Bambi-TV
In der bunten Welt des ARD-Anstaltswesens ist viel Platz für die Verlegerfamilie Burda und ihr kleines Rehkitz
„Auch haben!“ Kleinkinder würden das rufen, wenn sie im Ersten die Bambi-Verleihung schauen dürften. Man säße dann dabei und versuchte zu erklären, warum die Menschen auf dem Bildschirm so handeln und warum sie dies güldene Rehlein bekommen und warum das Ganze auch noch zweieinhalb Stunden lang im Ersten übertragen wird.
Manche Erklärungen sind leicht. Heidi Klum bekommt das Teil, weil sie Heidi Klum ist und nachweislich besser aussieht als Guido Westerwelle. Dieter Bohlen und Elke Heidenreich bekommen Bambis, weil sie viel für den deutschen Buchhandel getan haben; Klaus Maria Brandauer darf erneut ans Rehkitz fassen, weil er schon immer war, was er immer sein wird. Johannes Heesters feiert seinen 100. Geburtstag, weshalb es ungehörig wäre, ihn nicht auszuzeichnen, und Muhammad Ali ist immer der Größte. Auch wenn er nicht mehr spricht auf der Bühne, wenn er wegen seiner Parkinson-Erkrankung zittert und nur mit knapper Boxbewegung andeuten kann, was ihn groß gemacht hat.
Man könnte mit einem Kind länger darüber diskutieren, ob es als gute Tat gewertet werden darf, wenn man einen kranken Mann derart ausstellt; wenn man vorher noch einen Kurt Felix letztlich nur deshalb fürs Lebenswerk ehrt, weil er gerade eine schwere Krankheit überstanden hat. Aber, das würde man dem Kinde erklären, es sind schließlich die rührenden Momente, die von solch einer Veranstaltung im Gedächtnis bleiben. Und so bleibt von der 55. Bambi-Verleihung sicherlich lange erinnerbar, wie der Verstehen Sie Spaß?-Erfinder seiner Frau Paola von der Bühne eine ganz wunderbare Liebeserklärung sandte, wie diese sich den Tränen hingab, und wie sich die beiden hernach umarmten.
Das Kind würde sicher auch gleich einen Bambi einfordern, weil es gestern die Schramme vom Spielplatz so tapfer überstanden habe. Man käme aber nur kurz in Erklärungsnot, weil solch ein Vergleich natürlich Quatsch ist und sich das rettende Argument aufdrängt: „Du kennst aber Hubert Burda nicht“, würde man dem Sprössling sagen und erklären, dass das Bambi auch Hubert Burda Medienpreis genannt wird und dass sich die meisten Preisträger tief vor dem Verleger von Bunte und Focus verneigen müssen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen blendet dazu stets eine wunderbare Verlags-Dreifaltigkeit ein: Hubert Burda sitzt links im Bild, rechts seine Frau Maria Furtwängler, die schöne Schauspielerin, und in der Reihe dahinter grinst mit gefalteten Händen Helmut Markwort. Das Bild könnte man ohne Probleme in der Betriebskapelle aufhängen.
Unter Lufthanseaten
„Kennt denn der Mann von der Lufthansa den Herrn Burda?“, würde das bereits leicht ermüdete Kind vielleicht fragen und auf den wegen seiner Kommunikationstalente prämierten Lufthansa-Chef Jürgen Weber weisen, der von der ehemaligen Stewardess Sabine Christiansen laudatorisch betreut wird – und breit sein wunderbares Unternehmen preist wie zuvor schon der gleichfalls ausgezeichnete Adidas-Boss Herbert Hainer. Die Antwort wäre eine Gegenfrage und würde sofort das kindliche Gespür für die Verflechtungen des Medienmarktes schärfen: „Ja, hast du denn nicht gehört, wie der Herr Weber gelobt wurde für das in seinen Flugzeugen installierte Internet-Angebot, bei dem er mit Tomorrow Focus zusammenarbeitet? Und wem, glaubst du, gehört diese Firma?“
Letzte kindliche Proteste würde man schließlich ersticken mit dem Hinweis, dass dem Herrn Burda nicht nur Privatradios, sondern offenbar auch große Teile der ARD gehören. Anders wäre ja wohl nicht zu erklären, dass nicht nur das Regenbogenmagazin Brisant, sondern sogar die ehrwürdige Tagesschau das direkt folgende, mehr als zweieinhalbstündige Event mit einem bunten Beitrag bewerben muss. Dass wegen Bambi und der darin versemmelten Gags und verunglückten Reden und Moderationen die Tagesthemen um 20 Minuten verschoben werden. Dass am Folgetag noch einmal Brisant über Bambi berichten muss, ausnahmsweise im Abendprogramm, quasi als Anheizer für Bunte-TV, das ja auch Herrn Burda gehört, dessen Frau zudem regelmäßig als Kommissarin durch einen Tatort führt. So viel zum allumfassenden Grundversorgungsauftrag der ARD.
Kurz bevor das Kind einschliefe, würde man noch behaupten, dass die ARD demnächst eine Familienserie plane. Die solle Diese Burdas heißen und vielleicht mit dem Untertitel „Eine schrecklich nette Familie“ ausgestrahlt werden. Aber das wäre natürlich ein bisschen gelogen. Schlaf gut, liebes Bambi.
HANS HOFF