AW: Radioszene Sachsen: Welche Unterschiede gibt es?
Selbstverständlich bin ich kein von der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) bezahlter Agent oder sowas, sondern ein ganz normaler Mensch, welcher sich halt nur seit der Steinzeit mit dem Thema Radio beschäftigt. Zum Stichwort "Die Landesmediananstalt hat ja keine Ahnung!" kann und möchte ich auf Grund eigener bisheriger Recherchen Folgendes sagen: (Vorab bitte ich für die Länge dieses Beitrags um Entschuldigung. Die lange Erklärung erschien mir jedoch als wichtig, um die Zusammenhänge zu verdeutlichen.)
Ich weiss durch einen persönlichen Besuch und ein längeres Gespräch bei und mit der Landesmedienanstalt für Rheinland-Pfalz (LfR) in Ludwigshafen (Ich hab' da mal gewohnt.), dass frei werdende Frequenzen auf allen Übertragungswegen, also terrestrisch, auf DAB, DVB bzw. im Kabel von der LMA (= Landesmedienanstalt; NICHT "Leck mich am Arsch" !!!) sofort ausgeschrieben werden müssen und sich theoretisch jede juristische Person (also neben Firmen auch Privatpersonen) darauf bewerben kann. Unabhängig von solchen Sofortausschreibungen werden wohl sämtliche Frequenzen sowieso alle fünf Jahre neu ausgeschrieben. Welche Frequenzen und wie viele dies genau sind, wird wohl in den "Ausführungsbestimmungen zum Rundfunkstaatsvertrag" durch die jeweilige Landesregierung in Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur festgelegt. (Es muss sich also jeder Radiosender spätestens alle fünf Jahre um eine neue Lizenz/Frequenz bemühen.)
1. Es können sich beliebig viele Sender auf die gleiche Frequenz bewerben. Dabei gibt es wiederum bestimmte Fristen und ein bestimmtes Auswahlverfahren. Dieses setzt bei der Entscheidung, wer welche Frequenz zugewiesen bekommt, verschiedene Prioritäten. So hat die oberste Priorität die Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Sender (in Sachsen also das DEUTSCHLANDRADIO und der MDR), sofern sich diese auf die Frequenz überhaupt bewerben. Danach werden die Programme berücksichtigt, welche landesweit senden wollen (in Sachsen also beispielsweise RADIO PSR und HITRADIO RTL). Als Drittes kommen die nur regional empfangbaren Programme (also zum Beispiel DRESDEN 103,5). Hat man dann noch Frequenzen frei, muss erst sowas wie ein OFFENER KANAL genehmigt werden, um auch Minderheiten eine Stimme zu geben und Meinungsvielfalt zu garantieren. Erst ganz am Schluss werden die "Exoten" (Entschuldigung für diesen Ausdruck) wie z.B. BBC/RFI oder "zugeführte Programme" (vor allem im Kabel, wie z.B. ANTENNE BAYERN) berücksichtigt.
2. Bei diesem ganzen Prozedere gibt es allerdings einen gewissen Bestandsschutz für bereits sendende Programme. Das ist auch ganz sinnvoll, damit sich der Hörer - und um den geht es ja schließlich - nicht dauernd auf neue Frequenzen oder Radiostationen einstellen muss. Allerdings haben es Neueinsteiger dann wesentlich schwerer und auch die öffentlich-rechtlichen Programme werden hier nicht besser gestellt als die Privaten. Ein Beispiel für Sachsen: Als sich der MDR dazu entschloss, nun doch MDR SPUTNIK terrestrisch ausstrahlen zu wollen, waren leider alle terrestrischen Frequenzen in Sachsen bereits vergeben und RADIO PSR und Co. schon seit Jahren auf Sendung. Da es den Sendern finanziell recht gut ging und auch keine Firmenpleite abzusehen war (und damit auch keine Frequenzen zum Ausschreiben frei wurden), hatte der MDR schlicht und ergreifend keine Möglichkeit, in Sachsen sein Jugendprogramm terrestrsich austrahlen zu können. Wer zuerst kommt, malt halt irgendwo immer noch zuerst! Jetzt wartet der MDR quasi darauf, dass entweder neue Frequenzen ausgeschrieben werden oder ein bestehender Radiosender pleite geht, damit dann dessen Frequenzen ausgeschrieben werden können. Alles klar soweit?
Was hat das alles nun mit der SLM und dem angeblichen "Nicht-Ahnung-haben" zu tun? Ganz einfach: Alles! Die LMA haben allesamt intern sehr wohl Ahnung, welchen Sender sie warum zulassen und welchen nicht. Allerdings dürfen sie nach außen hin keine Werbung machen und werden deshalb immer nur die offiziellen Werbeslogans rausrücken.
Leider werden bei diesen Entscheidungen fast nur wirtschaftliche Aspekte (z.B. dass hinter dem Sender auch eine finanzstarke Gesellschaft steht, damit der Sender nicht vorschnell pleite geht) und weniger die Inhaltliche gesehen. So kommt es, dass die LMA tatsächlich eher sehr homogene Sender genehmigen, als eine (Achtung, Fremdwort!) Senderdiversifikation zuzulassen - frei nach dem Motto: Was bisher schon (vermeintlich) gut beim Hörer ankam, braucht auch nicht verändert zu werden. Der Niedergang vom Schlagerradio RPR 2 in Rheinland-Pfalz beweist das beispielsweise ganz deutlich.
Und: Selbstverständlich haben solche Häuser wie BERTELSMANN (RTL-Gruppe) oder PROSIEBEN-SAT.1 finanziell natürlich ein besseres Rückenpolster als das DRESDEN FERNSEHEN. Also werden - dieser Logik folgend - von den LMA auch eher Sender mit RTL im Hintergrund genehmigt als sich auf das wirtschaftliche Risiko eine Independent-Radios einzulassen. Und warum sollte RTL etwas anderes als das Altbewährte bringen? Dafür ist der Kampf mit PROSIEBEN-SAT.1 viel zu hart! Man hat keinen einzigen Hörer zu verschenken ...
Soweit von mir die Zusammenfassung meines Besuchs und des langen Gespräches mit der Landesmedienanstalt für Rheinland-Pfalz (LfR). In Sachsen werden die Geschäftspraktiken im Prinzip wohl auch nicht anders sein. Gerne lasse ich mich aber vom Gegenteil überzeugen!