Langsam vermute ich, daß im Bereich der "Minderheitenprogramme" (was die Programme abseits des Superhit- und Superoldie-Mainstreams numal sind) aufgrund des allgemein inzwischen mehr als nur üblen Zustandes der gesamten deutschen Gesellschaft die Befindlichkeiten der potentiellen Interessenten sehr offen und die Nerven sehr blank liegen und geringe Abweichungen von der eigenen Erwartungshaltung dazu führen, daß ein Programm nicht (mehr) genutzt wird. Ich kenne kulturell sehr interessierte Leute, die zudem auch noch an Radio eigentlich sehr interessiert sind bzw. besser gesagt waren (beide haben sogar hier in diesem Forum einst Beiträge geschrieben). Ich zitiere mal aus einer Kommunikation, die letztens zwischen uns hin und her ging und die damit startete, daß ich einen aktuellen "Ohrwurm" von mir nannte (Phela - "Zurück nach damals", gehört auf Bayern 2), der aus dem Bereich Pop kommt, was mich selbst irritiert, weil ich eigentlich fast keinerlei Pop mehr höre. Mir war klar, daß Ablehnung kommen wird. Mir war klar, daß das, wenn es englisch wäre, auch von Dido hätte stammen können und damit wäre es ja gleich pfui-bäh.
"Ist mal wieder überhaupt nichts für mich. Keine traditionellen Liedermacher. Keine spannende Musik. Würden sie auf Englisch singen, könnte man sie auch bei DKultur im Studio 9 hören. Habe es mir am Mittwochmorgen mal gegeben. Pop-Heulsusen und Singersongwriter, die sich den Weltschmerz aus der Seele heulen, daneben zu viel Politik und zu wenig Kultur. Ich weiß
wirklich nicht, was dieses Programm soll." (der, der das schrieb, ist knapp 30)
Darauf kam als Antwort vom dritten in der Mailrunde (freier Journalist, in Hörfunk, Online und in Print aktiv, er ist Anfang 40):
"So geht es mir mittlerweile eigentlich mit allem, was sich deutscher Hörfunk schimpft. Selbst die Kultursender nerven nur noch."
Zwei blitzgescheite Leute, einer noch im studentischen Milieu und mehr als nur "Hobbyphilosoph", der andere für mein Empfinden inzwischen Klassik-Fachmann (egal, wofür er sich zu interessieren beginnt, es wird intellektuelles Gold), beide sicher in der Zielgruppe, die Herr Weber gerne erreichen würde - für beide ist DKultur unanhörbar. Das gilt für tagsüber. Wenn abends ein Feature oder ein Konzert käme, das interessiert, würden die Karten neu gemischt, für genau diese eine Sendung. Weiß ich, weil wir die entsprechenden DVB-Mitschnitte dann zuweilen nachträglich bereitstellen bzw. tauschen, da sie oft erst nach der Sendung als gesendet auffallen und dann rückwirkend beschafft werden müssen. Abends braucht man aber gleich gar keine Reichweiten zu zählen. Selbst Radio Eins als Populärprogramm ist da kaum noch sinnvoll zählbar. Von den sogenannten Kulturkanälen ganz zu schweigen.
Und ich ziehe mir gerade einen Händel-Tag auf BR Klassik rein. Ist eigentlich ein Codec-Test eines für Mackigkeiten bekannten Satreceivers, den ich mit neuer Software ausgestattet habe und nun auf Tonstolperer achten muß, bevor das Gerät evtl. an eine leidenschaftlich klassikbegeisterte Seniorin geht. Paßt für mich aber gerade perfekt zum grauen und damit Schreibtisch-Tag