Sind Internetradiobetreiber auch Rundfunkveranstalter?

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Im Zusammenhang mit der Anzeigepflicht für Webradios habe ich mir mal den aktuellen Rundfunkstaatsvertrag (RStV) etwas näher angeschaut (in Bezug auf dieses Thema gibt es keinen Unterschied zwischen der 12. und 13. Fassung).

Dabei bin ich auf eine interessante Definition des Begriffs "Kein Rundfunk" gestoßen:

§ 2 (3) RStV schrieb:
Kein Rundfunk sind Angebote, die
  1. jedenfalls weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden,

  2. zur unmittelbaren Wiedergabe aus Speichern von Empfangsgeräten bestimmt sind,

  3. ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen,

  4. nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind oder

  5. aus Sendungen bestehen, die jeweils gegen Einzelentgelt freigeschaltet werden.
Da bin ich ins Schleudern gekommen: Zwischen 4. und 5. ist ein "oder", doch ich sehe die Punkte 1. - 4. ebenfalls als "Oder-Bestimmungen" an.
Oder sind es von mir missverstandene "Und-Bestimmungen"? :confused:

In Bezug auf die Anzeigepflicht bei einer Landesmedienanstalt greift ja § 20b RStV - eben weil dort von einem Rundfunkangebot ausgegangen wird. Das ist die berühmte "mindestens 500 Slots"-Regel: Rundfunk, also anzeigepflichtig.

Aber wäre es nicht auch Rundfunk, wenn ich weniger als 500 Slots stelle und trotzdem mein Programm journalistisch-redaktionell gestalte?
Ich jedenfalls interpretiere den § 2 (3) RStV so.
Gegenargumente?

Abgesehen von der Anzeigepflicht, die ja schon im anderen Thread diskutiert wird, kommt hier noch eine ganz andere Geschichte ins Spiel: Die Volljährigkeit des Betreibers / Veranstalters.
Zwar ist im Rundfunkstaatsvertrag nicht wörtlich von der Volljährigkeit die Rede, sondern von unbeschränkt geschäftsfähigen Personen (§ 20a (1) Nr. 1 RStV). Doch mithilfe des BGB werden da ganz schnell mindestens 18-jährige draus.

Da das Internetradio mittlerweile zu einem Tummelplatz für Minderjährige - auch als Betreiber! - geworden ist, finde ich diesen Ansatz ganz interessant.
Konkret: Machst du Rundfunk, musst du mindestens erwachsen sein. Ob du als Internetradiobetreiber Rundfunk veranstaltest oder nicht und wo die Grenzen sind, steht im § 2 (3) RStV drin. :D

Bevor jetzt der Aufschrei kommt "Aber die Bestimmung für Internetradios steht doch in § 20b RStV!", der möge bitte erst noch den zweiten Satz lesen:

§ 20b Satz 2 RStV schrieb:
Im Übrigen gilt § 20a entsprechend.
... und damit eben auch § 20a (1) Nr. 1, nicht wahr? :p

Meiner Meinung nach hat diese Konstruktion Auswirkungen auf einige von Minderjährigen geführte Projekte, die möglicherweise gar nicht wissen, dass sie Rundfunkveranstalter sind. Also müssen hier erwachsene Projektverantwortliche ran (gegen minderjährige Moderatoren an sich ist ja erst mal nichts zu sagen), um dem RStV gerecht zu werden.

Die Frage ist halt nur, ab wann - rein vom Staatsvertrag her - ein Internetradio zum Rundfunk wird.
Wie seht ihr das?
 
AW: Sind Internetradiobetreiber auch Rundfunkveranstalter?

Internetradio ist doch gar kein "Funk"! :D

Das mit der "Anzeigepflicht für Webradios" finde ich auch sehr interessant. Was, wenn jemand einen deutschsprachigen Sender im Ausland betreibt? Da werden die deutschen Behörden wohl kaum etwas verbieten oder kassieren können...., oder?
 
AW: Sind Internetradiobetreiber auch Rundfunkveranstalter?

Webradio ist kein Rundfunk! Sowas sollte man eigentlich wissen, denn Rundfunk ist nur, was folgende Eigenschaften hat:
-Angebot an eine Allgemeinheit
-Angebot mittels Funktechnik (und zwar unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters
-Darbietung in Wort, Ton oder Bild =>publizistische Wirkung

Diese Definition habe ich aus einem juristischen Fachbuch der Universität, da ich mich aufgrund eines Referatsthemas mit den Rundfunkurteilen des BVerfG beschäftigen darf.

Anzeigepflicht hat nichts mit der Rundfunkdefinition zu tun.
 
AW: Sind Internetradiobetreiber auch Rundfunkveranstalter?

Als ich kürzlich in den USA war, in Chicago, da habe ich gleich mehrere deutschsprachige Radiosender registriert; so richtige Funkradios.... . Ob die wohl hier bei uns angemeldet sind....? :)
 
AW: Sind Internetradiobetreiber auch Rundfunkveranstalter?

Hallo Meister Propper,

Webradio ist kein Rundfunk! Sowas sollte man eigentlich wissen, denn Rundfunk ist nur, was folgende Eigenschaften hat:
(...)
Diese Definition habe ich aus einem juristischen Fachbuch der Universität, da ich mich aufgrund eines Referatsthemas mit den Rundfunkurteilen des BVerfG beschäftigen darf.
ich stimme Dir ja auch fast zu, nur dass ich eben bei der Lektüre des RStV stutzig wurde. Zunächst mal deckt sich eins der Rundfunkmerkmale:

§ 2 (1) Satz 1 RStV schrieb:
Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen.
Die von Dir zitierte Definition geht noch etwas weiter, aber auch Internetradios / Telemedien haben eine publizistische Wirkung und richten sich an die Allgemeinheit, ohne zwingend Rundfunk sein zu müssen. Also ich würde das in der Definition als Ausschlusskriterium erst mal außen vor lassen.
Oder werden Telemedien durch publizistische Wirkung und Angebot an die Allgemeinheit (wird das bestritten?) dadurch etwa doch zum Rundfunk? Das wäre durchaus mal eine akademische Überprüfung wert. ;)

§ 2 (1) Satz 2 RStV schrieb:
Der Begriff schließt Angebote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind.
Dieser Satz ist für mich der einzige Hinweis auf die Limitierung auf "weniger als 500 potenziellen Nutzern" aus § 2 (3) Nr. 1 RStV beim Übertragungsweg "elektromagnetische Schwingungen". Nur bei einer Limitierung der Empfänger auf max. 499 kann ich gewährleisten, dass es sich um "keinen Rundfunk" handelt.
Internetradio hingegen kann bereits senderseitig, durch Serverkonfiguration, limitiert werden.

Im weiteren Verlauf der Definition findet sich ja noch der Begriff "Telemedien", dem die Abschnitte IV - VI zugeordnet werden. Lediglich die §§ 20a und 20b (Zulassungsvoraussetzung für privates Radio und Internetradio-Anzeigepflicht) finden sich ausnahmsweise im Abschnitt III.

Wir unterscheiden also, demzufolge:
  1. Rundfunk

  2. Telemedien

  3. Keinen Rundfunk
    (u.a. gekennzeichnet durch weniger als 500 gleichzeitige potenzielle Nutzer).
Bis dahin dürften wir uns eigentlich einig sein, oder? ;)

Anzeigepflicht hat nichts mit der Rundfunkdefinition zu tun.
Das ist bis dahin erst einmal nachvollziehbar. Doch irgendjemand hat die magische Zahl 500 aus dem Hut gezaubert und sie universell verwendet:
  • Ab 500 gleichzeitigen potenziellen Nutzern ist es Rundfunk.

  • Internetradios sind ab 500 theoretisch verfügbaren Slots anzeigepflichtig, auch wenn diese nicht genutzt werden.
In den für Telemedien zuständigen Abschnitten IV - VI des RStV konnte ich aber keinen Hinweis auf diesen Schwellenwert finden. Dennoch gilt das als Hauptmerkmal für die Anzeigepflicht im ZAK-Formular für Internetradios.

Meine Interpretation: Innerhalb des RStV wird für Internetradios der Maßstab angelegt, der auch für die Definition "Rundfunk vs. kein Rundfunk" genutzt wird. Die Ansprüche an den Anzeigepflichtigen aus § 20b werden dem § 20a (Zulassungsverfahren) entnommen.
Selbst wenn der technischen Definition zufolge ein Internetradio kein Rundfunk sein kann, so wird eine Anpassung auf administrativer Ebene mit diesen Verknüpfungen angestrebt.

Die von Dir aufgezeigten Abgrenzungen sind im RStV m.E. nur auf technischer Ebene in der erwünschten Klarheit ersichtlich; im übrigen scheint eine Anpassung "wo beginnen zu beaufsichtigende Inhalte?" beabsichtigt zu sein.
 
AW: Sind Internetradiobetreiber auch Rundfunkveranstalter?

Zuerst haben die Zeitungen den Anschluß ans Internet komplett verschlafen, weshalb pfiffige Studenten sich hier so richtig austoben konnten und mittlerweile Millionenschwere Portale wie Twitter, Youtube e.t.c. betreiben.

Auch die ör Fernsehanstalten meinen nun, nur weil sie einige Filme ins Internet stellen, könne man das Internet auch als Fernsehgerät nutzen; und sie wären deshalb berechtigt auch für Computer Fernsehgebüren zu verlangen. Lachhaft!

Und nun wachen auch die Radiosender auf und streben mit Hilfe ihrer Lobbyisten und Politik an, eine Notbremse ziehen zu können. Man erkennt, dass die vielen kleinen Internetradios mehr und mehr zur ernsten Konkurrenz werden werden und bangt um Werbeeinnahmen. Ör genauso wie die privaten.

Es gibt tausende von Internetportalen wo man lesen, hören und auch Videos anschauen kann, und letztlich ist doch so gut wie jede dieser Seiten publizistisch tätig. Sind sie deshalb Fernsehsender oder Radiostationen? Ich bin gespannt was die Lobbyisten noch alles unternehmen werden, um diese ganzen "privaten Störenfriede" aus dem Verkehr ziehen zu können.... . Gebühren, Verbote.....?
 
AW: Sind Internetradiobetreiber auch Rundfunkveranstalter?

Bis auf die technische Verbreitung ist das so ja und ich finde es nicht verkehrt, dass Webradios, die eine breiteres Publikum anstreben und haben, sich registrieren müssen. Das ganze hat ja nichts mit der Beschneidung der Pressefreiheit zu tun, mal ganz davon abgesehen, dass die wenigsten wirklich Beiträge bringen, die wirklich in die Tiefe gehen.

Ich muss sagen, mit dem Rundfunkstaatsvertrag hab ich mich bisher noch nicht so genau beschäftigt, außer im Sinne einer medienpädagogischen / -didaktischen Hinsicht.
Hier mal das Beispiel der BLM für eine Anzeige: http://www.blm.de/apps/documentbase/data/pdf1/anzeige_internetradio_1.pdf

Ich finde das total harmlos und auch iwo verständlich. Die BLM schreibt im übrigen, dass die Änderungen dazu im 12. RStV vermerkt sind und es nur noch eine anzeigepflicht besteht. Und warum ausgerechnet die magische Zahl von 500 kann ich dir nicht sagen, aber auch die BLM ist telefonisch zu erreichn, daher würde sich eine Nachfrage sicherlich lohnen.

P.S.: Das Ganze heißt Hörfunkprogramm im Internet. Siehe Paragraph:
§ 20b Hörfunk im Internet
Wer Hörfunkprogramme ausschließlich im Internet verbreitet, bedarf keiner Zulassung. Er hat das Angebot
der zuständigen Landesmedienanstalt anzuzeigen. Im Übrigen gilt § 20a entsprechend.
 
AW: Sind Internetradiobetreiber auch Rundfunkveranstalter?

Das von Dir verlinkte Formular ist bundesweit einheitlich (weil es die ZAK eben so beschlossen hat) und bei fast jeder LMA abrufbar.
Auch Radioszene hat das Formular im entsprechenden Artikel bereitgestellt.

Die Internetrauftritte der jeweiligen LMAn sind höchst unterschiedlich - und inhaltlich verwirrend.

Die Kombination aus § 20b und § 20a RStV (Internetradio-Anzeige und Rundfunkzulassung) findet sich explizit und mit diesem Wortlaut:

Personen, die keine Rundfunkzulassung erhalten können (vgl. § 20a RStV), dürfen auch kein Internetradio veranstalten.
... bei der LFK Baden-Württemberg, der Berlin-Brandenburgischen mabb, der sächsischen SLM sowie der saarländischen LMS. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) formuliert das so.

Hier also lautet der Grundsatz: Du betreibst zwar keinen Rundfunk, musst aber die Bedingungen zur Rundfunkzulassung erfüllen. Sonst gibts auch kein Internetradio.
Aha... :eek: :confused:

In Schleswig-Holstein & Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz (komplizierter geht's kaum :rolleyes:) und Sachsen-Anhalt wird man lediglich darauf hingewiesen, dass man keine Zulassung benötigt, bei über 500 gleichzeitigen möglichen Hörern aber eine Anzeigepflicht besteht. Die MMV in Mecklenburg-Vorpommern formuliert das etwas unscharf.

Ohne jeden weiteren Kommentar zum Formular und ohne Voraussetzungshinweise präsentieren sich die LMAn von Bayern, Hessen und Thüringen.
- Sollte ich bei der Recherche einer LMA Unrecht getan haben, dann liegt es daran, dass ihre Suchmaschine auf der Homepage nicht optimiert ist. Man gehe bitte vom durchschnittlichen Internetradio-Anmelder aus. -

Bremen nimmt mit seinem [räusper] stark verbesserungswürdigen Internetauftritt [/räusper] eine Sonderstellung ein. Auf Nachfrage wird man dort - sehr freundlich! :) - auf die Seite der ALM bzw. die Formulare einer anderen LMA verwiesen. Der Internetauftritt wird demnächst überarbeitet.
In Bremen schließt man sich aber der ALM-Formulierung an, so dass sich die brema in die Gruppe der LFK, mabb, SLM und LMS einsortieren lässt.

Resümee: Das Chaos ist perfekt. Der RStV lässt eigentlich keinen Spielraum für Interpretationen, ist aber schwer zu durchschauen.
Internetradio ist Hörfunk, aber kein Rundfunk. Dennoch muss ein Internetradiobetreiber die Voraussetzungen für eine Rundfunkzulassung erfüllen (!). Dieser Kernsatz wird nicht von allen LMAn in die Bevölkerung getragen. Erschwerend kommt hinzu, dass die 500er-Grenze nicht überall erwähnt wird und für zusätzliche Verwirrung sorgt.
- Die Zahl "500" ist übrigens mal bei einer Sitzung verabredet worden; sie entstammt nicht dem RStV, stellt aber einen Konsens dar. -

Lieber Meister Propper, vielen Dank für die Hilfestellung und das gemeinsame Herausarbeiten der Problematik.
Jetzt hat das Thema FAQ-Reife - und einige LMAn müssen nachsitzen und Hausaufgaben machen.
Wer Medienkompetenz vermitteln will, sollte bei seinem eigenen Internetauftritt beginnen. :p
 
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