Sinn und Zweck des Formatradios

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Tom2000

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Durch zahlreiche Threads zieht sich Kritik am formatierten Radio. Diese ist in Ihrer Pauschalität oft ungerecht, insbesondere der Idee des Formatradios gegenüber, da ihr zumeist die Erfahrung mit Formatradio IN DEUTSCHLAND zugrunde liegt, das oftmals aber lediglich eine Perversion der Konzeption des Formatradio verkörpert. Im Ausland gibt es jedoch ganz viele gelungene Beispiele formatierten Radios.

Ich finde somit, es muss genauer unterschieden werden zwischen:
-Deutschem Hitradio
-(Deutschem) Pseudo-Formatradio
-Gekonntem Formatradio

Das Deutsche Hitradio kennzeichnet aus
-Marktbeherrschung (keine Konkurrenz)
-übermässiger Einsatz von Claims, Trailern
-wenig aktualisierte Playlist
-immer weniger Moderatoren mit Personality

Das (Deutsche) Pseudo-Formatradio verlässt das eigentlich deklarierte Format Richtung Hitradio. Bsp.:
Harmony FM (weichgespült, weder Oldies/Classic Hits noch AC)
Rockland Rheinland-Pfalz vor zwei Jahren (immer die selben Rockklassiker, gemischt mit AC-Titeln)

Gekonntes Formatradio weiss Claims und Trailer in Maassen einzusetzen, hat statt Sprachattrappen und Linercardgesülz Moderatoren, die was zu sagen haben und pflegt permanent die Playlist. Aktuelle Formate reagieren schnell auf Neuerscheinungen, Formate mit hohem Anteil älterer Titel lassen viele Titel gleichzeitig rotieren bzw. tauschen permanent gegeneinander aus.

Wie abwechslungsreich AC sein kann, zeigt bspw. „The Mix“ aus England. Dagegen ist die Playlist von RPR 1 total statisch.
BIG FM wiederum besteht aus dummem pubertären Gesülze und Dauereigenwerbung. Capital FM aus England hingegen besticht durch fitte Moderatoren und viel Hörerbeteiligung in Form von Small Talk und intelligenter Aktionen. NRJ aus Frankreich ist ebenfalls besser moderiert als viele seiner deutschen Ableger.
Veronica aus den Niederlanden ist ein Beispiel für ein Classic Hits-Format, das neben den Standardtitel vorzugsweise abends viele „Schätzchen“ ausgräbt und genrebezogene Titel aus R&B/Rock/Dance integriert.
Planet Rock aus England ist kein reiner Classic Rock-Dudler, sondern spielt viele Albumtracks.

Wann entwickelt sich das Radio in Deutschland endlich in diese Richtung?
 
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Wann entwickelt sich das Radio in Deutschland endlich in diese Richtung?

Ich fürchte, überhaupt nicht mehr. Die Radio Days sind vorbei. Das Medium Radio weist schon lange keine inhaltlichen Innovationen mehr auf - auch in Ländern, in denen es mehr Formate und Wettbewerb als in Deutschland gibt.

Es wird irgendetwas anderes kommen, dass das Radio langfristig in vielen seiner Funktionen ablöst. Was das ist, weiß ich nicht - vermute es werden diverse on-demand-Dienste sein.

Das heißt nicht, dass es noch 10,20... Jahre Radio geben wird. Die Bedeutung wird aber weiter abnehmen und damit auch der Innovationsdrang.
 
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Als "innovativ" sehe ich in der Tat auch das Formatradio in USA, England, Niederlande und Frankreich nicht an.
Jedoch weiss es ganz solide zu unterhalten, ist handwerklich einfach besser gemacht und bietet in seiner Format- (Musik-) Vielfalt mehr an.

Tragisch ist, dass oft sogar die "Radiounterlasser" in diesem Forum aufgrund Ihres Alters nicht mehr erlebt haben, wie emotional bewegend und aufregend Radio sein kann. Da ist Besserung kaum möglich.
 
AW: Sinn und Zweck des Formatradios

Mehr Vielfalt wünschen wir uns doch alle, oder etwa nicht?
Gibt es in diesem Forum auch Befürworter enger Rotationen?
Mehr Vielfalt ist zwar nicht gerade innovativ, aber den Unterhaltungswert könnte das trotzdem enorm steigern.

Aber es stimmt schon, die Top1000x war ein Event. Das ganze jährlich zu wiederholen ist zwar jedesmal eine spannende Zeit, aber es reißt nicht mehr soooo die Massen mit sich, zumal sich die die Show auch nicht wirklich weiterentwickelt hat.

Zu Unterhaltung gehört ja noch mehr als nur Musik, und da scheiden sich ja wohl die Geister. Unterhaltung = Comedy / spannende Features / bunte Beiträge / Musikmods und vieles mehr. Das alles in einem Formatradio unterzubringen bringts nicht richtig. Und in diesem Sinne haben wir ja jetzt schon so eine Art Sparten-Landschaft.
 
AW: Sinn und Zweck des Formatradios

Was vor allem in der Radio-Unterhaltung fehlt, sind richtige Entertainer. Im Ausland unterhalten die morgens überwiegend bzw. ausschliesslich (wenig/keine Musik).
 
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Das Problem ist: Ein Wortprogramm polarisiert. Es wird immer Leute geben, die mit dem, was der Moderator von sich gibt, nicht einverstanden sind. Je länger die Wortstrecken sind, umso stärker tritt dies auf.

Da jedoch die dt. Radios ausschließlich darauf bedacht sind, ihre Hörer nicht zum Ausschalten zu bringen, darf soetwas natürlich nicht passieren, und deswegen wird weiterhin dieser "tut-niemandem-wirklich-weh-weil-keiner-mehr-zuhört" Weichspülmusikteppich gesendet. Operation gelungen, Patient tot.
 
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Verstehe.
Nur die ausländischen Stationen, auf denen ich diese "polarisierenden" Moderatoren gehört habe, waren kommerziell, also auch in hohem Masse von Hörerzuspruch wirtschaftlich abhängig.
Sind nun Deutsche weniger toleranter bzw. weniger geübt im Umgang mit Polarisierendem als Amerikaner etwa und schalten schneller um/ab?
 
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Sind nun Deutsche weniger toleranter bzw. weniger geübt im Umgang mit Polarisierendem als Amerikaner etwa

Eindeutig ja. Wer beruflich mit US-Amerikanern zu tun hat, weiß, dass sie eher Klartext reden und Konflikte nicht so scheuen wie Deutsche oder Europäer im Allgemeinen. Das ist wirklich eine Frage der unterschiedlichen Mentalität.
 
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Ich hab mal gehört, dass Deutsche für das gleiche Ergebnis 4mal so lange auf Konferenzen diskutieren wie Amerikaner. Oder waren das Japaner?

Jedenfalls scheint das wirklich deutsche Mentalität zu sein: ewig über die Sachen zu reden und einen absoluten Konsens erzielen zu wollen.

Im übrigen gehts mir eigentlich auch so, dass ich morgens nicht unbedingt immer lange Wortstrecken hören will. Manchmal ja, manchmal nein. Manchmal will ich einfach nur Aufwachmusik.
 
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@Tom2000: Zugegeben, ich hab mich die letzten Wochen intensiv durch die britische Radiolandschaft gehört und ich bin maßlos enttäuscht. Die meisten der für mich interessanten Sender (Charts, Alternative, Dance, Hip Hop) spielen eine enge Rotation mit den immerselben Hits. Titelwiederholungen nach spätestens 3 Stunden und nerviges Geclaime sind auch dort an der Tagesordnung. Gewiss, die Moderationen haben mehr Biss, aber das Drumherum finde ich nach einiger Zeit grausam zum Zuhören.
 
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Tom2000 schrieb:
Verstehe.
Nur die ausländischen Stationen, auf denen ich diese "polarisierenden" Moderatoren gehört habe, waren kommerziell, also auch in hohem Masse von Hörerzuspruch wirtschaftlich abhängig.
Sind nun Deutsche weniger toleranter bzw. weniger geübt im Umgang mit Polarisierendem als Amerikaner etwa und schalten schneller um/ab?

Ja und Nein.

Einerseits glaube ich, daß die dt. Radiomacher eine extrem niedrige Meinung von ihren Hörern haben, andererseits fehlt uns aber tatsächlich ein gewisses Maß an Toleranz, das uns aber in den letzten Jahren regelrecht aberzogen wurde, gemäß dem Motto: Was mir nicht gefällt, wird hemmungslos durch den Kakao gezogen.

Nur, um es mal bildlich darzustellen: In Italien wäre es unmöglich, über Celentao in der Art und Weise herzuziehen, wie es in Deutschland mit Bohlen passiert. Und auch in den UK würde niemand so mit Paul McCartney umspringen... Vor 20 Jahren wäre das auch bei uns noch anders gewesen. Daß vor 20 Jahren privater (rein kommerzieller) Rundfunk eingeführt wurde, ist jetzt sicher nur ein Zufall :)
 
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Frage von Patohobbes:"Gibt es in diesem Forum auch Befürworter enger Rotationen?"

Ja sicher, enge Rotationen sind nichts grundsätzlich Schlechtes. Wenn es z.B. gerade neue Songs gibt, die mir gut gefallen, möchte ich sie auch besonders häufig hören. Allerdings höchstens ein paar Wochen lang. (Gab mal einen Sender, der das ganz toll hingekriegt hat, aber der kam auch aus dem Ausland. :( )

Ansonsten klingen meiner Erfahrung nach viele ausländische Sender, vor allem die großen und erfolgreichen, für meinen Geschmack nicht soooo viel besser als deutsches Durchschnittsradio. Meistens sind's Ausnahmen, die hier hervorgehoben werden. Genauso könnte ein Franzose fragen: Warum bekommen die Deutschen bei Radio Eins und Fritz so tolle abwechslungsreiche Musik, während bei fun radio und NRJ immer die gleiche Sch :eek: läuft!?
 
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@stereo: Schön gesagt.Auch die französischen Sender konnten mich bislang nur beschränkt überzeugen. Lediglich die Niederländer konnten mich in ihrer Gesamtheit bislang wirklich überzeugen.
 
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@Wrzlbrnft
Die Briten sind in Ihrer Musikauswahl natürlich, wen wundert´s, sehr britisch.
Die Holländer hingegen bringen Titel aus den USA mehr gleichberechtigt. Zudem ist das Soundprocessing peppiger. Deshalb finde ich die Holländer eigentlich auch besser.
Vorteil der Briten ist, ich verstehe ihre Sprache und sie haben mehr Formate. Es fehlt bspw. das niederländische "Arrow Rock Radio" auf Satellit.
 
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Mehr Formate? Also ich fühl mich von dem britischen Angebot, das hier per Internet und Satellit für mich verfügbar ist, nicht wahnsinnig angesprochen. Ich bekomme diverse Pop-, Chart- und einige Rock-Sender verschiedenster Couleur rein, aber ein richtiges Alternative-Radio à la Kink FM oder FM4, oder einen abwechslungsreichen Dance-Sender wie XFM kommt dabei nicht rein. The Storm und Pure Dance sind leidige Ansätze, die sogar einige deutsche Programme (Star FM, Rockland Sachsen-Anh., sunshine live) besser rüberbringen.
 
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Ist wahrscheinlich Geschmackssache.
Ich favorisiere:
Capital FM (Top 40)
The Storm (Modern Rock)
Choice FM (HipHop / R&B)
The Mix (AC)
Classic Gold (Oldies)
und ganz besonders
Planet Rock (Classic Rock)
RTÉ 2FM (für das Beste ör Musikradio, übrigens in weiten Teilen auch sehr alternativ, besonders hier:http://www.rte.ie/2fm/alternative.html)
 
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Genau Capital FM und The Storm meinte ich in meinen Beispielen. Ich habe beide Sender vor einigen Wochen über rund 6 Stunden angehört, besonders bei The Storm fiel mir die zwar sehr zusagende Musikmischung auf, die Freude wurde aber bald getrübt, als Franz Ferdinand, Good Charlotte oder The Walkmen zum dritten Mal mit dem selben Song aufspielten. Selbst das einstige deutsche Pendant Project 89.0 Digital dürfte eine größere Rotation gehabt haben. Etwas besser sieht es meiner Ansicht nach bei der musikalisch ähnlich ausgelegten Station Kerrang! Radio aus, aber auch hier wird der Sender bei langem Durchhören eher langweilig.

An Capital FM kann ich mich nicht mehr ganz so genau erinnern, es war aber soweit ich's im Kopf hab, dieselbe Chart-Suppe wie ich sie bei den übrigen UK-Top-40-Sendern gehört habe. Auch die BBC-Programme BBC Radio One und One Xtra haben mich enttäuscht. Ich hätte mir etwas ausgefallenere Musik und breitere Auswahl gewünscht, während diese auf Radio One noch halbwegs (!) gegeben war, gab's auch bei One Xtra bereits nach drei, vier Stunden wieder die gleichen Eminem- und Destinys-Child-Songs.

In Choice FM und RTÉ 2FM hab ich noch nicht reingehört, was ich aber dieser Tage noch vorhabe.
 
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Choice musst Du mal stichprobenartig zu verschiedenen Tagen und Zeiten hören, insbesondere am Abend verändern die sich. Nach 21.00 Uhr bspw. ist statt fetten Beats "nur noch" Reaggae angesagt.
Sonntags ab 07.00 ne coole Modern Gospel Show.
RTÉ 2FM verändert sich in diesem Sinne auch ständig. Und die sind nicht ganz so britenlastig wie BBC, Capital & Co.
 
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Zurück zur Ausgangsfrage: Was ist der Sinn und Zweck des Formatradios?

BEI DEN PRIVATEN:
Mit möglichst wenig Aufwand (Arbeit, Technik, Ideen, Geld) bei der MA erfolgreich sein.

BEI DEN ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN:
Ideen- und Fantasielosigkeit kaschieren.
 
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FÜR DEN HÖRER:
Er weiß genau, was ihn auf welcher Frequenz erwartet und kann sich darauf hundertprozentig verlassen.
 
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@radiofreund
Radio 538 aus den Niederlanden wird 24h von gestandenen DJs moderiert, die in der Prime Time den Wortanteil auch schon mal auf 50% hochtreiben, mal abgesehen von anderen Programmelementen, die da auch nicht lieblos von der Stange kommen.
Warum in Deutschland mittlerweile nur die Abart des Privatradios übriggeblieben ist, bedarf weiterer Erörterung.
 
AW: Sinn und Zweck des Formatradios

... weil im kleinstaaterischen überregulierte Deutschland oft Konkurrenz fehlt und Mittelmaß regiert. Das trifft nicht nur das Radio, sondern z.B. auch das Bildungssystem.

Zum anderen ist die deutsche Mentalität scheinbar so gestrickt, dass sie den Mainstream mehr hofiert als andere Nationen das tun.

An beiden mal ganz generell genannten Ursachen kann man auf die Schnelle wenig ausrichten. Daher sehe ich eher das klassische Formatradio sterben, als dass es in Deutschland auf diesem Gebiet eine Vielfalt geben wird.
 
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Grenzwelle,
das Formatradio wird hoffentlich in dieser deutschen Form sterben, wie bspw. die Zuschauereinbindungstalkshow (Vorbild Ophrah Winfrey) hier in Deutschland ebenfalls durch stark erhöhten Bildschirmeinsatz (4 Shows auf den grossen Sendern gleichzeitig täglich) und konstanter thematischer Verflachung selbst die grössten Coach Potatoes aus dem Sessel vertrieben hat.
Keine eigenen Ideen zu haben ist ja schon schlimm genug. Die aus dem Ausland aber zu pervertieren bzw. kaputtzumachen ist an Dämlichkeit nicht mehr zu überbieten.
 
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