freiwild
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Angeregt durch einige Threads hier im Forum habe ich mich entschossen, nun einmal einen grundsätzlichen Vergleich zwischen dem deutschen und dem US-Rundfunksystem zu ziehen (Meinetwegen auch Fernsehen, aber vor allem Radio). Das US-System unterscheidet sich im internationalen Vergleich wohl am stärksten von der deutschen Rundfunkverfassung.
Was in den USA besser ist:
- Es gibt deutlich mehr Programme (ich glaube mal etwas von 23.000 UKW- und MW-Programmen gelesen zu haben), mehr Programmformate und mehr Programmanbieter. Eine mittelgroße Stadt verfügt i.d.R. allein über 40 eigene Radioprogramme. Dazu kommen noch zahllose Satellitenprogramme.
- Es gibt zwar große Konzerne, die aber nicht so dominierend sind und über einen solch großen Anteil am Radiomarkt verfügen, wie in Deutschland.
- Programmnischen werden eher abgedeckt; Orchideenformate haben oft ihren eigenen 24-Stunden-Sender. Auch ethnische oder sprachliche Minderheiten kommen zu ihrem Recht.
- Durch das kleine Sendegebiet haben viele Sender oft einen klaren regionalen Bezug. Lokales Geschehen findet nicht nur im dritten Buch der Regionalzeitungen statt. Angesichts zahlreicher Einzeitungskreise in Deutschland würde das in Deutschland die Lokalberichterstattung weitgehend entmonopolisieren.
- Es gibt keine Rundfunkgebühren.
- Da es nur eine einzige US-weite Lizensierungsbehörde gibt, gelten überall in den USA (zumindest rechtlich) die gleichen Bedingungen. Ein Zuschanzen von Frequenzen an landesregierungsfreundliche Zeitungsverleger ist hier nicht so leicht möglich.
- Scharfe Kartellgesetze, die auch crossmediale Aspekte untersuchen, unterbinden weitgehend eine zu starke Anballung von lokaler Medienmacht.
- Der direkte Einfluss der Regierung auf das Programm ist deutlich geringer.
Was in den USA schlechter ist:
- Es gibt deutlich mehr Werbung auf den Stationen, manchmal über einer Viertelstunde pro Stunde, außerdem wird die Werbung nicht so konzentriert, sondern in vielen kleinen Häppchen gesendet. Selbst Nachrichten werden oft durch Werbung unterbrochen.
- Auf längeren Reisen ist es praktisch unmöglich, einen Radiosender länger stabil zu hören, das gilt vor allem für UKW-Stationen.
- Es fehlt ein öffentlich-rechtliches Grundangebot. Der NPR, der einzige öffentlich-rechtliche Sender der USA, ist chronisch unterfinanziert und in vielen Regionen nicht über Affiliates zu empfangen. Auch Nachrichten-, Kultur- und Bildungsprogramme in unserem Sinne gibt es kaum, viel häufiger sind s.g. "News-Talk"-Stationen.
- Durch den hohen Konkurrenzdruck werden Nachrichten meist nach dem Motto "Erster sein, nicht bester" zusammengestellt, Recherche wird oft eingespart. In den Meldungen überwiegen oft leicht darstellbare, masseninteressante Meldungen z.B. über aktuelle Gewaltverbrechen. Dies führt (u.a.) - wie Untersuchungen zeigen - bei einem Großteil der Bevölkerung zu einer schiefen Realitätseinschätzung.*
- Da nahezu jede politische und weltanschauliche (v.a. religiöse) Ideologie ihren eigenen Sender hat, ist die Bereitschaft, möglichst ausgewogen zu berichten, deutlich geringer als in Deutschland; man versucht eher, seine jeweilige Klientel zufriedenzustellen. Insbesondere in den ländlichen Südstaaten gibt es zahlreiche Frömmler-Kanäle.
- Es gibt fast nur Formatradios - wenn auch viele verschiedene.
Wat is nu beder? Das deutsche oder das amerikanische System (oder ein ganz anderes?) Wie könnte oder sollte man (idealistisch oder realistisch) das deutsche Rundfunksystem verändern?
(Ich habe natürlich nach vergangenen Diskussionen gesucht. Vor zwei Jahren gab es eine ähnliche - hier.
----
* (Ich will hier kein billiges Amerika-Bashing betreiben, sondern auf den Umstand hinweisen, dass z.B. seit Einführung der 24-Stunden-Nachrichtenkanäle im US-Fernsehen die Dominanz von Gewalt in den Nachrichten, und dadurch auch in den Köpfen zugenommen hat. So wird von vielen Befragten ein starker Anstieg der Kriminalität angenommen. "Nachrichten"kanäle wie Foxnews liefern außerdem ein bequemes servierfertiges Weltbild, in dem Liberale, Links und andere nichtamerikamische Umtriebe nicht sonderlich gut wegkommen).
In Deutschland ist etwas ähnliches zu beobachten; seit jeder Fall von Kinderschändung (die auch von mir natürlich verurteilt wird) tagelang durch Bild, taff, Explosiv , Brisant und blitz gezerrt wird, glauben viele Menschen in Deutschland, diese Fälle hätten drastisch zugenommen; in der "Bild" wurde das sogar explizit behauptet.)
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Was in den USA besser ist:
- Es gibt deutlich mehr Programme (ich glaube mal etwas von 23.000 UKW- und MW-Programmen gelesen zu haben), mehr Programmformate und mehr Programmanbieter. Eine mittelgroße Stadt verfügt i.d.R. allein über 40 eigene Radioprogramme. Dazu kommen noch zahllose Satellitenprogramme.
- Es gibt zwar große Konzerne, die aber nicht so dominierend sind und über einen solch großen Anteil am Radiomarkt verfügen, wie in Deutschland.
- Programmnischen werden eher abgedeckt; Orchideenformate haben oft ihren eigenen 24-Stunden-Sender. Auch ethnische oder sprachliche Minderheiten kommen zu ihrem Recht.
- Durch das kleine Sendegebiet haben viele Sender oft einen klaren regionalen Bezug. Lokales Geschehen findet nicht nur im dritten Buch der Regionalzeitungen statt. Angesichts zahlreicher Einzeitungskreise in Deutschland würde das in Deutschland die Lokalberichterstattung weitgehend entmonopolisieren.
- Es gibt keine Rundfunkgebühren.
- Da es nur eine einzige US-weite Lizensierungsbehörde gibt, gelten überall in den USA (zumindest rechtlich) die gleichen Bedingungen. Ein Zuschanzen von Frequenzen an landesregierungsfreundliche Zeitungsverleger ist hier nicht so leicht möglich.
- Scharfe Kartellgesetze, die auch crossmediale Aspekte untersuchen, unterbinden weitgehend eine zu starke Anballung von lokaler Medienmacht.
- Der direkte Einfluss der Regierung auf das Programm ist deutlich geringer.
Was in den USA schlechter ist:
- Es gibt deutlich mehr Werbung auf den Stationen, manchmal über einer Viertelstunde pro Stunde, außerdem wird die Werbung nicht so konzentriert, sondern in vielen kleinen Häppchen gesendet. Selbst Nachrichten werden oft durch Werbung unterbrochen.
- Auf längeren Reisen ist es praktisch unmöglich, einen Radiosender länger stabil zu hören, das gilt vor allem für UKW-Stationen.
- Es fehlt ein öffentlich-rechtliches Grundangebot. Der NPR, der einzige öffentlich-rechtliche Sender der USA, ist chronisch unterfinanziert und in vielen Regionen nicht über Affiliates zu empfangen. Auch Nachrichten-, Kultur- und Bildungsprogramme in unserem Sinne gibt es kaum, viel häufiger sind s.g. "News-Talk"-Stationen.
- Durch den hohen Konkurrenzdruck werden Nachrichten meist nach dem Motto "Erster sein, nicht bester" zusammengestellt, Recherche wird oft eingespart. In den Meldungen überwiegen oft leicht darstellbare, masseninteressante Meldungen z.B. über aktuelle Gewaltverbrechen. Dies führt (u.a.) - wie Untersuchungen zeigen - bei einem Großteil der Bevölkerung zu einer schiefen Realitätseinschätzung.*
- Da nahezu jede politische und weltanschauliche (v.a. religiöse) Ideologie ihren eigenen Sender hat, ist die Bereitschaft, möglichst ausgewogen zu berichten, deutlich geringer als in Deutschland; man versucht eher, seine jeweilige Klientel zufriedenzustellen. Insbesondere in den ländlichen Südstaaten gibt es zahlreiche Frömmler-Kanäle.
- Es gibt fast nur Formatradios - wenn auch viele verschiedene.
Wat is nu beder? Das deutsche oder das amerikanische System (oder ein ganz anderes?) Wie könnte oder sollte man (idealistisch oder realistisch) das deutsche Rundfunksystem verändern?
(Ich habe natürlich nach vergangenen Diskussionen gesucht. Vor zwei Jahren gab es eine ähnliche - hier.
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* (Ich will hier kein billiges Amerika-Bashing betreiben, sondern auf den Umstand hinweisen, dass z.B. seit Einführung der 24-Stunden-Nachrichtenkanäle im US-Fernsehen die Dominanz von Gewalt in den Nachrichten, und dadurch auch in den Köpfen zugenommen hat. So wird von vielen Befragten ein starker Anstieg der Kriminalität angenommen. "Nachrichten"kanäle wie Foxnews liefern außerdem ein bequemes servierfertiges Weltbild, in dem Liberale, Links und andere nichtamerikamische Umtriebe nicht sonderlich gut wegkommen).
In Deutschland ist etwas ähnliches zu beobachten; seit jeder Fall von Kinderschändung (die auch von mir natürlich verurteilt wird) tagelang durch Bild, taff, Explosiv , Brisant und blitz gezerrt wird, glauben viele Menschen in Deutschland, diese Fälle hätten drastisch zugenommen; in der "Bild" wurde das sogar explizit behauptet.)
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