Musikplanung im Hörfunk: Völlig am Publikum vorbei?

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Das ist es ja. Von Manfred Mann`s Earth Band höre ich überall nur "Blinded by the light". Dass der Mann noch mindestens zwei Dutzend weitere radiofähige Hits im Portfolio hat, scheint an unseren Sendern irgendwie entgangen zu sein. Einen Titel machen sie kaputt, alle anderen verbannen sie ins Meer des Vergessens.
 
Die Sender, welche eine sehr mutige Playlist hat und sich in vielen Punkten von anderen Stationen unterscheiden will (und sich tatsächlich unterscheidet), der wird keinen Erfolg in Deutschland haben. Auch wenn es uns hier nicht passt!

Wo dümpeln denn die Nischensender rum? Hat Rockland Radio z.B. viel Zuspruch? Die breite Masse erreicht man damit nicht und so verdient ein Sender halt auch weniger Geld. Dann lieber ein aalglattes Programm ohne den Hörer zu verschrecken. Langweilig, aber erfolgreich.
 
Wo dümpeln denn die Nischensender rum? Hat Rockland Radio z.B. viel Zuspruch?

Sie sind ja noch nicht mal in der Lage Minderheiten optimal zu bedienen, wie wollen sie die Leute denn dann erst mit dem konturlosen Dudel-Mainstream überzeugen, der es niemandem recht machen kann?

Leute die so was hören, hören es leidenschaftslos und aus purer Gewohnheit, um beispielsweise nicht während der Fahrt zur Arbeit vom Schlaf übermannt zu werden; sie hören es noch - bis sich was Besseres findet. Spätestens mit dem nächsten Technologieschub brechen die Unter-40-Jährigen weg und die Alten lernen in ihrer technisch hochgezüchteten Benz-Karosse wie Internetradio geht - sofern sich nichts Einschneidendes ändert.

Viel Spaß noch beim Researchen.
 
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Die Sender, welche eine sehr mutige Playlist hat und sich in vielen Punkten von anderen Stationen unterscheiden will (und sich tatsächlich unterscheidet), der wird keinen Erfolg in Deutschland haben. Auch wenn es uns hier nicht passt!

Erst mal die tausenden, vergessenen Songs in die Playlisten integrieren. Das wäre dann noch lang kein Nischenradio. Madonna. The Police. Marc Cohn. Michael Bolton. Deswegen schaltet doch keiner um...

Sollte das mal einigermaßen erledigt sein, kann man sich über richtige Nischenprogramme unterhalten. Ich glaube nicht, dass Österreicher und Deutsche so verblödet sind, dass kein gut gemachtes Classic Rock Radio mit dem einen oder anderen Ausflug in andere Genres Erfolg haben kann. Dazu müsste man natürlich Typen am Mikrofon haben, die mehr drauf haben, als die Zeit anzusagen und die Zuschauer zu animieren, Fotos ihrer Außenthermometer auf Facebook zu posten. Und Typen, die das Ganze im Zweifelsfall vor irgendeinem Vorgesetzten zu verantworten willens und in der Lage sind.
 
K 6 schrieb:
Bezieht sich das jetzt stillschweigend nur auf Popmusik (im weiten Sinne) oder durchaus auf Musik jeglicher Art?
Bezieht sich stillschweigend und überhaupt auf genau die Sender, die sich so schön offensiv über Musik definieren: "Die größten Hits der..."
Was mitunter an echten Musikmagazinen etwa im DLF läuft, ist von ganz anderer Qualität (also überhaupt von Qualität) und durchaus geeignet, am Ende einer Sendung lediglich über ihre allzu überschaubare Länge verärgert zu sein.
 
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Tja, wer mitten im MA-Getriebe sieht verliert leicht den Überblick und wird angesichts all dieser "Besserwisserei" leicht zynisch. Bist du wirklich der Meinung, dass ein Eineinhalb-Format-Radio Gnade vor dem Angesicht der Hörer findet und findest du es sinnvoll solche Verhältnisse auch noch offensiv zu verteidigen? Jetzt sage ich dir mal was eine Top-40-, eine Country- oder eine Rock-Station in erster Linie spielt: Aktuelle Neuerscheinungen, die dem Musikfan den Mund wässrig machen sollen, und die von den Plattenmanagements in Nashville, New York oder LA als geeignet erachtet wurden eine möglichst große Käuferschaft innerhalb der empfänglichen Hörerschaft anzusprechen. Dazu schließen sich die Plattenmanager mit den Zentralen der Radioketten kurz und tragen Sorge dafür, dass ihre Neuerscheinungen auch ausreichend gewürdigt werden. Dass das ohne finanzielle Freundschaftspflege nicht zu bewerkstelligen ist steht außer Frage.

Danke für die Aufklärung und deinen Blick vom Feldherrenhügel, darauf wäre gar nicht gekommen. Payola ist eine uralte Geschichte. Die kommen mehr oder weniger in jedem System vor. Das Musikgeschäft ist ein People-Business in dem jeder fast jeden kennt. Aus eigener Erfahrung weiss ich sehr genau, promoten kann man nur Titel, Bands, Stile mit Potential. Wenn das fehlt, dann kannst Du jede Stunde so etwas spielen, es wird nicht funktionieren. Heute im Zeitalter von Social Media kommt dann auch noch nicht steuerbarer Feedback dazu. Die Plattengesellschaften waren sicher einmal mächtig. Nur davon kann die Musikindustrie heute nur noch von träumen.

Ich weiß nicht welche alternative Rockwelle sich in erster Linie an Über-35-Jährige richtet (wohl eher reichweitenschwache Triple-A-Stationen, kaum Alternative-Radios selbst); innerhalb der AC-Schiene und bei retrospektiven aber immer konsequent ausgerichteten Formatablegern (Urban AC, Classic Hits, Classic Rock, Classic Country, Rhythmic Oldies etc.) spielen Musikresearches sehr wohl eine bedeutende Rolle, hier machen sie aber auch Sinn, zumal anders als in Deutschland sichergestellt ist, dass sich die Musikzusammenstellung der einzelnen Programme erheblich voneinander unterscheidet. In den 90er-Jahren waren die Wünsche und Erwartungen der Zielgruppe noch richtungsweisend für die Programmgestaltung, TSL und Durchhörbarkeit waren von ausschlaggebender Bedeutung für die meist dezentrale Musikplanung. Seit das Medium Radio zunehmend erodiert ist der Musikkonsum die bedeutendste Richtschnur für die Titelauswahl, was zu kleineren Rotationen und aggressiven Promotionsstrategien geführt hat.

Mir sind keine Alternative Stationen mit Zielgruppe 35plus bekannt. Ich schrieb von bis 35 Jahren. In den USA ist nichts sichergestellt. Wer Formatunsinn betreibt verliert im Wettbewerb. Wie heisst es so schön, zuerst ändern sich die Zahlen, dann die Köpfe. Kündigungsschutz in den USA ist eher ein Fremdwort, wie allgemein bekannt ist. Es gab übrigens schon Radiokrisen in den USA, da haben etliche Stationen dichtgemacht oder wurden zu spendenfinanzierten Sender (oft kirchlich).

In Deutschland läuft hingegen alles verkehrt: Keine Auswahl, keine Ideen, keine Fachkompetenz - und all das gipfelt in ignoranten Beratern, die sich für die musikalischen Vorstellungen der Gesamtbevölkerung nicht im Ansatz interessieren und mittlerweile nur noch daran arbeiten, mithilfe wirtschaftlichen Drucks vonseiten des Werbekartells die selben zwei Dutzend Hitsingles in möglichst allen verfügbaren Dudelsendern zu installieren. Der Research dient nur noch dazu, die Resonanz auf die beworbenen Titel zu erkunden, die man dem Volk während der Anlaufphase vor die Füße warf. Wenn man weiß, was bei einer relativen Mehrheit am ehesten Zustimmung findet, weiß man auch was die beste Chance hat, gekauft zu werden. Ich möchte gar nicht danach fragen, was den deutschen Hörern alles vorenthalten bleibt, weil die allmächtigen Berater von Anfang an den Daumen darüber gesenkt haben. Formatvielfalt? Innovationen? I wo, der Aufwand wäre viel zu groß, man denke nur an die unüberschaubare Konkurrenz, die uns aus einer Marktliberalisierung erwüchse und 80% der Hörer sind uns eh piepschnurzegal. Diese Art von Radio wird nicht mehr alt, darauf kannst du wetten.

Ein Runnig Gag, die Werbekartelle und die Verschwörung der "Berater". Gefühlt habe ich es schon tausendmal geschrieben. Es gibt keine "Werbekartelle" in deinem Sinn in Deutschland und die nehmen schon gar keinen Einfluss auf das Programm. Warum, die großen Mediaagenturen buchen nach den Kriterien Reichweite, Preis (TKP) und Zielgruppe (zu 80% 14-49 bzw. die Abwandlungen). Musikformat, Programm, Moderation sind in eher selten Fällen ein Kriterium. Der Grund ist relativ einfach die Großkunden des Radios buchen weit überwiegend die Werbekombis und die sind nun einmal ein Konvolut.
 
Genau das ist eben der Fehler in Deutschland.

Wenn es tatsächlich was anderes gäbe, hätte die Werbe Wirtschaft eine Alternative, könnte sich die Zielgruppe aussuchen, die Spots entsprechend dieser Produzieren und im besten Fall würden alle glücklich inklusive der Hörer.
 
Ihr seht das falsch! Die Zielgruppe ist genau das Problem! Dudelfunker erreichen genau die Zielgruppe die sie wollen und zwar die breite Masse! Genau aus diesem Grund wird Radio formatiert und der kleinste gemeinsame Nenner gesucht, denn nur so ist sichergestellt das von jung bis alt, von dick bis dünn jeder zuhört und für die Werbenden auf jeden Fall immer was dabei ist!
 
Für die Macher mag es der kgN sein (kleinster gemeinsamer Nenner), für die Zielgruppen ist es dann eher das kgÜ (das kleinste gemeinsame Übel). Die Ursachen sind mannigfach: Vermarktungsoligopole, ahnungs- und mutlose Chefs, daraus resultierende blinde Beratergläubigkeit, das föderalistische und von den LMAs tlw. restriktiv geführte System, das kaum echte Konkurrenz zulässt und schon gar keinen breitgefächerten Markt der Formate, die "German Angst" vor der eigenen Courage...es ist nicht ein Knackpunkt, an dem die deutsche Radiolandschaft krankt, es ist ein ganzes Wellenmeer solcher. Ein Strudel, in dem die Branche zu ertrinken droht.
 
Bezieht sich stillschweigend und überhaupt auf genau die Sender, die sich so schön offensiv über Musik definieren: "Die größten Hits der..."

Du meinst, man sollte auch mal darüber sprechen, wie schon niemand mehr hinterfragt, was diese Definition stillschweigend impliziert? Halt das mit geringstmöglichem Aufwand produzierte Werbeumfeld, das bei den Leuten für möglichst lange Zeiträume unterschwellig vor sich hindudeln soll, um den Werbekunden gute Lottozahlen präsentieren zu können?

Ich wäre jedenfalls wirklich nicht auf die Idee gekommen, bei all' den Programmen, die sich über das Wort „Hit“ definieren, noch irgendwelche Angebote für Hörer zu vermuten, die sich für Musik (oder überhaupt für irgendetwas) interessieren.


Was mitunter an echten Musikmagazinen etwa im DLF läuft, ist von ganz anderer Qualität (also überhaupt von Qualität) und durchaus geeignet, am Ende einer Sendung lediglich über ihre allzu überschaubare Länge verärgert zu sein.

Es gibt oder gab nämlich durchaus Diskussionen darüber, wie die Tagesprogramme der ARD-Kulturprogramme aussehen, etwa von NDR Kultur oder Kulturradiovomerrbehbeh (zum kaputtkomprimierten Lounge-Gedudel des Frisörfunks aus Hölle/Saale erübrigen sich weitere Anmerkungen ohnehin).
 
Tja, nur dass diese Playlist nicht in deutschen Landen lief, wo diese Songs so gut wie scheintot sind. Nein, das lief im französischen Teil Belgiens, dort ist man mit dieser Fools Garden-Nummer eher der Underdog. Und "Sweet Home Alabama" haben in der Wallonie m.W. nur Classic21 und Nostalgie in der Rotation, und das auf sehr gemässigtem Niveau. Bei jeder Fahrt durch Deutschland begegnet mir dieser Song mit zugegebenermassen sehr eingängigem Gitarrenmotiv öfter als nach 5 Tagen im belgischen Äther. Ich denke, dass gerade eine solche Mischung bekannter und weniger bekannter Songs in einer gewissen Bandbreite und Vielfalt, ohne aber ein Grundkonzept aus den Augen zu verlieren, der richtige Weg ist. Das Programm, aus dem diese Playlist zitiert ist (ich kann es ja verraten, es handelt sich um Classic21 der RTBF), ist seit Jahren unter den Top5 der Radiostationen in seinem Markt. Man beachte, dass es sich um die Vormittagsschiene handelt, da ist die Musikauswahl relativ mainstreamig, abends und am Wochenende wird es da weitaus abenteuerlicher. Und genau das fehlt mittlerweile im deutschen Radio fast vollkommen.
Das Übel sind dann Ansichten wie jene von "Plattenschrank", die eben auf die Devise schwören: "Aneinanderreihen abgenudelter Tut-nicht-weh-Songs" versus "kruder Mix aus der Resterampe." Und dazwischen gibt es nix. Nur schwarz oder weiss. Der Mensch mag aber eine farbige Welt. Und die bekommt er im deutschen Musik/Unterhaltungs/Popradio nicht geboten!
 
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Wenn es nur eine Sorte Radio gibt, dann kannst Du Dich nicht für eine andere entscheiden. Und wenn Du Dich gegen das Radio entschieden hast, gehst Du dahin, wo Deine Musik und oder Informationen für Dich "aufbereitet" werden - Internet, Podcast, Streams.
Dann ist der Hörer fürs Radio aber verloren. Ist das denn Sinn der Sache?

Wer hat was davon?
Schaufelt sich das Radio also wir und unser Medium durch "die schlimmste Einfalt aller Zeiten" nicht das eigene Grab und das mit einem riesen Bagger?
 
Radio wird keine Hörer verlieren, jedenfalls nicht nach MA-Kriterien, weil dort gar nicht wirkliche "Hörer" ermittelt werden, sondern nur Bekanntheitsgrade.
Und selbst wenn all die Hörerreichweitenzahlen stimmen und diese Leute tasächlich ihr Radio angedreht haben, so heißt das noch lange nicht, dass sie wirklich zuhören. Die Kiste läuft halt.
 
Die mangelhafte Formatvielfalt, die Null-Innovation und die AC-Mainstream Gleichförmigkeit ist durchaus eine Gefahr. Das Medium Radio stagniert, wenn auch auf hohem Einnahmen-Niveau, seit Jahren in Deutschland. Wenn nur einige große nationale Werbekunden den Schalter umlegen, nämlich von on auf off, dann ist schnell zappenduster in diesem unserem Deutschen Radioland. Davon wären dann durchaus die lokalen Etats betroffen, denn einige Player schalten sowohl national als auch lokal. Die meisten Stationen haben ihren Lokalanteil zwar kräftig ausweiten können, aber viele Umsatzreserven gibt es da nicht mehr. Über kurz oder lang ist noch jede Branche die eine zu geringe Innovationsrate hatte in die Krise gekommen. Das ist eine Binse, aber wird von den Deutschen Sendern schlichtweg ignoriert. Nur weil etwas jahrelang gut gegangen ist, heisst es nicht das es nie eintritt. Wenn eine Krise kommt, dann über Nacht, schnell, hart und diesmal werden etliche Köpfe rollen und die Landschaft wird sich neu strukturieren. Monostrukturen sind anfällig, auch das ist Allgemeingut.

Ich empfehle allen einen kurzen Blick in die aktuelle MABB Studie zur wirtschaftlichen Lage im Hörfunkmarkt Berlin/Brdbg. Die fünf großen Stationen (104.6, rs2. Berliner Rdf, BB, Spreeradio) fahren stattliche Renditen (48%) ein. In der zweiten Liga (4 Stationen) wird es schon eng. Durchschnittliche Einnahmen: 3.0 Mio. zu Kosten: 2.6 Mio. Wenn der Umsatz um 10% sinkt würde, schrieben die Sender gerade noch so ein schwarze Null. Übriges der Rest (10 Stationen, als all die kleinen) ist defizitär und erreicht gerade noch eine Kostendeckung von 83% bzw. 84%.
 
Haarscharf erfasst, Herr Doktor. Ich werfe allerdings ein, dass der Sinn und Zweck der kleineren, defizitären Stationen in Berlin zumindest zum Teil vielleicht gar nicht die reine Gewinnerzielung ist. Es gibt durchaus auch andere Gründe, eine Frequenz zu belegen...von Konkurrenzverhinderung (was auch in anderen Bereichen nicht ganz so unüblich ist, ich wohnte einmal in der Nähe zweier Supermarktfilialen desselben Anbieters im Abstand von nur 200 Metern) bis hin zu Portfolio-Angebot, Synergie-Effekt, langfristige Strategie etc. pipapo. Abschreibungsobjekt könnte ich auch noch in den Raum stellen!
 
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