertragungen, Themenwochenenden, Spiele, bei denen man den Hörer nicht für völlig minderbemittelt hält schon eher.
 
Ja, Berry. Und wenn, dann verlinken wir doch gleich zur Playlist der aktuell laufenden Sendung:
http://www.bbc.co.uk/programmes/b03gg84h#segments
All das ist im Prinzip AC-Mainstream der letzten 50 Jahre. Und Radio 2 ist damit Marktführer in UK!
Trotzdem finde ich solch eine Mischung in keinem einzigen deutschen Programm. Man beachte: Das ist die Nachmittagsshow, nachts wird es dann schon etwas ausgefallener bei den Briten.
 
Coffey77 schrieb:
Wie argumentieren diese Berater dann, dass man plötzlich Mumford & Sons spielen kann - und zwar genau diesen einen Titel, der das Image auch nicht ändert - davor und danach aber nix, obwohl die Singles - mit Verlaub - ziemlich ähnlich klingen?
"Das testet gut/nicht gut."
 
Coffey77 schrieb:
Ein einziger Mumford & Sons-Titel wird als "gut" getestet - alle anderen danach nicht? Und alle von 2009 sind durchgefallen? Natürlich...genauso bei Foster the People, Brooke Fraser, Daft Punk etc. pp.
Möglicherweise basiert deine Einschätzung auf einer fundamental unvollständigen Kenntnis der Testanlagen.
 
Tears for Fears [...] Der dritte Megaerfolg der Band "Mad World" geht gar nicht, weil er eine düstere Depri-Stimmung verbreitet. Absolutes No Go fürs Radio.

Das Argument ist aber komplett desavouiert, seit es vor wenigen Jahren eine grauenhafte Coverversion davon gab (von Featurer featuring Gefeaturten; ich habe schlicht keine Lust, auch noch nachzuschauen, wie diese so umständlich angekündigten Suizidkandidaten hießen). Gaaanz langsam mit brüchiger Stimme vorgetragen; ohne Schlagzeug, nur mit Klafünf, Solostreicher und sphärigen Sphärenklängen. Ein Lehrbuchbeispiel für düstere Depristimmung. Seinerzeit von so ziemlich jeder AC-Tröte in die Rotation genommen.

Wundert sich wirklich noch jemand, wenn Beobachter nicht so recht glauben, daß das alles auf nichts anderem beruht als dem Sachverstand externer Berater?

ich kenne Leute, die gehen zu Symphonie- und Opernkonzerten und hören im Rundfunk Hitmusik

... da das Opernkonzert im NWDR so eine bittere Enttäuschung wurde, denn es lag nicht in ihrer Macht, nicht in ihrer Gewalt, die passierten Fehler wiedergutzumachen; sie haben das Band mit der Aufnahme der Maria Callas, es enthielt Szene und Arie der Gilda, Teurer Name, dessen Klang, nicht aufgefunden.

tomatenbewurf.gif
 
Dass Berater mit Sachverstand handeln, K 6, ist ja noch nicht ausgemacht. Es ist lediglich so, dass sie vielfach den Daumen drauf haben und auf kritische Frage mit Hinweisen auf schlechte Testergebnissen antworten.
 
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Und Radio 2 ist damit Marktführer in UK!

Pardon, aber bei der Reichweite ist das keine große Kunst. Die deutsche Beraterszene hat sich in den letzten Jahrzehnten erdreistet in Deutschland eine billige Kopie des britischen Dudelmainstreams zu etablieren, alle nationalen Musikmärkte geschleift und alles was nicht in den vorgegebenen Hot-AC-Raster passt hartnäckig ignoriert. So etwas disqualifiziert sich doch von selbst. Die BBC hat wenigstens noch eine gediegene Playlist, die Respekt gebietet.

Gäbe es im Einzelhandel dieselbe monopolistische Beraterkultur wie im Dödelradio hätten wir in allen Läden dieselben Marken ohne Gegenprodukte.
 
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