Ulrich Bunsmann scheidet als Geschäftsführer und Programmdirektor von alster radio 106!8 rock'n pop

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Heute mittag um 11.30 Uhr habe ich mit der nachfolgend dokumentierten kurzen Rede auf einer Mitarbeiterversammlung meine Tätigkeit als Geschäftsführer und Programmdirektor von alster radio 106!8 rock'n pop auf Wunsch des Eigentümers beendet. Ein Lebensabschnitt geht zuende, ich bin gespannt, was der nächste für mich bereithält.

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit dieser Mitarbeiterversammlung fällt quasi der Startschuss für ein Jahr 2012, das unseren Sender mal wieder vor grosse Herausforderungen stellt. Dieser Startschuss gilt ganz besonders für die Position, die ich bisher bekleidet habe. Auf Wunsch unseres Gesellschafters werde ich mit dem heutigen Tag Platz für einen Nachfolger machen und aus der Funktion des Geschäftsführers und Programmdirektors ausscheiden.

Wer mich ein bisschen kennt, weiss, dass ich kein Freund unnötig langer Reden und Vorträge bin. Aber nach fast 23 Jahren, die ich für diesen Sender an führender Stelle gearbeitet habe, möchte ich mir zum Abschluss meiner Tätigkeit heute doch einige kurze Bemerkungen erlauben.

Lassen Sie mich mit einer Frage beginnen, die man in etwas abgewandelter Form oft in Wahlkämpfen hört: Steht unser Sender heute besser da als am 21. März 1989, als ich meine Tätigkeit aufnahm? Diese Frage lässt sich uneingeschränkt positiv beantworten. Damals war der Sendebetrieb eingestellt, die Lizenz in Gefahr, es gab so gut wie keine Mitarbeiter und keine sinnvolle strategische oder ökonomische Perspektive, zudem war das Bild des Senders in der Öffentlichkeit desaströs.

Heute haben wir eine stabile Lizenzsituation bis ins Jahr 2022, wir sind für viele in dieser Stadt ein gefragter Partner, erzielen seit etlichen Jahren stabile betriebswirtschaftliche Überschüsse, und die Vorstellung, der Sendebetrieb könnte eingestellt werden, erscheint wie ein böses Märchen aus ferner Zeit.

Aber das war – diejenigen, die schon länger in unserem Sender arbeiten, werden sich noch gut erinnern – beileibe nicht immer so: immer wieder in den vergangenen 23 Jahren musste dieser Sender tiefe Krisen durchleben und sich dann immer wieder neu erfinden. Dafür mag es in der jeweiligen Situationauch jeweils situationsspezifische Gründe gegeben haben, die Hauptursache aber liegt in den besonderen Gegebenheiten des Hamburger Radiomarkts.

Der Hamburger Radiomarkt ist mit dem Oligopol aus den diversen NDR-Programmen einerseits und der Radio Hamburg/Oldie 95-Combo andererseits extrem vermachtet und betoniert, ein Unternehmen wie alster radio muss hier – um zu überleben – flexibel seinen Platz im Umfeld der „Big Elephants“ immer wieder neu bestimmen. Das geht nicht ohne Risiko und tut manchmal heftig weh, wenn man nicht genügend aufgepasst hat und den Grossen ins Gehege gerät.

Ein bisschen ist uns das auch im vergangenen Jahr passiert. Hier von einer Krise zu sprechen, schiene mir aber deutlich zu hoch gegriffen. Wir werden im Jahr 2012 eine kleine wirtschaftliche Delle erleben – das zugrunde liegende Reichweitenergebnis 2011 und der voraussichtliche Gewinn 2012 wären in unserem letzten grossen Krisenjahr 2005 mit 31.000 Hörern in der Durchschnittsstunde und einem siebenstelligen Verlust als paradiesischer Zustand empfunden worden.

In den letzten Monaten haben wir eine Menge unternommen, um uns unter veränderten Marktgegebenheiten neu und wieder erfolgreicher zu positionieren. Und ich glaube, wir sind da auf einem sehr guten Weg. Die einzige Nutzungskategorie, die auf tatsächlichem Einschalten und Hören und nicht nur auf abgefragter Erinnerung beruht, ist die Livestream-Nutzung. Und die ist in dem Zeitraum seit August 2011, in dem wir unser alster radio 106!8 rock’n pop-Programm justiert und weiterentwickelt haben, kontinuierlich von 89.000 im August über 103.000 im November, 112.000 im Dezember auf voraussichtlich 120.000 Unique Visitors im Januar gestiegen. Und besonders seit der endgültigen und umfassenden Programmanpassung am 1. Dezember dürfen wir fast täglich neue Livestream-Nutzungsrekorde beobachten – gerade erst gestern haben wir wieder ein neues All-time-high erreicht.

Bis sich all dies in der MA wieder findet, kann es durchaus noch eine gewisse Zeit dauern, die MA ist bekanntermassen ein sehr schwerfälliges und kurzfristig extrem unzuverlässiges Instrument. Dennoch hätte ich diesen Prozess sehr gern noch bis zu seinem erfolgreichen Abschluss weiter gestaltet und begleitet. Aber das wird nun leider nicht der Fall sein.

Unser Gesellschafter hat sich – um eine Fussball-Analogie zu gebrauchen – gegen das Modell „Werder Bremen“ entschieden, das unter begrenzenden Rahmenbedingungen, wie wir sie ja auch kennen, auf Langfristigkeit und Kontinuität setzt. Stattdessen gibt es einen Trainer-Wechsel mit allen damit immer verbundenen erheblichen Risiken. Ich wünsche dem Unternehmen alster radio, das so lange ein wichtiger Teil meines Lebens war, und Ihnen als denjenigen, für die ja auch persönlich sehr viel davon abhängt, dass dies trotzdem eine richtige Entscheidung war. Meine Zweifel daran werden Sie nicht überraschen, mehr möchte ich hier und heute dazu aber nicht sagen.

In den vielen Jahren bei alster radio habe ich mich immer bemüht, ein verlässlicher und fairer Chef zu sein. Das hat mich nicht davor bewahrt, immer wieder auch harte Entscheidungen treffen zu müssen. Da darf und will ich nicht klagen, wenn jetzt ich selbst Gegenstand einer harten Entscheidung geworden bin.

Ich werde unserem Gesellschafter voraussichtlich bis zu meinem 25jährigen Hamburger Dienstjubiläum am 21. März 2014 in einem Beratungsverhältnis verbunden bleiben. Vielleicht erhält sich ja in diesem Zusammenhang auch der Kontakt zu dem einen oder anderen von Ihnen. Ich würde mich jedenfalls darüber freuen.

Abschliessend möchte ich mich bei Ihnen stellvertretend auch für viele, mit denen ich in den letzten 23 Jahren zusammenarbeiten durfte, bedanken: ohne Ihre Leistung, Ihr Engagement, Ihre Loyalität hätte ich mir noch so viel Mühe geben können, und wäre doch nicht über den beschriebenen Anfang mit stillgelegtem Sendebetrieb, gefährdeter Lizenz, zerstörtem Image usw. hinausgekommen.

So, das war’s: Auf Wiedersehen, machen Sie’s gut, vielen Dank!"
 
Name und Foto (auf Radioszene) sagen mir etwas, wir sind uns mal vor Jahren auf dem Radioday über den Weg gelaufen und ich glaube mich erinnern zu können, dass dort bei einem kühlen Bier zusammen mit Ad Roland just jener Claim "Rock´n Pop" ausgetüftelt wurde. Diese ehrliche Abschiedsrede hat Stil (Wulff könnte sich mal ein Beispiel daran nehmen ;)) und ich wünsche einen Abgang ohne Bitterkeit und ein baldiges Angehen neuer, spannender Aufgaben.
 
Bunsmann habe ich als guten Radiomann in Erinnerung, als ich Anfang der 90er mit ihm zu tun hatte. Ihm alles Gute.

Sind wir mal gespannt auf das Werken und Wirken des tapferen Schneiderleins. Good luck.
 
Diese ehrliche Abschiedsrede hat Stil
Sich bei radioforen.de anmelden und eine für intern bestimmte Ansprache (man könnte es auch Abrechnung) öffentlich machen, hat also Stil?!?
Ohne dass ich den Sender und die Akteure kenne: Dies liest sich wie ein honoriger Abgang.
Das ist nicht honorig, sondern peinlich und beschämend. Hier spricht ein verbitterter Mann - ob er Grund zur Verbitterung hat, sei dahin gestellt, aber hier wurde einer unfreiwillig gegangen und macht daraus ein öffentliches Tramtram und stellt dazu noch eine erfolgreiche Zukunft seines (ex)Arbeitgebers in Frage. Geschmacklos.
 
Bevor die Gerüchteküche brodelt, finde ich den von Herrn Bunsmann gewählten Weg in Ordnung. Die großen Geheimnisse plaudert er doch ja nicht aus. Was erfahren wir: die Gesellschafter wollen Uwe Schneider statt ihn. Und dann noch ein wenig Pathos drumherum, das wars. Wenn er es nicht selbst hier gepostet hätte, wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ein anderer User des radioforums aus dem Nähkästchen geplaudert hätte. Oder das Hamburger Abendblatt hätte es gebracht, oder der Kontakter, oder Meedia, oder wer auch immer.
 
Alles Gute für die Zukunft! Vor 23 Jahren... da war das ja noch Radio 107...

Ulrich, wo du schon von "sich immer wieder neu erfinden" schreibst: Aus der Geschichte des Senders würde mich mal interessieren, warum das Format 1999 von Schlager auf "Superstars & Classic Hits" geändert wurde, obwohl doch schon mix 95.0 damals mit einem sehr sehr sehr ähnlichen Musikformat nicht sonderlich erfolgreich war. Vielleicht kannst du kurz darauf eingehen? Für mich ist das einer der kuriosesten Formatwechsel auf dem Hamburger Radiomarkt.
 
Ich bin nicht Ulrich, glaube aber trotzdem die Antwort für "stereo" zu haben. Warum ab 1999 keine Schlager mehr liefen? Weil sich die Werbewirtschaft im 14-49 Jahre-Wahn befindet. Hörer darüber gelten für Spots im Radio als uninteressant. Wer hört überwiegend Schlager? Genau, die 50+-Generation. Warum es nun ausgerechnet "Superstars & Classic Hits" sein mussten? Man wollte sich wohl für die MA musikalisch "auf Masse" programmieren. Das ist meine Erklärung. Aber vielleicht postet Ulrich ja noch ...
 
Die Herstellung einer Öffentlichkeit durch Herrn Bungsmann hat mich auch etwas befremdet.
Es wäre aber unausweichlich zu Spekulationen und Legendenbildungen gekommen, wenn dies nicht geschehen wäre. So gesehen ist das Eingangsposting vertretbar.
23 Jahre an ein und demselben Platz? Das kennt man sonst nur noch von den öffentlich-rechtlichen Sendern, HDH von ffh aussen vor.

spezi schrieb:
Hörer darüber gelten für Spots im Radio als uninteressant.
So ist es im Moment noch. Die demographische Kurve wird es aber demnächst verändern, so oder so.
 
Ich glaube, mit Uwe Schneider hat Alster Radio einen guten Fang gemacht. Er schüttelt kreative Konzepte einfach so aus dem Handgelenk. Ob er das jetzige Format weiterlaufen lässt? Ich bin gespannt ...
 
Ich weiss gar nicht, ob die Formatwechsel wirklich auf Herrn Bunsmanns eigenem Mist gewachsen sind. EINES zumindest fällt auf: Das Format der Hamburger 106.8 war stets parallel zu einer anderen Frequenz in Deutschland, nämlich der Stuttgarter 107.7.
Eigentumsmässig gibt es zwischen diesen beiden Stationen AFAIK keinerlei Verbindungen, aber es steckt wohl derselbe Berater dahinter.
Bis 1990 fuhren beide Stationen ein recht junges Format, "Großstadtradio" im weitesten Sinne.
Ab 1991 dann der Wechsel auf Schlager und Oldies, sogar mit denselben Jingles! Vermutlich liefen sogar dieselben Playlisten. Als ich Mitte der 90er mal durch Hamburg fuhr, hörte sich Alstterradio jedenfalls wie eine 1:1 Kopie des Stuttgarter Stadtradios an.
Ende der 90er dann ein Wechsel auf Oldies und Hits, ab 2002/2003 dann "Nonstop Pop&Rock" hier wie da. Auch jetzt läuft in Hamburg dasselbe Format wie in Stuttgart.
 
Alster Radio wurde lange Zeit von Ad Roland aus den Niederlanden beraten. Die Playlists kamen sogar einige Zeit direkt vom Berater. Weiß jemand, wie es heute ist? Ad Roland scheint noch im Geschäft zu sein, trotz seiner 66 Jahre. Aber arbeitet er auch noch für die Hamburger?
 
Vielleicht
Ich bin nicht Ulrich, glaube aber trotzdem die Antwort für "stereo" zu haben. Warum ab 1999 keine Schlager mehr liefen? Weil sich die Werbewirtschaft im 14-49 Jahre-Wahn befindet. Hörer darüber gelten für Spots im Radio als uninteressant. Wer hört überwiegend Schlager? Genau, die 50+-Generation. Warum es nun ausgerechnet "Superstars & Classic Hits" sein mussten? Man wollte sich wohl für die MA musikalisch "auf Masse" programmieren. Das ist meine Erklärung. Aber vielleicht postet Ulrich ja noch ...
In diesem Zusammenhang vielleicht interessant:
 
@Spezi: Dann ist es klar (was ich vermutet habe): Stadtradio wurde ebenfalls von Ad Roland beraten (Antenne 1 übrigens auch).
 
Ich habe eine Weile überlegt, ob ich auf die hier aufgeworfenen Fragen antworten soll. Denn Geschichtsschreibung durch Beteiligte - und um einen Beitrag zur Geschichtsschreibung des privaten Radios in Deutschland handelt es sich - ist nicht unbedingt die verlässlichste Informationsquelle. Dies vorausgeschickt, will ich versuchen, die Fragen, die die weiter zurückliegende Vergangenheit betreffen, so objektiv wie möglich zu beantworten.
Wie in meinem Eingangsstatement beschrieben, besteht die Hauptschwierigkeit für einen erfolgreichen Programmbetrieb auf der Hamburger UKW-Frequenz 106,8 darin, jenseits des NDR/Radio HH-Oligopol einen tragfähigen Platz zu finden. Daran ist der alster radio-Vorgänger Radio 107 gescheitert - so beliebt es in Szene-Kreisen war, ist es doch nie über eine marginale Reichweite von 20.000 bis 30.000 Hörern pro Werbestunde hinausgekommen.
Die Antwort auf die Suche nach einem tragfähigen Platz war dann 1991 das Schlager- und Oldie-Format alster radio - Mehr Melodie, mehr Hamburg! Das Programm wurde in der Tat gemeinsam mit dem holländischen Radio-Berater Ad Roland entwickelt, der zuvor den erfolgreichen Start von RSH begleitet hatte. Bestandteil des Beratungsverhältnisses mit Ad Roland Media Services war dabei auch die Zulieferung der Musikplanung. Dieses Modell - Schlager und Oldies sowie Zulieferung der Musikplanung - wurde von Ad Roland an verschiedenen anderen Standorten (u.a. Stadtradio Stuttgart - mit der Programmchefin Valerie Weber, Radio Brocken u.a.m.) ebenfalls angewendet. Meiner Erinnerung nach wurde es aber zunächst für alster radio enwickelt und dann an anderer Stelle adaptiert. Absprachen mit den anderen Nutzern des Ad Roland-Formats gab es - jenseits kollegial-freundschaftlicher Kontakte - nicht.
alster radio - Mehr Melodie, mehr Hamburg war in den gesamten 90er Jahren am Hörermarkt mit Marktanteilen bis zu 16 % und durchaus auch wirtschaftlich ein grosser Erfolg. Gegen Ende zeichneten sich aber 2 Probleme sehr deutlich ab: zum einen drohte uns aufgrund der richtig beschriebenen Fixierung der Werbewirtschaft auf die Zielgruppe 14-49 der Verlust der Einbindung in die nationalen Werbekombis, was uns etwa die Hälfte unserer Umsätze gekostet hätte, zum anderen - und das ist heute möglicherweise aufgrund der ständigen Veränderungen in der MA etwas in Vergessenheit geraten - gab es gegen Ende der 90er Jahre den MA-Methodenwechsel vom Face-to-Face-Interview zur telefongestützten CATI-Abfrage. Die Folge dieses Methodenwechsels war eine massive Aufwertung, man könnte auch sagen: Manipulation zugunsten der Mainstream/AC-Formate und zulasten der älteren Formate wie eben alster radio. In Hamburg z.B. führte dies zu einem Reichweiten-Schub für Radio HH von vorher über Jahre konstant ca. 150.000 auf ca. 200.000 Stundenhörer nur durch die methodische Veränderung.
In dieser sich für uns zuspitzenden Situation erschien uns ein Formatwechsel in Richtung einer jüngeren Zielgruppe aus wirtschaftlichen, nicht aus programmlichen Gründen zwingend und unvermeidlich.
So kam es 1999 zur Trennung von Ad Roland und zu dem Wechsel weg vom "Mehr Melodie, mehr Hamburg"-Format zum "Superstars & Classic Hits"-Format. Die hinter diesem Schritt liegende grundsätzliche Überlegung betrachte ich auch heute noch als richtig. Allerdings bin ich bei der Umsetzung leider dem klassischen "Wasch mir den Pelz, aber mach nicht nicht nass"-Syndrom erlegen: statt uns konseqeunt neu zu positionieren, versuchten wir mit dem Verzicht auf Schlager, aber der Beibehaltung einer "M.O.R."-Musikplanung uns sozusagen in die jüngere Zielgruppe hineinzuschleichen, ohne die bisherige Stammhörerschaft komplett zu verprellen. Das klappte zunächst wenigstens zur Hälfte: wir konnten die alten Stammhörer zu einem ganz erheblichen Teil halten, der Vorstoss in jüngere Zielgruppen blieb aber weitgehend erfolglos. Die Folge: zunehmender Druck von der Vermarktungsseite, endlich ins jüngere Segment vorzustossen. Das vorhersehbare (aber leider von mir damals nicht so klar antizipierte) Ergebnis: am Ende war keine unserer Zielgruppe mehr mit uns zufrieden, wir fielen sozusagen in der Mitte durch und die Reichweiten gingen von etwa 75.000 auf 55.000 Stundenhörer zurück.
Gegen Ende des Jahres 2000 zogen wir die Schlussfolgerung aus dieser Entwicklung und versuchte, uns mit dem Fifty-Fifty-Mix - Hits und Oldies wieder klarer zu positionieren. Das zeitigte dann im Laufe des Jahres 2001, insbesondere in der MA-Herbstwelle durchaus positive Folgen. Aber mittlerweile hatte eine Veränderung in der Gesellschafterstruktur stattgefunden, die auch eine Veränderung in der Programmberatung nach sich zog.
Auftritt: Alan Burns & Associates, i.e. Europa-Direktor Rik DeLisle. Das Programmkonzept: Nonstop Music. Der Hintergedanke: Ein finanziell wenig aufwendiger Ansatz, der unter Vermeidung der "Mühen der Ebene" den Shortcut zum Erfolg beinhaltet. Das Ergebnis: ein Quoten-Desaster, mit 21.000 Stundenhörern in der letzten Welle mit dem Nonstop-Music das schlechteste Ergebnis während meiner gesamten Zeit bei alster radio. Im Nachinein habe ich mich oft gefragt, ob und wie ich das hätte verhindern können. Aber mir ist leider bis heute nichts eingefallen, was unter den damals gegebenen Rahmenbedingungen möglich gewesen wäre.
Mit der MA aus dem Sommer 2003 war klar: Nonstop Music war der Katastrophenfall, so kann es nicht weitergehen. In dieser Situation haben wir ohne aktive Beratung, unterstützt nur durch den qualifizierten Research von BP&R, das Rock'n Pop-Format entwickelt. Es ist in der Tat auf den ersten Blick überraschend, dass es parallel in Stuttgart auf der UKW eine ähnliche Format-Entwicklung gab und dass unser Research-Berater damals auch für Antenne 1 und Die neue 107.7 arbeitete. Irgendeine Art von Abstimmung oder engerer Kooperation gab es allerdings tatsächlich nicht.
Das Ergebnis des Wechsels zum Rock'n Pop-Format ist bekannt: nach einigen Jahren erreichten wir fast wieder die Stundenreichweite aus den Zeiten des "Mehr Melodie, mehr Hamburg"-Formats, jetzt allerdings mit einem marktfähigen Durchschnittsalter von ca. 38 Jahren (statt zuvor über 50). Und damit sind wir dann im Jahr 2006 angekommen und ich möchte meinen Beitrag zur neueren Radio-Geschichtsschreibung beenden - hoffentlich so, dass die gestellten Fragen eine zufriedenstellende Antwort gefunden haben.
 
Vielen Dank für diese offenen Worte, Herr Bunsmann!
Wenn Radiomacher und Radiochefs öfter einmal auf diese sachliche Weise entstehende Gerüchte und Halbwahrheiten klären würden, wäre die Forenwelt eine andere, eine interessantere!
 
Vielen dank für diese Worte... Schon lustig, dass Rick de Lisle auch bei Ihrem Sender für die Reichweitenverluste verantwortlich war. Bei PSR ist er ja gerade dran, das zu wiederholen...
 
Es ist in der Tat eine angenehme und seltene Ausnahme, dass jemand, der mittendrin beteiligt war, so offen und ungeschönt die Dinge präsentiert.
Allerdings muss man in der Zusammenfassung sagen: Ein Sondermitleid verdient alster-radio keineswegs. Es hat mehr oder weniger die gleichen Fehler gemacht, wie viele andere Privatsender auch. Und bei etwas mehr eigenem Nachdenken und Selbstbewusstsein hätten diese Fehler auch vermieden werden können.
 
Geschichtsschreibung durch Beteiligte - und um einen Beitrag zur Geschichtsschreibung des privaten Radios in Deutschland handelt es sich - ist nicht unbedingt die verlässlichste Informationsquelle.

In der Regel schon, da verläßlichere Quellen kaum zu Gebote stehen. Welche sollten das in Bezug auf den kommerziellen Hörfunk in Deutschland denn sonst sein, abgesehen von den Beobachtungen kopfschüttelnder Außenstehender (aus denen heraus die Parallelen zwischen den geschilderten Entwicklungen bei Alster-Radio und denen anderenorts nicht zu übersehen sind)? Etwa der ganze von den Sendern und auch Landesmedienanstalten verbreitete PR-Glibber, dem man höchstens zwischen den Zeilen noch einige tatsächliche Informationen entnehmen kann?

Auf der Hut sein sollte man vielmehr immer dann, wenn irgendwo der Anspruch auf absolute Objektivität erhoben wird.
 
gibt es eigentlich einen Sender, den Alan Burns nicht hingerichtet hat. Selbst sein "Movin" Concept in Amerika ist ja kläglich gescheitert. Somit war ja selbst ein Rick Dees
arbeitslos nachdem man die Frequenz zu "Spanish" geswitched hat.
Leider sind die Konzepte von Alan Burns sehr kurzfristig ausgelegt. Einen langfristigen Erfolg hat es mit ihm als Berater noch nie gegeben. Siehe RPR, Antenne Bayern, rs2 etc. Aber das kommt auch davon, wenn man sich Berater ins Haus holt, die die Märkte nicht kennen, per Business Class aus Amiland einfliegen 3 Tage Staub aufwirbeln, irgendwelche Halbwahrheiten verbreiten, angebliche Konkurenzanalysen gemacht haben, kein Wort deutsch verstehen und dann fett die Backen aufblasen. Wobei das Research von BP&R (Bill Clemons) wirklich verlässlich ist und auch sein Tool funktioniert, wenn man ein gutes Call-Center dahinter hat.
 
Die Geschichte offenbart halt die Schwächen des "Beraterradios". Es kann mal funktionieren mit dem richtigen Konzept zur richtigen Zeit (wie damals mit "Schlager&Oldies), es kann aber auch genauso richtig danebengehen (wie dann später mit "Nonstop Music). Ein Unternehmen kaputt zu sparen, hat es noch nie gebracht, auch das lernen wir daraus. Was billig gemacht wird, hört sich billig an und der Hörer/Kunde merkt das.

Es offenbart aber auch ein weiteres Mal die Schwächen der Erhebungsmethode und die Fehler der nationalen Vermarktungsmonopolisten.

Würde Radio in Deutschland mit etwas mehr gesundem Menschenverstand betrieben und mit weniger MA-Hörigkeit und dem alten 14-49-Fehler, dann könnte langfristig was draus werden. Ansonsten ist immer nur Platz für einen Mainstream-Platzhirsch und alle anderen beissen sich die Zähne aus, neben ihm zu bestehen.
 
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