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Mal ein anderer Aspekt von Weihnachtsradio: Manch ein Angestellter, der pausenlos dem Weihnachtsradio ausgesetzt ist, fühlt sch regelrecht gefoltert, schreibt die BILD:
Gewerkschaft:
Aufstand gegen Weihnachtslieder
in Kaufhäusern
Von KATRIN THAMM
„O du fröhliche“, „Jingle Bells“ oder das unvermeidliche „White Christmas“ schallen seit Wochen ganztägig aus unzähligen Lautsprechern in Kaufhäusern, Supermärkten und Läden und vergällen selbst dem hartnäckigsten Weihnachtsmusik-Fan die Festfreude.
Doch während genervte Kunden dem Dauergedudel einfach entfliehen können, ist das Verkaufspersonal ihm meist mehr als acht Stunden täglich ausgeliefert.
„Was soll ich machen? Ich kann mich gegen die Musik ja nicht wehren! Die Lieder kann ich schon vor und rückwärts auswendig“, sagt Verkäuferin Ursula Schroers (58) aus Moers (NRW) mit Galgenhumor.
Dabei ist die Dauerbeschallung nicht nur nervig, sondern kann nach Expertenmeinung sogar krank machen:
„Es gibt Studien über Menschen, die immer wiederkehrenden Geräuschen oder Musik ausgesetzt sind. Nach stundenlanger Musikberieselung können permanente Gereiztheit und Aggressivität gegen Arbeitskollegen oder Familienmitglieder die Folgen sein“, sagt Diplompsychologe Dr. Christian Lüdke (43) aus Köln, „Menschen, die in ihrem Job dieser Dauergeräuschkulisse ausgesetzt sind, können schon bei kleinen Anlässen regelrecht ausrasten.“
Der Grund: Die Verkäufer bauen den ganzen Tag über einen Wutstau auf, der nicht abgebaut werden kann, weil sie dem Gedudel nicht entkommen können. „Das kann zu Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen und erhöhter Infektanfälligkeit führen.“
Der Berliner Verdi-Geschäftsführer Roland Tremper (48) fordert deshalb einen Freizeitausgleich für die gestressten Verkäufer. Der Gewerkschafter: „Die Musikbeschallung wird immer schlimmer, ich empfinde das als Akt seelischer Grausamkeit. Den Mitarbeitern wird die Freude am Weihnachtsfest geklaut. Als Ausgleich müssten sie bis zu 15 Minuten mehr Pause machen dürfen, um sich der Musik entziehen zu können!“
Ludger Visse vom Deutschen Arbeitsring für Lärmbekämpfung (DAL) geht mit seinen Forderungen noch weiter: „Musik bedeutet einen zusätzlichen Stressfaktor für die Verkäufer, dafür müssten sie einen Lohnzuschlag bekommen wegen Arbeitserschwernis.“
Die Dresdnerinnen Pia Haase (16, links) und Katja Pohl (17) können es nicht mehr hören: „Manchmal ist die Weihnachtsmusik so laut wie in einer Disco“
Die Intensität der Weihnachtsbeschallung ist in Deutschlands Geschäften unterschiedlich. „Unser Wal-Mart-Radio startet am Donnerstag vor dem ersten Advent mit zwei bis drei leichteren weihnachtlichen Titel wie „Driving Home For Christmas“ oder „Last Christmas“ pro Stunde und steigert sich zum Fest hin auf acht Titel pro Stunde, die dann deutlich festlicher sind – wie zum Beispiel „Stille Nacht“. Die Bänder sind vorproduziert von einem Spezialanbieter“, so eine Sprecherin der Einkaufskette Wal-Mart, die 92 Filialen bundesweit betreibt.
Auch bei HL, Minimal und Toom läuft nach einem ähnlichen Schema seit 1. Dezember Weihnachtsmusik: „Das wird bei uns zentral über den Ladenfunk gesteuert. Aber es hat sich noch kein Mitarbeiter darüber beschwert“, sagt Andreas Krämer, Pressereferent der Rewe-Gruppe. In den 255 Real-Märkten läuft die Weihnachtsbeschallung per zentralen Ladenfunk: „Intensiv wird es drei Tage vor Heiligabend“, so ein Sprecher.
Die Kaufhof AG überlässt die weihnachtliche Musikauswahl den einzelnen Filialleitern: „Die Musik startet bei uns nach Totensonntag, was gespielt wird, entscheiden die Geschäftsführer in Eigenregie“, so ein Unternehmenssprecher. Von zusätzlichen Pausen hält er nichts: „Pausen und Arbeitszeiten sind fest geregelt, da ist nichts Zusätzliches drin.“
Die Karstadt AG hat schon auf den Musikfrust reagiert: Weihnachtsmusik läuft nur noch in ausgewählten Bereichen: „Überall dort, wo Weihnachtsartikel verkauft werden in unseren Weihnachtsmärkten. Wir haben Musik generell stark zurückgefahren, weil sich zu viele Kunden darüber beschwert haben“, so Karstadt-Sprecher Michael Scheibe (48). Zusätzliche Pausen oder Lohnzuschläge sind aber auch hier kein Thema: „Das ist alles festgeschrieben.“
Was halten die Kunden von der Permanentbeschallung? „In vielen Läden ist die Musik einfach zu laut, da wird man künstlich in Stress versetzt. Wir wollen in Ruhe einkaufen. Weihnachtsmusik hören wir besinnlich zu Hause“, sagen Mandy (20) und Maik (26) Buderit aus Dresden. „Ich finde die ständige Weihnachtsmusik im Hintergrund nervig! Die Lieder klingen alle gleich“, ärgert sich Daniela Quandt (24) aus Düsseldorf. Für viele Verkäufer wird der Heilige Abend deshalb wirklich zur stillen Nacht – wie etwa bei Olga T. (24): „Weihnachtsmusik? Bei uns zu Hause herrscht zum Fest himmlische Ruhe.“