AW: 20 Jahre Lokalradio NRW
@Kurzwellenfreak: In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich mich intensiver mit der Thematik befasst und musste dabei meine frühere Hoffnung, es ließe sich auf irgendeine Art und Weise eine Veränderung in die Wege leiten, nicht vollständig, aber doch zum großen Teil, begraben.
Das Grundproblem liegt m.E. bei den Mehrheitsverhältnissen beim Lokalfunk.
Hinter diesem stehen Bertelsmann, RTL, fast alle namhaften Zeitungsverlage des Landes, allem voran die WAZ-Mediengruppe und, um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, der WDR.
Jeder dieser Akteure ist schon für sich genommen derart einflussreich, dass man von unten kommend kaum etwas gegen einen einzelnen auszurichten vermag, beim NRW-Lokalradio treten sie jedoch zu allem Überfluss auch noch in einem Verbund auf.
Selbst wenn es also rein hypothetisch gelänge, alle Webradioveranstalter, Grundstücksfunker und Piraten an einen Tisch zu bekommen (was ohnehin nicht möglich ist, da gerade in NRW diese aufgrund persönlicher Ressentiments untereinander verfeindet sind) und zur Schaffung einer gemeinsamen Initiative zur Veränderung des Status Quo zu bewegen, wäre man auch zusammengenommen immer noch viel zu schwach, um etwas zu bewegen.
Ähnliche Versuche auf bundesweiter Ebene, wie den Verband mittelständischer Rundfunksender (die ehemalige Homepage
http://www.vmrev.de ist inzwischen offline) hat es bereits gegeben, doch auch die sind letztlich gescheitert.
In NRW haben wir ein ultraliberales Mediengesetz, welches die Verantwortung über die Kapazitätszuweisungen auf UKW vollständig der Medienkommission überträgt.
Wenn ich an dieser Stelle mal einen Vergleich ziehen darf: In Ostbelgien sind die neuen Regelungen sehr streng, aber es gibt zumindest klare Kriterien, die ein Anbieter erfüllen muss, um eine realistische Chance auf eine Frequenzzuweisung zu haben.
In NRW kann quasi jeder alles machen, aber es kommt trotzdem niemand zum Zuge.
Wäre das LMG analog zum Mediendekret der DG aufgebaut, dann gäbe es ein klares Procedere, wie unabhängige Hörfunksender on air gehen können, doch genau dies ist nicht gewollt, so dass das LMG in Sachen Rundfunk lediglich den Aufbau des Lokalfunks im Rahmen des Zweisäulenmodells festlegt, ansonsten jedoch alles weitere an Entscheidungen der Medienkommission überantwortet, die mit ihren „Vielfaltsgesichtspunkten“ bei der Frequenzvergabe ein juristisch nicht oder nur äußerst schwerlich angreifbares Argument in den Händen hält.
Wie perfide das ganze System ist, sieht man ja auch an der von Dir erwähnten Frequenzvergabe für die zweite Kette: Es war immer nur von den ehemaligen D-Radio-Frequenzen die Rede, plus einiger Zusatzfrequenzen, wie bspw. der Dortmunder 105,4, die sowieso nur mit geringer Leistung gefahren werden können.
Erst kurz vor Beginn der Konsultationsphase brachte die LfM die Nachricht heraus, man werde nun auch noch die leistungsstarken Frequenzen aus den Schubladen der Staatskanzlei hinzukoordinieren, damit die Kette wirtschaftlich arbeiten kann, siehe:
http://www.radioszene.de/24792/neue-nrw-kette-doch-noch-mehr-frequenzen.html
Der Gedanke dahinter ist klar: Man wollte die Zahl der Bewerber möglichst niedrig halten, um sich möglichen Ärger, wenn die zweite Kette an einen Ableger der Zeitungsradios geht, zu ersparen.
Sollte ein potentieller Anbieter genau auf diese Frequenzen spekuliert und sich deshalb nicht am Ausschreibungsverfahren beteiligt haben, ist sowas natürlich eine Hiobsbotschaft. Andererseits wiederum nicht, weil man sowieso nicht zum Zuge gekommen wäre, denn es steht m.E. bereits jetzt fest, wer schlussendlich den Zuschlag erhält.
Was DAB+ angeht: Dieses Verfahren ist ein Strohhalm, den ein potentieller Programmveranstalter ergreifen kann, um in NRW doch noch terrestrisch auf Sendung gehen zu können. Dass die Zugangsbedingungen bei DAB+ liberaler sind, als bei UKW, liegt auf der Hand: Dieses Übertragungsverfahren birgt ein finanzielles Risiko in sich, das die etablierten Konzerne nicht übernehmen wollen.
Es besteht eine gewisse Gefahr, dass das ganze keinen Durchbruch erzielt, was dazu führt, dass man dann doch lieber andere Anbieter großzügig vorlässt, zumal bei DAB+ aufgrund des Bundesmuxxes Konkurrenz für den Lokalfunk, sollte dieser einmal via DAB+ ausgestrahlt werden, sowieso nicht mehr zu vermeiden ist.