Radio im Jahr 2050

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Mannis Fan

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Der Jahreswechsel animiert mich, ein bisschen Fantasie walten zu lassen und Science-Fiction zu veranstalten.
Deshalb mache ich hier einen Faden auf: "Wie könnte Radio im Jahr 2050 aussehen?" Ihr seid alle aufgerufen, euch mit eigenen Fantasien zu beteiligen.

Ich mache mal den Anfang mit einer eher positiven Perspektive. Bitteschön, hier kommt meine Vision von Radio im Jahr 2050:



Spätnachts: Manni kommt heim! Was war das wieder für ein Tag? Arbeit, Stress, Besprechungen, eklige Kollegen, die übliche Kacke! Zum Ausspannen jetzt noch ein Stündchen gutes Radioprogramm, - und ein Konjak dazu. Darauf hat Manni sich schon während der ganzen Heimfahrt gefreut.
Mit einem Fingerschnippen dirigiert Manni das Smart-Home-Display, das einsatzbereit unter der Wohnzimmerdecke schwebt, zu sich heran. Er tippt kurz unter „Küche“ das Abendessen ein, dann unter „Bett“ das Schlafprogramm und den Traumanimator, dann wählt er „Radio“ aus dem Menü. Das Display fragt ihn nach seinen Wünschen. Er entscheidet sich für eine AC-Rock-Pop-Sendung mit einem Wortanteil von 10 Minuten.
Das Display will wissen, ob er einen bestimmten Nachrichtensprecher wünsche. Er tippt die „egal-Taste“. Wichtiger ist die Auswahl des Moderators. Einer skurrilen Eingebung folgend geht auf Manni auf das „Nostalgie-Menü“. Mal eine Moderationsstimme aus dem vorigen Jahrhundert suchen. Er scrollt das Auswahlmenü herunter und orientiert sich an den Fotos. Bei einem Frauengesicht „Evi Seibert“ bleibt er hängen. Sieht gut aus! Kurze Stimmenprobe. Ja, gefällt ihm auch. Er gibt also ein: „Evi Seibert“. Das Display zeigt ihm, dass er sich für eine Moderatorin entschieden hat, die vor 50 Jahren beim damaligen ÖR-Sender SWR-3 moderiert hat.
Was die Technik nicht alles kann? Diese Stimme moderiert ihm nun eine Stunde Radioprogramm. Das Programm selbst kommt zwar vom Worldwide-Broadcast-Computernetzwerk „Global-Radio“, die Moderationstexte tippen irgendwo in Hamburg, Brüssel, London, San Francisco oder Tokio Crews von pfiffigen und sachkundigen Redakteuren ein – das System übersetzt perfekt in alle Sprachen der Welt - aber hier in Deutschland, in Mannis Smart-Home, hört es sich an, wie ein schnuckeliges Regioanlprogramm aus der Heimat. Denn die freien Mitarbeiter, die „Global-Radio“ weltweit zuliefern, bestücken den Pool mit allem Interessantem aus jedem Winkel der Welt, Fakten, Gerüchte, Ereignisse, Tratsch, Hintergrund, Diskussionen – alles, was irgendwie von Interesse sein könnte.
Manni tippt in seiner Menüauswahl unter „Regionalauswahl“ auf „20 Prozent“. Das müsste reichen, um das Wichtigste aus Südbaden mitzubekommen. „40 Prozent“ gibt er für „Deutschland“ und weitere „40 Prozent“ für „Global“. Dann entscheidet er sich noch für den Mix „30 Prozent Politik“, „30 Prozent Sport“, „20 Prozent Buntes/Boulevard“ und „20 Prozent Kultur“.
Dann tippt er zuletzt noch auf „speichern“, denn dieses Programm will er nun mal ein- oder zwei Wochen testen.
Entspannt lässt er sich in den Sessel fallen. In die in den Wänden seines Wohnzimmers integrierten Surround-Lautsprecher kommt Leben. Evis Seibert säuselt: „Willkommen Manni, bei unserer gemeinsamen Stunde um Mitternacht ...“
 
AW: Radio im Jahr 2050

Schöner Text. Aber um ehrlich zu sein - beim Lesen ist mir ein unangenehmer Schauer über den Rücken gelaufen. Das Hören alter Stimmen aus der Nostalgieecke ist vielleicht recht interessant. Aber irgendwie - ich weiss nicht. Wir erinnern uns doch noch an das gute alte Radio oder? Das Radio, bei dem wir uns irgendwie mit dem Mann (oder der Frau) im Radio identifiziert haben. Oder vielleicht sogar live in der Sendung anriefen.
Ein Live-Moderator, der hinter einem Mikrofon steht oder sitzt.
Der für uns da ist. Der hinter der Musikauswahl steht.

In 39 Jahren sind wir doch hoffentlich weiter als bei altmodischen Stimmgeneratoren, Mischungen aus Musikverzeichnissen und Podcasts.

Ich würde mir wünsche (sollte ich dann noch am Leben sein), dass ich das Radio einschalte und genau weiß jaaaa es ist Nacht, und es ist tatsächlich ein Nachtmoderator in irgendeinem Studio da draußen. Der für mich und die anderen Nachtschwärmer Dienst schiebt. Mit uns seine Gedanken teilt. Und ne Platte aus längst vergessenen Zeiten rausholt und sie für uns spielt.

Ich weiss, das ist mehr Science Fiction als die Vorstellung von dir. Aber man darf ja wohl noch träumen, oder ?

In diesem Sinne.....
 
AW: Radio im Jahr 2050

Radio gibt es dann nicht mehr, weil es fraglich ist, ob es dann überhaupt noch Menschen bzw. die Menschheit gibt. Falls doch, wird es sicherlich nicht mehr das "klassische Radio" von heute sein. Wahrscheinlich kann sich dann sowieso jeder über Internet oder wa es dann auch immer gibt, das raussuchen, was ihn interessiert. Ich hoffe mal, dass sich dümmliche Gewinnspiele und 200-Titel-Rotationen damit dann erledigt haben. Vielleicht kommt es aber auch ganz anders. Wer will das schon sagen; 40 Jahre sind ne verdammt lange Zeit.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Erstmal vorweg, SEHR schönes Thema!!! So viel Fantasie wie der Kollege der den Thread eröffnet hat besitze ich leider nicht, dennoch schwebt mir da was spezielles für NRW vor!

Die Vision: Im Jahr 2050 wird es so aussehen, das die NRW-Lokalradios inklusive Radio NRW in Oberhausen von allen NRW-Bürgerfunkern übernommen wird und dann stimmt auch der Slogan 100% von hier!

Für viele ein Alptraum....aber, wo ist das LOKALradio noch LOKAL??? Die einzigen, die wirklich LOKAL berichten sind die Bürgerfunker!:wow:

Obwohl....so im nachhinein betrachtet -Bürgerfunker erobern die NRW-Lokalradios- doch....ich habe doch eine ausgeprägte Fantasie...
 
AW: Radio im Jahr 2050

Ich vermute, dass es genau so kommen wird, wie Mannis Fan es beschrieben hat. Ich hatte ähnliche Ideen, als ich mir Gedanken über ein neues massentaugliches Internetradio gemacht habe. Das Problem der 1:1 Verbindungen des live-Streams fiele weg, da die Sendungen vorher vom Server geladen werden könnten und gegenüber dem Mp3-Player hätte ein solches Radio den Vorteil, dass man auch weiter neue Musik vorgestellt bekäme ohne lange danach zu suchen. Den Anfang wird wohl irgendwann eine Art YouTube-Radio machen. Erstmal natürlich noch ohne stimmengenerierte Moderation, da dürfte es noch etwas dauern, bis die Technik ausgereift ist. Bis 2050 wird man darauf aber wahrscheinlich nicht warten müssen. Wer hier jetzt mitgelesen hat und ein findiger Programmierer ist, könnte mit dieser Idee wohl ne Menge Geld verdienen :D.

So wirklich schön finde ich die Vorstellung eines solchen Konservenradios allerdings nicht. Gegenüber der heutigen Nebenbeiberieselung hätte es aber sicher enorme Vorteile. Privatradio und dessen öffentlich-rechtliche Abkupferung wäre überflüssig geworden. Eine echte Konkurrenz-Chance hätten dann wohl nur noch gut gemachte, authentische Programme, denen man anhört, dass sie echt sind. Darin steckt ja vielleicht sogar eine Chance.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Ich finde die Vorstellung von Mannis Fan nicht unbedingt schlecht. Klingt zwar alles sehr gruselig, aber wäre doch mal wieder schön, Moderatoren von früher wieder zu hören. :) Andererseits gibt es dann aber auch einige tolle Veranstaltungen nicht mehr, die immer von den Radiosendern organisiert werden. :(
 
AW: Radio im Jahr 2050

Das Radio wurde komplett von den Privaten übernommen.
Jürgen Domian ist zu 94.3 RS2 gewechselt und sendet immernoch nachts ab 1 Uhr.
Dieses Jahr feiert er sein 54-Jähriges "Domian"-Jubiläum.
Im Radio dudeln das beste aus den 30ern, 40ern und das beste von heute.
Der Wortanteil im Radio beschränkt sich auf 2 Minuten news/wheather/entertainment und Space-Verkehr und 20 Minuten Gewinnspiele. Vereinzelt sind deutsche brocken zu hören, sonst besteht alles aus Anglizismen.
Es gibt Radiosender wie: Berlins crazy Hit rotation oder Your freaky bayern station on nintyninepointseven.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Mit dem fortschreitenden Ausbau der drahtlosen Datennetze, wird sich das Radio wohl tatsächlich in die Richtung individueller Programme entwickeln. Man wird dann weitreichende Auswahl-Möglichkeiten haben, wie das eigene Programm gestaltet werden soll: Musik aus der eigenen MP3-Sammlung, eigene MP3s mit Neuerscheinungen der gewünschten Genres angereichert oder man gibt Genres vor und der Streaming Server stellt das passende Musikangebot automatisch zusammen. Ähnlich wird es mit Wortbeiträgen laufen: Man kann Nachrichten nach Regionen auswählen, ebenso Verkehrsinformationen und Wetter, je nach Wunsch zur vollen Stunde oder öfter/seltener oder gar immer nur, wenn es was neues gibt. Dazu kann man quasi Podcasts nach Wahl einbinden: Je nach Wunsch gibt es dann eben Comedy, Kultur, Reportagen, Reisetipps, Veranstaltungstipps – ganz nach Vorlieben des Hörers. Für Hörer die sich nicht die Mühe machen wollen eigene Inhalteprofile zusammenzustellen, wird es wahrscheinlich auch fertige Profile die gängigen Anforderungen entsprechen geben.

Da viele Wiedergabegeräte auch Displays mit Touch-Display haben werden bzw. entsprechende Fernbedienungen haben, wird man eine Auswahl von Inhalten auch dynamisch gestalten können. So wird man sich mit mit einer Display-Berührung bei einem interessanten Beitrag weitere Informationen zum Thema ins individuelle Programm holen können. Sollte ein Thema absolut uninteressant sein, wird es auch einen Überspringen-Button geben. Ähnlich wird es sich mit Musik verhalten, man wird auswählen könne, ob der aktuelle Song gefällt oder eher nicht und die künftige Musikauswahl wird diese Informationen natürlich berücksichtigen.

Das Ganze wird man als Pay-Angebot werbefrei bekommen oder kostenlos und werbefinanziert – wobei hier natürlich Werbung nicht überspringbar sein wird. Gewisse hochwertige Inhalte werden sicherlich nur gegen Zahlung zu bekommen sein. Durch die weitgehende Individualisierung, wird es wohl Moderatoren im heutigen Sinne nicht mehr geben. Inwiefern es überhaupt noch wirkliche menschliche Sprecher gibt bleibt abzuwarten, aber ich denke sie werden nicht ganz verschwinden. Im Rahmen etlicher Beiträge wird es sie weiterhin geben, als Nachrichtensprecher oder für die Wortbeiträge, aber gerade Verkehrsmeldungen werden wohl automatisiert stattfinden. Primär werden menschliche Sprecher aber bei Live-Beiträgen von Sport und anderen Ereignissen zum Einsatz kommen.

Letztlich hat das Ganze mit dem heutigen Radio nicht mehr viel zu tun: Es wird kein Broadcast-Medium mehr sein. Inhalte, die nicht schon auf dem Gerät vorhanden sind, werden kurz bevor sie benötigt werden über das Internet geladen. Das macht diese Art Service auch erst möglich; denn auch wenn die künftigen Datennetze höhere Bandbreiten haben, macht es keinen wirklichen Sinn jeden Song jedes Mal erneut zu übertragen. Teilweise wird er in der eigenen MP3-Sammlung eh vorhanden sein. Inhalte die in einer Funkzelle von vielen Nutzern nachgefragt werden, könnten auch per Multicast-Übertragung gepusht werden.

Das Ganze kann man mit einem lachendem Auge sehen und auch mit einem weinendem. Das Gute ist, dass man endlich Musik (sofern überhaupt gewünscht) und Inhalte getrennt wählen kann. Heute ist z.B. nicht möglich z.B. Electro House und Minimal House gemischt mit Wortbeiträgen a la DLF zu hören oder auch die Mischung von Klassik und regionalen Informationen (irgendwie sind die Landesprogramme bei den Öffis erstaunlich oft Schlagerwellen) wird möglich sein. Vor allem wird man endlich überhaupt gewisse Musikrichtungen erstmals im "Radio" ganztags hören können und nicht nur in Nischensendungen. Nachteilig ist natürlich, dass Überraschungen (positiv wie negativ) ausbleiben und damit auch der gelegentlich doch interessante Blick über den Tellerrand bei Musik und auch Wortbeiträgen natürlich verloren geht. So gibt es gelegentlich auch in Musikrichtungen, die ich nicht zu meinem Profil packen würde, interessante Musik, die so an mir vorbeigehen könnte.
 
AW: Radio im Jahr 2050

In ein paar Jahren wird die flächendeckende Infrastruktur für den neuen LTE-Standard stehen, und dann ist auch bei mobilen Geräten ein großer Datendurchsatz möglich. Sobald die Anlauffinanzierung erwirtschaftet ist, wird es auch im mobilen Bereich Kampfpreise geben wie beim stationären Internet, was zur Folge haben wird, dass viele Nutzer mobil und stationär nur noch über ein und dieselbe Funkverbindung surfen.

Das heißt, dass wir schon wesentlich früher mit Szenarien konfrontiert werden könnten, wie sie sich "Mannis Fan" im ersten Beitrag detailreich ausmalte. Ist das mobile Internet erst mal bei den Deutschen angekommen, werden die ersten Anbieter automatisierte Radiodienste mit flexibel einbindbaren Nachrichtensendungen und Wortbeiträgen breitstellen und die Musikauswahl anhand frei verfügbarer Schlüsselkriterien (Genre, Interpreten, Mood) dem Nutzer überlassen. Dazu kommt noch das unüberschaubare Feld der bereits bestehenden Internetstreams und Webradios.

Ab 2015 soll die Ultrakurzwelle laut TKG abgeschaltet werden, von da an wird auch das terrestrische Wellenspektrum bunter werden. Bis dahin müssen die Privatsender noch mal ordentlich Rendite einfahren und neue strategische Konzepte erarbeiten, denn nach Ablauf einer kurzen Übergangsfrist ist das alte Verdienstmodell endgültig passé. Eine all zu lange Verzögerungspraxis verhindern die internationalen Rahmenvereinbarungen.

Wenn der mobile Internetzugang für die Allgemeinheit erschwinglich ist, dürfte es den Dudelwellen schnell an den Kragen gehen. Die Radioveranstalter werden sich dann umso mehr an die einkommensschwächeren und bildungsfernen Schichten richten, wie es in den amerikanischen Großstädten längst der Fall ist. Auch Migrantengruppen könnten den Programmachern bald schon lukrativer erscheinen, als die selbstbestimmten und technologisch emanzipierten Deutschen. Dann dürfte es in deutschen Großstädten neben öffentlich-rechtlichen Sendern und gewinnspielverseuchten Privatradios auch jede Menge türkischsprachige Programmangebote geben, während sich die Mehrzahl der Deutschen längst auf anderen Plattformen delektiert und die neugewonnenen Freiheiten auskostet.

Entgegen den Ausführungen einiger Vorredner bin ich fest davon überzeugt, dass es auch im Jahre 2050 noch ganztägig moderierte Radiosender geben wird, egal ob ÖR, Privat- oder Bürgerfunk. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird sein eigenes Profil notgedrungen schärfen müssen, zumal er gegen die wachsende Konkurrenz nur mit werthaltigen Angeboten bestehen kann. Dass journalistisch ausgerichtete, ganztägig moderierte Hörfunkstrecken mithilfe unterschiedlicher musikalischer Gewandungen auf spezifische Hörergruppen ausgerichtet werden können, beweist schon seit Jahren der weithin unbekannte WDR2-Ableger WDR2-Klassik.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Im Jahre 2050 wird es kein Radio mehr geben, oder zumindest nicht mehr in der für uns bekannten jetzigen Form. Bis dahin können Sprachcomputer eigenständig sprechen, diese handyähnlichen Geräte, auf denen unser Leben und soziales Umfeld abgespeichert sind, hauen auf Knopfdruck die aktuellen Meldungen raus und Musik macht das Ding eigenständig, auch Eigenkreationen.

Ich fürchte, die Technik im Jahre 2050 wird sich noch schneller weiterentwickeln, als es von 1960 bis heute der Fall ist. Sofern es genügend "neue Erden" in China gibt.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Vielen Dank für Eure Gedanken und Anregungen zu meiner Januar-Vision vom Radio im Jahr 2050. Damit das Thema nicht gleich stirbt, schiebe ich jetzt eine Februar-Folge hinterher:

Hier kommt die Februar-Vision meiner Science-fiction-Vorschau „Radio im Jahr 2050“:

Jede Menge Spam im elektronischen Postfach. Manni löscht routiniert: klack- delete, klack-delete, klack-delet! Halt, Stop! Da war was, nicht löschen: Der wöchentliche Gebühreneinzugsbescheid der GEZ mit Anhang „Information über die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrages“. Manni öffnet das Mail: „Sehr geehrter gebührenpflichtiger Nutzer des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsangebotes …“ so begann, wie immer, das Rechnungsanschreiben. Manni interessierte sich nur für den Betrag. Wieviel war es diesmal? 87 Euro die Woche! Unglaublich, schon wieder um vier Euro aufgeschlagen. „Dieser Betrag wird zwangseingezogen. Ihre Widerspruchsfrist ist am 15. Januar abgelaufen. Sollte Ihr Konto keine Deckung ausweisen, ist die GEZ berechtigt, die Lohnpfändung bei Ihrem Arbeitgeber in Gang zu setzen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, siehe dazu BGH-Urteil vom….“ Bla, bla, bla. Manni las gar nicht erst weiter. Die siebte Erhöhung innerhalb dieses Jahres. Mit welcher Begründung denn diesmal? Verärgert las er den Erklärtext: „… hat der unabhängige und parteipolitisch neutrale Rundfunkrat dem Vorschlag der 32 Intendanten zugestimmt, das neu eingerichtete, bundesweit verfügbare Programm „Parteiendeutschland“ als Bestandteil der Grundversorgung anzuerkennen und den Aufbau einer eigenständigen Redaktion über eine Anhebung der wöchentlichen Rundfunkgebühr um vier Euro zu finanzieren.
Das Programm „Parteiendeutschland“ berichtet umfassend, kompetent und neutral über die jeweiligen Akteure der politischen Parteien, über ihre Programme, ihre Erfolge, ihre Wahlkämpfe und ihre inneren Strukturen. Die unverzichtbare Funktion der Parteien als entscheidende Träger der politischen Willensbildung und als Garanten der demokratischen Stabilität unseres Rechtsstaates rechtfertigt den Aufbau einer eigenen Programmlinie im Sinne der Grundversorgung. Die Intendanten zeigten sich überzeugt, dass mit dieser Maßnahme auch die derzeit unbefriedigende Wahlbeteiligung von nur noch elf Prozent bei den letzten Bundestagswahlen wieder angehoben werden kann.“
Manni fluchte. Parteienprogramm! Zum Wegschalten! Ihn fragte ja niemand. Im letzten Jahr wurden vier neue bundesweite Grundversorgunswellen ins Leben gerufen, die er alle noch nie gehört hat, aber Woche für Woche bezahlen muss: Die „All die Liedl-Welle“ – das schlager und volksmusiklastige Programm des Einzelhandels, das Programm „Fröhliche Nacht“ der Hotelbranche, die ÖR-Trucker-Welle „Mit Maut und Mut“, sowie das Erziehungs- und Spielprogramm „Bunte Kinderwelt“ für die Zielgruppe Kindergarten- und Vorschulkinder.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Eigentlich hatte ich erwartet, dass jetzt die Verteidiger der öffentlich-rechtlichen Grundversorger über mich herfallen, um mir auseinanderzusetzen, wie absurd meine Zukunftsvision sei. Aber offensichtlich wird sie als plausibel akzeptiert ...
 
AW: Radio im Jahr 2050

Lieber Manni, ich denke deine Februar-Vision ist tatsächlich überzogen. Mehr Spartenkanäle bei steigenden Gebühren: in gewissen Maße aber wahrscheinlich absehbar. Langfristig werden die Rundfunkgebühren natürlich der Inflation angepasst werden müssen. Leider wird sich der Trend immer neue, unsinnige Spartenprogramme zu schaffen nicht stoppen lassen. Bis zum Jahr 2050 wird es wohl eher deutlich mehr davon geben als heute. Teurer wird das Ganze aber eher nicht, da man gleichzeitig fleißig Inhalt und Mitarbeiter abbauen wird.

Öffentlich-rechtliches Popradio, sollte es das 2050 in der heutigen Form überhaupt noch geben wird wohl eine Art bundesweites RadioNRW werden. Die einzelnen Landeswellen werden zwar weiter bestehen bleiben, die Inhalte wird man sich aber teilen. Nachrichten werden bis auf kurze Regionalfenster zentral gesendet, und Beiträge fleißig durch die Sender gereicht. Comedys werden extern eingekauft und laufen dann überall. Die Sendestrecken werden immer weiter verlängert, um Personal zu sparen. Neben den wenigen Moderatoren wird es schließlich nur noch einen Verkehrsheini und eine Wettertante geben, die tatsächlich in den Regionalstudios anwesend sind. Pro Sendeanstalt wird eine Zentralredaktion alle Spartenkanäle bedienen.

Huch! Das ist ja gar keine richtige Zukunftsvision, sondern jetzt schon zunehmend traurige Realität.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Ich glaube eher, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Zeitalter der grenz- und schrankenlosen Mediennutzung auf seine Grundtugenden besinnt, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Das Dudeln wird man dann wohl eher den Privatsendern überlassen und statt dessen mit journalistischen Inhalten, regionaler Kompetenz und professionellen Unterhaltungsformaten werben. In einer Zeit in der jeder Musikstream aus dem Web per Funknetz empfangen werden kann, ist mit Popwellen kaum noch Geld zu verdienen.
 
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Ein interessanter Thread!

Spannend bliebe die Frage, welche Musik die Radiosender im Jahre 2050 spielen werden.

In den vergangenen 20 Jahren hat es einen massiven Qualitätsverlusst im Sektor der populären Musik gegeben. Wie wir wissen, existieren kaum noch richtige Kultbands.
Dies führt unmittelbar zu der Frage: Wird sich diese Entwicklung in den kommenden 20 bis 40 Jahren so fortsetzen oder werden wir einen qualitativen Aufschwung erleben, d.h. wird es wieder Musikgruppen oder einzelne Interpreten geben, die den Beatles, den Rolling Stones, Pink Floyd, Fleedwood Mac, Abba, Dire Straits, Jimi Hendrix, Led Zeppelin, Peter Gabriel, Sting, Rod Stewart, Bruce Springsteen oder Tina Turner das Wasser werden reichen können oder wird es so sein, dass die Hörfunkprogramme weiterhin mit Inhalten von dem Niveau einer Lady Gaga, Beyoncé, Shakira, der Black Eyed Peas, Taio Cruz, Revolverheld oder Xavier Naidoo zugemüllt werden?

Die Qualität des Rundfunks hängt nicht zuletzt ab von der Qualität der gespielten Musik; die Moderation ist in dieser Hinsicht eher sekundär. D.h. wenn die Leute künftig einen Radiosender einschalten, dann nicht deshalb, weil ein bestimmter Moderator hinter dem Mikrofon sitzt, sondern weil die Station auf eine spezielle Musikrichtung ausgerichtet sein wird. Dabei kommt es jedoch ganz entscheidend darauf an, welche Qualität die Musikindustrie liefern wird.
 
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In Deutschland gibt es leider keine nennenswerten Qualitätsstandards mehr. Hitradios spielen anspruchslosen Teenie-Pop von Nelly, Katy Perry oder Chris Brown, verwerten belanglose Neuerscheinungen von abgewirtschafteten Rockbands wie Bon Jovi und mischen das ganze Elend unpassenderweise noch mit 80er-Soft-Hits. Keiner sagt, dass diese Musik keine Daseinsberechtigung hat - aber in dieser Kombination und in diesem inflationären Ausmaß?

Im Lande selbst gibt es nur noch wenige bekannte Interpreten, die die Chance haben im Radio gespielt zu werden, und selbst bei denen tut sich nicht mehr viel. Deutschsprachige Musik wird überwiegend ausgeblendet, der Schlager ist mithin auf Alleinunterhalter-Niveau abgerutscht. Das Radio schafft es wirklich in vorbildlicher Weise sich selbst zu desavouieren und sich auf lange Sicht die Geschäftsgrundlage zu entziehen; die Jungen haben sich schon weitgehend abgesetzt, nun flüchten auch die Alten, weil sie keine adäquaten Angebote mehr finden. Die mittleren Generationen sind arg vergrätzt, weil immer mehr Sender der radiorenitenten Jugend hinterherlaufen.

Wo soll das alles noch hinführen? Niemand, der eine technologische Alternative hat, hört noch Dudelfunk. Programme wie SWR1 und hr1 erinnern noch an die alte Größe des Mediums, aber das sind leider rare Ausnahmen.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Es gibt nur eine erfolgversprechende Vorgangsweise, um das UKW-Band halbwegs attraktiv und langfristig profitabel zu machen: Sender besser nach Geschmacksrichtungen sortieren, das ganz junge Segment stärker in Einzelangeboten bündeln, die Werbeagenturen entmachten, Marktlücken füllen und nicht nur in großen Radiomärkten auf Trennschärfe zu ähnlich gelagerten Programmen achten. Aber ich für meinen Teil habe habe nur wenig Hoffnung, dass sich auf absehbare Zeit was tut. Im Radiobereich herrscht eine wüste Abzockmentalität, die nichts als verbrannte Erde hinterlässt. Ganz nach dem Motto: Melkt die Kuh, solange sie noch frisst. Leider sehr naiv gedacht.
 
AW: Radio im Jahr 2050

nun flüchten auch die Alten, weil sie keine adäquaten Angebote mehr finden.
So sehe ich das auch, allerdings handelt es sich m.E. nur um die halbe Wahrheit.

Die klassischen Hitradios klingen in anderen Ländern nur deshalb besser, weil dort eine größere Anzahl an älteren Titeln im Programm sind und die Rotation größer ist.

Das eigentliche Problem liegt jedoch auf Seiten der Musikindustrie: Wenn du die Charts-Tabelle durchgehst, sind die meisten Titel leider ziemlicher Schrott.

Ich weiß, wie hr3 Anfang der achtziger Jahre geklungen hat und wie sich der Sender heute anhört. Die Musik war damals einfach besser, aber nicht weil die Musikredakteure versierter waren, sondern weil die Musikindustrie einfach eine bessere Qualität geliefert hat.
Warum sind denn SWR1 und hr1 derart beliebt? - Weil dort ein sehr hoher Anteil an Classic Hits gespielt wird!
 
AW: Radio im Jahr 2050

Es fehlen ganz einfach die Ausweichmöglichkeiten. Wenn ein junger Amerikaner kein Top-40-Gedudel mehr hören will, hat er mehr als ein dutzend Alternativformate. In Bayern habe ich nur die Wahl zwischen zwei oder mehr chartfixierten Hitradios (Bayern 3, Antenne Bayern, in Ballungsräumen ein paar mehr), einem Oldiedudler, einer Klassikwelle und einem oder zwei Regionalsendern im Oldie/Soft-AC-Format. Und das war's dann.
 
AW: Radio im Jahr 2050

Zudem stehen dem mündigen Bayer auch noch weitere 20000 bis 35000 Programme zur Verfügung, nur leider besteht der mündige Bayer darauf, dass alles per UKW geliefert wird.
Ungelenk wischt er sich seinen Bierschaum vom Mund, Halleluja, so samma halt. Des neumodsche Zeug, des is a Glump vorm Herrn, und geht nimma.
 
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