Wo wird man als Hörer noch ernst genommen?

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Die deutsche Radiolandschaft ist geprägt von Fakes, Claims, Gewinnspielen etc. Mich interessiert einfach mal: Wo werdet ihr als Hörer noch ernst genommen? In welchen Sendern und Programmen findet ihr eine Plattform? Oder umgekehrt: Wollt ihr im Radio überhaupt ernst genommen werden oder macht es Euch Spaß, täglich verarscht zu werden. Warte erst mal Eure Reaktionen ab und gebe dann später meinen Bautz'ner Senf dazu :)))
 
Ja, als Hörer möchte ich schon ernst genommen werden. Oder aber nach Strich und Faden verarscht - dann natürlich in den entsprechenden Sendungen. Ernstgenommen fühle ich mich normalerweise da, wo noch richtiger Journalismus betrieben wird, wo kompetente Leute Themen behandeln, die auch mich betreffen und interessieren. Wo man merkt, daß derjenige, der da gerade eine Sendung gestaltet, selbst dahinter steht. Zum Beispiel im Bayern 2 Zündfunk, auf NDR4 in der Abendschiene (Paul Baskerville, Ruben Jonas Schnell, Susanne Hasenjäger...), teil- und zeitweise auch auf einigen Jugendwellen, z.B. hr XXL oder Fritz. Auch ein Programm wie SunshineLive ist für mich authentisch, wenngleich natürlich auf anderem Level. Hier fühle ich mich nicht veralbert, auch wenn es noch so albern daherkommen mag (Flashlight). Die Erwartungshaltung ist eben eine ganz andere. Anspruch und Realität muß zusammenpassen. Das trifft natürlich auch in umgekehrter Richtung zu: wenn Herr Elitz und Frau Hollunder in der jährlich stattfindenden "Hörermeinungssendung" auf DLR Berlin eiskalt über Kritik hinweggehen und engagierte Hörer wie lästige kleine Kinder abwimmeln, könnte ich schon manchmal zum Hammer greifen... es wäre aber mein Radio, was dabei draufgeht.
Schlicht unerträglich sind natürlich alle "Die meiste Mischung in der größten Abwechslung"-Spieler. Die sind für mich definitiv UNERTRÄGLICH. Ich bin einmal über die private Webseite eines Moderators einer solchen Station gestolpert. Der wiederholte dort gebetsmühlenartig die hohlen Sprüche, die er on air absondern muß und meinte, man möge doch mal einschalten. Seitdem bin ich schwer verwirrt: ich dachte eigentlich immer, daß die, die dort arbeiten, das auch nicht ernst nehmen.
Eure Erfahrungen und Meinungen sind natürlich willkommen.

Gut' Nacht, heut' Nacht
Ist Zeit zu geh'n...
 
Der einzige private Radio-Lokalsender, den ich gehört habe, der Hörer ernst genommen hat, war das lokal Radio ISW im bayerischen Landkreis Altötting.
Da gab es ON AIR regelmäßig Live-Diskussionen mit Hörern, über deren Wünsche,
Anregungen usw.. Da wurden Hörer ungefiltert live auf Sendung genommen, im Studio waren der GF und die meisten Mitarbeiter und man bemühte sich, sofort zu reagieren.
Ob es das heute noch gibt, weiß ich nicht, denn seit 1997 bin ich aus diesem Sendegebiet weg.
Mich würde interessieren, ob es irgendwo noch so eine "Hörersprechstunde" on Air gibt !
 
Als Privatradio-Quotenhure möchte ich sagen:

Ihr dramatisiert völlig.

Erfolgreiches Privatradio vergleich ich mit der Bild-Zeitung: Viel Unterhaltung, wenig Hintergrund, aber das Wichtigste will ich unbedingt erfahren.

Die Claims, aufgezeichnete Interviews etc. gehören nun mal dazu. Da fühle ich mich nicht verarscht.
 
@Blankenfeld-Boogie:

Oh Mann, Du hast Dir ja einen historischen Nickname zugelegt. War die "Blankenfelder Boogie Band" nicht das letzte, was Marion Brasch 1991 vor der UKW-Abschaltung... Frage an alle anderen: Gibt's die Kombo überhaupt noch? Habe sie mal während meines Studiums live erlebt, als Vorgruppe zu Rio Reiser, der ja auch nicht mehr unter uns verweilt.

Meine Meinung zu Deinem Thread: Für mich hat sich der Rundfunk weiterentwickelt, und zwar in zwei Richtungen: 80 Prozent des heutigen Privatradiomarktes geht nicht primär auf die Bedürfnisse der Hörer ein, sondern beruht blindlinks auf das Ergebnis von Beratern, Researchs etc. Fakes gehören hier zum Alltagsgeschäft, schreiende Teenager, die "Hurra, ich hab die 40 fetten Tracks von Freddie auf CD gewonnen" schreien, sind freilich eingekauft. Bleiben die restlichen 20 Prozent. Um sie in aller Vielfalt genießen zu können, braucht man aber schon nen ADR- oder DVB-Receiver. Einige Beispiele, die mir spontan zum Thema einfallen: Blue Moon auf Fitz!, das Pendant Talk X auf hr-xxl, diverse Sendungen auf sunshine live (z.B. Computerprobleme), diverse Progamme auf Radio Eins (ORB), in denen auch ausgefallene Hörerwünsche gespielt werden, Pop's tönende Wunderwelt (Bremen Eins), Zündfunk (Bayern 2), Hören sagen und KulturZeit (Deutschlandradio Berlin), um nur einige zu nennen. Im Prinzip müßte man ein Scheduling für die gesamte Woche aufstellen. Dort findet man aber im Prinzip zu jeder Zeit an jedem Ort etwas, was sich deutlich vom "Einheitsbrei" abhebt.
 
Letztens habe ich Antenne Bayern gehört; die haben (glaube ich) Samstag nachmittags eine Radiotakshow, sehr geile Idee und hier werden die Hörer auch noch sehr ernst genommen. Die Themen in dieser Show sind nicht a la "Meine kleine Schwester betrügt mich mit meinem Großcousin, nur weil der mehr Geld hat", sondern echt seriös!



[Dieser Beitrag wurde von Radiozambadu am 15.04.2002 editiert.]
 
@radiozambadu
Die Sendung, die du meinst, heisst "Parrisius" und wird von Stefan Parrisius (jeden Samstag ab 12 Uhr) moderiert. Der Mann weiss wie Formatradio funktioniert und kann es sich daher erlauben, wenn das Thema und die Anrufer gut sind, von den Punkt-Nachrichten bis zum Verkehrs-Update um halb ohne Pause durchzureden.
 
Deutschlandfunk, Deutschlandradio, Nordwestradio, Funkhaus Europa, NDR 4 Info, WDR 2 ... dort werden die Hörer relativ ernst genommen, dort gibt es keine verdummenden Gewinnspiele und ausblöde Gags ... aber wahrscheinlich auch kaum Hörer unter 40! Irgendwas läuft also extrem schief ... Quoten und Anspruch klaffen mal wieder auseinander.
 
Fazit: Alle unter 40 wollen verarscht werden :)
Nö, aber scheinbar weiss hier kaum einer wie man ein zeitgemässes anspruchsvolles Kultur-und Informationsprogramm machen könnte.
Die junge Zielgruppe nur mit Musik und Spielchen abzuspeisen, ist echt armselig!
 
Aber es soll ja hier und da auch noch Leute unter 40 geben, denen die Dummfunkerei mit den Suppenhits nicht ausreicht (bin selbst erst in den 20ern und zähle mich trotzdem zum Hörerkreis von hr1). Leider wissen viele überhaupt nicht mehr, dass es auch noch besseres Radio gibt, bei dem man auch mal zuhören kann. Ein Bekannter fragte mich neulich mal (es ging da um hr1), warum ich denn diesen "Schlagersender" hören würde... :( Mittlerweile konnte ich ihn aber davon überzeugen, doch selbst mal reinzuhören. Und siehe da, nach kurzer Zeit war er "bekehrt" (und verwundert, dass Radio auch noch etwas aussagen kann). Vielleicht sollten die genannten Sender ihre potenziellen Hörer einfach mal darauf aufmerksam machen, dass es sie überhaupt noch gibt (und dass bspw. das Deutschlandradio nichts zum Essen ist). Ich denke, eine ordentliche Imagekampagne könnte die Einschaltzahlen der Sender durchaus pushen, ohne gleichzeitig das Programm zu verflachen - warum nicht mal ein Programmhinweis für eine interessante Sendung im DLF vor der Tagesschau oder nach dem Kulturweltspiegel, immerhin ist die ARD ja auch daran beteiligt.

[Dieser Beitrag wurde von studix am 16.04.2002 editiert.]
 
In der Tat, Radio sollte wieder mehr auf sich aufmerksam machen.
In der (schulischen) Medienerziehung spielt Radio kaum eine Rolle (sieht man von ein paar einzelnen DASDING-Projekten ab). Fernsehen, Internet und im Deutschunterricht das Buch dominieren in der Medienerziehung.

Im Fernsehen / Kino wird kaum für das Radio geworben.

So viele Chancen wurden bereits vertan! Z.B. auf die "Herr der Ringe"-Reihe auf SWR2 massenwirksam aufmerksam zu machen, die lief, während sich alle den Film im Kino anschauten.

Wer fühlen will, muss hören. Dieser Slogan wird noch immer rauf und runter gespielt, als ob Radio nicht noch mehr bieten könnte, als die Gefühlsebene anzusprechen.
Nicht nur deswegen kann ich diesen Slogan langsam nicht mehr hören!
 
@studix
ich bin in noch in den 10ern (bin 17) und bin ebenfalls nicht zufrieden.
Das mit der Bekanntheit der Sender kann ich nur bestätigen: Ich habe die Bekanntschaft mit einer Moderatorin vom hr gemacht, sie hat aber nicht gesagt, von welchem Sender sie kommt. Ich habe sie dann gefragt, da sagt sie wörtlich zu mir "von hr4, aber ich weiß nicht ob du diesen Sender kennst." Natürlich kenne ich ihn. Da war sie erstaunt! Vermutlich ist es so, dass Leute in meinem Alter nur FFH und planet kennen. Notfalls noch xxl und hr3, da hörts dann aber auf! Das ist armselig! Natürlich verlangt niemand jeden anderen Sender zu kennen, aber man sollte doch wenigstens wissen, dass es ein verschiedenartiges Angebot gibt.
 
@ Hitradio

Vielen Dank, lieber 17-jähriger für Dein Posting. Es bestätigt mir immer wieder, daß
die Jugendlichen sich von der Unterhaltungsindustrie nicht so schubladisieren lassen, wie sie dachten.
Ich habe ähnliches auch schon oft erlebt.
Da wurde uns von "Beratern" eingeredet, welche Programme Zielgruppe der Jugendlichen sind usw.. Ich war oft erstaunt, wie gut Bescheid Jugendliche über alte Musik, Inhalte - die über Britney Spears hinausgehen usw. Bescheid wissen.

Ich arbeite bei einem ÖR-Sender, der hat laut MA die Zielgruppe 35+ und die Hälfte aller Hörer ist angeblich über 50 Jahre alt.

Nun haben wir eine Aktion Moped- und Fahrradhelm gemacht für Jugendliche in Schulen und da gingen 4000 Bestellungen über vergünstigte Helme ein. ( 4000 Bestellungen von ingesamt 6000 Schülern in dieser Stadt !)
Ich glaube nicht, daß jeder dieser Schüler eine Oma hat, die unser Programm hört und deshalb so von dieser Aktion erfahren hat.

Mein Sohn übrigens, der hört, wenn er alleine ist, Klassik, nur wenn er in der Gruppe mit seinen Freunden beisammen ist, dann den üblichen Disco-Pop.
Seine Freundin spielt in einer Blasmusikkapelle Märsche und Walzer und dann gehen sie zusammen in die Disco und rocken up.
Die Jugendlichen ( aber auch die Senioren !) sind heute flexibler als manche glauben.
 
Studix, Hitradio, Pirni: Eure Beobachtungen kann ich nur unterschreiben!
Diese Altersgruppen-Unterscheidung, wie es z.B. der SWR besonders radikal fördert, ist mega-out!
In meinem Studentenwohnheim hören manche Tote Hosen, manche Rage against the machine, manche Abba, manche Bee Gees, ein paar sogar Schlager, aber nur wenige Radio....
 
Studix, Hitradio, Pirni: Eure Beobachtungen kann ich nur unterschreiben!
Diese Altersgruppen-Unterscheidung, wie es z.B. der SWR besonders radikal fördert, ist mega-out!
In meinem Studentenwohnheim hören manche Tote Hosen, manche Rage against the machine, manche Abba, manche Bee Gees, ein paar sogar Schlager, aber nur wenige Radio....
 
Hallo lieber Blankenfeld - Boogie.Zu Deiner Frage wo die Hörer noch ernst genommen werden.Leider nur bei sehr wenigen Radio Stationen.Es fehlt die Nähe zu den Hörern.Ein Tip von mir kleine Private geben sich noch Mühe und ich hoffe es wird so bleiben.Die großen sollten sich mal dort ein beispiel nehmen wie man es besser machen kann.Es grüßt euer PJ.....
 
Pirni, ich bin ganz auf Deiner Seite...auch wenn ich vielleicht 20 Jahre jünger bin als Du.
Der Nachwuchs hat doch heute gar nicht mehr die Chance, sich im radio erichtig zu entwickeln.
Deshalb sehe ich da auch mittelfristig keine grosse Perspektive
 
Wenn es niemand sonst bestätigen will: Das mit der Blankenfelder Boogie-Band war in der Tat so, und es wiederholte sich dann ein halbes Jahr später bei der Abschaltung des bis dahin noch verbliebenen UKW-Netzes, bevor dann die Welt z.B. erfuhr, daß Marion die weibliche Stimme ist, was sie mit "der quatscht ein' Unsinn, also wenn der Tag lang ist, also mit dir möchte ich auf die Dauer nicht zusammen moderieren" kommentierte.

Bei der Gelegenheit: Gibt es für die in allerlei Druckerzeugnissen auftauchende Schreibweise "Fritz!" (mit Ausrufezeichen) authentische Belege oder hat das nur einer vom anderen abgeschrieben?

tüt tüt tüt tüt tüt tüüüüüt
 
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