Die Diskussion hier ist ja recht interessant und mir scheint, daß ist überhaupt das zentrale Thema !
Eine Antwort zu Donhagen, er schrieb:
>Natürlich hat man vor 20 jahren mit 3 spots so viel response gehabt, wie heute mit 30. und warum?
is doch logisch, früher hatte ich maximal 2 sender, die eine region versorgt haben, heute sind es 20. und ausserdem gibt es mehr fernsehsender etc... da ist es doch nur logisch, dass 3 spots bei EINEM sender nicht von so vielen menschen gehört werden, wie früher!>
Da muß ich entgegenhalten, dieses Argument sticht in unserem Fall nicht ganz und außerdem widersprecht ihr Euch selbst:
Wahrscheinlich glaubt ihr es nicht: Wir im Süden Deutschlands hatten in den Siebziger Jahren nahezu gleich viel Sender auf der Skala wie jetzt, die Auswahl an Programminhalten war viel größer: Wir hörten je 3 Programme des BR, SDR,SWF,DRS,ORF, dazu kamen noch AFN und sogar Stationen aus Südtirol. Ich möchte sagen, die Qualitätskonkurrenz war sogar größer als jetzt und trotzdem war die Response immer gewaltig. Jetzt haben wir viele Private dazubekommen, aber deren Frequenzen haben halt die früheren weiter empfangbaren Sender
verdrängt, somit ist das Angebot nicht viel größer geworden, eigentlich sogar viel weniger, da heute soviele Stationen denselben Mainstream-Ramsch ewig wiederholen.
Die 3 Spots damals wurden von ungefähr der gleichen Anzahl Menschen gehört, wie heute, da man weniger Radios hatte, vor allem in Autos weniger, keine Walkmen, kaum Radios in Büros usw. trotz weniger lokaler Sender.
( Es war aber auch noch das Fernhören mehr in, siehe die legendäre Luxemburg-Kurzwellentaste, d.h. die Sendervielfalt war nicht kleiner damals, nur anders: Weniger lokale Dudelsender, dafür mehr Programme aus der Ferne)
Nun zum Widerspruch: Du sagst, man hat jetzt mehr Fernsehen und früher hat man halt mehr Radio gehört und daher hat ein Werbespot mehr Aufmerksamkeit erregt. Warum wird dann von Marketing-Abteilungen von Radiosendern herumposaunt, daß die Radionutzung nun mit
215 Minuten pro Tag heute auf einen Rekordwert gestiegen ist ?
Einerseits wird gesagt, daß früher mehr Radio gehört wird, dann wird wieder gesagt, daß heutzutage das Radio die Menschen am meisten erreicht.
Die MA-Einschaltzahlen sind ganz einfach keine Hörerzahlen mehr, das ist der Punkt!
Man muß endlich den Unterschied zwischen eingeschalteten Geräten und wirklich zuhörenden Personen machen. Es gibt auch eine Studie, daß nur 10%, die eingeschaltet haben, auch wirklich zuhören. Wenn man dann noch bedenkt, daß diese 10% sich hautpsächlich auf Stationen wie DLF, Bayern4, Bayern5 usw. verteilen, welche echte Zuhörerschaft bleibt dann noch übrig?
Alle, die am Geschäft etwas verdienen wollen, tun sich halt gerne mit Statistiken usw. selber gerne etwas belügen und sie wollen halt auch nicht, daß deren Werbekunden lesen, was ich hier schreibe und weiß !
Früher, als es noch Sendungen gab, da machte es Sinn, daß man in die Programmzeitung schaute ( wie heute nur noch beim Fernsehen ) und sich eine Radiosendung aussuchte, oder man war als Stammhörer gewohnt, daß man um diese oder jene Zeit in B3 oder SWF3 oder AFN oder Ö3 diese oder jene Musik erwarten konnte. Man bestimmte SELBST, was man hören wollte, indem man AKTIV eine ZEIT, einen SENDER, eine SENDUNG aussuchte. Heute kann man sich (fast) nichts mehr aussuchen, man ist PASSIV geworden, schaltet halt ein, und weiß eigentlich nicht, läuft Antenne oder FFN oder läuft eine CD. Mit diesem passiven RAdioverhalten sind auch die Werbebotschaften mit untergegangen und der Teufelskreis ist: Ausgleich durch immer noch aggressivere Spots, immer noch öfter und öfter und dadurch wird der Hörer immer noch abgebrühter, passiver und hört überhaupt nicht mehr hin.
Dann sagt ihr wieder, die Werbung funkioniere auch durch unbewußtes Hören und Einhämmern. Das stimmt auch nur teilweise, da gibt es auch einen psychologischen Kippeffekt: Was mich nervt, vermeide ich.
Es gibt immer mehr Menschen, die kaufen bewußt manche Dinge NICHT, deren Werbung sie gehört haben bzw. als nervig empfunden haben.
Sicher nur ein Einzel-und Extrembeispiel: Ein befragter Taxilenker wechselte die Autowerkstätte: " Weil die werben so blöde auf diesem Trottelsender, das muß ich nicht auch noch unterstützen!". Die Qualität des Programms färbt auf das Image des Werbekunden ab!
Das Radio ist gekippt: Es hatte einmal die Funktion als Kulturplattform, Unterhaltungsmedium und Kommunikationsinstrument und beförderte im gut erträglichen Ausmaß auch Werbung.
Heute ist es eine Werbe-Beschallungsmaschine, die in ganz wenigen Ausmaß Kultur und gute Unterhaltung mitbefördert, also umgekehrt wie früher.
Das Radio wird noch noch als elektronische Litfaßsäule gesehen und nicht mehr als Bühne!
Dadurch daß Formatradio mit den ständigen Claims, Jingles, coole Kurz-und Schrei-Moderation ja auch ohne Werbespots wie Werbefunk klingt, hört sich heute das Radio genauso an wie eine Supermarktbeschallung.
Das ist der Tod des Radios, die die heute damit aufwachsen, werden leider nichts mehr anderes kennen.
Noch zum Argument: Wir richten uns ja nur
nach den Bedürfnissen des Marktes und der Hörer, die Hörer wollen das ja so.
Da muß ich entgegenhalten: Gerade die Marktstrategen sprechen doch immer vom MARKETING, das heißt Nachfrage und Bedürfnisse werden geweckt, erzeugt usw.
Das heutige Hörerverhalten wurde zum großen Teil so erzwungen, man kann ja gar nicht mehr anders.
Das ganze Zuhören ist ein resignierter Kompromiss, in einer Dudelstunde werden schon 3 Titel dabei sein, die mir gefallen, auch eine Comedy vielleicht, aber so ganz richtig zufrieden wie mit einer Spezialmusikfläche nach meinem Geschmack bin ich nicht. Es gab Bayern3 Hörer, die hörten seinerzeit NUR Pop nach Acht mit Thomas Gottschalk, am Tag AFN und in der Arbeit Ö3.
Man hatte einfach das Gefühl, ich habe mir SELBST mein persönliches Radiohören zusammengestellt. Das geht heute kaum mehr.
Fragt mal eure MA-erfaßten Hörer folgendes: Hätten sie mal Lust, aus unserem Archiv und ihrem Privatarchiv eine Sendung zusammenzustellen?
Sie würden ein ganz anderes Tagesprogramm bekommen, als das, was sie jetzt senden !
Als es noch kein MC-Donalds gab, hatte niemand das Bedürfnis danach.
( Jetzt kommt gleich wieder: Aber Mc Donalds ist doch äußerst erfolgreich !)
Alles wird nur noch vom kommerziellen Erfolg aus gesehen. Die, die mit dem Radio Geld verdienen wollen, denen liegt eine "Radiokultur" nicht am Herzen.
Aber weil sie sicher einmal auch fürstlich essen gehen wollen, da wären sie schon gegen eine Formatierung aller Restaurants zu Fast-food !
Nur der Normalhörer checkt das erst allmählich, der Ausweg ist über eigene Tonträger. Es gibt schon Ansätze zur Radioverweigerung: Ich kenne ein größeres Taxiunternehmen, die brennen eigene CDS für ihre Fahrer. Einer der über 300 Taxifahrer ist ein Plattensammler und regelmäßig werden
neue CD-Überspielungen verteilt. Das Taxi-Autoradio ist nur noch auf ARI-Verkehrsfunk eingestellt und sonst hört man nur noch eigene zusammengestellte Musik, während früher jahrzehntelang die Taxler die treuesten Radiohörer waren.
Dann kenne ich einen Computerfreak, der für einige Stadt-Restaurants CDs zusammenstellt.
Die Stadtwerke in einer österr. Landeshauptstadt wollen in ihren Bussen nur noch ein selbst erstelltes Busradio ( über eine nicht öffentliche Frequenz) ausstrahlen.
Natürlich sind das nur wenige Beispiele und man wird wieder auf die tollen MA-ZAhlen verweisen. Aber es sind doch erkennbare Anfänge, daß immer mehr Menschen das heutige Radio nur noch auf die Nerven geht.
Rechtzeitig Tendenzen erkennen wäre halt auch eine gute Strategie, nicht nur sich auf vergangene Studien, vergangene Erfolge und in der schnellebigen Zeit überholte Lehrbücher über Radiomanagement stützen.
Ich weiß, daß meine Meinung und meine Analysen bei vielen heutigen Radiomanagern nicht gerne gehört werden. Ich kann diese aber ungeniert äußern, bin unabhängig und habe nach einem langen Radioleben nicht mehr lange zur Pension.
Bei jungen in Abhängigkeit stehenden Radiomachern oder "Würde-gerne-im-RAdio-sein"-Leuten, hat man oft das Gefühl bei deren Postings nach dem Sprichwort: Dessen Brot ich esse ( oder gerne essen würde), dessen Lied ich singe!