Niederlage für alle Radiosender - ist die Rundfunkfreiheit in Gefahr?

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Fußball-Bundesliga-Übertragungen kosten zukünftig Geld. Das Landgericht Hamburg hat sich gegen die Rundfunkfreiheit entschieden.

Wie weit soll das noch gehen? Warum müssen Zeitungen nicht für Bundesliga-Berichterstattung zahlen?

Was kommt als nächstes? Interviews mit Politikern und Polizeisprechern nur gegen Bezahlung?


Hier der dpa-Artikel:

Sieg für DFL: Radiosender müssen für Bundesliga-Berichte zahlen Von
Savina Koch und Peter Hübner, dpa =

   Hamburg (dpa) - Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und die Proficlubs haben den Aufstand der privaten Radiosender in ersten Instanz
abgewehrt. Hörfunkstationen müssen für die Live-Berichterstattung über die Bundesliga Lizenzgebühren an die DFL zahlen. Das entschied am Freitag das Landgericht Hamburg. Das Gericht wies in einem
Musterprozess die Klage des Privatsenders Radio Hamburg gegen den Hamburger SV, den FC St. Pauli und die DFL ab. Der Sender, der im
Auftrag des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikaton (VPRT) eine freie und kostenlose Berichterstattung durchsetzen wollte, kündigte sofort Berufung an.

   Das Landgericht Hamburg wertete das in Artikel 13 im Grundgesetz verankerte Hausrecht der Clubs höher als die ebenso festgeschriebene Rundfunkfreiheit. «Bei der Abwägung der beiderseitigen Grundrechts-
Positionen sind wir dazu gekommen, dass das Recht der Rundfunkhörer nicht zu sehr eingeschränkt wird durch eine Vergütung der Live-Berichtersttatung», begründete Richter Bolko Rochow das Urteil. Und fügte hinzu: «Derjenige, der das Hausrecht ausübt, hat das Recht, darüber zu entscheiden, wer aus dem Stadion berichten darf.»

   DFL-Chef Werner Hackmann erklärte: «Das Urteil ist keine Überraschung, wir haben nichts anderes erwartet. Die Gegenseite kann
zwar noch in die Berufung gehen, aber die Sachlage ist eindeutig.» Die DFL erwartet «positive finanzielle Auswirkungen». St. Paulis Vizepräsident Christian Pothe betonte: «Wir haben gewonnen und ich bin mir sicher, dass auch andere Gerichte dieser Auffassung folgen
werden. Damit wollen wir aber nicht unliebsame Kritiker aus dem
Stadion fern halten.»

   Der Dachverband der 36 Proficlubs kassiert derzeit von den Radiosendern, abhängig von der Sendergröße und der Reichweite, Beträge zwischen 7700 und 25 600 Euro für die 17 Heimspiele einer Saison. Anstalten ohne Lizenz werden an den Stadien abgewiesen. Die ARD, die grundsätzlich die gleiche Rechtsauffassung wie der VPRT
vertritt, zahlt nach eigenen Angaben für die beliebte Bundesliga- Konferenzschaltung am Samstag keine Lizenzgebühr. Laut DFL-
Geschäftsführer Michael Pfad existiert hingegen eine Vereinbarung mit den öffentlich-rechtlichen Sendern über die Radiorechte.

   «Das ist ein Sieg in der Niederlage. Wir werden durch die Instanzen an den Kern herankommen. Das jetzige Urteil liefert eine
vernünftige Basis für unsere Argumente. Wir gehen in die nächste Instanz», kommentierte Bertram Schwarz, der Geschäftsführer von Radio Hamburg, das Urteil. Sein Sender ist eine von 55 Radio-Anstalten und 105 Medien-Unternehmen, die dem VPRT angehören.
 
@Privatradioman
Da möchte ich mal ganz provokant gegenfragen: Worüber regst du dich auf? Interviews und Sportberichte sind doch nach Meinung der Radiomacher sowieso "Content, der im Privatradio nix mehr zu suchen hat".

Und die öff.-rechtl. Sender, die das anders sehen, sind groß genug, um sich ein paar Mark für Fußball leisten zu können.
 
Hallo,
SEHR RICHTIG! Die allerallermeisten Privatsender kümmern sich einen Scheiß um die Interessen der Hörer. Bundesliga findet in aller Regel nirgends statt - von Antenne Bayern und vielleicht Radio Hamburg mal abgesehen, was die Landesweiten Sender angeht. Der überwiegende Rest gibt sich mit der Verkündung der Ergebnisse zufrieden.
Das Urteil lässt jedoch eine Liveberichterstattung der Bundesliga durchaus zu. Und zwar eine fast kostenlose. Nach dem Urteil verstößt die Liveberichterstattung gegen das Hausrecht der Vereine. Aber: Warum muss man denn für die Liveberichte vor ort sein? Wozu gibt es bitte Premiere? Da wird jedes Spiel übertragen, und den Reporter kann man abstellen. So sieht man wesentlich mehr als aus der Sprecherkabine, und die Atmo ist auch da. Und billiger wär.s auch. Keine Fahrtkosten, keine angemieteten ISDN-Leitungen, nur diverse D-Boxen in einem großen Studio verteilt.
Premiere fährt die Livekonferenz nicht anders.
CO
 
Danke für den dpa Artikel.

Ist schon bemerkenswert, auch z.B. der Satz des Richters Bolko: "Derjenige der das Hausrecht ausübt, hat das Recht, darüber zu entscheiden, wer aus dem Stadion berichten darf." Hausrecht geht dananch überspitzt gesagt vor Meinungsfreiheit. So werden Scheckbuchhjournalismus und eine (unkritische) Haus- und Hofbericherstattung gefördert.
 
@Adam: Das ist es doch. Wenn einem Club die Nase des Reporters nicht paßt - ist der draussen.

@KäseundZwiebel:
Stimmt nicht. In fast allen landesweiten Privatsendern findet Live-Bundesliga statt. Allerdings oft nur 30 sec in den Nachrichten. Betroffen davon sind ganz sicher alle (großen) Radiosender.

Vor allem: Warum muß die Zeitung nix bezahlen?
 
Ich denke, die Hochnäsigkeit der Vereine sind doch einfach in den Griff zu bekommen. Wenn sich die Radio und Fernsehveranstalter einig wären, dann würde sich der Fussball selbstständig in den Hintergrund stellen. Das kann sich bis hin zur Bedeutungslosigkeit erstrecken.
Es wird dann Zeiten geben, wo ein Verein nach Reportern regelrecht betteln müsste. Das ist doch bei den zahlreichen Lokalvereinen auch so ...
Viele Grüße
 
Es könnte bald sogar noch weiter gehen mit der Hofberichterstattung - die Deutsche Fussball-Liga hat ja bereits www.bundesliga.de lizensiert - und es soll Pläne geben, die Hörfunk- und TV-Produktion komplett in die eigene Hand zu nehmen. Möglicherweise hören wir bald nur noch fest angestellte DFL-Reporter...
Was hier übrigens noch gar nicht angesprochen wurde: Die DFL verlangt sogar Gebühren von bis zu 4000 DM (Stand vor der aktuellen Saison), wenn ein Hörfunksender NUR Nachberichte machen will und ins Stadion möchte, um die O-Töne nicht vom TV klauen zu müssen, sondern vielleicht auch mal eine eigene Frage stellen zu dürfen.
 
Selbst Radioreporter, die nur auf der Pressetribüne sitzen wollen, müssen zahlen...

@guenni:
Solange Fußball Quote bringt, ist ein TV-Boykott Utopie.
 
Warum klagt eigentlich die VPRT nicht auf Gleichbehandlung mit den Zeitungsschreibern?
Wäre das nicht eine sinnvollere Ausgangsposition?
 
Klar, Sport ist Show und bringt zumindest im TV Quote - logisch, dass man zahlen muss. Ausserdem: wer braucht Fussball im Radio ?
 
@henry: Was ist das denn für ein Argument? Fußball bringt ja wohl auch etlichen Zeitungen Auflage - und das nicht zu knapp. Ich stelle mir gerade den Kicker ohne Fußball vor.....
Aber warum müssen Kicker und andere nicht zahlen, wenn es das Radio muss?
TV muss ja zahlen, weil die Akteure die Mattscheibe füllen - aber warum muss dann eigentlich kein Fotograf zahlen?
Helft mir, die Logik zu erkennen......
 
Besorglcih find ich, was der Richter im Urteil schrieb: «Derjenige, der das Hausrecht ausübt, hat das Recht, darüber zu entscheiden, wer aus dem Stadion berichten darf.»

Wo kommen wir denn da hin, wenn ein Verein einem (kritischen ?) Sender verbieten darf, zu berichten?
 
@Adam: Genau darum ging es ja in der Urteilsbegründung - ist §5 oder §13 höher anzusiedeln? Und da es im Grundgesetz nicht nach der Reihenfolge geht, hat sich der Richter entschieden, das Hausrecht höher einzustufen. Das ist auch - wie passend in diesem Fall - sein gutes Recht. Mir stellt sich nur immer wieder die Frage zur Gleichbehandlung mit Zeitungen und besonders Online-Sachen wie Live-Ticker, die ja auch (fast) in Echtzeit senden.

@Privatradioman: Das haben wir ja schon längst - und das Privatradio mußte dabei feststellen, dass man in Fußballkreisen die Bedeutung dieses Mediums zumindest während und nach den Spielen als gegen Null gehend einschätzt. Um das Stadion voll zu kriegen ist der Privatfunk gerne gesehener Gast. Viele Clubs haben Medienpartnerschaften, machen fleißig Vorberichterstattung - also Werbung für den Club - und werden dann nicht ins Stadion gelassen, weil sie eben nicht noch zusätzlich Lizenzen kaufen wollen. Die Macht - und nun auch das Recht - ist mit dem Fußball; und da sich wohl kaum alle Sender zusammenschließen und den Fußball boykottieren, um damit ihre Hörer zu den ÖR zu treiben, wird das Spiel eben mitgespielt.
Abgesehen wird die Geschichte mit den Rechten sowieso durch die Instanzen gehen bis zum BVG - und ich bin mir nicht so sicher, ob die Meinung, dass Clubs in mit öffentlichen Geldern hoch subventionierten Arenen ein so hoch eingeschätztes Hausrecht haben, auf Dauer haltbar ist.
 
@henry:
ICH brauche fussball im radio! denn das ist tausend mal lebendiger!! gruss an günther koch!
smile.gif


konni
 
Guten Tag !

Nu macht mal nicht so einen riesen Alarm. Fussball interessiert nur ein Bruchteil aller Hörer ... die Zahlen am Samstagnachmittag belegen das eindeutig. Wer Fussball hören will, soll eben ÖR einschalten und wer Fussball hasst, darf sich den Samstagnachmittag mit "Gedudel" um die Ohren schlagen.

So long
 
@Tarzan: Ich glaube, Du verstehst den Sinn der Diskussion nicht ganz. Es geht nicht darum, ob Fußball die Quoten am Samstag hochtreibt oder nicht - es geht um die prinzipielle Frage, ob ein Club, der auch von öffentlichen Mitteln lebt (Stadion, Polizei etc.) die Pressefreiheit außer Kraft setzen darf. Auch wenn dieser Streit irgendwann zu Gunsten der Sender ausgehen sollte, bleibt es ihnen ja immer noch überlassen, ob sie dudeln oder Fußball senden oder nen Pfeifton - auch das ist ein Teil der Pressefreiheit.
 
@berlinreporter

Ich hätte wohl noch einen zweiten Teil zu meiner Antwort hinzufügen sollen ...

... prinzipiell ist das Urteil eine Unverschämtheit - aber ist Fussball tatsächlich ein Allgemeingut ? Kultur ? ... und damit so "wichtig", dass wir darüber berichten müssen ? Fussball-Clubs sind gewinnorientiert, wie Privatradios und deshalb wird dort die Mark abgezockt, wo es sich abzocken lässt. Ich würde in meine "Firma" auch niemanden rein lassen, den ich da nicht haben wollte. Dabei sind Diskussionen um die "Steuergelder" die bei der Fussball-Bundesliga verbraten werden nur ein Randthema.

Es gilt - wessen Brot ich fress` dessen Lied ich sing ...

Schade nur, dass mit dem Ausschluss der "freien" Berichterstattung durch Privatsender die VIP Karten und Freikarten-Kontingente so rückläufig sind *fiesgrins*

Ich war zuletzt dreimal im Stadion - habe brav bezahlt ... und mich königlich amüsiert ...vorallem im Auswärtsblock zu hocken ...
 
@Konni

anläßlich der Grüsse an Günter Koch :

Es leben hoch die Meister-Entscheider und Abstiegs-Most-Hol-Bertls vom 1. FC Nürnberg !

Wir reisen nächstes Wochenende nach Hambuich und verabschieden den FC Sankt Pauli mit einem angemmessenen 6:7 ins Unterhouse. Und übernehmen dann in der nächsten Saison die Mission vom Millerntor :

WELTPOKALSIEGERBESIEGER !

P.S. 1 Wer Günter Koch grüsst, darf den Glösslein-Alexander nicht vergessen

P.S. 2 Was das mit dem Thema zu tun hat ? Wer zuläßt bzw. O.K. findet, daß das nationale Volksgut Fußball-Bundesliga durch-komerzialisiert wird, der zahlt eben auch. Zuschauer, TV-Sender, Radiosender. Gleiche Barbarei für alle.
 
moin, moin,
@all.
warum zeitungen nicht bezahlen müssen?

weil zeitungen (korrigiert mich bitte, falls ich falsch liege) erst am NÄCHSTEN tag erscheinen. das liegt nun mal in der natur von zeitungen... .

die sender können auch kostenlos berichten, wenn sie es zeitversetzt machen... .

alles klar.
 
@honk: Was ist mit Online-Tickern wie beim Kicker oder bei Sport1.de? SMS-Services? In Berlin kommen die Zeitungen zudem bereits ab 22 Uhr in die Kneipen (erscheint nicht in München sogar eine richtige Abendzeitung?).
Außerdem müssen Radiosender auch für Nachberichterstattung zahlen, wenn sie wegen eigener O-Töne ins Stadion wollen - völlig egal wann das gesendet wird. Wenn man nicht auf der Bezahlerliste der Deutschen Fußball-Liga steht, darf der Club keine Akkreditierung ausstellen. Und mit einer normalen Eintrittskarte kommt man weder auf die Pressekonferenz noch in die Mixed-Zone.
Natürlich klauen viele Sender die Töne bei Premiere - aber auch das ist ja wohl eine rechtliche Grauzone - zumal, wenn man wie meistens die Quelle nicht nennt. Und nächste Saison fällt diese Möglichkeit ja eventuell auch weg....

Also: Nix klar...

[Dieser Beitrag wurde von berlinreporter am 29.04.2002 editiert.]
 
Hier liegt ja der Skandal:

Radiosender bekommen selbst dann keine Pressekarten, wenn sie auf Live-Übertragung verzichten und nur am nächsten Tag darüber berichten (z.B. O-Töne für Sportsendung). Selbst das kostet schon eine Lizenzgebühr.

Als die WM-Rechte an Kirch vergeben wurden, waren die deutschen Politiker sehr schnell bei der Sache und deklarierten Fußball zum Allgemeingut mit der Folge, daß alle deutschen Länderspiele LIVE im Fernsehen zu sehen sein müssen.

Analog müsste man sagen: Bundesligaspiele sind für die Bewohner im Umkreis Allgemeingut. (also: Radio Hamburg müsste Pressekarten für HSV und St.Pauli bekommen - weil wichtig für Hamburger Bürger). Doch das tut keiner.
 
Na, ja, was Politiker so von sich geben, ist juristisch häufig ziemlich irrelevant. Am Ende läuft es wohl darauf hinaus: Ist die Radioreportage die ureigene Leistung des Reporters? So argumentieren nämlich die ÖR schon seit Jahren gegen die Existenz von Hörfunkrechten. Nach dem Motto: Es sind keine bewegten Bilder - die ersetzt ja der (gute) Reporter und damit macht er dasselbe wie Zeitungen auch.
 
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