AW: Warum Radio hören in Österreich?
Also, meiner Meinung nach ist es gerade in Zeiten des iPods wichtig, daß Radio mehr zu bieten hat als nur Musik. Wer nur Musik hören möchte, kann sich ja auch Festplatte oder iPod mit Musik vollknallen und sich das anhören. Dann hat man genau das, was einem gefällt, und nur Musik ohne Werbespots. Dafür braucht man also kein Radio. Der Überraschungseffekt (welches Lied kommt als nächstes?) läßt sich mit Shuffle heute auch schon machen.
Was mir eigentlich immer am meisten gefällt, ist Radio unter Beteiligung der Hörer... also wenn man anrufen und mitreden kann, oder Musikwünsche abgeben kann, die dann erfüllt werden, und die Anrufe auch auf Sendung geschaltete werden. Oder der Moderator sich von einer Veranstaltung meint, die man dann auch selbst besuchen kann. Als ich 16-18 war, habe ich z.B. aus diesem Grund gerne den Treffpunkt Ö3 gehört, weil es auch solche Aktionen immer wieder gab. Ich habe mich da irgendwie als Teil einer großen Gemeinschaft gefühlt, von der ich zwar die anderen Mitglieder nicht gekannt habe, aber sich doch immer wieder jemand per Hörerwunsch oder Anruf gemeldet hat, und mit der Zeit hat man auch die Moderatoren und ihre Vorlieben recht genau kennengelernt... und wenn man dann mal bei einer Veranstaltung hatte, einen Mod "live" zu sehen oder sogar ein paar Worte zu wechseln, hat man sich dann vollständig "dabei" gefühlt.
Was die Redakteursarbeit, also das Wort generell betrifft, finde ich, daß die Positionierung vieler Sender inhomogen ist. Die gewählte Präsentation bzw. der Inhalt scheint teilweise eine andere Zielgruppe anzusprechen als die gespielte Musik. Wenn z.B. auf Antenne Wien ein Veranstaltungshinweis für eine Veranstaltung in den Kammerspielen kommt, denke ich mir immer "Bekommen wir dann auch solche Musik zu hören?". Oder andersrum: "Wen sollte so etwas interessieren?" Wenn so eine Veranstaltung wirklich viele der Hörer interessiert, dann sollte vielleicht auch musikalisch in dieser Richtung getan werden. Wenn nicht, dann frage ich mich, warum dieser Veranstaltungshinweis überhaupt gebracht wird. Ansonsten denke ich, so eine Veranstaltung ist eher etwas für Hörer von Ö1 oder die Regionalsender (so sie dort angesichts der jetzt herrschenden Musikrichtung noch vereinzelt zu finden sind).
Und die Positionierung dem Hörer gegenüber ist auch unklar... es wird mehr in Superlativen gesprochen (die besten Hits der 80er, 90er und von heute, der Supermix, oder Superoldies und Megaschlager) als genau herausgearbeitet, was eigentlich geboten wird.
Bei einem neuen Format ist natürlich immer die Frage, ob das durchgehen bzw. gut ankommen kann. Ich würde da aber doch einige Marktlücken sehen...
1. eine Art "Theatersender" mit Couplets, evtl. auch gesprochenen Sketches, und den besten Stücken aus Oper, Operette, Musical und anderer hauptsächlich gesungener klassischer Musik... evtl. auch Lieder aus Filmen (aber auch eher musicalartige Filme oder Filme, in denen gesungen wird, wie z.B. von Walt Disney, oder die ganzen alten deutschen Filme von Hans Moser, Heinz Rühmann etc.)... und eventuell noch einigen Megahits, die in das Genre passen ("My heart will go on", "Candle in the wind 1997", "I will always love you" etc.)... dazwischen viel Klatsch und Tratsch über Promis, aber auch Hinweise zu Veranstaltungen mit klassischer Musik, Theater, 3 Tenöre etc.
Zielgruppe: "Feine Damen" oder solche, die es noch werden wollen.
2. ein "etwas anderes" Rockformat, das etwa dort anfängt, wo sich 88,6 gegenüber Ö3 etwas abhebt (mit Alternative-Bands wie U2, Coldplay, The Cure, Radiohead etc.), aber nicht so viele unbekannte Titel spielt wie FM4... dafür auch einiges aus dem Bereich Classic Rock (Pink Floyd, The Rolling Stones, die frühen Kinks, The Who und... ja, auch The Beatles, aber vielleicht mit einigen weniger mainstreamig, dafür rockiger klingenden Titeln). Dazu auch neue Gruppen wie Franz Ferdinand, Death Cab for Cutie, Green Day usw. Zielgruppe: "Die Szene" (wer immer das auch sein mag). Dazwischen Hinweise auf Rockkonzerte, Vorstellung neuer Gruppen (auch mit Hörerbeteiligungsmöglichkeit, also Einschicken und Vorstellen eigener Demos - in diesem Genre ist die Szene erfahrungsgemäß relativ breit).
(Für weitere Inspiration siehe:
http://www.last.fm/charts/ )
3. ein "extremer Schlagersender". Extrem deshalb, weil vieles, was heutige Schlagersender spielen, eigentlich keine Schlager sind. Damit meine ich ca. 60-75% Anteil an deutschen Titeln, mit Schlagern, auch Polkas, Stimmungslieder, volkstümliche Schlager etc., evtl. vereinzelt noch vermischt mit Blasmusik und Volksmusik. Auch englische Titel, aber nur die bekanntesten, und auch Eurodance-Stimmungstitel, die anderen Sendern wohl "zu tief" sind. Stichwort "Der alte Holzmichl", "Schnappi"... oder "20 Zentimeter". Zielgruppe: "der einfache Mann". Das würde ungefähr der Musik entsprechen, die bei den Live-Konzerten, die ich spiele, in der Regel recht gut ankommt.
Dazu allgemeine Themen wie Tierhaltung, Hinweise für Straßenfeste und ähnliche Volksveranstaltungen, Übertragungen von Frühschoppen...
4. ein Dance-Sender mit tanzbaren Hits von den 70er-Jahren (Disco) bis heute. Hier wäre auch auf Durchhörbarkeit und Durchtanzbarkeit zu achten, das heißt, daß wenn eine längere Musikstrecke kommt, daß die dann auch so gemixt ist wie in einer Disco, daß die Titel etwa das gleiche Tempo haben und gut ineinander übergehen. Da könnten dann auch ältere Dance-Tracks laufen, die sonst trotz großen Erfolgs schon in Vergessenheit geraten sind ("Das Boot", "No limit", "Hyper Hyper" etc.), aber auch tanzbare Mainstream-Hits (Kylie Minogue, Backstreet Boys, New Kids on the Block, Boney M. etc.). Dann evtl. auch noch etwas Hip-Hop, englisch und deutsch.
Dazwischen Hinweise auf Discos und Clubbings und alles, was die Szene noch so zum Tanzen braucht. Zielgruppe: eher junge Leute bis Jugendliche, die noch in "dem Alter" sind und sich eher für Discos und Clubbings als für Rockmusik interessieren.
Jo... das wären so einige Formate, denen ich Chancen einräumen würde, erfolgreich zu werden, falls sie jemand realisieren würde... zumindest hier in Wien, wo es zu keinem der 4 genannten Formate etwas wirklich vergleichbares gibt.