10-kHz-Lücke beim ARD-Hörfunk in den 80ern

Mein "Schaltraum-Mensch" aus dem Block E Nalepastraße kann sich an die gemeinsame Hitparade SDR 3 / DT64 erinnern, kennt aber die Leitungstechnik innerhalb der Welt der Bonndespost auch nicht. Aus dem Bauch raus kam von ihm spontan angesichts der Kerbe "Diese 10kHz Absenkung, so scharf und tief, unvorstellbar. Nur zusammengesetzt." - also tippt auch er auf getrennte eine Übertragung des Anteils unter 10 kHz und über 10 kHz.

Ich forsche weiter.
 
Ich verstehe ja die die "Seitenband-Theorie" soweit, die Logik dahinter aber nicht.

Aus welchen Gründen war man nicht in der Lage oder gewillt, das Audiosignal vom Sendestudio im Ganzen (also 2 * Basisband von 30Hz -15kHz) in Richtung Sender (Plural) zu übertragen? An den früher üblichen R15K-Leitungen wird es ganz sicher nicht gelegen haben. Die DDR hat das ja zu dieser Zeit schließlich auch ohne Dellen im Frequenzgang und auch über RiFu-Zuführung geschafft.

Und wenn es schon ein fertiges MPX-Signal war, welches (wie auch immer - möglicherweise schon digital) vom Funkhaus zu den einzelnen Sendern geleitet wurde (um von dort evt. rein analog weiter "geballt" zu werden), dann muss das Stereo-Audiosignal eigentlich schon vor dem MPX-Encoder so behandelt worden sein, es sei denn man will selbst Kerben bei 10, 28 und 48 kHz ins MPX-Signal schlagen, bevor der Sender damit FM-moduliert wird. Das ist Unsinn. Mir geht das alles einfach nicht in den Kopp.
 
Ich verstehe ja die die "Seitenband-Theorie" soweit, die Logik dahinter aber nicht.
Ich auch nicht. ;)

Und wenn es schon ein fertiges MPX-Signal war
Mit Sicherheit nicht. Schon gar nicht - und deswegen hatte ich mir die Top 2000 D angeschaut - wenn es um eine Audioverbindung Schaltraum - Schaltraum (bzw. Fernmeldeamt - Fernmeldeamt) geht und nicht um eine Verbindung Schaltraum - Senderstandort.

Mir geht das alles einfach nicht in den Kopp.
Ich bin bei Dir.

Schade, dass man Prof. Rudolph nicht mehr fragen kann. Er ist vor 3 Jahren verstorben.

Ich habe hier auf dem Zettel noch 2 Namen stehen, bei denen ich es versuchen will. Danach wird es eng.
 
Erst mal vorweg: Ich bin schwer beeindruckt, welche Ansätze Ihr hier präsentiert und wie akribisch Ihr diese analysiert. Ich verstehe zwar gefühlt weniger als die Hälfte, aber es liest sich auf jeden Fall sehr fundiert. :)Hervorheben möchte ich für den Moment nur dies:
Damit für mich endgültig, was die Kerbe betrifft: eindeutig Leitungsthema, wie ich vermutet habe. Nix Sender, nix Tuner, nix Recorder.
Und damit gehört dieses Thema nicht in die DX-Kategorie und meines Erachtens auch nicht in die Nostalgieecke, sondern in "Studio- und Sendertechnik". Kam es da nicht sogar ursprünglich mal her? Mir ist, als hätte ich es dort mal gesehen gehabt.
 
Ich verstehe zwar gefühlt weniger als die Hälfte, aber es liest sich auf jeden Fall sehr fundiert. :)
Das ist schön und wir geben uns auch alle Mühe. Oder um es mit Herrn Jauch zu sagen: "Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit".

Ich habe auf YT einen kleinen Schnipsel gefunden. Dieser ist vom 31.12.1989 23:30 und wurde über die 94,3 von RIAS 2 aufgenommen. Dort gab es eine Schalte zu DT64 (mit Schneidewind...). Keine Kerbe bei 10k, aber gut sichtbare Glocke bei 15k.

19891231_rias2.jpg

In der selben Nacht hat DT64 das Konzert von U2 aus Dublin von der BBC live übernommen und teilweise übertragen. Das komplette Konzert lief dann am 1.1.90 um 11 Uhr. Hat das jemand aufgezeichnet? Gut, wenns aus UK kommt, könnte es auch über Sat gekommen sein.
 
Danke für den Berliner RIAS-2-Schnipsel!

Drei Sachen kommen für mich dabei raus.

1.
Es scheint sich zu bestätigen, dass RIAS 2 über die 94,3 aus Britz


aus dem Funkhaus in Schöneberg über eine Leitung versorgt wurde, die die Kerbe bei 10 kHz nicht hatte. Das deckt sich mit anderen Files, die man auf RIAS-Fanseiten findet und die offenbar via UKW Berlin aufgenommen wurden.

Anders am Standort Waldstein ("Hof"). Dorthin ging das Audio bekanntlich (zumindest wird das überall so vermeldet) durch die DDR (!) über Postleitungen, die den Alliierten zustanden ("Beuteleitung" fiel als Begriff, ob das offiziell so als Wort verwendet wurde, weiß ich nicht). Die Leitung kam demnach wohl am Mittelwellensender in Hof raus und von dort wurde zum Waldstein (UKW-Standort) mit Richtfunk gearbeitet. Und da hatte ich die Kerbe ja selbst nichtsahnend einst aufgenommen:

RIAS 2 Hof 91,2 MHz - Kerbe bei 10 kHz.png

Auch die zweite Kerbe bei 14 kHz sieht man hier ansatzweise. Und der Recorder lief zu langsam (das war zu DDR-Zeiten gut, da passte dann ein halbes Lied mehr auf eine Seite der heiligen BASF LH-EI, die die invalidisierte, also mit Westreiseerlaubnis ausgestattete Tante mitgebracht hatte).

2.
Wenn der 15-kHz-Peak in der RIAS-Übernahme drauf ist, dann kam das offenbar schon so aus dem K-Raum von DT64 im Funkhaus Nalepastraße und wurde nicht erst im Schaltraum hinzugefügt. Sonst hätte man dieses Signal ja gewiss nicht auf die Austauschleitung zum RIAS gegeben. Wo man das drauf gab, hoffe ich noch über den Schaltraum-Menschen herauszufinden, bei dem ich vorgestern wieder beinahe am Haus vorbeigeradelt bin.


3.
Auch die Leitung vom Funkhaus Nalepastraße über die Post der DDR nach Westberlin zum RIAS hatte also die Kerbe offenbar nicht drin.

Inzwischen bin ich dank Hilfe im Tonbandforum aber einen wesentlichen Schritt weiter. Es war also gut, dass ich das dort parallel vorangetrieben habe, sind halt doch nicht allzugroße Schnittmengen an "Miträtselnden" hier und dort.

Hier entlang:


Nun kam dort von jemandem namens "Übertrager" / Michael dieser Hinweis:

Übertrager / Tonbandforum schrieb:
Und beim Wühlen im Bereich N.x bin ich in der N.21 "LIMITS AND PROCEDURES FOR THE LINING-UP OF A SOUND-PROGRAMME CIRCUIT" auf folgenden Absatz gestoßen:

3.8 Measurement of stereophonic pairs
The quality criteria given refer to those of Recommendations O.32 [4] and O.33 [5]. The limits can be easily measured with the aid of such equipments.
If other measuring means are used, attention is drawn to the fact that the frequencies of 10, 11.92 and 14 kHz should be avoided because of possible stop filters which may be inserted in the transmission equipment concerned for reducing carrier leaks.

paßt auffällig gut, oder?

Damit konnte ich wiederum fündig werden:

ITU-T Rec. J.21 (ex. CMTT.505-4) "Performance characteristics of 15 kHz-type sound-programme circuits - Circuits for high quality monophonic and stereophonic transmissions" (08/94):

For sound-programme transmissions over carrier systems, occurrence of carrier leaks can be expected. For this reason, stop filters may be provided in the carrier frequency path which can be switched in, if required, to suppress the tones otherwise audible in the upper frequency range from 8 to 15 kHz. For a hypothetical reference circuit, it is recommended that the stop filters should have a 3 dB bandwidth of less than 3% referred to the mid-frequency. The use of stop filters which affect frequencies below 8 kHz should be avoided.

3-dB-Bandbreite von weniger als 3% der Mittenfrequenz. Das sind bei 10 kHz 300 Hz 3-dB-Bandbreite oder halt weniger.

Das kommt hin! Das dürfte es sein! Mal grob eingezeichnet:

10-kHz-Kerbe (Leitung vom SDR aus Stuttgart nach Berlin zu DT64) in Top 2000 D mit Werten nach...png

Wie auch immer die diese Bandsperren so schmal bekommen haben.

Damit dürfte auch geklärt sein, woher die manchmal gefundenen Kerben bei 14 kHz kommen. Leitungs-"Forensik"...

Offenbar betrifft das also nur Trägerfrequenzsysteme und bei denen fallen bestimmte Störungen durch die Trägerfrequenz(en) in den Audiobereich. Warum genau auf 10 oder 14 kHz, muss noch geklärt werden.

In der ITU-T J.34, die von 7-kHz-Leitungen handelt, die man über Telefonleitungen im TF-Verfahren betrieb, sind solche Frequenzen und Lecks näher beschrieben. Demnach also Störungen durch Mischprozesse / Signalmultiplikationen / Seitenbänder / Interferenzen. Irgendsowas aus diesem Bereich. Wird dann bei den R15K nicht anders gewesen sein. Das Verstehen des genauen Mechanismus' setzt freilich Kenntnis der verwendeten Trägerfrequenzen voraus.

Zusammengestoppelt, wie von mir vermutet, ist das Audio also offenbar nicht. Stattdessen sehr schmale Bandsperren für Interferenztöne durch Trägerfrequenzverfahren. Und Effekte von TF-Verfahren hatte ich bereits vor einigen Jahren aus dem Bauchgefühl heraus vermutet. Nur halt nicht diesen. Absolut nicht...

Das schaffen wir noch. Und wenn ich versuche, einen Ägyptologen zu befragen. Ist ja letztlich auch beinahe sowas wie Archäologie. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
@lg74, vergiss bitte die RIAS2-DT64 Geschichte von gestern erstmal. Ich habe mir jetzt den kompletten Mitschnitt zu Gemüte geführt. Am Ende sprechen beide Seiten mit- und durcheinander und während dieser Zeit ist nix von 15k zu sehen. Aber trotzdem ist dieser Mitschnitt "verdächtig".


"...frequencies of 10, 11.92 and 14 kHz should be avoided..." Mmm. Das kgV ist 10,430 MHz. Für diese Frequenz gibt es Quarz-Oszillatoren. 10,430 GHz ist auch so eine Frequenz, die einem bei der Suche begegnet und bei "microwave radio links" Vewendung findet. Dünn, sehr dünn...
 
Rein fakultativ für diesen Thread hält das Internet ein Lehrbuch der "Western Electric Company Inc." aus dem Jahr 1966 im PDF-Format für Euch bereit. Der Titel "Carrier Systems" verspricht gute Unterhaltung, denn es wird gemischt, moduliert und mit Oberwellen, Piloten und "cycles" (Hz) hantiert, daß einem bald der Ferritkern im Hirn zerbröselt. Die Einführung behandelt die Entwicklung der Kommunikatiostechnik - das kann man mal lesen.

Gesucht habe ich aber eigentlich nach "carrier leaks". Im Lehrbuch findet man beispielsweise dies:

"The 109B carrier leak suppression filter adds an additional attenuation of about 40 decibels at frequencies of 64, 92, and 108 kilocycles. These suppression bands are extremely narrow, being only about +20 cycles wide..."

Die Frage ist also nicht mehr, ob man solche schmalen Filter analog bauen konnte.
 
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