AW: Was ist besser: UKW "direkt" oder UKW-Kabel?
dea hat schon eine Menge angesprochen, ich gebe meinen Senf auch noch dazu.
UKW-Empfang an Wurfantenne:
Das Risiko, sich Störungen einzufangen, ist recht hoch. Energiesparlampen, getaktete Fluoreszenz-Displays, PCs, deren Bustakt irgendwo bei 100 MHz herumvagabundiert - davon hat jeder Haushalt inzwischen genug, und wenns nicht der eigene ist, dann ist es der des Nachbars, praktischerweise auf der anderen Seite der Wand, vor der die Wurfantenne hinterm Schrank versteckt ist. Das funktioniert nur mit starken Ortssendern wirklich gut. Bei mir in Berlin-Plänterwald, 4. Etage, Leichtbeton-Haus aus den 50ern, in 6 km Entfernung vom Fernsehturm, sind Rauscherscheinungen bei den stärkeren Frequenzen (RBB, DLF) kein Thema. Die kleinen Stationen rauschen dann schon etwas. Ex-SFB vom Scholzplatz am anderen Ende der Stadt kommt dank hoher Sendeleistung gut, aber sowas wie der Offene Kanal oder BluRadio vom Postamt Kreuzberg ist kein Genuß und rauscht übel.
UKW-Empfang an Dachantenne:
Oder auch Unterdach-Antenne, wenn da nichts ist außer dem Wäscheboden - schon besser, wenn mit abgeschirmter Leitung in die Wohnung geführt. Gegen schlechten Empfang hilft eine Richtantenne, die dann aber das Problem mitbringt, Sender aus anderen Richtungen abzuschwächen. Mehrere Antennen für das gleiche Band einfach zusammenzuschalten ist eine Sauerei und geht eigentlich nur, wenn man vorher kanalselektiv filtert. Diesen Aufwand möchte vermutlich niemand betreiben.
Wer auf dem Land wohnt, nur einen UKW-Standort anzupeilen braucht und mit einer dorthin gerichteten Antenne guten Empfang hat, hat oft Idealbedingungen. Weil: da kommen bestenfalls 5 oder 7 Frequenzen mit voller Feldstärke und das meist auch noch mit großen Abständen. Für die meisten Tuner ist das (abgesehen vom Laborfall namens nur-eine-Frequenz-belegt) die bekömmlichste Variante. Man muß dann nur mit einem variablen Abschwächer den Antennenpegel so einstellen, daß der Signal/Rausch-Abstand maximal wird. Zu wenig Feldstärke - Tuner rauscht. Zu viel Feldstärke - Tuner verschluckt sich, bildet Mischprodukte und fängt wieder stärker an zu rauschen.
In Großstädten ist es durchaus möglich, mit bestimmten Tunern kein einziges Programm rauschfrei zu bekommen, gerade weil der Fernsehturm gleich nebenan steht. Mein Patenonkel hat so einen Fall: 1 km Luftlinie zum Alexanderplatz, 7. Etage. Radio? Vergiß es. Da ist jeder Tuner schon mit 10 cm Draht völlig übersteuert, man bekommt Geistersender, auf denen man 5 Programme gleichzeitig hört und alles rauscht.
UKW-Kabelempfang
Idealfall: alle Programme aus sauberen Quellen herangeführt, sauber eingespeist und alle mit gleichem Pegel. Der Signal/Rausch-Abstand ist dennoch oft etwas niedriger als bei wenigen Sendern am Tuner-Eingang, weil der Tuner bei 30 oder mehr Programmen mit Sättigung und nichtlinearen Effekten reagiert. Je nach Großsignalfestigkeit können da einige dB S/N verlorengehen. In den 80er Jahren testete die HiFi-Presse auch die "Kabeltauglichkeit" der Empfänger.
Ich hatte mal als Appetizer 1 Monat KDG in Berlin. Die hatten das erstklassig eingepegelt und UKW war exzellent. Rauschen war kein Thema, bei D-Kultur mußte ich auf ein Hörspiel warten und die Lautstärke weit aufdrehen, um an leisen Stellen einen Hinweis auf UKW zu bekommen. Die anderen Programme waren großteils genauso gut.
Bei meinen Eltern gibt es ein altes DDR-Kabel, da rauschen selbst die Programme, die digital via Sat in die Kopfstelle gebracht und erst dort analog auf UKW moduliert werden. Klarer Fall: zu viele Kabelverstärker, Einstreuungen, Mischprodukte usw.
Auch noch zu beachten: wo kommt das Kabelsignal her? Oft kommt es aus einer Kanalaufbereitung, die UKW-Frequenzen empfängt, auf 10.7 MHz heruntermischt, durch Filter schiebt und auf eine neue Ausgangsfrequenz (die Kabelfrequenz) hochmischt. Dabei wird die Modulation als solche nicht angefaßt, es bleibt alles erhalten, inklusive Pilotton, Stereoseitenbändern und RDS. Dabei sollten keine Verluste auftreten - es sei denn, die Oszillatorfrequenz steht nicht stabil (das gibt Phasenrauschen, da es bei FM wie eine Modulation wirkt und gnadenlos im Tuner "demoduliert" wird) oder das Filter ist zu schmal. Letzteres gibt Verzerrungen an hoch ausgesteuerten Stellen.
Nicht ortsübliche Programme werden meist via Satellit zugeführt. KDG nutzt dazu gerne noch steinalte analoge Unterträger-Umsetzer und bringt so RTL, Klassik Radio, Jam FM und Sputnik in die Netze. Das kann sehr lausig sein (muffig, spuckend, pumpend, ...) und hat bestenfalls statisches RDS mit in der Kopfstelle generiertem Sendernamen - aber diese Programme gäbe es sonst auch nicht an der Wurfantenne.
Auch möglich, vor allem in kleineren Anlagen: Umsetzung von ADR. Also nicht besser als dieses, nur 192 kbps und mit etwas Pech auch an nicht UKW-gerechter Signalaufbereitung krankend. Einige ARD-Anstalten liefern auf ADR ein völlig unprozesstes Signal - das beste für den Heimanwender, der direkt aus dem ADR-Tuner hört. Vor einer UKW-Modulation mit diesem Signal sollte aber ein Transientenlimiter sitzen, um Emphasis-bedingte Übermodulationen zu vermeiden. Tut er bei diesen Umsetzern aber nicht...
Recht neu: Umsetzung aus DVB-S. Das kann man selbst für wenig Geld (unter 2000 Euro für 8 Programme) in exzellenter Qualität tun, mitsamt aller RDS-Features. Astro bietet so einen Umsetzer an, Octopus heißt er und er macht sich auch exzellent mit 7 der 8 Kanäle deaktiviert als Piratensender zum Rebroadcasting eines auf Satellit verbreiteten, aber nicht ortsüblichen Hörfunkprogramms. Praktischerweise wird sogar die Verkehrsfunk-Kennung (TA), falls gesendet, mit auf UKW umgesetzt.
Du siehst: Kabel kann besser, aber auch schlechter sein als UKW - je nachdem, an welchen Programmen man interessiert ist und in welchem Zustand sich das Kabelnetz befindet. Die Anstalten selbst führen höchst unterschiedlich zu den terrestrischen Sendern zu: ARD gerne zumindest zu den Hauptsendern ohne Datenreduktion oder mit 384 kbps, DLF mit 192 kbps, Private mit 192 oder 256 kbps. Besser als das ist dann weder "Wurfantenne" noch "Dachantenne" noch "Kabel".
Die allerbeste Variante dürfte bei der Unity aber die folgende sein: schmeiß den UKW-Tuner raus, hole Dir einen DVB-C-Receiver, stecke ihn an die Fernsehbuchse und an den Line-In der Stereoanlage
und erfreue Dich an sämtlichen ARD-Radios in 320 kbps oder gar Dolby 5.1. Das Signal kommt direkt aus Frankfurt von der ARD per Glasfaser, hat keinen Satelliten dazwischen (ist damit auch witterungsstabil) und bietet manche Programme zuzüglich zur digitalen Rauscharmut auch noch in dezenterem oder fehlendem Soundprocessing. Besser hast Du noch nie (ARD-)Radio gehört. Selbst der DLF, der seine UKW-Sender und damit auch viele UKW-Kabelfrequenzen nur mit 192 kbps via 23.5° Ost zuführt, läuft dort mit 256 und stammt auch noch aus einem weniger komprimierten Studioausgang. Das ist die beste Variante, DLF zu hören - vom DLF-Techniker bestätigt, der in Köln genau so via Netcologne hört. Außerdem bekommt man digital noch weitere Programme wie z.B. Dok&Deb oder on3radio.
Der Einstiegspreis ist niedrig: die alte dBox 1 in der Kabelversion mit DVB2000 als Firmware kostet
bei ebay teilweise inklusive Versand um 20 Euro. Ohne Sofort-Kauf kommt man teils noch deutlich billiger ran,
die hier war gerade eben noch 1 Euro billiger als meine damals. Unglaublich, denn das Ding spielt jeden UKW-Tuner an die Wand. Die Kiste ist morsch, gebraucht, steinalt, krötenlangsam (Power-on 18 Sekunden), taugt aber, einmal programmiert, als gutes Radio. Man kann sie dann sogar "blind" bedienen (ohne TV für das Menü) und sie zeigt frei programmierbare 8-stellige Sendernamen in großen grünen Buchstaben an.
Nach oben sind preislich kaum Grenzen gesetzt, es gibt auch WLAn-fähige Festplattenreceiver mit Doppeltuner für maximalen Aufnahme- und Archivierkomfort.
Ach so: der digitale Empfang der ÖR-Radios (und der ÖR-TV-Programme) ist ohne Zusatzverträge, Abos, Smartcards, Kosten und gemietete Receiver möglich. Anstecken - läuft.