Privates Lokalradio und die Frage der Finanzierung

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Angestoßen durch folgenden Artikel: http://www.rheinpfalz.de/cgi-bin/cm...html&path=/rhp/welt/wirtschaft&id=91_10313193 kam mir der Gedanke, dass es durchaus spannend sein könnte, über die Möglichkeiten der Finanzierbarkeit von privatem Lokalradio zu diskutieren (in den ganzen Threads, die sich sowohl auf die Radio Group, als auch auf die Rundfunklandschaft in Nordrhein-Westfalen beziehen, geht es ja im Grunde genommen um nichts anderes, als um diese Frage).

Folgende vier Varianten fallen mir in diesem Zusammenhang ein, die jedoch alle gewisse Nachteile in sich bergen:
  1. Der Ansatz der Radio Group, die offenbar versucht, durch den Einsatz schlechtbezahlter Volontäre die Kosten zu drücken, und mittels einer journalistisch fragwürdigen Berichterstattung (siehe dazu den entsprechenden Beitrag des NDR-Medienmagazins ZAPP), Einnahmen zu generieren.
  2. Das Rundfunksystem in NRW: Dort werden beim Lokalfunk satte Tariflöhne gezahlt, doch bekanntlich um den Preis, dass mit Hilfe Landes jede Konkurrenz unterbunden wird.
  3. Ein dritter Weg ist mir aus Belgien bekannt. Nehmen wir bspw. ein Programm wie Radio Plus in Gent: Dieses muss in einer Stadt mit circa 250.000 Einwohnern mit 17 weiteren Programmen auf UKW konkurrieren. Selbst zur Primetime, morgens zwischen 7 und 9 Uhr, läuft dort lediglich Musik von einer Festplatte (wenn auch in einer erstklassigen Zusammenstellung; siehe dazu den Livestream).
  4. Eine vierte Möglichkeit könnte darin bestehen, dass man den Ansatz aus Flandern dahingehend modifiziert, dass Nachrichten und Wortbeiträge hinzugekauft werden, die mittels Voicetracking ins Programm eingefügt werden.
Entweder gibt es also beim Lokalfunk gut bezahlte (NRW), schlecht bezahlte (RLP u.a.) oder fast gar keine Stellen (Flandern u.a.).

Wirklich zufriedenstellend ist das Ergebnis nicht!

Daher meine Frage: Seht Ihr andere Finanzierungsmöglichkeiten für privaten Lokalfunk in einem Markt, in dem bereits eine nicht unerhebliche Konkurrenz, sowohl durch regionale Networks, als auch durch andere Lokalstationen, vorherrscht?
 
Häng' lieber Plakate auf und mach Werbung für dein Internetradio. Leider ist die Lage für alle zeitungsfremden Radioaktivisten in Deutschland derzeit ziemlich trostlos. Wenn das Dudelradio abgewirtschaftet hat kommen vielleicht wieder bessere Zeiten ;) ...
 
@Internetradiofan
Du bewegst Dich nur auf der Kostenseite (Personal + Content). Denke mal über die Einnahmenseite nach. Da haben wir die staatlich finanzierten/alimentierten Öffentlich-Rechtlichen (Geld fließt sicher und garantiert über die Rundfunkgebühr), und die werbefinanzierte Privatradioszene. Dort gilt es, ein Programmumfeld zu schaffen, in dem sich die Werbetreibenden gut platziert und wahrgenommen fühlen. Im Augenblick schalten solche Unternehmen Spots, denen die Qualiotät der Inhalte mehr oder weniger egal ist, weil es ihnen nur auf Masse (MA-Zahlen) ankommt. Vielleicht wäre es ein Weg, zahlungskräftige Werbekunden zu locken, für die die Qualität der Inhalte ein Kriterium ist.
 
Die Frage, wie Lokalsender Profit erwirtschaften, zur Meinungsvielfalt beitragen UND darüber hinaus auch noch ihre Mitarbeiter so entlohnen können, dass damit ein menschenwürdiges Leben möglich ist, ist schon spannend. Das spezielle Problem der Radiogroup ist, dass man der Landesmedienanstalt ein Konzept vorgeschlagen hat, das weder inhaltlich noch finanziell funktionieren kann. Eine Kette mit lokalen Stationen ohne Mantelprogramm für zum Teil winzige Gebiete, die meinetwegen eine technische Reichweite von 100.000 bis 150.000 Hörer haben? Das kann man sich doch von vornherein ausrechnen, dass das nicht tragfähig sein kann!

In Berlin gibt es ja auch viele Lokalsender, die sich wenn überhaupt nur dank ihrer Investoren über Wasser halten können, die immer wieder Geld zuschießen. Hier sorgt die Medienanstalt aber immerhin für Bedingungen, unter denen die verschiedensten musikalischen und publizistischen Konzepte miteinander konkurrieren können bzw. macht es gerade für neue Bewerber zur Bedingung, dass sie sich mit einem ausführlichen Wortprogramm und ihrer musikalischen Ausrichtung von den bereits bestehenden Marktteilnehmern abheben. Dass ein Lokalsender rund um die Uhr nur von der Festplatte sendet oder sich Nachrichten einkauft, kann ja eigentlich nicht Sinn der Sache sein.
 
Der Ansatz der LMK, Lokalradio zu promoten, ist an sich durchaus begrüßenswert.

Leider hat man jedoch einen kapitalen Fehler gemacht. Es kam nur ein einziger Anbieter zum Zuge: Stefan Schwenk mit seiner Radio Group, sonst niemand.
Damit überall die selbe Aufmachung und vor allem der gleiche musikalische Einheitsbrei.

Genau darin liegt für mich einer der zentralen Kritikpunkte der Rundfunkpolitik in Deutschland: Es bekommen nur große Unternehmen UKW-Frequenzen, alle anderen können Webradio veranstalten.

Viel besser wäre es gewesen, wenn an jedem Ort in Rheinland-Pfalz an dem es heute Lokalfunk gibt andere Anbieter bevorzugt worden wären, und zwar solche, die ausschließlich lokal verankert sind und nicht überregionalen finanzschweren Konzernen gehören.
Selbstverständlich mit der Option, den Senderbetreiber frei wählen zu können, oder, so wie in fast allen Ländern Gang und Gäbe, den Umsetzer selbst zu betreiben.
Dann bestünde die Möglichkeit, jeweils unterschiedliche Herangehensweisen zu vergleichen: In Trier geht man vielleicht anders vor als in Mainz und in Bitburg wiederum anders als in Wittlich usw..

Schlussendlich ist die Radio Group nichts anderes als eine Art Franchisenehmer, der ein gewisses Geld vorstreckt, dann aber an den Einnahmen des Lokalsenders mitverdienen will. Jene Beträge, die an die Radio Group abgeführt werden, könnten bei einem unabhängigen Lokalsender den Mitarbeitern vor Ort zukommen.

Die einmaligen Kosten für die Sendeausrüstung (Studio, Umsetzer usw.) ließen sich durch eine Kooperative, an der sich unterschiedliche ortsansässige Firmen beteiligen, finanzieren. Diese wäre dann letztlich auch der Programmveranstalter. Damit wird neben der nötigen Transparenz eine journalistische Ausgewogenheit der Wortbeiträge gewährleistet. Dass ein Redakteur einfach gefeuert wird, weil er nicht bereit ist, zu Werbezwecken eine Falschmeldung zu senden, so etwas gäbe es dann nicht.

Mit einer veränderten Frequenzvergabepolitik wäre so viel machbar! :rolleyes:

So lange aber nur die großen Multis senden dürfen, wird alles so bleiben, wie es ist, und der Rundfunk wird noch mehr an Bedeutung verlieren. :(
 
Typisch Hinztriller: Anstatt sich für ein gemeinsames Anliegen einzusetzen, von dem auch kleine Anbieter wie Radio 700 profitieren würden, wird lieber die Nadel im Heuhaufen gesucht.

Genau das ist es, was ich immer und immer wieder beklage: Jeder arbeitet gegen jeden, anstatt für die gemeinsamen Interessen zu kämpfen; - und dann wundert man sich, dass unabhängige lokale Anbieter keine Frequenzen bekommen.
 
Wie kommt es eigentlich, dass bigFM die 106.6 nicht mehr benötigte? Die ging ja vor ein paar Jahren für RPR Zwei zur besseren Versorgung der Stadt auf Sendung.
 
Schon auffällig, wenn jemand immer nach Fehlern bei anderen sucht...

Mainz bildet in der Tat die einzige Ausnahme. Sehr viel für ein ganzes Bundesland.
Das ist genauso als würde man sagen: Es gibt noch weiteren Privatfunk auf UKW in Nordrhein-Westfalen. Schließlich ist ja Domradio in Köln auf Sendung. :rolleyes:
 
Herr Internetradiofan, stecken Sie hinter den täglichen "Kredit ohne Schufa"-Mails? An wen kann ich mich wenden um einen Ihrer Bots zu erhalten? Gibt es auch eine "Radio in xxx (Wunschland) ist doof?"-Version oder gibts nur die NRW-Edition? Ansonsten: die Gitarre um den Hals geschnallt, etwas GEMAfreie Musik in der Fußgängerzone Ihrer Wahl geträllert und irgendwann haben Sie Ihr Startkapital zusammen. Und wenn es nur € 279,31 sind, starten Sie Ihren Sender in der Sahel-Zone. Dort sind die Abgaben etwas günstiger.
 
Ich kann mich nicht entsinnen, jemals die Medienpolitik in RLP kritisiert zu haben.
Außerdem bezog ich mich oben auf eine Aussage von Hinztriller.
 
... gilt es, ein Programmumfeld zu schaffen, in dem sich die Werbetreibenden gut platziert und wahrgenommen fühlen. Im Augenblick schalten solche Unternehmen Spots, denen die Qualiotät der Inhalte mehr oder weniger egal ist, weil es ihnen nur auf Masse (MA-Zahlen) ankommt. Vielleicht wäre es ein Weg, zahlungskräftige Werbekunden zu locken, für die die Qualität der Inhalte ein Kriterium ist.
Die Idee ist nicht neu, qualitätsvolle Inhalte mit an besonders zahlungskräftige Kunden gerichteter Werbung zu kombinieren. Aber hierzulande ist's bereits mehrfach gescheitert bzw. muss(te) durch neues Kapital am Leben gehalten werden. Siehe z.B. RelaxFM/Deluxe, LoungeFM, auch das FAZ-Radio sehe ich in dieser Schublade, einige "Sonderwerbeformen" bei JazzRadio, KlassikRadio u.ä.
Richtet sich alles an besonders zahlungskräftiges Zuhörergruppen, die sich am ehesten im Dunstkreis der Ballungsräume erreichen lassen. Wenn das aber da schon nicht funktioniert, wie dann bei einem Lokalradio in dünner besiedelten Gegenden?
Werbekunden die die breite Masse über ein Vollprogramm ereichen wollen und Wert auf die Qualität der Inhalte legen ist ansonsten ein Widerspruch in sich. Das könnte nur mit vor Ort tätigen regionalen Unternehmen funktionieren, die dann das Programm insgesamt sponsorn, und das müsste dann zum überleben reichen. Die überregionale Markenwerbung jedenfalls dürfte allzuviel Inhalt/Wort im Umfeld der eigenen Werbespots eher stören, die sehen das eher als Aufmerksamkeitskiller an.
 
@WilliWinzich: Mir scheint, als wären gerade im deutschen Sprachraum die Menschen mehrheitlich an qualitativ minderwertiges Radio gewöhnt.

Ich erlebe es selbst auf der Arbeit: Dort läuft den ganzen Tag der örtliche Hitdudler per Webstream.
Testweise habe ich ein anspruchsvolleres Programm eingeschaltet. Die Musikauswahl kam nicht besonders gut an.
Als ich dann die Frage aufwarf: Warum hören Sie gerne das besagte Hitradio? kam die Antwort: Weil ich es immer höre und so gewohnt bin.
Unbekannte Titel werden wie ein Fremdkörper empfunden.
Desweiteren fiel mir auf, dass gar nicht aktiv zugehört wird, sondern das Programm lediglich der Hintergrundberieselung dient.

Lokalsender haben es da besonders schwer, eine Rotation zu fahren die vom Mainstream abweicht, denn sie müssen viel mehr um die Gunst der wenigen Hörer buhlen als große Regionalprogramme.

Insofern stimme ich Dir dahingehend zu, dass anspruchsvollere Formate abseits des Mainstreams eher in Ballungsräumen Aussichten auf Erfolg haben.
 
Ein Lokal-Regionalradiosender, der sein Überlebensheil mal nicht darin sieht, dass er in Musikformat und Programminhalten versucht, möglichst so zu klingen und das gleiche zu bieten, wie die landesweiten Dudler, wäre schon mal einen Versuch wert. Dann gefüllt mit tasächlichen regional- und lokalen Informationen/Gesprächspartnern/Künstlern/Themen/Freizeittipps/Veranstaltungen/Diskussionen (und zwar nicht aus Konserve und nicht in 1.30 Zwangsjacken), das wäre ganz sicher für Werbewirtschaft aus dem lokalen und regionalen Mikrokosmos endlich mal ein Argument, sich auf Lokalradio einzulassen. Die Lokalen Zeitungen haben hilflos und ohne echte Gegenstrategie - dafür aber fröhlich auf dem hohen Roß - ihre maßgebliche Rolle als das örtlich bedeutsamstes und unverzichtbares Medium an schreierische Anzeigenblättchen und an den Dschungel der Internetportale verloren. Die Werbebudgets der kleinen mittelständischen Handwerker und Dienstleister irren orientierungslos dazwischen herum - Radio braucht nur zuzugreifen. Aber wie gesagt: Nicht mit einem inhaltsleeren Abklatsch der Dudeleimer. Die haben die Relevanz von Radio gegen Null hin zuschanden geritten und dort geht die Zeit des Geldverdienens (falls es die je gab) ihrem Ende entgegen. Aber im Lokalen sehe ich beste Chancen, wenn jemand kommt, der bereit ist, es hundertprozentig und mit Herzblut zu machen.
 
Mit dem Anspruch sind ja in Süddeutschland Ender der 80er diverse private kommerzielle Lokalradios gestartet. Was ist davon übrig?
 
Sie wurden erschlagen vom SWR, der just in diesen Jahren plötzlich entdeckte, was ihm zuvor 40 Jahre lang nicht eingefallen war, dass Lokalradio zur Grundversorgung gehört, und der daraufhin überall seine vierten Programme aufmachte, alle profitablen Frequenzen für sich beanspruchte und mit Personal und Equipement alles niederwalzte, was an zarten privaten Pflänzchen aufzukeimen drohte.
 
Und Bayern (zählt -geografisch gesehen- für mich auch zu Süddeutschland...)? Hier wird von der BLM das Revier der (meist mit den lokalen Verlegern verbandelten) Lokalsender argwöhnisch bewacht, dass keine wirtschaftliche Konkrrenz entsteht. Nicht vom BR, nicht von konkurrierenden Privatsendern.
 
Nachdem es in den letzten 25 Jahren dem SWR mit seiner ganzen technischen, personellen und finanziellen Artillerie gelungen ist, diese Bedrohung abzuwenden und echte lokale Konkurrenz erst gar nicht aufblühen konnte, zieht er sich nun systematisch und ungeniert wieder aus der Fläche zurück - und nennt das Ganze SWR-4-Reform.
 
@Mannis Fan: Gut, die Regionalprogramme in S4 Baden-Württemberg haben gutes Personal gebunden. Eine Konkurrenz für die meisten Privatsender war dieses Programm schon aufgrund des Musikformates aber eindeutig nicht. Einige versuchten direkt nach dem S4-Start (1.1.1991) durch eine Adaption des "Arabella-Formates" (Stadtradio, Radio TON...) auch ältere Hörergruppen anzuwerben...mit mässigem Erfolg. S4 war einfach konsequenter.
Die Erfolglosigkeit hat ganz andere Gründe:
- keine wirtschaftlichen Sendegebiete in der 1. Lizenzierungsperiode (1986-1994). Es wurde jede Frequenz EINZELN ausgeschrieben und tlw. noch unter mehreren Anbietern aufgeteilt. Nur in den eher ländlichen Regionen mit weniger Interessenten konnten durch Zusammenarbeit Frequenzketten (z.B. Radio 7, Radio Regional, Radio Ton) gebildet werden, um ein grösseres Sendegebiet zu erzielen
- Schwächen in Verkauf und Marketing. Hier gab es einfach keine Erfahrung und mangels Kreativität hat man hier viel, sehr viel liegen lassen. Vor allem die lokalen Märkte wurden zu wenig beackert
- mangelnde Erfahrung auch auf programmlicher Seite, teilweise zu hoher Personalstock, der nicht refinanzierbar war. Das waren grossteils, gerade in den Redaktionsleitungen, Zeitungsjournalisten, vereinzelt versuchte man es auch mal mit Leuten vom Theater (Stadtradio Heilbronn z.B.). Das Radio-know-how konnten sich nur grössere Anbieter von öffentlich-rechtlicher Seite zukaufen, ansonsten engagierte man schon bald Berater...mit den bekannten Auswirkungen.

Dass die Finanzierung gescheitert ist, kann mal also nicht SWF und SDR in die Schuhe schieben. Diese haben freilich alles gegeben, um mit einem guten und auch massenattraktiven Programm die Hörer bei der Stange zu halten, was ihnen auch lange gelang. Die Frequenzen, die der SDR schon Mitte der 80er gerne für eine vierte Kette gehabt hätte, gingen aber allesamt an den Privatfunk (Heidelberg 102.8, Stuttgart 101.3, Aalen 103.7 etc....).
Sagen wir so: Es ist sehr schwierig, einen lokalen Sender auf kommerzieller Basis zu betreiben. Die Kosten sind immens: Studio, Raummieten, Leitungskosten, (noch) die Quasi-Monopolstellung von MB, Personal...
Ganz ohne automatisierte Programme, Syndications, Mantelprogramme oder Kooperation wird es also, abgesehen von einigen Großstädten, nicht laufen. Alternativ sind nichtkommerzielle Konzepte oder Mischfinanzierungen denkbar oder Low-Budget-Politik (R. Neckarburg). Kreative Anbieter wie Radio 2day oder extra radio finden auch ihre Lücken. Ansonsten haben wir ja fast nirgendwo ECHTE Konkurrenz (ausser vielleicht Berlin-Brandenburg), sondern Protektionismus pur.
 
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