Die Frage müsste detaillierter gestellt und dann auch detaillierter beantwortet werden. Um welche Stelle im Entstehungsprozess einer "UKW Radiosendung" geht es? Um die in den Anstalten ankommenden Audiofiles der Musikindustrie? Um das Format, das in den Anstalten verwendet wird bei eigenen Produktionen (die dann eben auch auf UKW laufen), also z.B. Hörspiele, Klassikaufnahmen der eigenen Klangkörper etc? Um das Format, das Reporter "von der Straße" mitbringen und dann daraus Beiträge erstellen? Um das Format, das im tatsächlichen Sendesystem (On-Air-Software nebst vorgeschaltetem lokalen Pufferspeicher) vorliegt? Oder um das Format, das zur Distribution verwendet wird, also zur Zuführung vom Funkhaus zu den UKW-Sendern (es geht ja um UKW)?
Das kann je nach Anstalt in einzelnen Punkten völlig anders gehandhabt werden und teils nichtmal durchgängig innerhalb einer Anstalt einheitlich sein.
Was wohl durchgängig üblich sein dürfte, ist eine Arbeit mit 48 kHz Abtastrate in den Sendestudios und in den vorgeschalteten Speichern. Das ist historisch bedingt, die digitalen Audiostandards in der Studiotechnik hatten meist 48 kHz Abtastrate. Der DAT-Recorder wurde mit 48 kHz spezifiziert (er kann auch 44,1 kHz zur CD-Direktüberspielung), andere bandbasierte Systeme (z.B. Tascam DA-88 auf Video-Hi8-Kassetten, 8 Audiospuren waren möglich) liefen ebenso mit 48 kHz. Die Mischpulte waren und sind auch mit 48 kHz getaktet, in größeren Installationen üblicherweise mit zentral verteiltem Haustakt 48 kHz.
Nur die Audio-CD weicht ab: 44,1 kHz, soweit mir bekannt, weil der Bandspeicher, den man Anfang der 80er Jahre verwendete, um CD-Master zu erstellen und zum Presswerk zu transferieren, aus der Videotechnik stammte und bei 44,1 kHz / 16 Bit funktionierende Parameter zur "missbräuchlichen" Benutzung als Audiorecorder hatte. U-Matic hieß dieses System, das dazu einen PCM-Prozessor vorgeschaltet bekam, der Audiodaten digitalisierte und einen Datenstrom erzeugte, der vom U-Matic-Videorecorder als "Video-Hochfrequenzsignal" akzeptiert wurde.
Die Musikindustrie liefert heute meines Wissens nach via FTP 44,1 kHz zu, also das, was auf den Audio-CDs drauf ist. Angeliefert wird meines Wissens nach als FLAC, also lossless gepackt. In den Anstalten wird das ausgepackt (-> PCM) und weiterverarbeitet. Dabei ist es bei ARD-Anstalten seit langer Zeit üblich, in 48 kHz zu konvertieren (was keinerlei audioqualitativen Vorteil bringt, aber Konsistenz mit dem Funkhaustakt sicherstellt) und für den on-air-Einsatz als psychoakustisch datenreduziertes (verlustbehaftetes) MPEG 1 Layer 2 ("MP2") mit 48 kHz Abtastrate und 384 kBit/s Bitrate ins Archivsystem zu legen. 384 kBit/s ist die höchste Stereo-Bitrate, die bei MPEG 1 Layer 2 im Standard vorgesehen ist. Klanglich ist das sehr gut ("transparent") und erträgt auch nochmal eine Kaskadierung (weitere Datenreduktion im späteren Prozessablauf) ohne große Unfälle.
Was mit den Originalen von der Musikindustrie passiert, ob man sie als FLAC oder als PCM archiviert oder eventuell gar nicht, dazu wage ich keine Aussage. Das könnte auch je nach Anstalt unterschiedlich sein.
RBB Radio Eins hat nun BWF mit MPEG 1 Layer 2, 384 kbps gemeldet. Auch die stundenweise dort im System abgelegten Log-Files des Liveprogramms haben seit einiger Zeit diese Parameter (vorher waren es nur 256 kBit/s und es war einst auch mal ein *.mus-File statt eines BWF).
BWF ist ein Container namens "Broadcast Wave Format", der in diesem Fall ein MPEG 1 Layer 2 enthält. Er könnte auch unreduziertes Audio als PCM (das, was man unter Windows "Wave" nennt) enthalten. Unter Windows verweigern viele Player das Abspielen eines *.bwf, sie kennen das Format nicht. Da nur ein MPEG 1 Layer 2 drin steckt, genügt allerdings bei den RBB-Files Umbenennen in *.mp2 und sie werden z.B. vom Winamp gespielt und man kann die Files wunderbar in mp3DirectCut schneiden. Die im BWF vorhandenen Metadatenbereiche zur weiteren Indizierung werden dabei übergangen. Diese Metadaten sind der große Vorteil von BWF, man kann Zusatzinformationen im File unterbringen. Schauen wir mal in einen Stunden-Log von Radio Eins hinein (Anfang der Datei, Bereiche ohne relevanten Inhalt übersprungen):
Am Dateikopf kommt erst der Header mit den grundlegenden Angaben, die ein Microsoft-kompatibles RIFF-File benötigt. Dann folgen Metadaten, dann stehen die Parameter des MPEG-Bereiches drin. Die Bitrate wird dabei kanalgetrennt angegeben, also je Stereokanal 192 kBit/s, in Summe 384 kBit/s.
In anderen Anstalten können auch andere Dateicontainer genutzt werden, je nach Sendesoftware. Die MPEG 1 Layer 2 mit 384 kBit/s als Audio-Codec sind bei der ARD aber üblich. Die Musik liegt in diesem Format zur Sendung vor, auch vorproduzierte Beiträge werden so aufbereitet in den Sendeplan geladen.
Reporter bringen heute noch "von der Straße" unter Umständen MP3 mit 128 kBit/s stereo oder joint stereo mit, also schäbig schrabbeligen Sound. Ich habe auf Bayern 2 vor wenigen Jahren eine wunderbare Reportage aus der damals noch existierenden Reihe "Weitwinkel" gehört, in der waren O-Töne aus Rumänien drin, die dermaßen schäbig klangen, dass ich auch da vermute, der Aufnehmende war mit einem auf 128 kBit/s MP3 eingestelltem Recorder unterwegs gewesen. Das sind dann Einstellungen aus der Zeit, in der Speicherkarten 192 MByte hatten. Das gerne verwendete "Flashmic" konnte unreduziert (Wave) mit 48 kHz, aber auch MPEG 1 Layer 2 mit 192 kBit/s bei 48 kHz, das war mono (ein Hand-Mikrofon), entsprechend vergleichbar 384 kBit/s stereo in der Sauberkeit.
Bei der Produktion des Beitrages, der solche O-Töne (oder auch welche von der VW-Vorstandssitzung oder der Drittligisten-Pressekonferenz) enthält, werden die O-Ton-Files in die Audio-Workstation gezogen und dort wieder in PCM gewandelt, denn nur auf Sample-Ebene kann man sauber schneiden und mischen. Wenn am Ende ein Beitrag in z.B. 384 kBit/s MPEG 1 Layer 2 vorliegt, ist der darin enthaltene O-Ton-Gehalt also recodiert, was ihm nicht gut tut. Man sollte deshalb immer unreduziert aufnehmen und produzieren (also kein MP2 oder MP3 zur Aufnahme nutzen) und erst am Ende die Sendefassung neben einer unreduzierten Version fürs Langzeitarchiv im entsprechenden Sendestandard (384 kBit/s MPEG 1 Layer 2) bereitstellen. Mit wertvollen Eigenproduktionen (Hörspiele, Klassik) wird das auch gemacht: die werden ohne psychoakustische Datenreduktion produziert. Nur die Sendefassung (wenn überhaupt!) wird dann in 384 kBit/s eingedampft.
Eine andere Liga sind dann nochmal die Mehrkanalproduktionen (5.0), die ab und an in einigen Anstalten entstehen in Form von Klassik oder Hörspielen. Da wird unreduzierter Mehrkanalton herumgeschleppt und abgemischt. Die Sendung ist dann nochmal ein Kapitel für sich.
Beim "Abspielen" wird am Interface zwischen Sendesoftware und Mischpult in PCM-Daten gewandelt, die Mischpultsyteme nehmen lineares PCM entgegen und verarbeiten auch selbiges. Es kommt dann auch natürlich PCM aus dem Mischpult raus und geht in die weiteren Bearbeitungsstufen. Im Falle von Radio Eins also in den heiligen Plattklopf-Verzerr-Dumpfgrellmach-Automat, der dann Gleichstrom draus macht und panisch exakt bei -9dBFS pegelt. In Anstalten, die zumindest "gehobenen" Programmen auch auf UKW ein halbwegs anständiges Klangbild gönnen, ist ein anderes Audioprocessing in Verwendung, eben eines, das nicht den aktuellen Erkenntnissen der Psychoakustik entspricht, denn diese hat nur der RBB.
Nach dem UKW-Processing wird es wieder interessant: wie gelangt das Signal zu den UKW-Standorten? Da sind die unterschiedlichsten Systeme im Einsatz.
Einige ARD-Anstalten haben vergangenes Frühjahr ein neues System namens
Disnet in Betrieb nehmen lassen. Das ist ein von der Media Broadcast betriebenes Netz, in dem alle Dienste übertragen werden - auch UKW. Beim MDR läuft die UKW-Zuführung da drin via unreduziertes PCM. Also kein MP2 oder sowas, es wird mit einem mir nicht bekannten Codec ein PCM-Stream übertragen. Damit gibt es keine weitere psychoakustische Datenreduktion hinter dem Mischpult. Live-Elemente (Sprache) dürften damit auf UKW ohne jede Datenreduktion ankommen.
Der BR erzeugt zentral im Münchner Funkhaus mit Stereo-Codern, wie sie eigentlich direkt an den Sendern stehen, das sogenannte MPX-Signal, ein analoges Signal, das die Monosumme (Links plus Rechts), den Stereopilotton auf 19 kHz, die beiden Seitenbänder des auf einen unterdrückten Hilfsträger von 38 kHz amplitudenmodulierten "Seitensignals" (Links minus Rechts) sowie die RDS-Informationen um 57 kHz enthält. Füttert man so etwas in einen UKW-Sender, erhält man ein vollwertiges UKW-Stereosignal mit RDS. Eigentlich steht dieser MPX-Coder an jedem Sender, beim BR steht er zentral. Danach folgt eine Digitalisierung (!) des kompletten MPX-Signals (Frequenzgang bis über 60 kHz!) und die Übertragung meines Wissens nach über eine Richtfunktechnik zu den Sendern. Man hat die Signalerzeugung also zentralisiert. Nur einzelne kleine Sender von BR Klassik laufen meines Wissens nach noch über eine andere Zuführung, gleich mehr dazu. Ich bekam beim BR vor 6 Jahren die Vorgänger-Zuführung zu sehen, die lief via
APT Oslo. Frag mich bitte nicht nach den Audio-Parametern...
Auch üblich waren vor etwa 17 Jahren Zuführungen über Capella-Codecs, die soweit ich mich erinnere an 2-MBit/s-Leitungen liefen und - ja was eigentlich? - machten? 384 kBit/s geht mit Capella, aber ob das MPEG 1 Layer 2 war, weiß ich nicht. Zu den Codecs findet man auch nicht wirklich viel im Netz.
Vielleicht mal beim hr nachfragen, der hatte glaube ich einst Capella zu den UKW-Standorten laufen.
Auch der ganz normale Astra-Transponder 93 auf 19,2° Ost, der neben ARD alpha und SR Fernsehen auch die Radioprogramme überträgt, wird teils zur Zuführung herangezogen. Der MDR tat dies an zahlreichen Kleinstandorten (MDR Aktuell und MDR Sputnik), ob er es aktuell noch tut, weiß ich nicht. Der BR versorgt(e) damit auch paar Standorte von BR Klassik. Damit heißen die Parameter dort: MPEG 1 Layer 2, 48 kHz, stereo, aber nur 320 kBit/s.
Sogar das alte, im Frühjahr 2012 abgeschaltete Astra Digital Radio (ADR), ein Consumersystem, wurde teils zur Zuführung geringer privilegierter Standorte genutzt. Wieder muss MDR Info (das heutige MDR Aktuell) erwähnt werden, da liefen wohl zahlreiche ADR-Kisten an Kleinsenderstandorten. Parameter: MPEG 1 Layer 2, 48 kHz, stereo (bzw. anfangs teils fehlerhaft implementiertes joint stereo), 192 kBit/s.
Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur hatten von der Media Broadcast vor vielen Jahren ein Zuführungssystem einrichten lassen, das seine Heimat dann auf Astra 23,5° ost fand (man erzählt sich, es wäre auch Hotbird getestet worden). Dabei wurde ein spezielles Schmalbandsystem eingesetzt (SCPC, single channel per carrier) mit einzeln adressierbaren proprietären Receivern von International Datacasting. Audioformat dieser UKW-Zuführung: MPEG 1 Layer 2, 48 kHz, stereo, 192 kBit/s. Das hörte man auch deutlich: Applaus klang wie brutzelndes Frittierfett in einer Pfanne, Sprecher lispelten. 192 kBit/s MPEG 1 Layer 2 sind halt sehr grenzwertig. Weiterer Nachteil: solche niedrigen Bitraten machen durch ihre Abweichungen vom Original teil Einzelsamples, die weitaus höher bzw. niedriger liegen als im Original. Der samplebasiert gemessene Spitzenpegel kann durchaus einige dB höher liegen, was Vorsicht bei der Pegelung des Systems erfordert, damit der Spitzenhub auf UKW nicht über 75 kHz geht. Inzwischen ist das System steinalt, Ersatzteile gibt es nicht mehr und der Dienstleister Media Broadcast musste sich was anderes einfallen lassen. Der Nachfolger ist ein schmaler Transponder auf Astra 23,5° Ost (Symbolrate unter 1000, deshalb nur mit sehr wenigen Consumer-Satreceivern einlesbar), auf dem genau zwei Stereo-Audiostreams in je 384 kBit/s MP2 Platz finden. Auf dem einen läuft seit einigen Jahren schon der DLF Köln und wird so zu UKW zugeführt. Der klangliche Unterschied ist deutlich hörbar, das Signal ist weitaus sauberer. Die zweite Stereospur war zeitweise leer, zeitweise wurde auf ihr offenbar experimentiert. Inzwischen ist dauerhaft DLF Kultur (Berlin) aufgeschaltet, ich gehe davon aus, dass der Umbau der Zuführung dort auch inzwischen angelaufen ist. Dann werden es ebenfalls 384 kBit/s. Die Havariezuführungen laufen dabei über Astra 19,2° ost (beim ZDF), jeweils 256 kBit/s.
Es war bzw. ist bei den öffentlich-rechtlichen Programmen in der Distribution also alles mögliche dabei bzw. dabei gewesen: Capella, ADR 192 kBit/s, DVB-S 320 kBit/s, unreduziertes Audio via PCM, direkte MPX-Zuführung. Auch Leitungen mit 384 kBit/s MPEG 1 Layer 2 waren wohl teils in Nutzung.
Bei einigen Privatsendern sah ich 256 kBit/s MPEG 1 Layer 2 stereo mit 48 kHz als "Hausformat" für Musik, Werbung etc. Radio Hamburg hingegen hat 1998 begonnen, ohne Datenreduktion im Sendeablauf zu arbeiten. Warum gerade ein Popsender zum Nebenbeihören diesen (damals teuren, Speicherkosten!) Schritt ging, bleibt mir unklar. Mehr (historisches) zu diesem Thema findest Du in der Diplomarbeit
Die Digitalisierung der Hörfunkproduktion von Hannes Krummheuer:
www.diplom.de/e-book/217669/die-digitalisierung-der-hoerfunkproduktion
In der Distribution (UKW-Zuführung) sah ich bei Privatsendern sowohl 256 kBit/s MPEG 1 Layer 2 als auch 192 kBit/s MPEG 1 Layer 2 (z.B. via Astra-Satellit) oder gar (exotisch!) 192 kBit/s MPEG 1 Layer 2 via DAB (als UKW-Zuführung !!!). Die Divicon, die inzwischen Dienstleister zahlreicher Privatsender ist, installiert u.a. Zuführungen in 384 kBit/s Eapt-x mittels
QBit Q562 an den Senderstandorten. Havarielösung könnte dann z.B: eine durch diesen Codec erfolgende Einwahl beim Sender sein, dann werden 64 kBit/s HE-AAC gezogen, also bessere Diktiergerätequalität.
Es gibt also viele Audio-Formate auf dem Wege zu UKW.