Stirbt das gute Interview?

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Heidi

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Was mir in letzter Zeit immer mal wieder aufgefallen ist: Die Interviews werden immer grausamer (incl. Korri-Talks).

1. Beispiel: Korri-Talk zum Start der Tour de France auf einem lustigen ö-r. Sender aus dem südwestlichen Deutschland, der auch immer wieder mit Titeln von Neil Diamond nervt:

Frage: Kann denn Jan Ullrich gegen Lance Armstrong gewinnen?

Korri: Schwer zu sagen, das wird sich zeigen..."

2. Beispiel:

Thomas Gottschalk zum Kinderwetten-Teilnehmer: Magst Du denn auch Fußball gucken?

Antwort: Ja.

Gefällt Dir das?

Ja!

Himmel! Was denkt ihr? Stirbt das gute Interview?
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Aber offensichtlich gibt es Anzeichen für schwere Erkrankungen! s.o.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Was für Antworten erwartest du von einem Kind dem plötzlich vor einem Millionenepublikum ein Mikro unter die Nase gehalten wird und von einem sehr bekannten Menschen eine Frage gestellt bekommt?
Man kann froh sein dass sich Thomas G. dessen wenigestens bewusst ist und eine Frage stellt auf die das Kind wenigestens mit "Ja" antworten kann.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Aber es stimmt schon, die werten Kollegen sind immer schlechter ausgebildet und können in vielen Fällen keine richtigen Interviews mehr führen. (Woher soll es auch kommen?) Und wenn es ihnen schon mal gelingt, drei Fragen freihändig zu formulieren, sind es meist Fragen die schon vom Ansatz her auf Null-Infos abzielen. Man muss es leider sagen, aber Moderatoren und Reporter mit einem Gefühl für Sprache, die dann auch noch in der Lage sind, schnell zu reagieren und dann auch noch dem Partner so zuhören, dass sie die richtigen Fragen überhaupt stellen können, sind äußerst dünn gesät.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Sicherlich wäre es hilfreich für einen vernünftigen Diskussionsverlauf eine substantiellere Basis zu haben als nur die o.g. Beispiele, von denen eines aus den von Perry genannten Gründen nicht liefert, was der Faden offenbar zum Thema haben soll: Die Qualität von Radiointerviews und Korrespondentengesprächen. db
 
AW: Stirbt das gute Interview?

@perry

Nun, ich finde, dass Herr Gottschalk (für 40 Riesen Gage pro Show) schon die Frage hätte stellen können: Gibts außer Golf noch andere Sportarten die Du liebtst? Wie stehts mit Fußball? Das hätte den Jungen bestimmt nicht überfordert.

Dann hätte er garantiert sagen können: Ja, Fußball finde ich auch super, guck ich gerade jetzt gerne, oder so, -- und er hätte vor einem Millionenpublikum und dem alternden Blondschopf einen Supereindruck hinterlassen.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Guckt mal eine Wiederholung der Tagesschau aus den 70ern oder 80ern und achtet auf die Interviews. Da wurden tatsächlich noch intelligente Fragen ausführlich beantwortet.

Bei Shows wie Wetten, dass kann man sich noch wie geschehen herausreden, bei echten journalistischen Interviews von Profis mit Profis jedoch nicht mehr.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Für Interviews ist doch häufig nurnoch in Interviewsendungen Platz. Sei es im TV oder Radio. In einer tagesschau o.ä (Schaltegspräche mit Politikern) kommt meist nicht mehr raus, als ein kurzes Frage-Antwort-Spiel, dessen Drehbuch meist schon vorher feststeht. Bei Prvatsendern ist es häufig, das ein Interview nur geführt wird, um "Informationskompetenz" vorzugauckeln. Nach dem Motto: Wir schalten mal zu unsrem Reporter nach Athen: Wie ist die Stimmung bei dir? - Ja hier ist ne Reisnestimmung, die Griechen feiern und lassen es ordentlich krachen. Zurück ins Studio.
Mehr is oft nicht.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

@ Heidi
Gibts außer Golf noch andere Sportarten die Du liebtst?
Ja!
Wie stehts mit Fußball?
Ja!

Nicht, dass ich Dir nicht recht geben würde, dass man mit der entsprechenden Fragestellung viel reißen kann, aber so einfach ist es nicht.
Man sollte auf jeden Fall drauf achten, dass man keine typischen Ja-Nein-Fragen stellt.
Z.B.
Welche anderen Sportarten außer Golf magst Du denn noch?
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Was für ein durchgeknallter Quatsch. Jedem anderen kann man meinetwegen viele tolle und interessante Fragen stellen. Aber einem Kind in dieser Situation... Habt ihr schon mal Kinder interviewt? Ja? Dann wisst ihr vermutlich auch, wie lange man meist braucht, um eine etwas längere und gute Antwort von ihnen zu bekommen - selbst in entspannten Situationen. Vor Riesenpublikum und Haribo-Gottschalk ist das aber eine reichlich unentspannte Stuation und damit eine Überforderung des Kindes.

Lasst uns also lieber über "echte" Interviews im Radio reden. Dürfte mehr bringen. db
 
AW: Stirbt das gute Interview?

@ heidi & derbeobachter:

da muss ich dem beobachter recht geben. man kann froh sein, wenn kinder überhaupt ein "ja" rauskriegen. also von daher kann man sowas ja wohl nicht als maßstab nehmen. und heidi: jetzt sag mir bitte nicht, dass du in jungen jahren schon interviews gegeben hast, die sämtliche rahmen sprengten. also bitte, wir waren alle mal kinder und wissen die antwort. nämlich "ja" oder "nein" :)
 
AW: Stirbt das gute Interview?

@Grenzwelle
Genau früher war alles immer besser und die Menschen (oder Journalisten) noch intelligent, und das kann man selbstverständlich aus einigen Einzelbeispielen folgern. Man betrachte dazu folgendes (legendäres) Interview aus dem Jahre 1970. Novotny gegen Brandt, nach dem deutsch französischen Gipfeltreffen. (Gedächtniswiedergabe, der genaue Wortlaut der Fragen weicht leicht vom Original ab, die Antworten sind ungekürzt wiedergegeben)


Novotny:
War die Währungsfrage, die ungelöste, das schwierigste Problem auf der dt. französischen Konsultation?

Brandt: ja

Und sie haben dem Präsidenten keine Lösung für dieses Problem mit auf den Weg geben können?

Brandt: Doch

Haben sie ihm die Termine genannt für die Festlegung des Wechselkurses der D- Mark?

Brandt: Nein

Und sie sind sicher, dass er trotzdem befriedigt war?

Brandt: Ja

früher war alles besser q.e.d.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Hi,

um gute Interviews führen zu können, ist auch das wichtig: Man muss in der Thematik, in der man arbeitet, über fundiertes Wissen verfügen und sich gut vorbereiten. Ist beides der Fall, kann man auch spontan aus einer Antwort, die man gerade bekommen hat, heraus eine neue »schlaue« Frage stellen. Mein Eindruck ist, dass es vielfach an Wissen und Vorbereitung hapert.

Die Kehrseite: Man hat natürlich auch den von Sachsenradio2 beschriebenen Effekt. Bei »Interviews« für Nachrichtensendungen geht es nur noch um das Einsammeln von Alibi-O-Tönen, nicht um Inhalte.

Ebenso ärgerlich ist aber auch, dass die Befragten, selbst in »echten« Interview-Situationen, meist gar nicht mehr gewillt sind, vernünftige, gehaltvolle Antworten zu geben. Klar, dass dann Journalisten keine große Lust mehr haben, sich vernünftig vorzubereiten.

So wird dem »guten Interview« (wobei man über diesen Begriff auch mal reden müsste) von beiden Seiten der Garaus gemacht.

Beste Grüße
aleta
 
AW: Stirbt das gute Interview?

schwarzer mann schrieb:
Genau früher war alles immer besser und die Menschen (oder Journalisten) noch intelligent, und das kann man selbstverständlich aus einigen Einzelbeispielen folgern. Man betrachte dazu folgendes (legendäres) Interview aus dem Jahre 1970. Novotny gegen Brandt, nach dem deutsch französischen Gipfeltreffen.
Gemeint ist vermutlich Nowottny... Und dazu kam es wegen du kannst über alles sprechen, aber nicht über 1'30, wie man hier nachlesen kann. Insofern müßte so etwas heute in Permanenz passieren.

Von mir aus lache man, aber ich finde das in der Tat viel besser als die Heißluft, die man heute zu hören bekommen würde (auch wenn das hauptsächlich etwas mit den Interviewpartnern zu tun hat). So etwas wie Herr Lüg gegen Herrn Wöhner wäre heute wohl auch unvorstellbar, ganz zu schweigen von Ich brauche Schmidt und Kohl!! Schmidt oder/und Kohl!!
 
AW: Stirbt das gute Interview?

@ Heidi:
Herr Gottschalk (für 40 Riesen Gage pro Show)
Da kannst Du aber getrost noch ordentlich was draufpacken!

Ansonsten: Ja, das gute Interview stirbt aus. Erstens, weil dem Interviewer kaum noch die Zeit gegeben wird, ein solches zu führen, zweitens, weil es kaum noch einer kann, weil drittens es fast nirgendwo mehr gelehrt wird. Selbst Korrespondenten von Öffis sind oftmals so dämlich, daß die schlaueste Frage komplett versandet. Ich hatte mal das Vergnügen, eine ÖR-Korrespondentin zur Frankfurter Buchmesse zu befragen. Schon bei der ersten Frage, die über das allgemeine BlaBla hinausging, bekam ich zur Antwort, "Dazu kann ich nichts sagen, ich war bislang nur in einer Halle." Schön, daß wir drüber gesprochen haben - und wie ist die Stimmung...?

Korritalks sind sowieso eine ganz schlimme Nummer, weil die häufig als Antwortschnipsel zum Beispiel von der RUFA kommen und die Antworten zu großen Teilen das in den Fragen oder der Anmod Gesagte repetieren. Wer mal mit Korritalks von Anna Barbara Tietz aus den USA arbeiten mußte, weiß, was ich meine.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Yo, bewährtes rufa-Konzept:

Was ist passiert?

Wie ist Situation zur Zeit?

Wie gehts weiter?

Danke, und tschüss
 
AW: Stirbt das gute Interview?

wenn es nach dem bärtigen Mann ginge, den der Unwissende als Bildchen gewählt hat, dann wäre unsere Kultur schon vor einigen tausenden Jahren so weit den Bach runter gegangen, daß wir mittlerweile fröhlich auf allen vieren uns gegenseitig tagein, tagaus am Hintern schnüffeln würden, statt uns (an Computern sitzend) darüber auszulassen, ob Thomas Gottschalk einen Kind nicht vielleicht eine bessere Frage gestellt hätte.

Und weil ich so ein gutgelaunter Optimist bin, stelle ich fest: im Fernsehen wird nach meiner Beobachtung soviel interviewt, wie noch nie! Und wenn ich beispielsweise bei WDR5 das Tagesgespräch höre, dann fühlt sich mein moralisches INterview-Gewissen sehr, sehr wohl.....
LIebe Heidi, vielleicht solltest du einfach mehr Phönix und weniger ZDF schauen, dann stellt sich dir die Welt auch plötzlich ganz anders dar.
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Hach, hamwas mal wieder nötig herauszustellen, was fürn Mords-Intelektueller Mediennutzer wir sind. Du hast noch vergessen zu erwähnen, dass natürlich die Zeit, der Spiegel, die FAZ und die Frankfurter Rundschau auch immer sowas von schicke Interviews macht...
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Ja, recht haste... solltest du also nicht vielleicht nochmal den Titel da oben leicht verändern?
 
AW: Stirbt das gute Interview?

Bei der Grundlage, die Du für diesen Thread geliefert hast, wunderst Du Dich sicherlich nicht, dass nicht das kommt, was Du wünschst oder erwartest, Heidi. Mehr Substanz, Alpenmädchen! Dann wird's auch was abseits von WDR5, Phönix und FAZ. db
 
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