Sadam gefasst

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Um mal wieder zum Radio zurückzukommen:

Wenn so ein Ereignis wie Saddams Festnahme passiert berichtet plötzlich jeder Sender darüber. Die Qualität der Berichterstattung ist in der regel flach und ziemlich mies und von der üblichen Billigmusik unterbrochen.
Wäre es nicht besser wenn die Berichterstattung auf einen oder zwei Kanäle, die sich auf Nachrichten spezialisieren, beschränkt wird und dort dann fundierte, gut recherschierte und ausführliche Berichterstattung gemacht wird. Die BBC macht das so mit 5Live für aktuelle News und Sport und Radio 4 für Hintergründe und Analysen. Die anderen Programme bedienen weiterhin Ihre Zielgruppen.
Dies hat den Vorteil, daß auf der einen Seite jemand der sich dafür interessiert gut und ausführlich informiert wird und auf der anderen Seite die Leute denen Saddam egal ist ungestört Ihr Lieblingsprogramm weiterhören können.
 
Ob die PR so perfekt ist, weiß ich ja nicht.

So sehr Saddam Hussein zwar auch die arabische Welt in Angst versetzt hat, diese Welt mag es nicht, vom alten Ami "befreit" zu werden. Das würde sie lieber selbst tun. So steht sie da, als bräuchte sie die USA und bekomme es nicht selbst auf die Reihe.
Das mag ggf. auch so sein, klar, aber es vermittelt dennoch etwas, das sie negativ findet.
Den Einbruch der westlichen in "ihre Welt" verbuchen die Araber nicht so einfach unter "positiv", auch wenn sie davon profitieren.
Für die westliche Welt dagegen stimmt: Die Sache haben die USA hübsch aufgezogen, innenpolitisch ist es ein hervorragender Erfolg, den sich GW Bush auf die Fahnen schreiben wird.

Den obigen ungemein schlauen Gedankengang habe ich übrigens ganz unkritisch übernommen :D - aus dem RADIO. Man glaubt gar nicht, was für schlaue und reflektierte Reporter die ARD und mit ihr der SWR in Amman und Bagdad hat.
db
 
Im Grunde hast Du recht, dB, allerdings haben die USA auch in der arbischen Welt einen PR-Erfolg verbuchen können: Den Nimbus als Held aller Araber, geradezu als Übermensch, ist Saddam ein für alle mal los. Wer sich derart ohne Gegenwehr aus einem Erdloch ziehen und vor den Kameras untersuchen läßt, dürfte gegen die eine oder andere arabische Ehrenregel verstoßen und sich damit unmöglich gemacht haben.

@ ChemicalBrother (nicht Chemical Ali?:D ): Seien wir doch dankbar, daß auch die Dudelfunker, wenigstens bei solch besonderen Ereignissen, ein Minimum an Wortanteil zulassen. Natürlich ist die Information, die dort geboten wird, genauso flach, wie der Rest des Programms, aber es ist wenigstens Information. Wer mehr wissen will, kann ja immer noch zu den Infosendern umschalten - aber so erfahren die Dudelhörer wenigstens, daß es sich lohnen könnte, mal umzuschalten.
 
Lustige Theorien

Also liebe Leute,

ich stehe vielen Dingen, die die Amis tun, wirklich sehr kritisch gegenüber (obwohl ich in einem etwas schizophrenen Verhältnis andersherum das Land wieder sehr gerne mag und bereise).

So wusste ich nicht, ob ich über diese "Sieger-PK" aus Bagdad lachen oder weinen sollte. Ich meine dabei diese Jubel-Irakis mit ihrer demütigen Ami-Heldenverehrung, als ob sich im Irak überhaupt keine Kritiker der Besatzer/Befreier fänden. Man hat so das Gefühl, dass für die Pressekonferenzen der Amis ähnlich wie für das DSDS-Publikum gecastet wird. "Hey Leute, und egal, was Mr. Bremer sagt: Immer JUBELN und KLATSCHEN!!!"

Allerdings halte ich diese ganzen Verschwörungstheorien für ein wenig zu viel des "Guten". Makeitso und der Beobachter haben es ja schon gesagt: George Bush wäre doch der größte Volltrottel der Geschichte (nach Jürgen Hingsen:p), wenn er einen Fake präsentieren würde und 3 Tage später meldet sich dann der wahre Saddam. Und so viel Dummheit sollte man (auch wenn wir ihm wirklich viel zutrauen) George Walker wirklich nicht unterstellen.

Interessant finde ich die Frage, wie jetzt mit Hussein weiter verfahren wird. Wie wollen sich die Amerikaner verhalten? Sicherlich möchte Bush da gerne den Daumen drauf haben und einen Prozess im Irak verhindern, aber welche Optionen hat er denn?

1. Saddam ebenfalls in Guantanamo Bay zusammen mit den anderen "Vogelfreien"...äh, tschuldigung, feindlichen Kämpfern abseits jeglicher internationaler Konventionen festhalten? Wird wohl kaum funktionieren.

2. Ein Prozess in den USA. Wie das? Saddam hat kein Verbrechen in den Vereinigten Staaten begangen.

3. Ein amerikanisches Militärgericht? Gelten Militärgerichte nicht nur für Angehörige der eigenen Streitkräfte?

4. Saddam an das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausliefern. Dürfte eine lustige Argumentation werden, nachdem die Amis dieses Gericht selbst ja nicht anerkennen.

Weitere Optionen sehe ich für die Amerikaner nicht. Ihr?
 
Jetzt sehe ich die Jubel-Iraker mit den DSDS-Nummernschildchen rumlaufen... Wer mag da in der Jury gesessen haben? :D
Und wenn die Iraker ein Video präsentieren, auf dem ein frischrasierter Saddam - Doppelgänger ein Durchhalte - Statement abgibt? :rolleyes:
Ich meine, im Vordergrund sollte eine objektive Berichterstattung stehen, die auch in Kurzmeldungen Platz haben muss.
 
Keek,

ich kenne eine noch interessantere Frage, als die nach dem Schicksal Saddams.

Warum sind die USA letzlich in den Irak gezogen, wenn
- Saddam´s Gefahrenpontential langfristig kleiner ist als von den USA behauptet
- der Krieg und die Befriedung 100te Mrd. US-Dollar kostet
- es mit dem finanziellen und damit letztendlich militärischen und sonstigen Engagement gegen den El Kaida - Terror "konkurriert" und hinderlich sein könnte
- Ein Glücken der Befriedung überhaupt nicht gesichert ist
- Etwaige zukünftige Ölgeschäfte unsicher sind
- Diese Ölgeschäfte den finanziellen Aufwand der USA u.U. kaum auszugleichen vermögen
- Die Volkswirtschaft der USA enorm belastet
?????

Ist es wirklich das blosse Geltungsbedürfnis eines Texas-Cowboys, der ohne nach dem Preis zu fragen nach dem irakischem Öl greift, wie unsere ach so vorurteilsfreien Medien schon so oft verbreitet haben?
 
Die Antwort: Bush ist nur aus humanitären Gründen in den Irak gegangen, um das irakische Volk von einem gemeingefährlichen Diktator zu befreien. Und auch nur, weil die UNO ja nicht wollte. Bush und die Firmen, die im Hintergrund stehen, wollen im Irak nix verdienen, sondern nur den Irakis helfen.
Außerdem drängelte National Public Radio Bush dazu, um endlich auch im Irak ne gescheite Radiostation aufzubauen. Und das amerikanische Formatradio-Prinzip eher einzuführen, als das die Deutschen dort tun würden. Schlimm genug, dass es in Kabiul schon Radio Andernach gibt. :p
 
Stimmt,
aus ähnlichen Gründen haben sie ja auch jeweils als massgebliche Kraft den zweiten Weltkrieg beendet und das Abschlachten im Kosovo gestoppt.
Oder bist Du nur sauer, als "Sachsenradio" nicht in dem befreiten Teil Deutschlands gewohnt zu haben? Aber wahrscheinlich reicht Deine Selbstreflektion gar nicht so weit. Dafür haben schon die Genossen gesorgt.
Jetzt sag nur noch, Du machst Radio und gehst mit diesem Weltbild auf Sendung. :D
 
@Tom: Wenn du über die uneigennützige Beendigung der Zweiten Weltkrieges schreibst, solltest du aber auch nicht die Beendigung des selbigen in Ostasien vergessen. Die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki bzw. die Napalm-Bomben und "Agent Orange" in Vietnam wurden sicher auch nur eingesetzt, weil man uneigennützig und hilfsbereit der Welt zum Frieden verhelfen wollte...
 
..und das alles nur, um den Japanern und Vietnamesen das amerikanische Formatradio überzustülpen. ;)

Tom, falls du meinst, das wäre meine tatsächliche Meinung - tja, dann weiß ich auch nicht. Ich dachte, ich hätte soweit überzogen, das erkennbar wird, dass dieses meine Posting durch und durch ironisch gemeint ist. Übrigens: ich gehe mit MEINEM Weltbild auf Sendung, du zum Glück nicht. :p
Weiterhin bin ich nicht sauer, im dunklen Teil Deutschlands aufgewachsen zu sein. Außerdem weiß ich nicht, was das jetzt damit überhaupt zu tun hat, was "Genossen" damit zu tun haben und was das alles mit Selbstreflexion zu tun hat. Vielleicht erklärste mir das nochmal ausführlicher oder du weißt einfach nicht, was du geschrieben hast.
Fakt ist: Hinter jedem amerikanischen Krieg steht NICHT die Ölindustrie, sondern das amerikanische Formatradio. Chris Howland ist geclownt worden und spielt in jedem eroberten Land den Radiopionier. (Der letzte Satz war Ironie.):cool:
 
Studix,
niemand, aber auch wirklich niemand ist in dem was er tut völlig selbstlos. Ich habe das für die USA auch gar nicht behauptet.
Aber diese ewige kleinkarierte Krittelei an der Politik dieses Landes ist doch hirnrissig, wenn gleichzeitig andere Länder nicht mit der gleichen Hingabe bedacht werden. Widmet Eucht doch mal mit der gleichen Hingabe unseren sogenannten "französischen Freunden".
 
Bei aller Liebe zu den guten Amis, die uns mit Dingen gesegnet haben wie Michael Jackson, MacDonald's und schlechtem Tennessee-Whiskey, aber den Einsatz von Napalm- und Atom-Bomben damit entschuldigen zu wollen, dass schließlich niemand "völlig selbstlos" sei, hat doch einen sehr eigenen Reiz, wenngleich ich deinen Gedanken dahinter durchaus nachvollziehen kann.
db
 
Manchmal hilft es, die Sache ein wenig von der Schwarz-Weiß-Malerei zu lösen. Wenn an der Politik/Kriegsführung des einen Kritik angebracht ist/geäußert wird, dann heisst das noch lange nicht, dass der (Kriegs-)Gegner automatisch zum Guten wird. Das scheint mir hier in dieser emotionalen Debatte gelegentlich vergessen zu werden.
 
@beobachter, keek, makeitso

ich weiß nicht, ob ihr heute mal in diversen publikationen (etwa spiegel online, bild) gelesen habt, wie sich die inszenierung heute, etwas mehr als eine woche später, eventuell darzustellen scheint.

wenn ja, seid ihr immer noch der meinung, man hätte die meldung vor einer woche zu 100 prozent für bare münze nehmen müssen? findet ihr immer noch, man hätte auf keinen fall nachfragen dürfen, weil das nur grotesk pseudokritischer journalismus gewesen wäre?
 
@U*B*O:
Ich kann für die anderen beiden (Keek, Makeitso) natürlich nicht mitsprechen, glaube aber, dass wir das zumindest in groben Zügen ähnlich sehen.
Ich sehe keinen Grund, angesichts der neuen Informationslage, die leider immer noch keine Faktenlage ist(!), das oben Gesagte zurückzunehmen. Aus folgenden Gründen:
Mir/uns war immer der Hinweis wichtig, dass bei den Meldungen auf die Quelle (USA) hingewiesen wird, um klar zu machen, dass wir auf selektierte Quellen angewiesen sind und ihr Wahrheitsgehalt damit noch unüberprüfbar und damit ungesichert ist. Journalistisch korrekt ist das, vorsichtig genug auch.
Der Hinweis darauf, dass kritische Nachfragen an die Bush-Administration selbst kritisch hinterfragt werden müssten, bezog sich darauf, was es GW Bush brächte, wenn der Festgenommene nicht Saddam Hussein wäre (Fake). Der Hinweis bezog sich nicht darauf, ob es tatsächlich so gelaufen ist, wie uns von Seiten US-amerikanischer Glauben gemacht wurde.
Bisher stellt es sich nun so dar, dass der Festgenommene tatsächlich Saddam Hussein ist, sich die Festnahme aber anders zugetragen hat, als zunächst dargestellt. Bisher liegen wir also nicht so schlecht.
Wir haben auch nicht gesagt, dass kritische Fragen fehl am Platze seien, sondern auf das kritische Hinterfragen der eigenen Fragen hingewiesen und darauf, dass in Sachen USA mit beinahe reflexartiger Unreflektiertheit allzu schnell das Wort "PR" im Munde geführt wird und die USA als arrogante Schaumschläger hingestellt werden.
Keeks Fragen zum Prozess gegen Saddam Hussein sind außerdem sehr treffend gewesen und die derzeitige Situation zeigt ja, dass er so falsch nicht liegt: GW Bush will den Daumen drauf haben, aber es gelingt ihm nicht. Weder rechtlich noch imagemäßig. Ein zweites "Guantanamo" muss er vermeiden und es somit hinnehmen, dass S. Hussein im Irak seinen Prozess bekommt - natürlich mit der "höchstmöglichen Strafe" sie GW Bush sagt, was den Tod meint.
Wo ist also der Fehler in unseren Überlegungen?
db
 
Original geschrieben von der beobachter

Wir haben auch nicht gesagt, dass kritische Fragen fehl am Platze seien, sondern auf das kritische Hinterfragen der eigenen Fragen hingewiesen und darauf, dass in Sachen USA mit beinahe reflexartiger Unreflektiertheit allzu schnell das Wort "PR" im Munde geführt wird und die USA als arrogante Schaumschläger hingestellt werden.
Wo ist also der Fehler in unseren Überlegungen?
db
mag sein, dass ihr mein posting einfach falsch verstanden hattet. ich hatte lediglich auf das hinterfragen der "inszenierten shows" hingewiesen, die die amerikaner (ja: und auch andere) im irak (und anderswo) für die welt aufführen. wie hoch in diesen shows der anteil wahrheit und der anteil dichtung ist oder sein könnte, hatte ich nicht erörtert.
wer die journalismusdebatte nach dem ersten golfkrieg nicht völlig verschlafen hat, der sollte meiner meinung nach wissen, wie man z.b. mit nachrichten aus amerikanischen kriegsgebieten umgeht, die aus amerikanischer quelle stammen (nämlich so wie mit allen berichten über ereignisse, die nicht aus eigener quelle stammen, von der polizei-pm bis hin zu augenzeugenberichten über große katastrophen): entweder hinterfragen (eigene reporter, soweit man sich noch diesen luxus leistet, oder auch unabhängige quellen) oder explizit darauf hinweisen, dass es sich um eine einseitige darstellung der ereignisse handelt. natürlich kostet dieser eine satz drei bis fünf sekunden sendezeit, natürlich klingt der news-anchor oder moderator dann nicht mehr ganz so allwissend, wie er das vielleicht möchte - aber er hätte seine journalistische pflicht getan.
und genau das habe ich an jenem sonntag in vielen aktuellen medien vermisst. ob sich die nachricht später mit abstand als hundertprozentig richtig, zum teil inszeniert oder als kompletter fake herausstellt, ist dabei unerheblich.
 
wer die journalismusdebatte nach dem ersten golfkrieg nicht völlig verschlafen hat
Wer Journalist ist, sollte wissen, daß der "erste Golfkrieg" bereits der zweite war. Aber klar, beim ersten waren die Amerikaner nicht dabei, der zählt nicht...
 
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