Radioqualität
Was die Hörer wollen, was die Sender bieten
Gerhard Vowe, Düsseldorf / Jens Wolling, München
Radiohörer beklagen oftmals, dass sie nicht zu hören bekommen, was ihnen gefällt. Radiosender sind andererseits auf der Suche nach adäquaten Programmen und Formaten, die Hörer zufrieden stellen – und klagen ihrerseits über die undurchsichtigen Wünsche und Qualitätsvorstellungen der Rezipienten. So bleibt die Frage: Wie groß ist eigentlich die Schnittmenge zwischen dem, was Hörer wollen, und dem, was sie dann wirklich von den Sendern geboten bekommen?
Im Auftrag der Landesmedienanstalten Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen haben sich die beiden Kommunikationswissenschaftler Gerhard Vowe und Jens Wolling mit diesen Fragestellungen auseinandergesetzt. Ihre Studie nähert sich dem Radio und seiner Nutzung mit einem Ansatz, bei dem die Qualitätsurteile der Hörer im Mittelpunkt stehen. Dabei wird der Schlüsselbegriff „Qualität“ nicht normativ definiert (als Güte), sondern analytisch (als Eigenschaft oder Unterscheidungskriterium). In der Studie wird geprüft, inwieweit die Radionutzung aus den Qualitätsurteilen der Hörer zu erklären ist. Diese Urteile werden aus zwei Teilaspekten rekonstruiert: den Vorstellungen der Hörer vom Radio, wie es sein sollte („Idealradio“), und der Wahrnehmung der Programmangebote, wie sie in der Sicht der Hörer sind („Realradio“).
Die relevanten Qualitätskriterien wurden vor Beginn der Hauptuntersuchung in Gruppengesprächen mit Radiohörern ermittelt. Eines der wesentlichen Ergebnisse der Voruntersuchung bestand in der Erkenntnis, dass hohe Qualität einem bestimmten Idealpunkt auf einem Spannungsbogen zwischen unterschiedlichen – und tendenziell widersprüchlichen – Anforderungsprofilen entspricht. Hohe Qualität wäre demnach der gelungene Ausgleich zwischen verschiedensten Erwartungen, die an ein Programm gestellt werden.
Ermittelt wurden die Erwartungen und Wahrnehmungen der Radiohörer in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Insgesamt wurden mehr als 1500 Radiohörer befragt. Die so ermittelten Qualitätserwartungen und -wahrnehmungen der Hörer wurden dann mit einer Inhaltsanalyse von 17 im Befragungsgebiet empfangbaren Radioprogrammen konfrontiert, die jeweils an sieben Tagen 14 Stunden lang analysiert worden sind.
Diese Kombination aus Befragung der Bevölkerung und Inhaltsanalyse hat insgesamt folgende Ergebnisse erbracht:
• Die Unterschiede zwischen den Radioprogrammen sind sehr viel größer, als man bislang gedacht hat. Hört man genauer hin, so weisen auch die Programme mit dem gleichen Format erhebliche Unterschiede in der Programmgestaltung auf.
• Die Hörer haben recht genaue Vorstellungen davon, was ein Radioprogramm bringen soll – welche Musik, welcher Moderationsstil, welche Mischung des Programms und vieles andere mehr. Dementsprechend wählen sie aus dem Angebot der verfügbaren Sender „ihr“ Programm. Hinter der gewohnheitsmäßigen Nutzung des Radios insgesamt steht ein klares Abwägen zwischen dem, was die Hörer wollen und dem, was die verfügbaren Programme bieten. Die Gegenüberstellung der Daten aus Befragung und Inhaltsanalyse zeigt deutlich und detailliert, in welchem Maß sich Hörererwartungen und Programmangebote aufeinander eingependelt haben.
• Bei den meisten Hörern sind erhebliche Spannungen zwischen zwei Polen festzustellen. Das bedeutet, die Hörer wollen beides: Sie wollen, dass Moderatoren locker sind und gleichzeitig seriös, sie wollen ein Radio, bei dem man am liebsten die ganze Zeit zuhören möchte, dass aber auch im Hintergrund laufen kann, ohne zu stören.
• Insgesamt zeigt sich, dass die Radionutzung generell durch Faktoren wie Gewohnheit, Motive und Lebenslagen gut erklärt werden kann, bei der Erklärung der Wahl einzelner Radioprogramme aber die Qualitätsurteile der Hörer einen bedeutenden Faktor darstellen.
Diese Ergebnisse bieten den Radiomachern die Möglichkeit, ihr Programm besser an den Erwartungen der Hörer auszurichten. Sie ermöglichen aber auch, die Programme besser als bisher miteinander zu vergleichen..
Kontakt:
Prof. Dr. Gerhard Vowe
Tel.: (0)211 811 4014
e-mail: vowe@uni-duesseldorf.de
Vertr.-Prof. Dr. Jens Wolling
Tel.: (0)89 2180 9415
e-mail: wolling@ifkw.lmu.de
Datum: Februar 2005
Was die Hörer wollen, was die Sender bieten
Gerhard Vowe, Düsseldorf / Jens Wolling, München
Radiohörer beklagen oftmals, dass sie nicht zu hören bekommen, was ihnen gefällt. Radiosender sind andererseits auf der Suche nach adäquaten Programmen und Formaten, die Hörer zufrieden stellen – und klagen ihrerseits über die undurchsichtigen Wünsche und Qualitätsvorstellungen der Rezipienten. So bleibt die Frage: Wie groß ist eigentlich die Schnittmenge zwischen dem, was Hörer wollen, und dem, was sie dann wirklich von den Sendern geboten bekommen?
Im Auftrag der Landesmedienanstalten Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen haben sich die beiden Kommunikationswissenschaftler Gerhard Vowe und Jens Wolling mit diesen Fragestellungen auseinandergesetzt. Ihre Studie nähert sich dem Radio und seiner Nutzung mit einem Ansatz, bei dem die Qualitätsurteile der Hörer im Mittelpunkt stehen. Dabei wird der Schlüsselbegriff „Qualität“ nicht normativ definiert (als Güte), sondern analytisch (als Eigenschaft oder Unterscheidungskriterium). In der Studie wird geprüft, inwieweit die Radionutzung aus den Qualitätsurteilen der Hörer zu erklären ist. Diese Urteile werden aus zwei Teilaspekten rekonstruiert: den Vorstellungen der Hörer vom Radio, wie es sein sollte („Idealradio“), und der Wahrnehmung der Programmangebote, wie sie in der Sicht der Hörer sind („Realradio“).
Die relevanten Qualitätskriterien wurden vor Beginn der Hauptuntersuchung in Gruppengesprächen mit Radiohörern ermittelt. Eines der wesentlichen Ergebnisse der Voruntersuchung bestand in der Erkenntnis, dass hohe Qualität einem bestimmten Idealpunkt auf einem Spannungsbogen zwischen unterschiedlichen – und tendenziell widersprüchlichen – Anforderungsprofilen entspricht. Hohe Qualität wäre demnach der gelungene Ausgleich zwischen verschiedensten Erwartungen, die an ein Programm gestellt werden.
Ermittelt wurden die Erwartungen und Wahrnehmungen der Radiohörer in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Insgesamt wurden mehr als 1500 Radiohörer befragt. Die so ermittelten Qualitätserwartungen und -wahrnehmungen der Hörer wurden dann mit einer Inhaltsanalyse von 17 im Befragungsgebiet empfangbaren Radioprogrammen konfrontiert, die jeweils an sieben Tagen 14 Stunden lang analysiert worden sind.
Diese Kombination aus Befragung der Bevölkerung und Inhaltsanalyse hat insgesamt folgende Ergebnisse erbracht:
• Die Unterschiede zwischen den Radioprogrammen sind sehr viel größer, als man bislang gedacht hat. Hört man genauer hin, so weisen auch die Programme mit dem gleichen Format erhebliche Unterschiede in der Programmgestaltung auf.
• Die Hörer haben recht genaue Vorstellungen davon, was ein Radioprogramm bringen soll – welche Musik, welcher Moderationsstil, welche Mischung des Programms und vieles andere mehr. Dementsprechend wählen sie aus dem Angebot der verfügbaren Sender „ihr“ Programm. Hinter der gewohnheitsmäßigen Nutzung des Radios insgesamt steht ein klares Abwägen zwischen dem, was die Hörer wollen und dem, was die verfügbaren Programme bieten. Die Gegenüberstellung der Daten aus Befragung und Inhaltsanalyse zeigt deutlich und detailliert, in welchem Maß sich Hörererwartungen und Programmangebote aufeinander eingependelt haben.
• Bei den meisten Hörern sind erhebliche Spannungen zwischen zwei Polen festzustellen. Das bedeutet, die Hörer wollen beides: Sie wollen, dass Moderatoren locker sind und gleichzeitig seriös, sie wollen ein Radio, bei dem man am liebsten die ganze Zeit zuhören möchte, dass aber auch im Hintergrund laufen kann, ohne zu stören.
• Insgesamt zeigt sich, dass die Radionutzung generell durch Faktoren wie Gewohnheit, Motive und Lebenslagen gut erklärt werden kann, bei der Erklärung der Wahl einzelner Radioprogramme aber die Qualitätsurteile der Hörer einen bedeutenden Faktor darstellen.
Diese Ergebnisse bieten den Radiomachern die Möglichkeit, ihr Programm besser an den Erwartungen der Hörer auszurichten. Sie ermöglichen aber auch, die Programme besser als bisher miteinander zu vergleichen..
Kontakt:
Prof. Dr. Gerhard Vowe
Tel.: (0)211 811 4014
e-mail: vowe@uni-duesseldorf.de
Vertr.-Prof. Dr. Jens Wolling
Tel.: (0)89 2180 9415
e-mail: wolling@ifkw.lmu.de
Datum: Februar 2005