Wie ein Lied ins Radio kommt

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Stelle folgenden interessanten Artikel aus der Welt-Zeitung hier zur Diskussion rein, in diesem Artikel wird beschrieben wie aus einem Lied ein Radiohit wird. Ein sehr aufwendig und ausführlicher Artikel aus einer Tageszeitung die in ganz Deutschland verbreitet wird. Der Journalist hat sich bemüht den Prozess wie ein Lied zum Radiohit wird, genau zu beschreiben.

So einfach kommt ein DSDS-Song nicht ins Radio

Öffentlichkeitswirksam beschwerte sich die "Bild"-Zeitung über die scheinbare Weigerung der ARD-Radiosender, "Call My Name", das Gewinnerlied der RTL-Castingshow "Deutschland sucht den Superstar", zu spielen: "ARD boykottiert DSDS-Stars", hieß es angriffslustig.

Die Antwort folgte prompt. WDR-Hörfunk-Direktor Wolfgang Schmitz gab zu bedenken, dass "gebührenfinanziertes Radio unabhängig" sei: "Titel werden gespielt, wenn sie zu den jeweiligen redaktionellen Auswahlkriterien einer Radiowelle passen. Das gilt für Songs internationaler Pop-Stars ebenso wie für deutsche Produktionen."

Wichtiges Detail am Rande: Die Verkaufszahlen der aktuellen Charts sind im Verhältnis zu den 39 Millionen Radiohörern der öffentlich-rechtlichen Stationen tatsächlich so gering, dass sie nicht unbedingt etwas über die Beliebtheit eines Künstlers aussagen.

Musikauswahl in modernen Radiostationen

"Die Verkaufscharts sind für unsere Musikauswahl nicht besonders relevant", sagt dann auch Andreas Löffler, Musikchef der WDR-Jugendwelle 1LIVE. Intellektuell genützt hat die Mediendebatte bisher niemandem, allerdings kann sie als Anlass dienen, einmal nachzufragen, wie Musikauswahl in modernen Radiostationen überhaupt funktioniert.

Oder, anders gefragt: Gibt es einen Moderator, der, von wandhohen Plattenschränken umgeben, CD-Hüllen öffnet, und deren Inhalt behutsam ins Fach des Musikspielers legt?

"Nein", sagt Eduard van Beek, Musikchef der Servicewelle Bayern 3: "Drei bis sechs Wochen vor Veröffentlichung der jeweiligen Single hört sich jeder unserer Musikredakteure die Neuheiten auf CD oder einer Internet-Plattform an und schlägt dann seine Favoriten für die sogenannte Abhörsitzung vor, in der sich die Musikredakteure austauschen."

Eine Vorauswahl ist also bereits getroffen, wenn diese sich bei Bayern 3 immer mittwochs um einen Tisch setzen und entscheiden, welcher Titel überhaupt ins Programm genommen werden soll und auf welche sogenannte Rotation der Titel kommt.

Neuheiten werden einmal am Tag gespielt

Die WDR-Jugendwelle 1LIVE zum Beispiel hat drei solcher Rotationen: eine für die Stunden zwischen 5 und 20 Uhr an den Wochentagen, eine für die weniger dem Mainstream verpflichtete Sendung "Plan B" in den Abendstunden ab 20 Uhr, und eine für die "Dance"-Programmstrecke am Samstagabend.

"Rotation beschreibt die Tatsache, dass ein Titel nicht nur einmalig im Programm läuft, sondern regelmäßig in einer von uns bestimmten Anzahl pro Tag oder Woche", sagt van Beek vom Münchner Sender. Neuheiten spielt Bayern 3 gewöhnlich einmal am Tag, "vielversprechende neue Titel" zwei Mal, und die "großen aktuellen Hits" maximal drei Mal pro Tag.

m sicherzustellen, dass zum Beispiel aufeinanderfolgende Programmstunden nicht mit demselben Lied eröffnet werden, hilft eine von jedem Sender justierbare Planungssoftware dabei, die Rotationen einzuhalten. "Es geht darum, den Musikfluss besser planen zu können und Fehler wie Dubletten zu vermeiden", sagt Musikchef van Beek. Der Computer entscheide jedoch nicht, welcher Titel wann gespielt wird. Hierfür sind allein die Musikredakteure da.

Rotation: Geheimnis eines Radioprogramms

Die Rotation ist dann auch so etwas wie das Geheimnis eines Radioprogramms. Sie entscheidet letztendlich auch mit darüber, wie erfolgreich ein Sender bei seinen Hörern ist. Die Programmmacher müssen sich jede Woche aufs Neue die Frage stellen, wie häufig ein Song gespielt werden kann – ohne dass er nervt.

Spötter reden vom "Kleinsten gemeinsamen Geschmacksnenner", den die Hitradios suchen, und der dann gefunden ist, wenn selbst ein für vom Hörer als schlecht befundener Song diesen nicht sofort zum Kanalwechsel treibt.

Das von so manchem Formatradio-Hörer beklagte Ausloten dieser musikalischen Schmerzensgrenze wird von Sender zu Sender unterschiedlich praktiziert. Branchenexperten sehen hier auch den großen Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen und den kommerziell ausgerichteten Stationen. "Bei der privaten Konkurrenz laufen die Top-Titel zum Teil acht bis neun Mal am Tag", sagt Bayern 3-Musikchef van Beek.

Genau geachtet wird auf die Airplay-Charts

Allesamt achten sie auf die Airplay-Charts, die Auskunft darüber geben, welche Songs in Deutschland am häufigsten gespielt werden. Daneben betreiben viele Sender Marktforschung und schauen sich den jeweiligen Künstler genau an: Passt dessen Image zum Programm, die Songs zur "Musikfarbe" der Station? Im Fall des DSDS-Gewinners "Call My Name" fiel da die Antwort bei einigen Radiostationen wohl schlicht eher negativ aus.

Zuweilen ist aber auch Spontaneität gefragt. Bestimmt ein großes Ereignis die Medienberichterstattung, muss das Musikprogramm an die Situation angepasst werden: Ein Tsunami in den Nachrichten verdrängt dann Julis Song "Die perfekte Welle" aus der Playlist.

Quelle: Welt Tageszeitung und Welt.de

So funktioniert die Musikauswahl im Radio.
 
AW: Wie ein Lied ins Radio kommt

Ach ja .. Und die Quelle der meisten (zum Teil nicht als markierten) Zitate aus #1 ist: welt.de
 
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Der ganze Artikel kommt aus der Welt-Zeitung bzw Welt.de. Wollte den Artikel hier zur Diskussion stellen, nachdem ja die BILD Zeitung den öffentlich rechtlichen Qualitätssender unterstellt haben soll, mit voller Absicht die Lieder von DSDS zu boykotieren, weil ja RTL ein privat Sender ist und man deren Erfolg nicht unterstützen möchte. Die Welt hat in ihrem Artikel durch ihre gute Darstellung und Beschreibung der Arbeitsweise von Musikredaktionen in öffentlichen rechtlichen Sendern belegen können, dass ehrliche Arbeit geleistet wird.
 
AW: Wie ein Lied ins Radio kommt

Eine Frage bleibt aber offen: Wenn die Charts angeblich so unbedeutend sind, wie kann es dann sein, daß sie auf fast allen Stationen rauf- und runtergespielt werden? Und wie paßt es dann dazu, daß die "großen aktuellen Hits" dreimal am Tag gespielt werden?
 
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Der Artikel ist nicht kritisch genug. Zum einen setzt er sich nicht hinreichend mit den Vorwürfen der Bild-Zeitung auseinander, in dem ja auch die Rede vom Grundversorgungsauftrag die Rede war; frei zitiert: Ob die zahlreichen Fans denn nicht ein Anrecht darauf hätten, gerade diese Musik auf mindestens einer der Wellen des ö-r Rundfunks zu hören. Das hätte man doch mal hinterfragen können, ganz gleich, wie das Ergebnis aussieht.

Dann ist im Artikel die Rede von den Airplay-Charts, nicht aber von den Verkaufscharts. Und ob die bei Bayern 3 so dargestellte Vorgehensweise auch praktiziert wird, wurde offenbar unüberprüft übernommen. Genausowenig wurde hinterfragt, ob das denn beim NDR genauso ist.

Insgesamt ein eher unkritischer Artikel, der eine große Chance hatte und die verspielt hat. Finde ich langweilig, hätte man mehr draus machen können. Journalistisch verbesserungswürdig.
 
AW: Wie ein Lied ins Radio kommt

Fehlt aber noch die Erklärung,warum auf einmal neue Künstler zeitgleich auf allen Radiostation auf Dauerrotation laufen. Von wegen,die Redakteure setzen sich zusammen
und wählen eigenständig neue Künstler aus,die bekommen die vorgesetzt und müssen sie spielen.
 
AW: Wie ein Lied ins Radio kommt

Dann ist im Artikel die Rede von den Airplay-Charts, nicht aber von den Verkaufscharts.

Das Dumme an der Geschichte ist nur, dass die Airplay-Charts maßgeblich von den super-eng-rotierenden Privatsendern brstimmt werden, an denen sich die Bayern-3-Crew angeblich kein Beispiel nehmen will. Ob die Welt-Redakture gemerkt haben, dass sie sich für eine kostenlose PR-Aussendung hergegeben haben?

Der Artikel ist nicht kritisch genug.

Dabei ist die Welt das Schwesterblatt der BILD...
 
AW: Wie ein Lied ins Radio kommt

Interessanter Artikel. Das mit dem "kleinsten gemeinsamen Geschmacksnenner" hat mir am besten gefallen. Die haben also garnicht den Anspruch, mitreißende oder neue Musik zu spielen. Denn damit bestünde wieder die Gefahr, dass es auf einige Hörer eine polarisierende Wirkung hätte.

BTW: Ist Grönemeyers "Schiffsverkehr" eigentlich schon wieder verschwunden? Ich hatte angenommen, dass man diesen Titel nun bis zum Herbst immer wieder mal hören würde.
 
AW: Wie ein Lied ins Radio kommt

Och jööö, die Welt war noch nie für besonders kritische oder gut recherchierte Artikel bekannt. Ab und zu gelingt ihnen ein Lichtblick. Dies hier ist allerdings eher ein erloschenes Grablicht.
 
AW: Wie ein Lied ins Radio kommt

Die meisten Sender spielen nur, was gut getestet wurde. Innovative Musikredaktionen sind meiner Erfahrung nach eher selten.
 
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Nach der Bemusterung der Neuerscheinungen via MPN und eventuellen CD-Handmustern sitzt die Musikredaktion (ohne Berater) wöchentlich im Meeting und berät, welche Neuerscheinungen auf die Playlist sollten.

Der Ausnahmefall ist, dass die Musikredaktion nur aufgrund des Gefallens, der musikalischen Qualität oder des lokalen Bezugs Titel in die Rotation nehmen. Entscheidungshilfe ist die Einschätzung, ob das Thema durchstarten würde (Ergebis wäre eine Top-Platzierung in den Sales- und Airplay-Charts), ob das Thema sowieso schon immer eines war. Maßstab sind also sowohl die Sales-Charts, von deren immer geringer werdenden Bedeutung alle wissen, und die Beobachtung des Airplays bei formatähnlichen Konkurrenzstationen, von denen es ja bei Popmusik nicht wenige gibt.

Für Schlafmützensender wird die Entscheidung einfacher: sie steigen erst ein, wenn der Titel im Airplay ringsrum bestens läuft und/oder in den Sales-Charts oben steht.

Wie darüberhinaus "ein Lied ins Radio kommt", sollen Verschwörungstheorethiker meinetwegen unter sich ausmachen.
 
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