Schallarchive der großen Radios

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Verehrte Szene,

dieser Tage mußte ich entsetzt hören, was mir ein DLF-Mitarbeiter zu erzählen wußte. Vor einiger Zeit seien dort in einem Anflug von Selbstherrlichkeit und Euphorie hinsichtlich des volldigitalen Zeitalters sämtliche Vinyl- und CD-Singles vernichtet und entsorgt worden. Es habe geheißen, die guten Sachen seien eh auf LPs oder Bandumschnitten, und außerdem könne man bei Bedarf fehlende Titel beim Rundfunkarchiv in Frankfurt abrufen.

Was haltet Ihr von dieser Vorgehensweise? Eine Ausnahme, oder bei den großen Anstalten völlig normal? Ich frage bewußt nach den großen Anstalten, denn es dürfte in diesem Zusammenhang uninteressant sein, wieviele neuzeitliche CDs ein in den Achtziger Jahren an den Start gegangener Dudelfunker im Regal stehen hat.

Meiner Meinung nach kann man doch auch den Singles, egal ob Silberlingen oder schwarzen Knisterplatten, einen ideellen Wert zuschreiben, der nicht in den Shredder geworfen gehört. Andererseits ist die Aussage, es sei ja alles auf den Longplayern, nicht völlig falsch...

Guess
 
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Hoffentlich wurden die LPs und Singles nicht vernichtet, sondern wenigstens auf eBay o.ä. verkauft.
Niemand, der noch ganz bei Trost ist, würde sie einfach in den Schredder werfen.
 
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Wieso hoffst Du das :confused: ? Ich habe das durchaus ernst gemeint bzw. zitiert. Da macht es wenig Sinn, auf eine ebay-Auktion zu hoffen. Die Singles wurden entsorgt. Von weggeworfenen LPs hatte ich übrigens gar nichts geschrieben :rolleyes:.
 
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Sorry, ich meinte auch die Singles.

Warum ich das hoffte? Weil dann zumindest noch eine Person was von den Singles gehabt hätte, und sie nicht sinnlos zerstört worden wären. Wirklich übel ist auch, daß nur "die guten Sachen" auf andere Medien kopiert worden sind. Denn wer definiert denn bitte "gut"? Wenn ich mir ansehe, was die Hitradios uns als "gut" verkaufen, dann läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Und das mit dem Rundfunkarchiv halte ich für eine faule Ausrede. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß hier ernsthaft Titel nachgefragt werden, wo es doch so viel bequemer ist, die Hörer mit "... entspricht nicht unserem Format" oder ganz direkt "haben wir nicht vorrätig" abzuspeisen.

Btw - auf eBay sieht man übrigens hin und wieder Single-Pakete, die aus aufgelassenen Radioarchiven stammen.
 
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So schmeißt man Geld zum Fenster heraus!! Unglaublich, wie mit Sammlerwerten umgegangen wird.
 
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Auch ich bin, ehrlich gesagt, ein ganz klein bisschen entsetzt vom Umgang mit materiellen und ideellen Werten. db
 
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So, jetzt muss Bärchen hier auch mal seinen Senf dazu geben. :D

Was das Wegwerfen von CD-Singles angeht: Naja, wie schon gesagt sind die Haupt-Titel auch auf den entsprechenden Alben drauf, aber es sind auch immer zusätzliche Remixe mit drauf und manchmal unterscheidet sich die Single-Version auch von der Album-Version, ist also auch selbst ein kleiner Remix. Schlussendlich bin ich mir hier nicht sicher, ob es nicht vieleicht doch besser wäre, auch die Singles zu behalten.

Was das Wegwerfen von Vinyl-Singles angeht: Definitiv NICHT RICHTIG! Im Gegensatz zur CD hat die Schallplatte an sich schon einen ideellen Wert, zu dem die darauf befindlichen Lieder noch einmal beisteuern. Hier bin ich ganz klar dafür, die Singles zu behalten.
 
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Begründen die Öffis ihren hohen Gebührenbedarf nicht auch immer wieder mit ihren Aufwendungen zur Erhaltung kultureller Werte?

Ich frag' ja nur... :mad:
 
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Das es sich um den DLF handelt stört mich irgendwie an der ganzen Geschichte. Das passt so gar nicht in das Image des Senders ... Man hätte die besagten Singles ja wenigstens noch zu Geld machen können. Sammler von sowas (siehe Ebay und Co.) gibt es ja schließlich genug.
 
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Generell hat man sowas nicht wegzuwerfen, egal, ob die Titel sonstwo noch mit drauf sind. Sollen die die CDs und Platten doch mir schenken.... Ist ja furchtbar... Oder dürfen Rundfunkanstalten Tonträger vielleicht gar nicht an Privatpersonen verkaufen? Die bei Gewinnspielen vertickten Pakete aus Promo-Cds könnten da ne Ausnahme sein... Nee, klingt aber unwahrscheinlich...
 
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Bei AFN in Würzburg oder Stuttgart (weiß es nicht mehr genau) gab es vor ca. einem Jahr eine "Record-Smash-Party" bei der alle Vinyl- und Schellackplatten zerstört wurden. Anlaß war auch hier die Digitalisierung. Nun gut, es ist ja gemeinhin bekannt, daß es die Amis gerne mal an Kultur fehlen lassen, aber das hat mich doch geschockt. Wer es selber sehen will und den Anblick ertragen kann, findet durch googlen sogar noch die Bilder davon im Netz.
 
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naja @ guess: Ich erachte sowas in den Anstalten als völlig normal. Wir leisten uns ja schließlich auch in jedem Karibikstäätchen 'nen ARD-Auslandsstudio, für den Fall, daß da mal was passiert oder falls mal ein Mitarbeiter überarbeitet sein sollte ... *ähem*

@ BDR
So wenig Buchstaben und trotzdem noch vertippt ? :p
 
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Also bislang ist noch keine wirklich zuverlässige Quelle genannt worden.

Kann mir diese Geschichte nicht wirklich vorstellen - allerdings: Wenn sie wahr wäre, ist der Begriff "Skandal" schon angebracht...
 
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Mit etwas Sachkenntnis würde sich die Aufregung schnell legen ;)

Es sind schon immer Tonträger weggeworfen worden. Bänder würden früher als Löschband wiederverwertet.
Wenn man 50 Regalmeter im Archiv hat und hat Tonträger für 60 Meter dann muß man entweder das Magazin vergrößern (was nicht immer möglich ist) oder ausmisten.
Die von der Industrie bemusterten Tonträger sind ausdrücklich nicht für den Verkauf bestimmt, ein Weiterverkauf ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Das ist AFAIK Bestandteil der Bemusterungsverträge zwischen ARD und Phonoindustrie.

Im Zuge der Einführung von MPN (Music Promotion Network) wird sich das Thema sowieso zum großen Teil erledigen da die Majors die Bemusterung mit CDs einstellen.
 
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Aber trotzdem: welch Verschwendung... Welche Werte da einfach so in den Orkus gekippt werden... Schrecklich...
 
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Ich habe mal den Ausschuß durchgestöbert (er ist nämlich für die Mitarbeiter frei zugänglich). Wenn es dich tröstet: Das meiste davon ist akustischer Sondermüll, drittklassige Songs von viertklassigen Interpreten. Das braucht wirklich kein Mensch.
 
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Dazu kann ich als Schallplattensammler auch einiges sagen:

Der akustische Sondermüll tritt eher erst seit Einführung der CD-Produktion und der Computerisierung auf. In den Jahren, als man noch überhaupt keine künstliche MIDI- Begleitung machen konnte, als man noch für jede Schalllplattenproduktion viele Menschen und Orchester brauchte, hat man es sich zehnmal überlegt, ob man von diesem oder jenem Sänger, von diesem oder jenem Lied eine Schellack -oder Vinylproduktion anfertigte. Das kostete !Das erkennt man auch am Volumen. In den Neunziger Jahren erzählte mir ein Musikredakteur einer ÖR - Anstalt, daß er nun in einem Monat doppelt soviele CD-Bemusterungen bekommt, als in den Sechziger Jahren in einem Jahr an Vinyl reinkam. Insofern ist heute bei den CDs wirklich auch viel Müll dabei.

Aber daß Folgendes passiert, da stellt es mir die Haare auf: Im Phonomuseum in Wien erzählte mir ein ehemaliger ORF - Mitarbeiter, daß Radio Wien in den Siebziger Jahren einen ganzen Lastwagen voll mit Schellack-Scherben ( Man hat die alten Grammophonplatten vorher alle zerschlagen) in die Müllverbrennungsanlage Flötzersteig gefahren hat.

Gerade diese Uralt-Grammophonplatten stellen einen historischen Wert dar, es gibt von manchen Vorkriegs-Sängern und Orchestern manche Aufnahmen überhaupt nicht mehr ! Der Grund: Da im Krieg das Schellack-Material knapp war, konnte man bei Rückgabe von 10 alten Platten im Plattenladen eine neue Platte kaufen. Daher sind gerade diese alten Platten sehr selten geworden und dann erfährt man, daß Radio Wien einen ganzen Lastwagen voll vernichtet hat. Unglaublich !
Gerade diese Platten waren aber in Best-Zustand. Da soll es sogar viele darunter gegeben haben, die gar nie gespielt wurden und so praktisch im Neu-Zustand waren.
Auf manchen Plattenbörsen werden solche gut erhaltenen Uralt-Schallplatten zu horrenden Preisen gehandelt. Ich kenne einen verrückten Plattensammler, der ist bis nach Buenos Aires geflogen, weil dort eine deutsche Schallplatte aus dem Jahre 1935 angeboten wurde und zu einem Schnäppchenpreis von 700.- Euro zu haben war.
Der damalige Radio-Wien Mitarbeiter ( mittlerweile verstorben) sagte noch, er hätte ja noch die Listen und Karteikarten von den vernichteten Schallplatten, aber die würde er lieber nicht herzeigen, da sonst man weinen müßte: Komplette, lückenlose historische Aufnahmen aller Künstler von 1899 - 1955 !

Wenn man wenigstens diese Aufnahmen alle digitalisiert hätte ! Diese waren alle in Mono und da hätte der ganze Lastwagen Schellack wahrscheinlich auf ein paar Dat-Bändern Platz gehabt.

Das Problem ist, daß vielen nicht bewußt war, was sie da vernichten.
 
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aber lieber Ernie (und anderen):
was, wenn die Aufnahmen digitalisiert und neu archiviert wurden? Bislang ist doch nur die Rede von den TonTRÄGERN... Was mit den Tönen geschehen ist, ist ja noch unklar...
UNd da ist es doch erstmal egal, ob Schellack, Vinyl, oder Chip, oder nicht?
 
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Erst vor wenigen Tagen wurde ich bei meinem Arbeitgeber (bekannte ARD-Anstalt) in die Weihen der Digitaltechnik eingeweiht. Dabei wurde uns auch der Zugriff auf die Musikdatenbank gezeigt. Und klar - ich nutzte die Zeit auch, um ein wenig herumzustöbern.

Von dem Zeugs, für das ich vor 20 oder 25 Jahren mein Geld in den Plattenladen getragen habe, gibt es dort kaum etwas. Schön, das mag an meinem damaligen Musikgeschmack liegen, aber jedenfalls ist so ein Archiv weit davon entfernt, komplett zu sein. B-Seiten von Singles findet man dort sicherlich erst recht nicht.

Andererseits: Ist ja sicher nett zu wissen, daß man Titel des englischen Pop-Duos "Dollar" auf Lager hat, oder die (erfolglosen) musikalischen Schritte eines Pop-Sternchens namens "Melissa". Nur - gespielt wird es ohnehin nie. Wozu also der Kram? Kostet doch nur Speicherplatz. Egal ob digital oder analog.
 
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