Radio: das unbekannte Massenmedium?

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Da steckt ja eine seltsame schlussfolgerungd rin:
seitdem immer mehr Hörfunkprogramme um die Gunst der Hörer buhlen, seit diesen Tagen will und muss das Radio unverwechselbar sein. Formatiert und durchstrukturiert präsentieren sich seitdem nicht nur die kommerziellen Sender.

Meine Wahrnehmung bisher war, dass Formatierung die Masse der Programme absolut austauschbar und beliebig macht.
 
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Das kommt doch auf den Standpunkt an: Der Erguss des Schreiberlings (wie ist die weibliche Form) steht auf Seiten der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, und da die, wenn nicht direkt, so doch indirekt etwas mit dem zu tun haben, was dem geneigten Hörer ums Ohr gehauen wird, bleibt der guten Dame nur eine "Glorifizierung" des Ist-Zustandes. - Wie war das doch gleich: Wes Brot ich ess'...
 
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Also, also.... entdecke einige altbekannte User, die mal (wieder) recht voreilig irgendwelche abwertende Aphorismen von sich geben....
Zunächst geht es um eine Buchbesprechung...

Und das besprochene Buch scheint logisch aufgebaut zu sein, mit Erklärungen über die Zeit vor dem dualen System und (allerdings mangelhaften!) Erklärungen hinsichtlich „Format“.
Übergreifend war und ist es nichts anderes als die Definition einer Zielgruppe, einhergehend mit einem Musikformat, das diese erreichen soll. Plus einigen (!) Moderationshilfen und -Vorgaben wie einst das 3EB.

Was fehlt, ist die Erwähnung und Erklärung der heutigen „Formatierung“ und Entwicklung zum Nebenbeimedium, durch niedrige Musikladungen, durch pre-researched tracks und diese, egal ob Oldie, recurrent oder current, auf und ab und vorwärts und zurück.

Diese zweite Stufe wird in dem vorgestellten Buch nicht besprochen, und DAS ist das Manko an dem Werk.
Und diese zweite Stufe führt dann zu dem, was mannis fan als „austauschbar“ und „beliebig“ beschreibt (andere auch...).

Richtig ist, daß Radio nicht totzukriegen ist, daß das Internet das Medium Radio noch lange nicht überholt hat und daß man damit Geld verdienen kann.
Dieser Punkt wird allerdings zu wenig kritisch beleuchtet und hinterfragt
 
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Bei mir bleibt nach Lektüre dieser Kurz-Rezension nur eins hängen, das mir der näheren Betrachtung wert scheint:

Nutzungsdauer Radio - alle : ca 180min tägl.

Nutzungsdauer Internet - alle: ca 70min tägl.

Nutzungsdauer Radio - junge Leute: ca. 89min tägl.

Nutzungsdauer Internet - junge Leute: nicht genannt. ("sicherheitshalber"?)
 
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Aber diese Diskrepanz ist ziemlich klar: Radio läuft dauernd, also hohe Nutzungsdauer. Intranet wird gezielt eingeschaltet, also niedrigere Nutzungsdauer.
Besser wäre der Vergleich: Nutzen Radio versus Nutzen Intranet. Da liegt nämlich der Hase begraben. Radio stiftet immer weniger Nutzen, Internet immer mehr.
 
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Da stehen ja sehr anregende Thesen. Beispielsweise:

„Der Hörfunk verband seit den Anfängen sehr heterogene, eigenen Logiken verpflichtete Programmbereiche: Unterhaltung, Musik, Politik, Nachrichten, Kultur und Werbung. Diese Bereiche wurden durch Programmstrukturen mehr oder weniger fest miteinander verbunden und dienten einem Zweck: der »ständigen« akustischen »Erzeugung und Bearbeitung von Irritation« (Luhmann)“

„Die Nachrichten waren nicht nur für die aktuelle Information wichtig, sie setzten den Radiohörern
erstmals eine neue und strenge Struktur. »Die Einführung des Stundenrasters bei Nachrichten« war »der erste Schritt zur Entwicklung des Radios zum Begleitmedium« (Arnold)“

„Die trimedialen Newsrooms ändern das Verhältnis zwischen den Wellen; sie werden nicht mehr konkurrieren, sondern kooperieren und TV und Internet mit abdecken müssen. Welch ein radikaler Wechsel hier stattfindet, wird deutlich, wenn man sich daran erinnert, dass sich das Begleitradio gegen das Fernsehen erfand“
 
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In der Studie wird zurecht darauf hingewiesen, dass die CHR-Wellen (die in besseren Zeiten Top-40-Stations hießen) und die euphemistisch als Hot-AC-Formate umschriebenen "Hitradios" ein sehr junges Publikum ansprechen. Die jüngsten Generationen sind bei der Werbewirtschaft wegen ihres unreflektierten Konsumverhaltens und ihrer Gruppendynamik bekanntlich überaus beliebt. Die Geschmackspräferenzen von Teenies und jungen Erwachsenen kann man mit aufwendigen Marketingmaßnahmen relativ leicht in eine bestimmte Richtung lenken, mit entsprechendem Werbeaufwand lässt sich beinahe jedes neue Musikprodukt zum Hit hochpushen. Die neuesten Erzeugnisse der Plattenindustrie werden über verschiedene Medienkanäle (Fernsehen, junge Internetplattformen und ganz besonders kommerzielle Radiosender) an die jungen Zielgruppen herangeführt und wirken unbewusst stil- und kulturprägend. Diese Entwicklung ist relativ neu und kommt den Bedürfnissen der Musikindustrie entgegen, mit einigen wenigen Zugpferden die horrenden Verluste beim Restgeschäft aufzufangen.

Dieser Zielsetzung dienen vor allem kommerzielle Radiosender und geeignete Fernsehformate, die in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zur Musikindustrie stehen. Warum werden gerade Lady Gaga, Owl City oder Adam Lambert zu internationalen Hitwundern? Warum nehmen die Konzentrationstendenzen im Rundfunk und im Bereich der Musikindustrie immer mehr zu? Seit die Plattenverkäufe und Werbeeinnahmen dahinschwinden und die digitalen Konkurrenzmedien das alte Geschäftsmodell in Frage stellen, bleibt dem terrestrischen Rundfunk nur noch der Weg der Programmverjüngung und -reduzierung - um Kosten zu senken und um ohne große Streuverluste die profitabelste und am leichtesten zu ködernde Zielgruppe zu bearbeiten. Ein tolles Optimierungskonzept, dessen Ablaufdatum dank zunehmender Digitalisierung und Nutzerflexibilität aber immer näher rückt.

Früher bestimmte das (zumeist erwachsene) Kollektiv den Musikgeschmack durch sein Kaufverhalten, heute bestimmen die Konzerne das Kaufverhalten junger Leute durch zurechtgestylte und omnipräsente Popstars. Die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen werden ausschließlich von einigen wenigen Interpreten bestimmt, und die laufen im Alltagsmedium Radio in allerkleinster Dauerrotation, als gäbe es auf der Welt keine musikalischen Alternativen. Erwachsene haben einen differenzierten Musikgeschmack, sind anspruchsvoller und pretentiöser und fallen nicht so leicht auf plumpe Werbebotschaften herein. Sie haben individuelle Vorlieben und lassen sich weniger vom Herdentrieb leiten; daher werden sie für die Programmplanung der Betreiber kommerzieller Radioanbieter immer uninteressanter. Was heute zählt ist die schnelle Kohle, schon morgen könnte der Markt abgegrast sein!
 
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Hallo,

das kann so nicht unwidersprochen stehen bleiben.

Die neuesten Erzeugnisse der Plattenindustrie werden über verschiedene Medienkanäle (Fernsehen, junge Internetplattformen und ganz besonders kommerzielle Radiosender) an die jungen Zielgruppen herangeführt und wirken unbewusst stil- und kulturprägend.

Gerade kommerzielle Sender sind nicht gerade bekannt dafür, dass sie wen auch immer an Musik heranführen. Die Hitradios heißen deswegen Hitradios, weil sie das spielen, was längst Hit ist.

Diese Entwicklung ist relativ neu und kommt den Bedürfnissen der Musikindustrie entgegen, mit einigen wenigen Zugpferden die horrenden Verluste beim Restgeschäft aufzufangen.

Das innige Verhältnis zwischen Musikindustrie und Radio ist spätestens seit den Payola-Skandalen der 50er Jahre bekannt und dürfte durch die heute wenig innovationsfreudige Musikprogrammierung
eher abgekühlt sein.

Früher bestimmte das (zumeist erwachsene) Kollektiv den Musikgeschmack durch sein Kaufverhalten

Das dürfte so ca. bis 1955 richtig gewesen sein. Danach belegbar nicht mehr.

Die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen werden ausschließlich von einigen wenigen Interpreten bestimmt

Ich kenne Aussagen aus der Musikindustrie, die diesen Zustand bereits in den 80er Jahren beklagt haben. Wenn die Industrie relativ konstant mit ca. 90% ihrer Produkte daneben liegt, belegt das eher die Unfähigkeit, den Massengeschmack richtig einzuschätzen oder zu steuern. Das gilt fast genau so für alle Kulturindustrien, ob Kino oder TV.

Erwachsene haben einen differenzierten Musikgeschmack, sind anspruchsvoller und pretentiöser und fallen nicht so leicht auf plumpe Werbebotschaften herein.

Bis in die 80er Jahre hinein galt, dass alle, die älter als 25 waren, für den Musikmarkt überhaupt nicht mehr ins Gewicht fielen. Das hat sich mittlerweile geändert: Die Erwachsenen hören (und kaufen) jetzt bevorzugt die Musik ihrer Jugend. Deswegen der eigentlich komische Spagat der Musiksender mit den Hits der 80er und denen von heute. Was das mit differenziertem Musikgeschmack oder Anspruch zu tun hat, erschließt sich mir offen gesagt nicht.
 
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Gerade kommerzielle Sender sind nicht gerade bekannt dafür, dass sie wen auch immer an Musik heranführen. Die Hitradios heißen deswegen Hitradios, weil sie das spielen, was längst Hit ist.

Irgendwer muss die Hits doch gemacht haben - und wer soll das gewesen sein, wenn nicht das Radio? Die Industrie liefert und der Sender spielt, so war es im Prinzip schon immer, aber früher hatten die Sender in Europa noch eine größere Auswahl. In Amerika ist der Vorrat an qualitativ hochwertiger neuer Musik auch heute noch groß, weil die Amerikaner ein viel leidenschaftlicheres Verhältnis zur Musik haben und die Nachwuchsförderung vorbildlich ist. Dennoch entscheiden sich die großen Radiogesellschaften aufgrund ihrer intimen Verflechtung mit der Musikindustrie bei der Musikauswahl nahezu immer für die "präparierten Hits", also Titel, die per Permanentrotation zu Hits gemacht werden sollen.

In den USA gibt es für begabte Nachwuchsinterpreten dank zahlreicher Subformate bei einer Gesamtzahl von rund 7000 FM-Stationen immer noch genügend Möglichkeiten innerhalb eines regionalen Marktes oder Spezialformates mit "Minor Hits" zum Star zu werden und ausreichend Radiopräsenz zu erhaschen. In Deutschland wird außer bei einer Handvoll Schlagerwellen fast nur noch Importware gespielt. Was in deutschen Contemporary-Hit-Dudlern rotiert, entscheiden die Europa-Abteilungen der Plattenkonzerne.

Das innige Verhältnis zwischen Musikindustrie und Radio ist spätestens seit den Payola-Skandalen der 50er Jahre bekannt und dürfte durch die heute wenig innovationsfreudige Musikprogrammierung
eher abgekühlt sein.

Siehe oben

Das dürfte so ca. bis 1955 richtig gewesen sein. Danach belegbar nicht mehr.

Wo sind denn die Belege?

Ich kenne Aussagen aus der Musikindustrie, die diesen Zustand bereits in den 80er Jahren beklagt haben. Wenn die Industrie relativ konstant mit ca. 90% ihrer Produkte daneben liegt, belegt das eher die Unfähigkeit, den Massengeschmack richtig einzuschätzen oder zu steuern. Das gilt fast genau so für alle Kulturindustrien, ob Kino oder TV.

Früher wurde Musik produziert und der Markt (DJs und Käufer) entschieden über den Erfolg der Singles und Alben, heute entscheidet die Sendeleitung was gespielt wird ("formatverträglich" ist). Heutzutage werden Hitsingles auf dem Reißbrett designt und der Erfolg ist damit praktisch garantiert. Nicht alles wandert in die oberen Bereiche der Charts, aber die Preselection verfängt immer. Wer zum Star aufgebaut wird entscheiden die Plattenmanager, die überall auf der Welt ihre Agenten ausschicken. In den 90ern agierten die Radiostationen noch wesentlich freier als heute, aber das Ausfallrisiko hat sich durch die innige Kooperation der letzten Jahre nahezu auf null reduziert (Beispiel USA).

Bis in die 80er Jahre hinein galt, dass alle, die älter als 25 waren, für den Musikmarkt überhaupt nicht mehr ins Gewicht fielen. Das hat sich mittlerweile geändert: Die Erwachsenen hören (und kaufen) jetzt bevorzugt die Musik ihrer Jugend. Deswegen der eigentlich komische Spagat der Musiksender mit den Hits der 80er und denen von heute. Was das mit differenziertem Musikgeschmack oder Anspruch zu tun hat, erschließt sich mir offen gesagt nicht.

Kaufen, was sie eh schon im Schrank stehen haben? Oder meinst du, sie kaufen auf CD, was sie früher auf Vinyl erstanden haben? Dazu hatten sie bis heute 25 Jahre Zeit... Und wozu werden überhaupt noch neue Künstler aufgebaut, wenn eh jeder Erwachsene immer nur das hört, was er in seiner Jugend bereits gut fand (Retro-Wellen gibt es ja genug - SWR1, Bayern 1, 88,8, aber kaum Sender, die erwachsenen Mainstream spielen)? Ach ja, weil im Radio nur die Hits von früher laufen und keiner mehr was neues kennen lernt. Den Kiddie-Kram der CHRs will ja kein gereifter Mensch mehr haben...
 
AW: Radio: das unbekannte Massenmedium?

Irgendwer muss die Hits doch gemacht haben - und wer soll das gewesen sein, wenn nicht das Radio? Die Industrie liefert und der Sender spielt, so war es im Prinzip schon immer, aber früher hatten die Sender in Europa noch eine größere Auswahl. In Amerika ist der Vorrat an qualitativ hochwertiger neuer Musik auch heute noch groß, weil die Amerikaner ein viel leidenschaftlicheres Verhältnis zur Musik haben und die Nachwuchsförderung vorbildlich ist. Dennoch entscheiden sich die großen Radiogesellschaften aufgrund ihrer intimen Verflechtung mit der Musikindustrie bei der Musikauswahl nahezu immer für die "präparierten Hits", also Titel, die per Permanentrotation zu Hits gemacht werden sollen.
An der Stelle zwei Anmerkungen von mir zu diesem Aspekt der Diskussion.
  1. evw sprach gezielt die kommerziellen Sender an. Er schloss sie nicht kategorisch aus, sondern schrieb von "nicht gerade bekannt dafür".
    Dennoch wäre es mal eine Überlegung wert, ob beispielsweise Annett Louisan einzig und allein durch die kommerziellen Sender bekannt geworden wäre. Ihrer Musik kann man nun wahrlich nicht "vorwerfen", - räusper -, zu den "präparierten Hits" zu gehören.

  2. Das Internet und seine verschiedenen Kanäle bieten überraschende Möglichkeiten, die meines Erachtens immer noch sträflich unterschätzt werden.

    Bei einem meiner bevorzugten Internetradiosender bin ich auf den aktuellen Titel von Rockstroh ("Tanzen") aufmerksam geworden, den ich auf Anhieb so geil fand, dass ich ihn sofort haben wollte. Es gibt ihn aber bislang nur im Internet, wo die Downloadzahlen aber dafür gesorgt haben, dass Rockstroh sofort den Sprung an die Spitze der Deutschen Dance Charts schaffte und auch in den Top 100 der "normalen" Charts vertreten war.

    Klar, mit dazu trägt bei, dass das Ding in der Disse rauf und runter gelaufen sein dürfte.
    Aber, und jetzt kommt der Gag: Erst aufgrund des bislang erzielten Erfolges meldete sich Universal als Label, das die Nummer am 11.06.2010, also kommenden Freitag, offiziell veröffentlichen wird.
    Hallo? Wer pennt denn da? Und welcher Radiosender, der sich nicht gerade explizit mit Dance beschäftigt, hat das Ding in der Rotation?

    Man nehme: Internetradio, Video im Internet (das offizielle Video liegt NICHT auf YT, das sind nur Kopien), Homepage des Künstlers, Myspace etc. pp.
    Nicht umsonst ist das Thema "Selbstvermarktung für Musiker" unabhängig von Labels so wichtig, dass ein (Zeitschriften-)Verlag dazu gleich ein Buch herausgebracht hat.

    Da ich nicht so auf Downloads stehe, weil ich hohe Qualität (ja, auch bei Dance-Nummern!) möchte, stehe ich am Freitag im CD-Geschäft, besorge mir das Stück und lasse es am gleichen Abend bei meinem Kollegen beim After-Work durch die Fohhn Xperience laufen. :D :cool:
    Und welches Radio hat dazu beigetragen?
Zwei Beispiele nur, vielleicht recht speziell - aber wenn Radio das unbekannte Massenmedium ist, muss auch gefragt werden, wer es zu selbigem gemacht hat. Die Hörer etwa?
Wohl kaum. :(
 
AW: Radio: das unbekannte Massenmedium?

ricochet schrieb:
Irgendwer muss die Hits doch gemacht haben - und wer soll das gewesen sein, wenn nicht das Radio?
evw schrieb:
Gerade kommerzielle Sender sind nicht gerade bekannt dafür, dass sie wen auch immer an Musik heranführen. Die Hitradios heißen deswegen Hitradios, weil sie das spielen, was längst Hit ist.

Zwei sehr markante Aussagen. Früher (auch bei kommerziellen Station, und gerade bei jenen, die "offshore" waren (!!!) (sorry, rk...) ) war dies der Fall. Heute überlassen das fast alle Sender vornehm irgendwelchen anderen Begleiterscheinungen und schauen auf die mediacontrol-Liste.... Frage: Wie sind die Sachen da reingekommen, wenn sie keiner vorher im Radio gehört hat? :rolleyes:
 
Da stehen ja sehr anregende Thesen.

Naja, die beiden erstzitierten halte ich für Hirnw........ auf rein theoretischer Ebene, ohne wirkliche Verbundenheit zum Medium.


Die trimedialen Newsrooms

Beim Öffi in Kanada fällt dadurch gerade der Hörfunk brutal hinten runter. Radioberichte bestehen da inzwischen aus kaum noch mehr als zusammengeschnittenen Tonspuren vom Fernsehen. Die engagierten Radioreporter sind wohl gerade dabei, sich vollends in die innere Kündigung zurückzuziehen.
 
AW: Radio: das unbekannte Massenmedium?

Wo sind denn die Belege?

Ich empfehle zur Lektüre:

Peter Wicke - Jazz, Rock und Popmusik

Simon Frith - Zur Ästhetik der Populären Musik

und insbesondere Simon Frith - Jugendkultur und Rockmusik (The Sociology Of Rock) (1981). Es gibt noch reichlich mehr, aber vieles ist nur noch antiquarisch oder über Uni-Bibliotheken zu bekommen.

Den Kiddie-Kram der CHRs will ja kein gereifter Mensch mehr haben...

Dieser Spruch ist so alt wie der Rock'n'Roll. Ich erinnere mich noch gut, wie ich irgendwann Ende der 70er mal zu Besuch beim SWR in Stuttgart (hieß damals noch anders) war und mir der zuständige Musikredakteur erklärte, dass die Jugend ja seit mindestens 10 Jahren nichts musikalisch Innovatives mehr zustande gebracht hätte.

Frage: Wie sind die Sachen da reingekommen, wenn sie keiner vorher im Radio gehört hat?

Zum einen verbündet sich die Musikindustrie zur Zeit gern mit dem Fernsehen. Heraus kommen die Casting-Hits, die es trotz Top 10-Platzierung oft nicht in die Radio-Playlisten schaffen.
Dann gibt es die speziellen Subkulturen (besonders im Dance- und Hiphop-Bereich), die, wenn überhaupt, über die Jugendwellen der öffentlich-rechtlichen promotet werden, aber nicht über die kommerziellen Sender.
Zuletzt würde ich das Internet nicht unterschätzen: Neben den primär über das Netz aufgebauten Künstlern wie Lily Allen dürfte allein die Auswahlbox für die Neuerscheinungen bei Itunes schon relevanten Einfluss auf die Verkäufe haben.
Meine These ist, dass zumindest hierzulande das Radio fast jede Gestaltungskraft, was musikalische Entwicklungen angeht, verloren hat und sich im wesentlichen auf eine Zweitverwertung anderswo bereits erfolgreicher Produkte beschränkt. Ein paar Ausnahmen mag es geben.
 
AW: Radio: das unbekannte Massenmedium?

evw schrieb:
Meine These ist, dass zumindest hierzulande das Radio fast jede Gestaltungskraft, was musikalische Entwicklungen angeht, verloren hat und sich im wesentlichen auf eine Zweitverwertung anderswo bereits erfolgreicher Produkte beschränkt.

Das bundesdeutsche Radio auf UKW: Ja. Dann meinerseits volle Zustimmung :rolleyes:!
 
AW: Radio: das unbekannte Massenmedium?

Meine These ist, dass zumindest hierzulande das Radio fast jede Gestaltungskraft, was musikalische Entwicklungen angeht, verloren hat und sich im wesentlichen auf eine Zweitverwertung anderswo bereits erfolgreicher Produkte beschränkt. Ein paar Ausnahmen mag es geben.

Ganz richtig. Die Singles waren schon anderswo erfolgreich - in den US-Billboards, in England oder auf RTL. Der Sender gehört wie man weiß zum Bertelsmann-Kosmos und die Alben der Castingstars erscheinen ja nicht umsonst beim alten BMG-Partner SONY. Es ist auch keineswegs so, dass die Privatsender den Innovationen der Öffentlich-Rechtlichen hinterherlaufen, das ist längst vorbei. Vielmehr springen die ÖR Dudelsender auf denselben Zug auf, mit dem ihnen die Privatsender vor einiger Zeit davongebraust sind und kopieren ihre "Unarten" nach Kräften. Ansonsten wäre es nie zu dieser Programmverflachung gekommen, denn was bei den Privatsendern aus wirtschaftlichen Gründen nachvollziehbar ist, ist bei der ARD nur noch empörend. Dass Annette Louisan zuerst bei den Privatsendern lief, erstaunt mich auch nicht, wird sie doch üblicherweise unter der Sparte "Deutsch-Pop" verbucht. Der aktuelle Trend geht aber überall in Richtung Top-40, die einstmals breit aufgestellten privaten "Adult Contemporary"-Wellen werden jünger und die Rotation orientiert sich geradezu zwanghaft an den Hitlisten.

Es gibt auch noch eine andere Kategorie - die Künstler im Europop-Segment. Die werden von den Plattenfirmen nach strenger Vorauswahl immer mal wieder gern in die Arena geschickt, obwohl US- und UK-Ware offensichtlich bevorzugt wird.

Über das Potential des Internets bin ich mit "Studio Rebstock" einer Meinung - immer mehr Szene-Hits werden über das Internet promotet und von den Plattengiganten dankbar aufgegriffen. Und das terrestrische Radio läuft einmal mehr hinterher. Und: Man stelle sich vor, was es für unser gutes altes Dampfradio bedeutet, wenn Musik-Streamingdienste mit gigantischem Musikbestand die Regel werden (und das werden sie). Dann können sich dauerhaft nur diejenigen Stationen halten, die die alten Tugenden pflegen bzw. wiederentdecken. Oder man richtet sich nur noch an die Unterschicht und veranstaltet ganztägig Gewinnspielchen mit Musikeinrahmung.
 
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[OT]

Dass Annette Louisan zuerst bei den Privatsendern lief, erstaunt mich auch nicht, wird sie doch üblicherweise unter der Sparte "Deutsch-Pop" verbucht.
War das so?
Komisch, ich habe da hr3 / Lidia Antonini & Werner Reinke als Zufalls-Promoter im Hinterkopf.
Belegen kann ich's aber nicht, und im Netz habe ich keine verlässlichen Belege pro / con gefunden.

Waren das wirklich zuerst die Privatsender?

Ich halte das Beispiel gut geeignet für die Diskussion, wer "wacher" ist.
Dessen ungeachtet: Hier hat das Massenmedium "Radio" seine Stärke gezeigt.

[/OT]
 
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so ist es (war es), wie Rebstock es beschreibt. W.R. wird als Entdecker gehandelt. Was nicht so ganz stimmern mag, Louisan hatte sicher auch vorher schon Radiokontakte, wenn auch unauffällige.
 
AW: Radio: das unbekannte Massenmedium?

"Meine These ist, dass zumindest hierzulande das Radio fast jede Gestaltungskraft, was musikalische Entwicklungen angeht, verloren hat" schreibt evw
Die tägliche Hördauer ist trotzdem noch immer enorm - und so wird natürlich auch beim Mithören oder Nebenbeihören "gestaltet".
Die weiterführenden Fragen sind natürlich: Wie ist das mit der Gestaltungskraft der "Politik" im Radio? Mit der Gestaltungskraft der "Kultur", der "Unterhaltung", der "Nachrichten", der "Werbung"?
 
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Da sind ein paar hochinteressante Feststellungen drin. "Ein durchschnittlicher Hörer nutzt statistisch nur 1,5 Programme". Das stellt doch alle Marketingkaspereien und Name-Claimings in Frage.
Andere Aussage: "Innerhalb der neueren und boomenden Medien- und Kommunikationswissenschaften nimmt der Hörfunk seit Langem eine Randposition nahe der Nichtbeachtung ein." Warum wohl? - Weil die inhaltliche und damit massenrelevante Bedeutung gegen Null tendiert? - Nur mal als Frage vorsichtig angedeutet!
Ganz wichtiger Satz in dieser Untersuchung: "Das Primat der Ökonomie hatte vielfältige Folgen". Ganz viele Threads in diesem Forum - speziell zu denThemen MA, Reichweite und Formatierung - finden hier ihre auf den Punkt gebrachte Begründung.
"In modernen Programmen ist nichts mehr dem Zufall oder der Abweichung überlassen." Wie wahr auch diese Feststellung. - Die Folge: Keine Überraschungen, keine spontanen Höhepunkte, kein Adrenalin beim Hören - keine Begeisterung. Nur künstliche und durchschaubare Inszenierungen. Mal gut, mal sehr gut, oft aber auch misserabel gemacht!
 
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