"Nicht wirklich" – neue Unart!

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Du kommunizierst also nicht wirklich so? Oder gar unwirklich? Oder vielleicht doch eigentlich nicht?
Dieser Thread hinterlässt seine Spuren bei mir.
 
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Ich werfe einmal ein, wie ich die Phrase "nicht wirklich" verstehe, denn so ist sie bisher noch nicht interpretiert worden. Vielleicht stehe ich ja damit ganz allein, aber wenn schon. Aus dem ersten Beispiel:

Die Umfragewerte der SPD sind nicht wirklich gut. Bedeutet für mich: die Mehrheit der Betrachter hält die Umfragewerte für gut, eigentlich sind sie es aber (bei genauerem Hinsehen) nicht. Demnach wäre die deutsche Entsprechung ein "eigentlich nicht", was man natürlich auch setzen kann, aber ob das jetzt so viel besser ist als "nicht wirklich", ich weiß nicht.

Eine viel schlimmere Unsitte ist doch das Setzen des deutschen du statt man (you) - mittlerweile nicht mehr nur bei Übersetzungen, sondern von Muttersprachlern auch ganz "deutsch" gebraucht.
 
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Ich werfe einmal ein, wie ich die Phrase "nicht wirklich" verstehe [...] Die Umfragewerte der SPD sind nicht wirklich gut. Bedeutet für mich: die Mehrheit der Betrachter hält die Umfragewerte für gut, eigentlich sind sie es aber (bei genauerem Hinsehen) nicht.

Meiner Meinung nach falsch. "Nicht wirklich gut" ist in diesem Falle eine pointiert-ironisch-floskelhafte Umschreibung für "sie sind richtig mies".

Wenn jemand sagen will "die veröffentlichten Umfragewerte der SPD entsprechen nicht der Realität" würde er - das ebenfalls oft verpönte - "offenbar" benutzen: "Die Umfragewerte sind offenbar viel schlechter als Herr Beck behauptet...", oder "anscheinend".

Letzteres wird übrigens immer noch erstaunlich oft mit "scheinbar" verwechselt. Richtig ist:

Die Sonne dreht sich scheinbar um die Erde... (aber wir alle wissen, dass sie das nicht tut)

Der Täter stammt anscheinend aus dem Ort ... (aber genau wissen wir das nicht)

Oder so:

Tondose schrieb:
"Die Umfragewerte der SPD sind nur scheinbar gut."

...aber wie wir aus zuverlässiger Quelle wissen in Wirklichkeit miserabel.
 
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Sag ich doch: Die Umfragewerte sind nur scheinbar gut - sie sind es eben nicht wi..
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Gruß TSD
 
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Aber das sach ich doch auch, min Jong!!! Ganz ehrlich: Wir sind nicht nur anscheinend oder offenbar, sondern darüber hinaus auch noch zeitnah einer Meinung!

Noch ein bisschen in den Agenturen gefischt, nach Beispielen.

WAZ schrieb:
Darum heißt es auch nicht 'Anti-Raucher-Gesetz', sondern hört auf den scheinbar umständlichen Namen 'Gesetz zum Schutz vor den Folgen des Passivrauchens'.

Der ist nicht nur "scheinbar" umständlich, sondern in der Tat umständlich.

AFP schrieb:
Die USA werfen dem Iran vor, nur scheinbar mit der IAEA zusammenzuarbeiten, um weitere UN-Sanktionen zu verhindern.

Korrekter Gebrauch.

Auch dpa kann es nicht:

Die Fernfahrer und die anderen Passagiere stärken sich mit einem kräftigen Abendessen im Bordrestaurant. Alles läuft ohne Hektik ab, Zeit spielt angesichts
der langen Fahrzeit scheinbar keine Rolle.

Falsch: sie spielt bei der Überfahrt für die Fernfahrer wirklich keine Rolle.
 
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Ohne Nachtrag war's nicht ganz so eindeutig. Aber nun, zeitentflochten:
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Gruß TSD
 
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Ulkiges Forum hier *gg*

Ich finde die Diskussion nicht wirklich wichtig und auch nicht wirklich lebensnah..
 
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Es gibt auch noch anders gestaltete Leben als die der Pisa-Opfer, die meinen, ihre Prioritäten und Ansichten seien das Maß aller Dinge.


Vor allem junge Menschen benutzten und benutzen diese Floskeln irgendwie in jedem Satz irgendwie. Irgendwie ist das komisch. Das ist doch irgendwie unkonkret dann. Und das toppen sie dann noch, indem sie achselzuckend ein "keine Ahnung" hinterherschieben.

Richtige Profis wissen auch um die Notwendigkeit, jeden Satz mit „Alter“ beginnen oder enden zu lassen, Alter!


Im Osten hat man sich dauernd einen Kopf gemacht und meinte damit nicht den VHS-Kurs Modellieren in Ton und Knete. Sagt das heute noch jemand?

Ja. Und es war eine waschechte Wessine, von der ich das vernahm. Sieht insofern nicht so aus, als wäre das ostspezifisch.
 
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Da muß ich doch glatt mal ein Zitat zitieren, überreicht von cocorita
(fette Hervorhebung von mir):


waz schrieb:
Darum heißt es auch nicht 'Anti-Raucher-Gesetz', sondern hört auf den scheinbar umständlichen Namen 'Gesetz zum Schutz vor den Folgen des Passivrauchens'.

Die WAZ kann es anscheinend gleich reihenweise nicht...
:(
 
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Die Umfragewerte der SPD entsprechen durchaus der Realität! Sie sind ja nicht gefälscht, das ist ja wieder etwas ganz anderes. Jeder denkt aber, sie seien gut, ich sage aber, sie sind nicht wirklich gut (oder eben eigentlich nicht gut). Mit anscheinend/offenbar hat das ja nichts zu tun.

Besseres Beispiel: die Arbeitslosenzahlen...
a) ... sind gut
b) ... sind nicht gut = sind schlecht?
c) ... sind offenbar gut
d) ... sind anscheinend gut
e) ... sind scheinbar gut
f) ... sind eigentlich nicht gut

Wozu paßt "nicht wirklich gut" am besten? Ich würde sagen f)
 
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Die Umfragewerte der SPD entsprechen durchaus der Realität! Sie sind ja nicht gefälscht, das ist ja wieder etwas ganz anderes. Jeder denkt aber, sie seien gut, ich sage aber, sie sind nicht wirklich gut (oder eben eigentlich nicht gut). Mit anscheinend/offenbar hat das ja nichts zu tun.

Wir reden hier über zwei verschiedene Fälle.

Fall A: Herr Beck sagt, die Umfragewerte seien gut. Wir wissen aber: in Wahrheit sind sie miserabel:

---> "Die Umfragewerte der SPD sind nur scheinbar gut. Denn was Herr Beck verschweigt, ist die Tatsache, dass diese Umfrage nur unter den Sekretärinnen der SPD-Parteizentrale durchgeführt wurde ... usw. "

Fall B: Sämtliche Agenturen melden (und auch Herr Beck dementiert nicht), dass die Umfragewerte derzeit in den Keller rasseln. Die Zahlen sind aber noch inoffiziell und unbestätigt. Hier würde passen:

---> "Die Umfragewerte der SPD sind derzeit nicht wirklich gut, besser gesagt: im freien Fall. Nach noch unbestätigten Informationen aus Parteikreisen haben sie im vergangenen Monat ein historisches Tief erreicht. Die genauen Zahlen sollen am Vormittag bekannt gegeben werden ... usw. blabla hassebrö..."
 
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Fall B: Sämtliche Agenturen melden (und auch Herr Beck dementiert nicht), dass die Umfragewerte derzeit in den Keller rasseln. Die Zahlen sind aber noch inoffiziell und unbestätigt. Hier würde passen:

---> "Die Umfragewerte der SPD sind derzeit nicht wirklich gut, besser gesagt: im freien Fall..."

Noch besser gesagt: Sie sind schlecht.
;)
 
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Vor etwa einem Vierteljahr:
Werbebeilage für Spiegel-Abonnenten. Absender: Die FAZ. Äußere Seite: Weiß, mit nur einem einzigen Satz in Schwarz drauf:

"An alle Abonnenten des Spiegels".

Wirklich. Mit S am Ende! Und wirklich: Absender FAZ. Ich hab's minutenlang angestarrt. Nun warte ich, wie sich laut FAZ zwischen den Gestaden des Atlantiks und des Pazifiks der Kurs des Dollars entwickelt.

Aber der deklinierte Eigenname (mit Artikel) ist nicht wirklich falsch. In der "Zweifelsfälle..."-Ausgabe des Dudens (jawohl!) ist näheres dazu zu lesen, wobei es eine Menge Ausnahmen oder Beides-geht-Fälle gibt. Außerdem vertritt (der sicher nicht von jedem als Referenz anerkannte) Sick vehement die Flexion ("Der antastbare Name").

Als Schlagzeile für Beileger ungeeignet, ließe sich ein Konflikt durch eine Formulierung wie "...wie in der neuesten Ausgabe des Nachrichtenmagazins 'Der Spiegel' zu lesen war..." vermeiden.


Gruß TSD
 
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Wenigstens sind es nur Schandmäulchen, die kundtun, sie fahren mit der Die Bahn.
 
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