Nette Diskussion hier. Aber es ist zu ideologisch.
Dieses kranke Lokalfunksystem ist anders zustande gekommen. Der WDR hatte Mitte der 80iger nicht wirklich Interesse an landesweitem Privatfunk. Er hat viel dazu beigetragen, dass er weiter rot, versumpft und verschlafen weiter vor sich hin dämmern konnte. Das würde aber hier zu weit führen. Eigentlich ist es ja immer noch so. Nur, dass es nicht mehr rot ist. Pleitgen war noch rot, aber Steinbrück hat mit seinem Nein zur GEZ-Erhöhung es sich verscherzt. Danach ging Pleitgen mit Rüttgers wandern, den er mit Hilfe seiner Programme vor der Wahl in den Vordergrund gestellt hat. Piel war nichts (auch politisch), Buhrow ist zwar auch nichts, politisch aber schwarz. Gleiches gilt für Schönenborn und Weber kommt aus Bayern. Als "rote Valerie" wäre sie bei Antenne Bayern sicherlich nichts geworden. Die Zeiten des roten WDR sind schon länger vorbei. Allein die anbiedernde Hofierung des kleinen Mannes aus Aachen in den letzten Wochen in den WDR-Programmen zeigt dies ganz deutlich.
Und dann der gute, alte Bruder Johannes. Alles irgendwie einigen. Darunter leidet dieses nach wie vor dieses Bundesland bis heute. Wie Kleister hat sich das "Wir in NRW" über das Land gelegt und gelähmt. Aber auch das würde zu weit führen. Es gibt Gründe, warum in diesem NRW alle Brücken zur gleichen Zeit kaputt sind, alles irgendwie schäbig aussieht und das Land so schlecht dasteht. Wer das verstehen will, der muss in die Zeit von Bruder Johannes zurückbegeben. Die eigentlichen Fortschritte des Landes sind von seinen Vorgängern, schwarz wie rot, eingeleitet worden, die der gute Johannes dann verdaddelt hat. Aber wie gesagt, eine andere Geschichte.
Mitte der 80iger machten sich die Unionsländer auf und führten privaten Rundfunk ein. In NRW tat man das, was man dort zwischen Rhein und Weser (Achtung, Insider!) bestens kann: Vor sich hindämmern! Als ein smarter Chef der Staatskanzlei von Bruder Johannes engagiert wurde, der den Laden in Düsseldorf mal endlich auf Vordermann bringen sollte, wunderte sich dieser. Denn UKW-Frequenzen für landesweiten Funk gab es nicht mehr. So blieb nur noch die Option, privaten Lokalfunk einzuführen. Da standen aber Interessen der damals noch mächtigen Tageszeitungsverleger den Interessen der SPD-Parteibasis gegenüber. Letzteren schwebte ein "Bürgerradio", werbefrei und lokal orientiert vor, den Verlegern ein Monopol. Dummerweise stand hier Kartellrecht entgegen. Bruder Johannes, alter Skat-Zocker und trinkfest, vereinte auch diese Interessen. Sein Credo halt. Und so kam die Scheiße raus, die wir in NRW heute immer noch besichtigen dürfen. Man schaffte ein wundervolles Paradies für die Verleger und besänftigte die SPD-Basis. Mit Bürgerfunk und VG (als Preis für das Bürgerradio) auf der einen Seite, auf der anderen Seite dann auf Vermarktungsseite die ehrpuseligen Verleger. Scheiß auf Publizistik, was zählt ist die Kohle. So hat man es auch schon bei den Anzeigenblättern gehalten. Schön kaschiert in anderslautenden Gesellschaften, denn mit dem publizistischen Dreck, mit dem man Kohle verdiente, wollte man doch nicht in Zusammenhang gebracht werden.
Und so wurde als Sturzgeburt dieser wundervolle Lokalfunk in die Landschaft gesetzt. Da man ja auch die Lokalpolitiker irgendwie noch unterbringen musste, orientierte man sich nach Kreisgrenzen. Da durften dann die Kommunen Vertreter in die Veranstaltergemeinschaft entsenden, in der Betriebsgesellschaft saßen die Kommunen direkt oder indirekt (über Spaßkassen oder Stadtwerke). wDas diese zum Teil nach der Gebietsreform Mitte der 70iger weder Lokalidentität beinhaltete, interessierte keinen Menschen. Warum auch. Der Hörer war ja egal. Überbewertet. Daher können heute noch Sender wie Radio Köln mit Stundenreichweiten von unter 4% Stundenreichweite vor sich hin senden.
Alle Beteiligten hatten am Ende dieser Sturzgeburt (oder war es eine Qualgeburt?) das, was sie wollten. Der WDR keine landesweite Konkurrenz. Dafür schickt noch heute bei seinem beschissen gemachten Breitenprogrammen jeden Abend ein Stoßgebet Richtung Himmel. Die Verleger, da sie auch weiterhin ungestört 30 Jahre (!!!) Kohle verdienen dürfen. Gut, man muss nur viel heulen, dann glaubt man tatsächlich wie unprofitabel das ganze Geschäft doch ist. Und die Verleger in NRW stehen nicht in Verdacht, dass sie rot sind. Ich habe mal einen konservativen Verleger erlebt, der Wolfgang Clement in einer Veranstaltung als "Bolschewistensau" bezeichnet hat. Zu dem Zeitpunkt war Clement Wirtschaftsminister im Bund und mental schon längst in der FDP eingetreten.
Was ich sagen will: Dieses Modell ist krank, es ist sozialistisch und hat nichts mit Unternehmertum oder Privatradio zu tun. Aber die Interessen decken sich. Es hat nichts mit politischer Ideologie zu tun. Man hat hier Interessen zusammengeführt, die damals sehr unterschiedlich waren. Verleger und SPD-Basis waren zufrieden. Bis heute verdienen die Verlage gut am Lokalfunk. Ohne störenden Wettbewerb. Durch die Abwahl der Sozialdemokraten haben sich stark CDU-Leute in den Veranstaltergemeinschaften etabliert. Alle glauben, sie hätten Einfluss. Und in der Tat, die Lokalsender sind zum Teil noch das einzige Sprachrohr, was vor Ort die Verlautbarungen der lokalen Politiker oder auch Landtagsabgeordneten verbreiten kann und will. Diese Veranstaltergemeinschaften, Arbeitgeber der Redaktionen und Lizenzinhaber, sind plural organisiert kraft Gesetzes. Das macht sie aber auch gefährlich für die, die etwas ändern wollen. Einerseits nahezu alle im Rentenalter (daher viel Zeit und sehr engagiert). andererseits über alle relevanten Institutionen und Parteien verdrahtet. Dreht irgendwer am System, laufen die Interessensvertreter Amok und das hat Wirkung. Parteiübergreifend, über alle Institutionen und sehr flächendeckend.
Dieses kranke Gebilde ist also nicht parteiideologisch geprägt (das war es durchaus mal), aber es ist halt irgendwie da und keiner weiß, wie man es ohne großen Stress entsorgt. Es ist also ein etwas parteiübergreifendes Etwas, was mehreren Interessen dient. Gut, auch den Hörerinteressen. Aber die kennen ja auch kaum Alternativen.
Zu den anderen Punkten:
Pro Station gibt es in der Regel 6-8 redaktionelle Mitarbeiter (im Schnitt!). Macht großzügig gerechnet bei 45 Sendern 400 Mitarbeiter landesweit. Dazu kommen geschätzte 100 Mitarbeiter bei radio NRW (Antenne hat um die 60; also käme ungefähr hin). Macht 500 Mitarbeiter. Dann kommen für Vermarktung und Verwaltung in den sogenannten Servicegesellschaften rund 150-200 Mitarbeiter hinzu (dürfen weniger sein). Diese meist ohne Tarif. Macht 650 bis 700. Die Lokalfunkpropaganda arbeitet immer mit 1000 Mitarbeiter. Man liebt Übertreibungen. Die Freien würde ich mit den Hungerhonoraren nicht mit einrechnen. Wer das tut, sollte sich dann auch der Diskussion bzgl. der Höhe der Honorare einmal stellen. Zu wenig zum Leben, zuviel zum Sterben. Unabhängig davon, dass lokaler Privatfunk aus meiner Sicht wirlklich nicht systemrelevant ist, es gibt auch wirtschaftlich relevantere Branchen und Unternehmen, die wirklich notleidend sind.
Und zur Profitabilität? Habe zufälligerweise bei North-Data was gefunden. Die Holding der sieben Lokalfunkbeteiligungen des Dumontverlages. Von 2006 bis 2014 werden da Gewinne (!!!!) in Höhe von 2,1 bis 3,1 Mio. Euro pro Jahr genannt. Sollte das stimmen, wäre das Betteln der Lokalsender nach Geld wegen Corona schon (moralisch) Subventionsbetrug. Wer es nicht glaubt, hier der Link:
https://www.northdata.de/ZAP+Geschäftsführungs+GmbH,+Köln/HRB+19347