Schröder droht Journalisten

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Makeitso

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In der Hoffnung, daß dieser Thread nicht auch gleich wieder geschlossen wird und unter deutlichem Hinweis, daß hier sehr wohl ein radiorelevantes Thema, der Umgang der Regierenden mit der Presse nämlich, behandelt wird, sei der Forengemeinde ein Auszug aus dem heute erschienen "Spiegel"-Sonderheft zur Bundestagswahl zur Kenntnis gegeben.

Dort steht zu lesen, daß Gerhard Schröder am Wahlabend gegen 22:00 Uhr im Willy-Brandt-Haus den Kordon seiner Sicherheitsbeamten durchbrach, den "Spiegel"-Reporter Matthias Geyer am Arm packte und sagte, "Gerade Ihnen muß ich jetzt mal sagen, Ihre Zunft muß aufpassen!"

Passender Kommentar des "Spiegel": "Wird sie."

Daraus stellt sich mir die Frage: Wie gefährdet ist die Pressefreiheit in Deutschland angesichts von immer häufigeren Durchsuchungen von Journalistenwohnungen und -büros und insbesondere angesichts der Tatsache, daß der möglicherweise noch weitere Jahre amtierende Bundeskanzler der Journalistenzunft in dieser Form offen droht?
 
AW: Schröder droht Journalisten

Hat nicht Oskar Lafontaine schon vor Jahren ebenfalls die schreibende Zunft bedrängt? Ist da nicht sogar extra ein Gesetz geändert worden?
Damals wie heute soll wohl das eigene Versagen (das des Politikers) kaschiert werden. Natürlich sehr bedenklich. Für mich ein Eingeständnis des Scheiterns.
Vielleicht verbirgt sich dahinter auch einfach nur ein falsches Staatsverständnis der Sozis.
Wobei ja auch die Rechten ordentlich was auf dem Kerpholz haben ("Spiegel Affaire").
 
AW: Schröder droht Journalisten

Mit Formatradio hat das Thema wirklich nicht viel zu tun. Wenn alle Medien so politisch wären wie das real existierende Dudelradio, wäre uns Schröders Ausbruch sicher erspart geblieben.

Wo war denn die journalistische Aufbereitung, Bewertung und Hinterfragung des Wahlkampfes und der Umfrageergebnisse auf den Hitradios und Antennen der Nation? Oder anders gefragt: Sind Sender wie das heutige RPR1, ffn oder Antenne Bayern überhaupt in der Lage, journalistisch auf Augenhöhe z.B. mit dem Spiegel anzutreten?
 
AW: Schröder droht Journalisten

Auch ich fand die Entgleisung von Herrn Schröder am Sonntagabend nicht korrekt, man muß fairerweise aber auch sagen, daß er sich entschuldigt hat.
Die Presselandschaft in Deutschland ist allerdings auch nicht mehr das, was sie mal war. In der aktuellen "Zeit" findet sich ein interessanter, sehr kritischer Artikel über den Lokaljournalismus in Schleswig-Holstein. Da auch in den großen Häusern immer weniger Redakteure mit fundiertem Wissen schreiben dürfen und es nicht unbedingt darum geht zu schreiben/veröffentlichen was stimmt, sondern was Umsatz/Quote bringt, halte ich Kritik durchaus für angebracht. Unfehlbar ist nicht mal der Papst.
Das hat sogar Herr Kohl gemacht, in dem er nicht mehr mit dem "Spiegel" redete, bei dem fiel es nur nicht so auf, weil er generell nicht so offen gegenüber den Medien war.
Das soll jetzt kein Plädoyer für Herrn Schröder sein, aber die journalistische Sorgfaltspflicht lässt in letzter Zeit verstärkt zu Wünschen übrig. So zum Bespiel die Bild heute: Fischer läßt Schröder im Stich.
Absoluter Quatsch!!!
 
AW: Schröder droht Journalisten

Fischer läßt Schröder im Stich.Absoluter Quatsch!!!
Nunja, warum Fischer das ausgerechnet inmitten der schwierigsten Koalitionsverhandlungen verkünden musste, bleibt wohl sein Geheimnis, wenn nichtmal der DLF-Interviewer dem Bütikofer dazu ein Statement abringen kann. Aber die beim DLF 'haken ja nicht nach' wie T2K nicht ganz unberechtigt sagen würde.
 
AW: Schröder droht Journalisten

TimFeindt schrieb:
Auch ich fand die Entgleisung von Herrn Schröder am Sonntagabend nicht korrekt, man muß fairerweise aber auch sagen, daß er sich entschuldigt hat.
Bei wem? Wann? Wo? Gibt es dazu einen Beleg? Mir ist von einer Entschuldigung nichts bekannt.

Grenzwelle schrieb:
Sind Sender wie das heutige RPR1, ffn oder Antenne Bayern überhaupt in der Lage, journalistisch auf Augenhöhe z.B. mit dem Spiegel anzutreten?
Die Frage ist doch hoffentlich nur rhetorisch gemeint, oder?
 
AW: Schröder droht Journalisten

@makeitso:
Er hat dies am Sonntagabend vor SPD-Anhängern getan, live übertragen im TV, mit den Worten (sinngemäß) er hätte für das selbstgefällige Verhalten in der Bonner Runde von seiner Frau einen Einlauf bekommen...
 
AW: Schröder droht Journalisten

...er hätte für das selbstgefällige Verhalten in der Bonner Runde von seiner Frau einen Einlauf bekommen...
Komische Formulierung für eine Entschuldigung.

Die Frage ist doch hoffentlich nur rhetorisch gemeint, oder?
Schon klar. Wenn Formatradio ohnehin nicht journalistisch ist, dann müsste man dieses Topic, wie von radiobayern gefordert, wirklich zumachen.
 
AW: Schröder droht Journalisten

1.- den "Fall Schröder" halte ich zuerst mal für einen persönlichkeitsbedingten Ausbruch, nachdem sich da jemand monatelang angegriffen und plattgeredet gefühlt hatte. Da hatte er, bzw seine Truppe doch mal allen bewiesen, daß...usw usw. (dazu gibt es recht nachvollziehbare Artikel in der süddt.Ztg von gestern). Für den Anfang vom Ende der Pressefreiheit halte ich diese Nummer jedenfalls nicht, mal ganz davon abgesehen, daß staatsautoritäre Einflüsse wie vermutlich in Russland - Gott sei Dank - bei uns wohl schnell am Rechtssystem eingebremst werden würden....

2.- journalistische Kompetenz im Dudelfunk ? .... :wow: ... naja, das is ja mal eben wie schon erwähnt nicht deren Auftrag. Kritisch zu sein, wird bei der dort anvisierten Zielgruppe bzw Aufgabe (Nebenbei-Medium) ja auch gar nicht erwartet......
Die ÖR´s haben sich ja nu schon ganz nett mit alledem beschäftigt - die "neue Farbenlehre" ("schwarze steht für Not und Nacht in Jamaika") in einem Beitrag auf WDR 2 hat mich durchaus überzeugt... ;)

Und noch was : MUSS man mit einer Schlagzeile nach der nächsten im Zeichen der Quote Politiker öffentlich als Verlierer darstellen (egal, WEN !) ?
 
AW: Schröder droht Journalisten

@ Grenzwelle:
Selbst wenn ein Formatradio journalistisch arbeitet, könnte es dennoch niemals auf Augenhöhe mit dem Spiegel oder der SZ oder der F.A.Z. sein. Deshalb meine Erkundigung, ob Deine Frage rhetorisch gemeint sei.

@ TimFeindt:
Dann hat sich Schröder mitnichten entschuldigt, denn er sagte auch, seine Frau habe ihn zu wenig "staatsmännisch" gefunden, aber darauf habe er auch gar keine Lust gehabt. Anders ausgedrückt: Er findet sein Verhalten in Ordnung.

@ Alle:
Zu wenig diskutiert wird mir hier die Frage, was es für die Pressefreiheit bedeutet, wenn der Bundeskanzler gegenüber einem Reporter eines der angesehensten Medien des Landes droht, er uns seine Kollegen würden aufpassen müssen. In meinen Ohren ist das eine ganz klare Drohung...
 
AW: Schröder droht Journalisten

Das ist natürlich skandalös. Aber nicht untypisch: Immer wenn´s knapp ist liegen die Nerven blank - in Österreich haben nach dem Machtwechsel 2001 auch Schwarz-Blau auf die angeblich "linken" Journalisten geschimpft, vereinzelt viel sogar das Wort "Vaterlandsverräter" wenn man in der Zeit der EU Sanktionen mal die EU-Sicht der Dinge dargestellt hat. Und der Justizminister wollte sogar ein Gesetz erlassen, das die Veröffentlichung von regierungskritischen Beiträgen als "anti-österreichisch" unter Strafe stellt.

Real hat sich die Situation in Österreich nicht verändert. Es wurde nur mal ausgesprochen, was vorher in Form von Interventionen immer gegeben war: Nämlich die Unfähigkeit vieler Politiker zu begreifen, das Politik nichts herrschaftliches mehr ist sondern eine Form des modernen Managements - mit zugehöriger PR-Arbeit. Die Chance, heute als Journalist im Gefängnis zu landen oder anders in seiner Arbeit behindert zu werden, ist gleich hoch wie früher auch - insoweit keine Panik.

Aber wer weiß: Vielleicht schafft Schröder den Grundstein zu einer neuen Spiegel-Affaire. Hoffentlich schreit die Öffentlichkeit dann auch heute auf: "Spiegel tot - Freiheit tot"
 
AW: Schröder droht Journalisten

Aus der Zeit:
"Am Montag ist Schröders Auftritt das Tagesgespräch aller politisch interessierten Bürger. So schnell werden sie nicht vergessen, wie da einer seiner eigenen Gefühlswallungen nicht Herr wurde. Kein Alkohol, wird glaubwürdig versichert, nicht nur von ihm. Aber ob es Endorphine allein waren oder obendrauf doch ein Glas Champagner, so oder so war es nicht Schröders starke Stunde. Ein suboptimaler Auftritt, gelinde ausgedrückt. Genau, sagt er amüsiert, das ist das Wort: »Suboptimal«. So lassen die kleinen nagenden Gewissensbisse sich leichter ertragen. »War nicht gut, ich weiß.« Können wir jetzt davon aufhören?"
 
AW: Schröder droht Journalisten

Makeitso schrieb:
Zu wenig diskutiert wird mir hier die Frage, was es für die Pressefreiheit bedeutet, wenn der Bundeskanzler gegenüber einem Reporter eines der angesehensten Medien des Landes droht, er uns seine Kollegen würden aufpassen müssen. In meinen Ohren ist das eine ganz klare Drohung...
Da sind auch andere schon sehr aufmerksam geworden ...

Solche Drohungen könnten immerhin auch geeignet sein, der Schere im Kopf Vorschub zu leisten, wenn ich etwa an diesen Beitrag denke. Wieso kann man das denn nicht einfach vor dem Mikrofon*) sagen? Bei Radio Eins hat man es gestern jedenfalls getan, bis hin zu einem Spruch, ob man auch was von dem Zeug haben könnte. Sowas könnte natürlich zu Liebesentzug wegen unbotmäßigen Verhaltens führen. Täuscht der Eindruck, den mancher Außenstehender hat, daß die Hauptstadtkorrespondenten mitunter schon eine bedenklich erscheinende Symbiose mit dem Politzirkus eingegangen sind? Wenn sich die Drohung nur darauf bezieht, solche Freundschaften aufzukündigen ...

*) Warum eigentlich der Bezug auf die Kamera, wenn es hier doch um Radio geht? Werden Journalisten im Radio mittlerweile wirklich als deplaziert wahrgenommen, wie auch hier wieder anklang?
 
AW: Schröder droht Journalisten

Könnte nicht Udo Walz mal eine Haarprobe vom Schröder nehmen und an die Berliner Staatsanwaltschaft schicken? Nach dem "Auftritt" vom Sonntag erlangen die Presse-Untersuchungen auf dem Bundestagsklo von vor ein paar Jahren ein ganz neues Gewicht.
 
AW: Schröder droht Journalisten

Das Verhalten war ein Ausrutscher und definitiv nicht staatsmännisch,
auch unter dem Hintergrund der jahrelangen Prügel durch die Medien trotzdem nicht angebracht und auch nicht verständlich, aber schon nachvollziehbar.
Zumindest meiner Meinung nach. Der Mann hat mehr Mut als die meisten Politiker in den letzten Jahren bewiesen und dafür immer nur einstecken müssen.
Damit will ich die Entgleisung nicht schönreden, aber es gibt Menschen in den anderen Parteien, die nachweislich das Gesetz gebrochen haben und noch nicht mal dafür belangt werden.
Also sollte man das Ganze auch mal relativieren.
 
AW: Schröder droht Journalisten

TimFeindt schrieb:
die nachweislich das Gesetz gebrochen haben
Das ist richtig, hat aber mit den Medien nun wahrlich nichts zu tun.
Ich habe Schröder selbst einmal mitgewählt (2002), würde das nach seinen Exzessen aber nie wieder tun.
 
AW: Schröder droht Journalisten

In der Hoffnung, daß dieser Thread nicht auch gleich wieder geschlossen

Also wenn man nur noch "hoffen" kann, muss man sich doch die frage stellen, ob wir uns radioleute nicht tatsächlich jegliche journalistische kompetenz absprechen. schröders medienschelte hat sowohl etwas mit radio zu tun, es sei denn es läuft tatsächlich nur noch die automation
 
AW: Schröder droht Journalisten

Schröder hat die Wahl leider verloren. Das eint ihn mit Frau Merkel. Deshalb liegen die Nerven blank, und außerdem muss er seine Haut -- und damit die der SPD -- so teuer wie möglich verkaufen. Merkel macht es genau so. Das ist ein Abgesang, der letztendlich aber für die Medien wie Angriff klingen muss. Wer im Machtpoker als erster nachgibt, ist der wirkliche Verlierer der Wahl.

Die Medien haben dabei die Imagi zu übertragen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Da aber in Deutschland der Journalismus meist parteiisch ist, müssen die jeweiligen gegnerischen Medien diese Imagi angreifen, egal ob in Zeitung, Radio oder TV.

Da ist es nicht verwunderlich, wenn die Journalisten selbst ins Kreuzfeuer geraten. Schön ist das aber nicht.
 
AW: Schröder droht Journalisten

alqaszar schrieb:
Da aber in Deutschland der Journalismus meist parteiisch ist
Ist das nicht überall auf der Welt so? In den Demokratien gibt es doch "liberale" und "konservative" Blätter und Sender. Und in den Diktaturen sind die Medien sowieso parteiisch.
 
AW: Schröder droht Journalisten

@k6
Natürlich hätten von der Tann oder Brender fragen können, "Herr Schröder, sind sie betrunken?" Nur was hätte es genützt? Die Diskussion wäre just in diesem Moment beendet gewesen.
In der Nachbetrachtung dann, ist es sicher eine Frage des Stils, inwieweit der Zustand von Schröder konkretisiert dargestellt wird. Die Ursache liegt für mich einerseits in der Ausrichtung des jeweiligen Mediums und dessen Umgang mit Nachrichten. Der definiert sich aus dem Verhältnis des jeweiligen Mediums zur Politik und damit zum Amt des Bundeskanzlers als solches. Will heissen: setzt sich ein Medium mit Politik auseinander und wirkt es entsprechend Meinungsbildend durch Bericht, Kommentar und Reportage oder ist Politik, also Information nur ein Teil des Programmings in Form von 2 Minuten Nachrichten um das Ziel maximaler Reichweite zu erreichen.
Konkret:
Sicher kratzt es niemanden, wenn der Sidekick in "Die lustigste Morgenschow mit den größten Hits der letzten hundert Jahre von Hitradio Entenhausen" den Bundeskanzler als besoffen bezeichnet.
Radio Eins bildet eine Ausnahme, denn gerade Skuppin und Wieprecht haben sich durch ihren sich hart an der Satire bewegenden Moderationsstil ein hohes Maß an Spielraum geschaffen. Meines Wissens sind die Jungs die einzigen, denen das auch so gelungen ist, ohne albern oder peinlich zu werden.
Bei Medien, die sich ernsthaft mit Politik und Politikern auseinander setzen, ist es am jeweiligen Journalisten, entsprechend auf Politiker zu reagieren. So altmodische Dinge wie Stil und Beherrschung sind dabei ebenso zu beachten, wie die zurecht angesprochene Symbiose zwischen den Hauptstadtpolitikern und -Journalisten.
 
AW: Schröder droht Journalisten

1. Schröders Auftritt war in keiner Weise korrekt. Eine richtige Entschuldigung muss noch kommen.

2. Inhaltlich sollten wir dennoch über das Gesagte nachdenken. Jeder von uns doch die Abgesänge auf Schröder miterlebt. Werden wir damit unserer Rolle als unabhängiger Beobachter gerecht?

Ich kann alle verstehen, die einen Politikwechsel für notwendig halten (ich gehöre dazu). Aber das gibt uns nicht das Recht, ihn herbei zuschreiben.

Politik agiert häufig nur noch taktisch. Dadurch hat sie radikal an Glaubwürdigkeit verloren. Wenn wir Medien diesem Weg mitgehen, dann sehe ich unsere Zukunft mehr als kritisch.
 
AW: Schröder droht Journalisten

zu 1) Wahr, wahr!
zu 2) Schröder beschwor doch seinen Abgesang selbst, durch die Mißtrauensfrage!
zu 3) Die Macht des Journalismus wird überschätzt! Auch die überwiegend konservativen Medien in den USA konnten Bill Clinton nicht verhindern. Gewählt wird, wer sich gut verkauft (Schröder), abgestraft wird, wer sich an unbequeme Wahrheiten herantraut und persönlich eher spröde wirkt (das Merkel, Kirchoff).

In der Politik ist es, wie im Marketing: Nicht die Qualität der Produkte (der Realpolitik) zählt, sondern die Wahrnehmung der Konsumenten (Wähler).
 
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