Was wäre, wenn Sachsen-Anhalt aus der ARD aussteigt?

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Musikminister

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Ganz so einfach ist das bekanntlich nicht aber was würde passieren wenn Sachsen-Anhalt aus der ARD (MDR) aussteigt? Rosa Rauschen auf allen öffentlich-rechtlichen Frequenzen? Eine ÖR-Anstalt finanziert durch sachsen-anhaltinische Steuereinnahmen?
 
Aus der ARD und dem ZDF können sie wohl kaum aussteigen. Aus dem Staatsvertrag mit Thüringen und Sachsen zum MDR schon eher. Dann müsste in Sachsen-Anhalt eine eigene Rundfunkanstalt gebildet werden.
Ernst Albrecht (der Vater von unserer EU-Chefin) hat dem NDR das ja mal angedroht.
 
Dem Verständnis halber: Die Annahme ist hier, dass Sachsen-Anhalt den MDR-Staatsvertrag kündigte, aber in den anderen Rundfunkstaatsverträgen (v.a.: Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, Medienstaatsvertrag, ZDF-Staatsvertrag, DRadio-Staatsvertrag) bliebe. In der Realität ist es aktuell der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, um den gestritten wird.

Das Thema gab es so ähnlich ja schon zweimal. Einmal 1980, als Schleswig-Holstein und Niedersachsen Hamburg aus dem NDR werfen wollten, und 2016, als Thüringen öffentlich mit einem Ausstieg aus dem MDR kokettierte. Da ersteres vom Bundesverfassungsgericht landete, haben wir hier einigermaßen Klarheit.

Zunächst einmal ist die Kündigungsfrist zu beachten, die ist im MDR-Staatsvertrag ziemlich lang. Nach meiner Lesart wäre die nächste Kündigung zum 31.12.2026 möglich, wofür die formale Kündigung bis zum 31.12.2024 ausgesprochen werden müsste. Sofern nicht auch noch ein zweites Land zum gleichen Datum eine Kündigung ausspräche, würde der MDR mitsamt seiner gesamten Vermögensmasse fortbestehen. Sachsen-Anhalt müsste also die Nachfolgeanstalt von null neuaufbauen. Allerdings könnte der MDR das Land Sachsen-Anhalt ggf. auch nach 2027 für solche Kosten in Regress nehmen, die durch die Beteiligung Sachsen-Anhalts am MDR oder dessen Ausscheiden entstanden sind, beispielsweise Pensionskosten für sachsen-anhaltinische Mitarbeiter oder Transformationskosten, die durch den Ausstieg entstehen. Finanziell wäre das Szenario für Sachsen-Anhalt also höchst unattraktiv.

Diejenigen MDR-Frequenzen, die formal Sachsen-Anhalt zugewiesen sind, würden beim Land Sachsen-Anhalt bleiben und könnten von der jeweiligen Nachfolgeanstalt genutzt werden (also beispielsweise Brocken, auch wenn dieser Thüringen mitversorgt), während der MDR die sächsischen und thüringischen Frequenzen behielte (also beispielsweise Leipzig, auch wenn dieser Sender Sachsen-Anhalt mitversorgt). Durch die Digitalisierung hat sich das ganze aber deutlich verkompliziert, da bei DVB-T2 und DAB+ landesbergreifende Netze koordiniert und z.T. in Betrieb sind.

Auch für die Nachfolgeanstalt würden die Grundsätze des div. Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts weiter gelten. Eine steuerfinanzierte Anstalt oder gar ein direkter Regierungssender wäre kaum zu etablieren.
 
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Gab es diesen Fall nicht beinahe nicht schon einmal? Ich erinnere an den fast-Ausstieg von Schleswig-Holstein beim NDR Anfang der 1980er-Jahre? War die Ausgangslage da nicht fast identisch? Habe es zwar seinerzeit mitbekommen. Aber wie das halt so als 10-jähriger ist - da bekommt man nicht so genau mit. Beim NDR handelt es sich ja schließlich auch um eine Rundfunkanstalt mit einem Staatsvertrag mit entsprechenden Kündigungsfristen.
 
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Eine steuerfinanzierte Anstalt oder gar ein direkter Regierungssender wäre kaum zu etablieren.
Das kommt dann erst nach Ausstieg aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes. Ich höre manchen Wessi seufzen "oh, macht doch endlich bitte, ihr habt nie wirklich dazugehört, ihr wolltet nur das Westgeld, aber an die gesellschaftlichen Spielregeln halten wolltet ihr euch nie."
 
Zunächst einmal ist die Kündigungsfrist zu beachten, die ist im MDR-Staatsvertrag ziemlich lang. Nach meiner Lesart wäre die nächste Kündigung zum 31.12.2026 möglich, wofür die formale Kündigung bis zum 31.12.2024 ausgesprochen werden müsste.

Korrekt.

Sofern nicht auch noch ein zweites Land zum gleichen Datum eine Kündigung ausspräche, würde der MDR mitsamt seiner gesamten Vermögensmasse fortbestehen.

Ja, allerdings würde man in die Auseinandersetzung gehen, wie § 44 (2) MDR StV implizit regelt. "Auseinandersetzung" meint hier keine Streitigkeit im umgangssprachlichen Sinne, sondern die Aufteilung des Anstaltsvermögens [auf die Länder] auf dem Rechtswege. Die Regel ist offenbar noch aus der ersten Fassung des MDR StV und wurde bei späteren Neufassungen nicht angerührt, die erwähnten "Bezirksgerichte" gibt es seit 1993 nicht mehr. Man würde also den MDR zerlegen.

Aus der ARD und dem ZDF können sie wohl kaum aussteigen.

Warum sollte das nicht möglich sein? Auch der ZDF-StV ist kündbar - übrigens bereits zum 31. Dezember nächsten Jahres. In der ARD wäre ST auch nicht mehr vertreten, wenn sie aus dem MDR ausstiegen und eine Nachfolgeeinrichtung nicht Mitglied der ARD würde. Letztlich sind allein verfassungsrechtlich Grenzen gesetzt.
 
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Sehr gut wäre das, denn es würde diesem eigentlich doch trostlosesten
Landstrich Deutschlands sehr viel Zuzug bescheren. Inklusive mir selbst.

(Ich würde aber trotzdem niemals CDU wählen)
 
Ja, allerdings würde man in die Auseinandersetzung gehen, wie § 44 (2) MDR StV implizit regelt. "Auseinandersetzung" meint hier keine Streitigkeit im umgangssprachlichen Sinne, sondern die Aufteilung des Anstaltsvermögens [auf die Länder] auf dem Rechtswege. Die Regel ist offenbar noch aus der ersten Fassung des MDR StV und wurde bei späteren Neufassungen nicht angerührt, die erwähnten "Bezirksgerichte" gibt es seit 1993 nicht mehr. Man würde also den MDR zerlegen.
Als Nichtjurist verstehe ich den Passus in § 44 (2) so, dass er sich auf den Fall der Auflösung des MDR nach §44 (1) bezieht, welcher eintritt, falls (mindestens) zwei Länder den Staatsvertrag kündigen. Wenn nur ein Land den Staatsvertrag kündigt, besteht der MDR weiter und es gibt keine Vermögensmasse, die es aufzuteilen gäbe.
 
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Als Nichtjurist verstehe ich den Passus in § 44 (2) so, dass er sich auf den Fall der Auflösung des MDR nach §44 (1) bezieht]

Ebenso als non-Jurist: Die Regel gilt "nach der Kündigung" (des StV). Kündigen kann den StV jedes einzelne Land (§ 44 (1) Satz 1: "Dieser Staatsvertrag kann von jedem der beteiligten Länder [...] gekündigt werden."). Aus der Vorschrift ist kaum begründbar, dass "Kündigung" in § 44 (2) bloß ein Synonym für die erst im Absatz zuvor (§ 44 (1)) genannte "Auflösung" sein soll. Analog und noch deutlicher übrigens die Regelung im NDR-StV ("Nach einer Kündigung oder Auflösung des NDR durch Vereinbarung schließen die Länder einen Staatsvertrag über dieAuseinandersetzung.", § 44 (2) NDR-StV).

Wenn nur ein Land den Staatsvertrag kündigt, besteht der MDR weiter und es gibt keine Vermögensmasse, die es aufzuteilen gäbe.

Bei Kündigung durch nur ein Land besteht der MDR weiter, müsste aber im Rahmen der Auseinandersetzung einen Teil seines Vermögens an das austretende Land abgeben.
 
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Bei Kündigung durch nur ein Land besteht der MDR weiter, müsste aber im Rahmen der Auseinandersetzung einen Teil seines Vermögens an das austretende Land abgeben.
Das ist gerade der springende Punkt. Nach meinem Wissen und Verständnis hat das einseitig austretende Land keinen Anspruch an Vermögenswerten der gemeinsamen Anstalt, da diese ja fortbesteht und weiterhin Dienstleistungen für die im Staatsvertrag verbleibenden Länder erbringen muss. So meine ich das auch aus den zeitgenössischen Artikeln herauszulesen, ich ich gefunden habe.

Ganz sicher ist das aber, zugegebenermaßen, nicht, da der Status Quo, der sich aus dem Urteil ergeben hätte (Schleswig-Holstein scheidet aus dem NDR aus; Niedersachsen und Hamburg verbleiben im NDR) von keiner politisch gewollt war (Schleswig-Holstein und Niedersachsen hatten eine Zweiländeranstalt ihrer Länder angestrebt), und es daher sowieso zu einem politischen Kompromiss kommen musste.

Ich habe mir gestern abend die Finger wundgesucht nach dem Originaltext des Urteils, aber offenbar ist er nur hinter einer Paywall zu finden. (Das freizugängliche Online-Archiv des Bundesverwaltungsgerichts selbst geht nur bis 2002 zurück.)
 
Du findest den Volltext bei Wolters Kluwer. Um die Auseinandersetzung ging es in dem Rechtstreit aber nur am Rande. Nach kurzem Überfliegen war die Kernfrage, ob der NDR-StV nach einer Kündigung von SH überhaupt noch fortbesteht (mit den verbleibenden Ländern NI und HH). NI vertrat damals wohl zunächst den Standpunkt, dass eine einzelne Kündigung den ganzen StV killen würde. Zur Auseinandersetzung findet sich im Urteil wenig konkretes, außer Absatz 46:

"Die nötige Klarheit darüber, welche Folgen es für die Rechtsbeziehungen zwischen zwei Vertragsbeteiligten hat, wenn ihnen der Dritte die Kündigung erklärt, läßt sich auch aus dem weiteren Inhalt der Kündigungsvorschrift des § 24 StV nicht gewinnen. So besagt es für die Wirkung der Kündigung nichts, daß gemäß § 24 Abs. 2 StV nach einer Kündigung jedes Vertragsland die Einsetzung eines Schiedsgerichts verlangen kann, das über die Auseinandersetzung endgültig entscheidet. Auseinandersetzungen im Sinne von Vermögensaufteilungen sind nicht nur bei der Auflösung rechtlicher Gemeinschaften, sondern auch beim Ausscheiden eines Mitglieds aus Gesellschaften oder sonstigen Vereinigungen anzutreffen. Demgemäß findet sich der Terminus Auseinandersetzung auch in Regelungen, die das Ausscheiden einzelner aus einem personellen Zusammenschluß betreffen (vgl. z.B. § 73 Abs. 1 des Genossenschaftsgesetzes). Die sächliche Ausstattung einer Rundfunkanstalt macht eine Auseinandersetzung unter den Trägern allemal unumgänglich, gleichviel, ob sie ganz aufgelöst oder von zwei der beteiligten Länder unter Austritt des dritten weitergetragen wird."
 
Haselhoff hat Nein zur Abstimmung gesagt.
Nein zur Abstimmung? Er will also keine?

Heißt:
Hat gesagt: "Nein, es wird keine Abstimmung geben!"
Oder: "Ich stimme mit Nein!" ?

Die Seite lässt sich nicht ansehen wegen eines überdimensionierten Keks-Hinweises den ich nicht wegbekomme, bzw. Seite bleibt ganz weiß.
 
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Das Thema gab es so ähnlich ja schon zweimal. Einmal 1980, als Schleswig-Holstein und Niedersachsen Hamburg aus dem NDR werfen wollten, und 2016, als Thüringen öffentlich mit einem Ausstieg aus dem MDR kokettierte. Da ersteres vom Bundesverfassungsgericht landete, haben wir hier einigermaßen Klarheit.
Also ich hab das genauso wie @Sieber es über dir schrieb in Erinnerung. Also das Nds unter Albrecht aus dem Staatsvertrag beim NDR aussteigen wollte. Das S-H und Nds den NDR HH rausschmeißen wollten, wäre mir neu. Gab es da denn nochmal so einen Zoff beim NDR, das man HH raus haben wollte ?
 
Niedersachsens CDU-Landesfürst Albrecht hatte sich das ganze ausgedacht und hielt die Fäden in der Hand, aber damit es öffentlich anders aussah, schickte er seinen Parteifreund Stoltenberg aus Schleswig-Holstein vor. Dieser kündigte für sein Land den NDR-Staatsvertrag. Niedersachsen selbst kündigte nicht, sondern stellte sich auf den Standpunkt, dass durch die Kündigung seitens Schleswig-Holsteins der NDR alter Form aufgelöst sei. Schleswig-Holstein und Niedersachsen schlossen daraufhin einen neuen Staatsvertrag für einen NDR-neu (ohne Hamburg), für den sie auch die materielle und Rechtsnachfolge des alten NDR beanspruchten.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied dann, dass der NDR-alt bei einer Kündigung durch Schleswig-Holstein als Zweiländeranstalt Hamburgs und Niedersachsens weiterbestünde und der Niedersachsen zum einen gar keinen konkurrierenden Staatsvertrag abschließen dürfe (Konkurrenzverbot), als auch, dass eine in welcher Form auch immer gegründete Neuanstalt nicht einseitig die Rechtsnachfolge des NDR antreten könne.
 
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ich erinnere mich auch an einen Beitrag, als man kurzzeitig überlegte, das damalige MDR 1 Radio Thüringen aufzugeben und stattdessen hr4 aufzuschalten oder so ähnlich... Es wäre schon denkbar, dass sich das Land Thüringen mit dem hr einen Staatsvertrag schließt, auch wenn dies wohl aufgrund des Länderkürzels für Hessen unwahrscheinlicher wäre, als beispielsweise eine Kooperation zwischen dem Land Hessen und dem SWR.... (alles wirklich nur fiktiv und zugegebenermaßen sehr konsturiert, aber eine 3-Länderanstalt Baden-Württemberg / Rheinland-Pfalz / Hessen) unter Beibehaltung der Anstalt "SWR" wäre zumindest vom Namen "Südwestrundfunk" immer noch sinnhaft.
 
"hr4 und Thüringen Eins" gab es VOR MDR 1 Radio Thüringen und zwar 1990-91 als Ersatz für die Radio DDR II-Bezirksprogramme. Das war nur ein gemeinsames Abendprogramm ab 19 Uhr oder so, tagsüber sendeten beide Sender eigenständig. Es gab den Thüringer Rundfunk ThR und ich hatte tatsächlich auf Thüringen Zwei, Drei und Vier gewartet (die Schreibweise war bremenlike genau so!) - aber wie wir wissen kam es anders. Es gab auch das SachsenRadio mit drei Programmen (hatte ich tatsächlich neulich hier schon mal erklärt...) und starken Tendenzen Richtung BR und Radio Sachsen-Anhalt mit einem Programm.

Das alles könnte man natürlich wiederbeleben, auch wenn der hr viel besser im Verbund mit SWR und SR aufgehoben wäre. Hessisch-Thüringischer Rundfunk HTR, dazu die unterschiedliche Wellenaufteilung (hr4 und Thüringen 1, hr3 und Thüringen 2, hr2 und Thüringen 3, bzw. eigentlich hr4 und ThR Schlagerwelt, hr1 und Thüringen 1), wer will das? Den HTR MDR zu nennen, kannst du nicht bringen, da würde ganz Rhein-Main und Südhessen rebellieren. Den hr im SWR aufgehen zu lassen wäre programmlich ein Klacks, die Pendants heißen ja genauso (außer Info und Jugend). Beim SR würde es wieder etwas tricky, aber machbar.

Sachsen-Anhalt könnte sich zum RBB gesellen (ODR) (einst war eine gemeinsame Anstalt RMV-SFB-Antenne BB geplant), man müsste sich dann nur überlegen: SachsenRadio (SR), Saarländischer Rundfunk (SR), Privater Sächsischer Rundfunk (Radio PSR) - ist das nicht etwas zu ähnlich? Bliebe Radio Sachsen, RS. RS2. "Haaaaaaaaaaaaaalt!", höre ich da aus Berlin... ;)
 
Wirklich jammerschade, dass das Urteil von damals nicht im freien Internet zu finden ist.

Hoppla, was ist das denn?
 

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