NDR-Intendant Plog fordert politikerfreie Rundfunkräte

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Leider ist sein Artikel in der "Zeit" (noch) nicht online.

CDU und CSU kritisieren scharf, mäkeln an Plog "märkwürdigem Demokratieverständnis" (Joachim Herrmann, CSU-Fraktionsschef LT Bayern) oder fordern seinen Rückzug (Günter Nooke, CDU). Aus der SPD kommen Ablehnung bis Diskussionsbereitschaft, von den Grünen liegt noch keine Reaktion vor, die FDP hat den Vorschlag begrüßt (Christian Sommer, medienpolitischer Sprecher).

Die Netzeitung berichtet: http://www.netzeitung.de/medien/321968.html
CDU: http://www.presseportal.de/story.htx?nr=639249
Spiegel: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,337591,00.html
Tages-: http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/20.01.2005/1600250.asp
 
AW: NDR-Intendant Plog fordert politikerfreie Rundfunkräte

Für alle nicht Norddeutschen sei die Geschichte, die offensichtlich hinter Plogs Äußerung steht, noch mal erklärt. Denn hier geht es um viel mehr als ein NDR - Problem. Es ist vielmehr eins, das vielleicht irgendwann mal alle Medien angeht!

Wie aus heiterm Himmel hat der Niedersäsische MP Christian Wulff vor ein paar Wochen erklärt, er wollen den Rundfunkstaatsvertrag der 4-Länder-Anstalt NDR möglicherweise nicht verlängern. Den Menschen in Niedersachsen erzählt er, er wolle damit erreichen, dass der NDR öfter über Ereignisse in Niedersachsen berichte. Allein das ist schon eine konkrete Regierungs-Einflussnahme auf die Programmgestaltung des NDR und somit in meinen Augen verfassungswiedrig.

Spätestens seit heute und dank des MPs von Mecklenburg - Vorpommern ist nun raus, was Wulff noch mit dem NDR vorhat (und was er den Bürgern in Niedersachsen meines Wissens nach bisher verschwiegen hat).

Hier gebe ich die Nachrichten von NDR Info heute abend wieder, die sich auf eine dpa - Meldung berufen, die ich aber nicht kenne:

Wulff will laut Ringsdorf (Ministerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern, SPD) die "Chefstrukturen" des NDR verändern. Der Verwaltungsrat solle zukünftig ZUR HÄLFTE (!!!) aus Vertretern der Staatskanzleien der Länder bestehen (also aus Vertretern der Regierung und nicht - wie bisher beim Rundfunkrat - des gesamten politischen Spektrums). Dieser Verwaltungsrat soll nicht nur wie bisher die Finanzen der Anstalt kontrollieren, sondern auch Mitglieder des Rundfunkrates benennen und entlassen können (und damit auch direkten Einfluss auf die Programmkontrolle bekommen, denn die obligt ja bekanntlich dem Rundfunkrat).

DAS ist die politische Einflussnahme, die Plog meiner Ansicht nach meint - und zu Recht ablehnt. Ohne Zweifel sind auch jetzt schon Parteien in den Gremien der Anstalten, aber eben nur als Teil des demokratischen Gesellschaftsbildes und nicht als maßgebliche Kraft. Plog will meiner Ansicht nach nur diesen Status verteidigen, und nicht sämtliche Politiker aus den Gremien raushaben (wie in Bayern der Öffentlichkeit mal wieder vorgelogen wird).

Wenn sich Wulff durchsetzen sollte, würde das für den NDR bedeuten: Unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl in Schleswig - Holstein hätte die CDU (mit ihren Vertretern aus Niedersachsen und Hamburg) einen - ich will nicht sagen absolut entscheidenden, aber zumindest einen schwergewichtigen Einfluss auf den NDR. Bis hin zur Besetzung von Chefredakteuren oder Wellenchefs. Und das wiederum wirkt sich direkt auf's Programm aus!

Also, im schlimmsten Fall: Wegen der andauernden Werbekrise steuern sich die Privatsender im Norden immer mehr in eine wirtschaftliche Abhängigkeit (von einzelnen Werbekunden z.B.), und die öffentlich-rechtlichen Sender bekommen den politischen Maulkorb. Vorbei wärs mit der Unabhängigkeit des gesamten Rundfunks.

Plog wird immer wieder in diesem Zusammenhang "seltsames Demokratieverständnis" vorgeworfen. In meinen Augen ist der Einzige, der ein "seltsames" (um nicht zu sagen in dieser Angelegenheit fragwürdiges) Demokratieverständnis hat, der Niedersäsische MP Christian Wulff. Welchen Vorteil hat sein Vorschlag - für den NDR, für die Bürger in Niedersachsen oder sogar für die Demokratie. Wer profitiert davon? Diese Fragen muss man sich stellen.

Dabei sollte man nicht vergessen, das in Niedersachsen vergangenes Jahr SPD-nahe Unternehmen ihre Anteile an ffn und Antenne abgeben mussten - um "damit die politische Unabhängigkeit des Rundfunks zu sichern" (Zitat Wulff).

Es drohen hier USA-Verhältnisse (wo der Chef der obersten Medienaufsicht ein enger Verwandter von George W. Bush ist).

Da sei das Bundesverfassungsgericht vor (hoffentlich befassen die sich auch mit dem Thema).
 
AW: NDR-Intendant Plog fordert politikerfreie Rundfunkräte

Beobachtet doch mal die Zugriffszahlen für dieses schon sehr wichtige Thema. Selbst Radioleute interessieren sich mehr dafür, dass 2 Moderatoren von einem zum anderen Sender wechseln. Lässt ein Lokalsender einen Pfurz, gibt es binnen 2 Tagen 40 Meinungen......aber in diesem Fall (also Politik), da wird es schon schwerer. Dämmert es euch langsam ? Otto Normalo wird sich für diese "kleinen" politischen Dinge auch nicht interessieren, Hauptsache ist, dass abends die Flasche Bier auf dem Tisch steht und die Frau Gemahlin willig ist.
 
AW: NDR-Intendant Plog fordert politikerfreie Rundfunkräte

Nun, man kann das auch ein wenig differenzierter sehen. So darf man wohl mit einigem Recht fragen, was eigentlich Kirchen oder Gewerkschaften, beides Institutionen, die jeweils nur noch Minderheiten vertreten, in den Rundfunkräten zu suchen haben.

Wenn Herr Tölle vom DGB Niedersachsen "auf die demokratisch legitimierten Gremien des Senders" verweist, darf man weiters die Frage stellen, ob die von den Parlamenten (Volksvertretern) gewählten Landesregierungen etwa keine demokratische Legitimation haben, wenn sie Vertreter in den Verwaltungsrat entsenden. Interessant wäre auch, welche demokratischen Verfahren Herrn Tölle oder seine Genossen in den Rundfunkrat des NDR gebracht haben - das gemeine IG-Metall- oder verDi-Mitglied jedenfalls hat sie kaum dort hinein gewählt.

Auch wird wohl niemand bestreiten, daß Rundfunkräte mit 40, 50 oder, wie im Fall des NDR, fast 60 Mitgliedern kaum ein effizientes Gremium darstellen. Für die meisten ihrer Mitglieder dienen sie letztlich wohl nur dazu, noch ein Pöstchen und damit noch eine Aufwandsentschädigung einzusammeln. Eine Verkleinerung muß also nicht per se etwas schlechtes sein.

Daß mit SPD, Grünen und Gewerkschaften ausgerechnet diejenigen vor einer Gefahr für die Unabhängigkeit des NDR warnen, die diesen Sender über Jahre zu ihrer persönlichen Hofberichtanstalt gemacht haben, kann in diesem Zusammenhang letztlich wenig verwundern. Es wird doch wohl niemand behaupten wollen, daß sie die für sie goldenen Zeiten, in denen alle vier NDR-Länder sozialdemokratisch regiert waren, nicht zur gezielten Besetzung von Posten und damit zur Einflußnahme genutzt hätten. "Unabhängigkeit" ist für diese Gruppen in der Regel immer nur dann gewährleistet, wenn sie das Sagen haben und die bürgerliche Seite nicht.

Und was die laut radiodiplom angeblich drohenden "USA-Verhältnisse" (Verwandschaftsbeziehungen) angeht: Hätte die SPD die Bürgerschaftswahl in Hamburg gewonnen, wäre die Wellenchefin von NDR Kultur gleichzeitig die First Lady der Hansestadt gewesen. Merkt jemand was?
 
AW: NDR-Intendant Plog fordert politikerfreie Rundfunkräte

Schnuffel schrieb:
Beobachtet doch mal die Zugriffszahlen für dieses schon sehr wichtige Thema.
Welches wichtige Thema? Man hätte schon den Titel NDR vor dem Aus? wählen müssen, wenn man darauf hinweisen möchte...
 
AW: NDR-Intendant Plog fordert politikerfreie Rundfunkräte

@makeitso

Was die gesellschaftliche Repräsentanz von Kirchen angeht, stimme ich Dir zu. Und auch wenn andere Parteien als die CDU Einfluss auf den NDR genommen haben - das ist in meinen Augen grundsätzlich abzulehnen.

Nur jetzt ist es eben gerade die CDU und Christian Wulff, der tatsächlich - wie K 6 schon bemerkt hat - in die Fußstapfen von Ernst Albrecht (und damit auch in die von Konrad Adenauer in Sachen Medienpolitik) tritt.

Übrigens habe ich die Ringsdorff dpa gefunden. Hier steht es noch mal anders ausgedrückt:
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Freitag, 21.01.2005, 8:30

Politik und Rundfunk: Ringstorff attackiert Wulff

"Des Pudels Kern ist aber, dass er auf den NDR mehr politischen Einfluss nehmen will."

Hamburg (dpa) - Die Forderung nach einer klaren Trennung zwischen Politik und öffentlich-rechtlichem Rundfunk wird von den SPD- Regierungschefs in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, Heide Simonis und Harald Ringstorff, unterstützt. Ringstorff warf seinem niedersächsischen Kollegen Christian Wulff (CDU) zugleich vor, mit der von ihm angestrebten Veränderung der Aufsichtsgremien beim Norddeutschen Rundfunk NDR) genau das Gegenteil zu bezwecken, nämlich eine stärkere Einflussnahme auf den Sender.

In einem dpa-Gespräch sagte der Schweriner Ministerpräsident am Donnerstag, zwar habe Wulff seine Forderungen geschickt verpackt. "Des Pudels Kern ist aber, dass er auf den NDR mehr politischen Einfluss nehmen will." NDR-Intendant Jobst Plog hatte in der Wochenzeitung "Die Zeit" gefordert, mittelfristig alle politisch Verantwortlichen aus den Rundfunkräten zu verbannen. "Anlass dafür ist der Vorstoß von Herrn Wulff zur Änderung des NDR- Staatsvertrags", erklärte Ringstorff.

Wulff wolle den zwölfköpfigen NDR-Verwaltungsrat so ändern, dass nicht mehr alle Mitglieder vom Rundfunkrat gewählt werden, sondern nur noch die Hälfte - die andere Hälfte solle von den Staatskanzleien besetzt werden. Zudem wolle Wulff durchsetzen, dass die Mitglieder des Rundfunkrats, die von gesellschaftlichen Organisationen und Parteien entsandt werden, abberufen werden können. "Das hieße in klarer Sprache: Wenn Du nicht funktionierst, wie ich das möchte, sorge ich für Deine Abberufung", kritisierte Ringstorff. "Dann hätten wir einen extrem starken Einfluss der Politik im NDR. Ich möchte aber nicht dahin zurück, wo ich hergekommen bin. Als ehemaliger DDR-Bürger weiß ich, was es bedeutet, wenn die Politik vollen Zugriff auf den Rundfunk hat."

Simonis' Regierungssprecher Gerhard Hildenbrand sagte der dpa am Donnerstag: "Die Ministerpräsidentin hat sich in der Vergangenheit immer wieder für mehr Politikferne in den Rundfunkanstalten ausgesprochen." Die Kieler Regierungschefin hatte vor gut zwei Jahren ihren Sitz im ZDF-Verwaltungsrat aufgegeben.

Unterstützung erhielt Plog auch vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Der DJV-Vorsitzende Michael Konken kritisierte am Donnerstag ebenso wie der NDR-Intendant, dass der Einfluss der Politik auf wichtige Entscheidungen bei der Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stetig zunehme. "Politiker üben ständig Einfluss und Druck auf die Sender aus - intern in den Kontrollgremien, aber auch extern, wie beispielsweise durch die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Rundfunkgebühren", erklärte Konken. Die nicht verfassungsgemäße Einmischung in die Entscheidung über die Rundfunkgebührenerhöhung sei ein deutlicher Hinweis, dass die Unabhängigkeit der Sender durch die Politik zunehmend gefährdet werde.

Dagegen kritisierten weitere Unionspolitiker Plogs Vorstoß. Der Chef der Thüringer Staatskanzlei, Gerold Wucherpfennig (CDU) erklärte: "Ich sehe die Staatsferne des Rundfunks durch die Besetzung der Gremien nicht gefährdet." Auch Baden-Württembergs für Medienfragen zuständiger Minister Ulrich Müller (CDU) betonte: "Es ist unstreitig, dass die Rundfunkanstalten durch pluralistisch besetzte Gremien kontrolliert werden. Dazu gehören selbstverständlich gewälte Volksvertreter und Vertreter der für die Medienangelegenheiten zuständigen Länder."

Ähnlich äußerte sich der CDU-Fraktionschef im hessischen Landtag, Franz Josef Jung, Mitglied im ZDF-Fernsehrat. Der SPD- Bundestagsabgeordnete und Medienpolitiker Jörg Tauss kommentierte Plogs Forderung nach Rückzug der Politiker aus den Aufsichtsgremien in der "Netzeitung" mit den Worten: "Das ist albern." dpa and/kh yyzz ub

201657 Jan 05
 
AW: NDR-Intendant Plog fordert politikerfreie Rundfunkräte

Für alle an Medienpolitik Interessierten ist diese Meldung vielleicht auch einen Blick wert:

EU will Rundfunkgebühren als Beihilfen bewerten

EU-Kommissarin Kroes will die Rundfunk-Gebühren einem Pressebericht zufolge als Beihilfen werten. Setzt sie sich damit durch, hätte das gravierende Folgen für die Sendeanstalten.
>Netzeitung

Vielleicht weiß jemand, wie das zu bewerten ist, und welche Auswirkungen eine solche Entscheidung auf die Anstalten haben könnte.
 
AW: NDR-Intendant Plog fordert politikerfreie Rundfunkräte

musicology schrieb:
Vielleicht weiß jemand, wie das zu bewerten ist, und welche Auswirkungen eine solche Entscheidung auf die Anstalten haben könnte.
Es geht darum, ob eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den Öffis und den Privaten vorliegt - die einen kriegen Gebührengeld, die anderen nicht.
Den Öffis bzw. ihren Befürwortern würde man die Argumentation freilich sehr erleichtern, wenn sich die beiden Systeme sich auch inhaltlich stärker unterschieden - so, wie es jetzt ist, kann man die Einmischung der EU-Kommission nicht so einfach beiseite schieben.
 
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