Standleitungen beim Radio

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PhonoMax schrieb:
Eine historische Kuriosität am Rande:

Nachdem die letzte Sendung des "Reichssenders München" (inzwischen sprach man von "Gruppe Süd") ...
Lebten diese Leitungen bis in unsere Tage?

Hans-Joachim

Hallo Hans-Joachim,
mit Gruppe Süd ist wahrscheinlich die 'Gruppe Süd' der DFKG (Deutsche Fernkabel Gesellschaft ein Joint-Venture (1921!!!) der Kabelhersteller und des Reichspostministeriums - Später DeTeLine dann Deutsche Telekom Networks and Projects) gemeint.
Die DFKG wurde bei Kriegsende in mehrere Gruppen entsprechend der Besatzungszonen aufgeteilt.
Die DFKG war immer externer Dienstleister der Reichspost (und anderen) und hat damals ziemlich alle Kabel in Deutschland verlegt.
Die Gruppe Süd saß anfangs in Augsburg und war mit Instansetzungen beschäftigt. Später wurden dann Reparationsleitungen übernommen (z.B Demontage und Ablieferung von 600km Fernkabel) und die Gruppe Süd 1948 aufgelöst.
1948 fingen dann die Planungen für ein neues Fernkabelnetz an. Dies sollte ein trägerfrequentes Netz in Form einer Acht mit Schnittpunk in Frankfurt/Main werden. Die Entscheidung fiel dann 1949 für ein papierisoliertes Kabel mit 12 Vierern und einem Kupferaderdurchmesser von 1,2 mm.
Verlegt wurde von 1950 bis 1955 (z.B. im Jahr 1952: 435 km Graben und 870km Kabel)
Für Rundfunkzwecke konnte man übrigens in den 20er bis 40er Jahren keine normalen Fernsprechleitungen verwenden, da die Nebesprechdämpfung (Übersprechen) nicht ausreichend war. Auch war die Bandbreite nicht gross genug. Man fand dann heraus, dass in jedem Fernkabel zu Messzwecken ein durch einen besonderen Bleimantel geschirmter 'Kernvierer' vorhanden war. Wenn man idesen Kernvierer entsprechend 'bespulte', war er eine denkbar günstige Übertragungsleitung. Im Jahre 1927 entschied das Reichspostministerium Kernvierer zu bespulen (Grenzfrequenz 10kHz).
War doch für damals ganz ordentlich.
Gruss
Gerhard

PS. sehn wir uns bei der TMT?;)
 
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Gerhard49 schrieb:
Man fand dann heraus, dass in jedem Fernkabel zu Messzwecken ein durch einen besonderen Bleimantel geschirmter 'Kernvierer' vorhanden war. Wenn man idesen Kernvierer entsprechend 'bespulte', war er eine denkbar günstige Übertragungsleitung. Im Jahre 1927 entschied das Reichspostministerium Kernvierer zu bespulen (Grenzfrequenz 10kHz).
Diese Kernvierer, gerne entlang der Autobahnen, spielten bis in die Nachwendezeit hinein eine Rolle bei der Modulationsversorgung der Mittelwellenstandorte in der ehemaligen DDR. Im Zuge der Autobahnerweiterung nach der Wende gab es dann halt gerne mal die Totalausfälle wegen von Baggern zerrissener Kabel. Vor allem während der Mittelwellenzeit von DT64 geschah dies wohl mehrmals. K6 weiß da sicher mehr.

Bis heute eine analoge und liebevoll entzerrte Leitung liegt auch vom Bergedorfer Kulturzentrum Lola zum Hamburger Hertz-Turm. Bislang weigert sich das Hamburger Lokalradio, auf was datenreduziertes zu gehen. Und man erfreut sich an Rückmeldungen von Hörern, die sich (nicht nur deswegen) über den sehr guten Klang lobend äußern.
 
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Lieber Gerhard,

herzlichen Dank für die Details, die zunächst gewisse, durchwegs erhebliche Lücken innerhalb meiner historischen Kenntnisse auffüllen: Wer kümmert sich heute noch um die historische NF-Fernverbindungstechnik, selbst wenn man die Opera von Vater und Sohn Winzheimer sein Eigen nennt. Infolgedessen überantwortete ich deine Infos gleich meinen einschlägigen Textsammlungen....

Andererseits liegt ein Teil deiner Erklärungen auch etwas quer zu meinen Evidenzen:

Die von mir gemeinte "Gruppe Süd" war nämlich, basierend auf der Aussage von Erich Klemke -via Berlin zum Sender München gelangt, schließlich Toningenieur des BR in der Ära zwischen Valentin und Benscher- tatsächlich der Zusammenschluss der Südstationen des in sukzessiver Auflösung begriffenen "Großdeutschen Rundfunks", dessen Granden sich 'in illo tempore' (27.-30. April 1945) ebenfalls zu Mittenwald befanden und den kommenden Dingen wohl mit gemischten Gefühlen entgegensahen. Braunmühl allerdings saß schon seit Frühwinter 1944 mit seinem Restladen in Speinshart, also 'etwas' weiter nordöstlich; im Prämonstratenserkloster übrigens.

Das 10-kHz-Limit, das ja aus allen RRG-Publikationen mit ziemlicher Deutlichkeit spricht, hielt ja noch bis in die Zeit der K8/T8, also 1948 ff und fiel erst mit der Einleitung des Überganges auf die 'Bandgeschwindigkeiten Mullins' (76,2, 38,1 cm/s etc.) und der Einführung des 10-cm-Kernes mit der T9, die die Perspektive auf 15 kHz eröffnete.

Nichtdestoweniger hörte man in der Produktion ja schon Ende der 1920er weiter, weil sonst Neumanns CM3 nicht schon 1932 in der RRG-Version als M1a (Kugel mit 'Diffusfeldbeule') auf dem Markt gewesen wäre. Es gab da ja sichtlich wegen des starken Höhenanstieges der M1 Druck seitens der RRG, wo man -so H. Krüger in einem mir vorliegenden Gesprächsmitschnitt aus den 1980ern- die M1-Kapsel als "hässlich klingend" (so Krüger wörtlich!!!) empfand. Die Ansprüche waren also durchaus nicht eben gering.

Schließlich:
Meine Frage oben zielte weniger auf die Kabeltechnik (na ja, worüber schreibe ich jetzt? Über Helmut Krüger, die frühe RRG und den Münchener Nf-Klatsch....) als auf jenes Gerücht, ob eben der AFN bis zum Schluss gar RRG- bzw. ursprünglich von der Reichspost verwaltete Leitungen nützte....
Das Gerücht erreichte mich allerdings aus ziemlich erster Hand, denn der Zuträger ist ein historisch sehr beschlagener, ehemaliger AFN-Angestellter. Der sollte es eigentlich wissen, zumal ihm noch heute die ehemalige Normaluhr des AFN Zeit und Stunde schlägt.... Dennoch wüsste ich gerne, ob die Story mit den US-requirierten NF-Leitungen der ehem. Reichspost wirklich zutrifft.

Wie das mit der TMT ist, wird sich weisen müssen, denn die Marktgepflogenheiten haben sich in einer Weise entwickelt, der unsereins als Einzelgänger nicht mehr viel entgegenzusetzen hat. Die Nase füllt sich daher...
Sollte ein TMT-Job kommen, kann man 'exogen' nicht nein sagen, das Zusammentreffen mit Freunden sorgt 'endogen' für eine Korrumpierungsgröße, insofern ...

Ob wir uns sehen, bestimmt sich aber auch nach deiner Identität, die anhand deines Posternamens zwar in bestimmte Richtungen (Vorname und Geburtsjahr, korrekt??) weist, aber noch nicht restlos eindeutig ist, da innerhalb dieses vorgezeichneten Kanals diverse G.'e in Frage kommen:

Arbeitsstätte im Norden Münchens, wo vor zwei Jahren (unter nicht nur meinem Kopfschütteln) eine Bibliothek makuliert wurde?

a) Heimat im Südwesten, Fachmann für Datenreduktion? Oder

b) Wohnort im Münchener Westen, Fachmann für Lautsprecher (u.ä.)

Treffen die Details zu, wüsste ich, nach wem ich unter a) bzw. b) Ausschau zu halten hätte.

Ansonsten: Schönes Wochenende (auch in die gesamte Runde, natürlich!)

Hans-Joachim
 
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Radiowaves schrieb:
Material zum Gruseln im Anhang, beim DLF gar akkurat bei 6.5 kHz abgeschnitten. Was war das denn für eine Leitung?
Ich tippe auf diese ISDN-Lösung, die sie für Reportagezwecke in der Ära entwickelt hatten, in der Hörfunkprogramme digital in PCM mit 32 kHz Abtastrate und 14 Bit Auflösung gesendet wurden. M.W. waren da die beiden Kanäle einer ISDN-Leitung so in Gebrauch, daß der zweite die Anteile des Tonsignals jenseits von 3400 Hz übertrug. Folglich war bei nominell 7 kHz Schicht im Schacht, und bei einer Auflösung von 8 Bit gab es dann eben das entsprechende Geschwurbel.

Man erzählte mir übrigens mal, daß die ARD 1984 für Hörfunkreportagen aus Atlanta das Frequenzband von etwa 3 bis 6 kHz runtergemischt und über eine zweite Telefonleitung übertragen hätte. Soll aber nicht so richtig funktioniert und sich z.T. wie Donald Duck angehört haben.

Was die verstorbenen Beinkleider auf der Endscheu angeht: Da stand wohl einer mit dem Reportergerät im Publikum?


Gerhard49 schrieb:
Wenn man idesen Kernvierer entsprechend 'bespulte', war er eine denkbar günstige Übertragungsleitung. Im Jahre 1927 entschied das Reichspostministerium Kernvierer zu bespulen (Grenzfrequenz 10kHz).
Waren die tatsächlich „richtig“ bespult, also pupinisiert? Im Telefonbereich ist das ja ein fast schon schmutziger Trick, und eine schwer pupinisierte Leitung macht schon wenig über 2 kHz Feierabend.


Radiowaves schrieb:
Diese Kernvierer, gerne entlang der Autobahnen, spielten bis in die Nachwendezeit hinein eine Rolle bei der Modulationsversorgung der Mittelwellenstandorte in der ehemaligen DDR. Im Zuge der Autobahnerweiterung nach der Wende gab es dann halt gerne mal die Totalausfälle wegen von Baggern zerrissener Kabel. Vor allem während der Mittelwellenzeit von DT64 geschah dies wohl mehrmals. K6 weiß da sicher mehr.
Das Kabel lag halt entlang der Autobahn von Leipzig nach Dresden, und Bagger nehmen jedes Kabel mit. Immer! :mad:

Diese Leitungen waren übrigens m.E. bis 15 kHz spezifiziert, wobei allerdings auf einem anderen Blatt stand, wieviel tatsächlich durchkam.
 
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Guten Morgen,
Hans Joachim fragte:
...(Vorname und Geburtsjahr, korrekt??) Nee, die 49 stammt von meinem Mopped.

Arbeitsstätte im Norden Münchens, wo vor zwei Jahren (unter nicht nur meinem Kopfschütteln) eine Bibliothek makuliert wurde? Auch nicht obwohl ich München heiss und innig liebe.
Heimat im Südwesten, Fachmann für Datenreduktion? Fast, aber eher Datenübertragung
Wohnort im Münchener Westen, Fachmann für Lautsprecher (u.ä.) Nein, Lautsprecher kaufe ich immer.

....Treffen die Details zu, wüsste ich, nach wem ich unter a) bzw. b) Ausschau zu halten hätte...Wir hatten letzte TMT eine lange, interessante Unterhaltung, Stichwort HP Audio Sweep Oscillator den ich loswerden wollte.

Zu der Frage von K6:
Waren die tatsächlich „richtig“ bespult, also pupinisiert? Im Telefonbereich ist das ja ein fast schon schmutziger Trick, und eine schwer pupinisierte Leitung macht schon wenig über 2 kHz Feierabend...
Was die damals genau gemacht haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedoch taucht in der Literatur immer wieder der Begriff 'bespulen' auf. Ich nehme aber an, dass da auch Kondensatoren im Spiel waren. Leitungsmässig war ja kein Unterschied zwischen Telefon und Audio - ausser diesem Kernvierer.
Anbei noch ein paar Bilder dazu:
Ein Bild von den Ausgleichsarbeiten -also bespulen' ca. 1924
Eine Kondensatormuffe
Einbau eines "Verstärkers" in die Kabel Acht

Wenn sich die Automobiltechnik so entwickelt hätte wie die Elektronik, dann würde ein Mercedes heute 5€ kosten und mit einem Fingerhut voll Sprit um die halbe Erde fahren..

Schönes Wocheende noch
Gerhard
 

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AW: Standleitungen beim Radio - Nachtrag

Sorry, noch was vergessen.
Im Beitrag von K6 tauchte der Begriff 'pupinisieren' auf.
Was ist das:
Für minimale Dämpfung einer vorgegebenen Leitung, muß ein optimales Verhältnis von Kapazität und Induktivität hergestellt werden. Dies kann näherungsweise dadurch geschehen, daß diskrete, konzentrierte Blindkomponenten, also Induktivitäten bzw. Kapazitäten in festen Abständen in die Leitung eingefügt werden. Die von Heavyside vorgeschlagene und von Pupin im Jahr 1900 bei Telegraphenleitungen eingeführte Methode wird "pupinisieren" genannt und verbesserte die Übertragungseigenschaften von Leitungen in einer Zeit, in der Signalverstärkung noch nicht so einfach möglich war.
Sorry, wenn das mit dem eigentlichen Thema 'Standleitungen beim Rundfunk' scheinber nichts zu tun hat. Beim Rundfunk endete ja die Verantwortung immer im sogenannten Postübergaberaum. Danach wurden dann doch von der Post teilweise noch recht alte (;) pupinisierte ;) ) Leitungen verwendet, was im Zeitalter von Mittelwelle/Kurzwelle/Langwelle eher unproblematisch war.
Bei UKW Übertragung wurde dann EINE hochwertige Leitung vom Funkhaus zum Hauptsendstandort angemietet, die anderen Senderstandorte wurden über 'Ballempfänger' (z.B. ESB BN 1508/2 von Rhode und Schwarz) versorgt.
So long
Gerhard
 
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Gerhard49 schrieb:
Bei UKW Übertragung wurde dann EINE hochwertige Leitung vom Funkhaus zum Hauptsendstandort angemietet, die anderen Senderstandorte wurden über 'Ballempfänger' [...] versorgt.
Dies mag für eine kleine Station mit einem einzigen Hauptsender stimmen, ist aber nicht allgemeingültig und wäre im Interesse der Betriebssicherheit auch nicht erwünscht. Fällt nämlich der erste (durch Leitung versorgte) Sender in der Kette aus, ist auf den nachfolgenden Sendern auch Funkstille. Im Falle des NDR hättest Du damit fünf Länder vom Empfang abgeschnitten. Außerdem bekämest Du Regionalfenster auf diese Art und Weise nicht hin.

Ändere aber in "jeweils eine ... Leitung" und "zu den Hauptsendestandorten", so stimmt die Geschichte wieder (indem nämlich nur die Füllsender per Ballempfang versorgt werden).


Gruß TSD
 
AW: Standleitungen beim Radio

Nun, halbwegs stimmt die Geschichte schon. Es gab mal eine Zeit, da hatte jeder ARD-Sender minimal Leitungen zu den Sendern direkt. Der Rest lief via Ball, weil a) viel günstiger und b) qualitativ gut. Beim BR waren m.W. zumindest beim TV _alle_ Sender auf Ballempfang von Wendelstein oder Dillberg eingestellt. Am Grünten ist so jetzt zum Beispiel die Quelle für Das Erste (BR) das Südbayern-DVB-T-Bouquet.
 
AW: Standleitungen beim Radio

Soweit ich mich erinnere, ist das beim Fernsehen anders als beim Hörfunk. Weil Fernsehleitungen teurer sind...?

Gruß TSD
 
AW: AFN Hessen

Ich meinte AFN und deren nur noch peinliche Sendequalität.

Sie sind übrigens auch erste Adresse am Platz, wenn es darum geht, so richtig mieses Automatenradio zu hören. Ich habe das bei noch keinem deutschen Sender auch nur ansatzweise so krude gehört wie bei AFN.
 
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