Bildungsniveau ... gesucht? Gefunden?

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Patrick Hacker

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Ich greife in diesem elitären Forum ein etwas heikles Thema auf, in der stillen Hoffnung, dass es nicht auch hier sofort zerrissen wird.

Mich umschleicht gelegentlich das Gefühl, dass Allgemeinwissen und gewisse Grundlagen bezüglich Sprachfertigkeit (was meines Erachtens oft einhergeht) bei manch Kollegen in den Redaktionen eher dürftig ausfallen.

Um dem Missverständnis vorzubeugen: Ich will nicht den Streit ÖR / Privatsender oder wortlastiger Sender / Musiksender in dieses Forum tragen, da ich davon überzeugt bin, dass in jedem Format ein gewisses Maß an Bildung und Eloquenz vorhanden sein muss, um die zu transportierenden Inhalte (welcher Form auch immer) glaubwürdig an die Hörer zu bringen.

Langer Rede kurzer Sinn: Wo ist die Wurzel des Übels? Trifft ein generelles Absinken des Bildungsniveaus unsere Branche, oder werden o. g. Faktoren in der Personalpolitik vieler Sender unterbewertet?
 
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Hi Patrick,

ich habe akut nicht das von Dir geschilderte Problem, aber ich weiß genau, was Du meinst. Ich glaube, es liegt an der Personalpolitik - und zwar Personalpolitik unter zwei Gesichtspunkten:

1. Personalpolitik als Entscheidung: Im Zweifel wird eher auf diejenigen zurückgegriffen, die on air besser klingen - auch wenn es Bildungsdefizite gibt.

2. Zur Personalpolitik gehört auch Weiterbildung wie Sprechtraining. Stimmlich schwache "Alleswisser" holen damit auf, und der Chef hat am Ende einen Mitarbeiter, der über beides verfügt: Bildung und Stimme.

Bekommt ein Sender wirtschaftliche Probleme, wird leider an der Weiterbildung zuerst gespart - mit dem Ergebnis, dass vor allem Punkt 1 zur Anwendung kommt.
 
AW: Bildungsniveau ... gesucht? gefunden?

Nun, wir leben halt in einer Zeit, in der Hörerquoten alles sind und viele Entscheidungsträger in dieser Hinsicht eher auf Gewinnspiele und vorproduzierte Eigenwerbe-Jingles setzen als auf interessant aufbereitete Inhalte, weil das ja alles möglichst nichts kosten darf.

@beyme:
Es ist nicht die tolle Stimme, die da entscheidet - und das kann man sowohl bei den ÖR's wie bei den Privaten deutlich hören; es ist zumeist lediglich (mit Ausnahme der Frühshows) der Preis entscheidend. Studenten mit Bürgerradioerfahrung sind nun einmal billiger als erfahrenes, zumal meist teuer ausgebildetes Personal (bei den ÖR's gehts weniger über den Preis, mehr über die persönlichen Beziehungen ...). Die Stimme als entscheidendes Merkmal hat schon lange ausgedient.
Deswegen brauchts auch diese vielen vorgestanzten Claims, Jingles und Verpackungen, deswegen werden die Wortstrecken immer kürzer; da muß kein Mod oder Nachrichtenmann sich mehr für falsche Betonung, Grammatik, mangelnden Einfallsreichtum oder gar Dummfug on air mehr schämen, das geht da eh nicht mehr ... Nervt das Wort, wird es abgeschafft, anstatt es besser zu machen ... ... ist eben billiger und einfacher ...

Schade eigentlich ...
 
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Die Mitarbeiterauswahl folgt Tätigkeitsanforderungen. Da sich Medieninhalte und die Art und Weise, wie sie produziert werden, verändert haben, ändert sich auch die Personenauswahl, die diese Inhalte erstellt.

Dank Digitalisierung der Produktionsmittel, dank Internet und durch den höheren Anteil von Servicethemen, Skandal-Trash und (Gewinn-)Promotions brauchen immer weniger Sender eine Mannschaft, deren Mitglieder Uniabschluss und Volontariat haben.

Es genügt eine gut organisierte Führungskraft, die mit Etatverantwortung, Mafo-Ergebnissen und Beraterempfehlungen umgehen kann sowie ein paar aufgeweckte, aber nicht unbedingt umfassend gebildete "Ausführer" und fertig ist das Team.

Die Kompetenzen haben sich sehr verändert. Musikredakteure und On-Air-Promoter texten und planen heute Positionierungen, Anmutungen und Inhalte, die früher eine ganze Redaktion von Moderatoren und CvDs beschäftigte. Selektor-, Musicmaster, Logic- und Protoolskenntnisse sind heute wichtiger als Latinum und Doktorhut...

...stellt subjektiv die Jasemine fest.
 
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Latinum und Doktorhut :)

Mir würde es ja schon reichen, wenn Moderatoren, Korrespondenten und Reporter ihrer Muttersprache mächtig wären. Was man da, leider auch bei den Öffis, mit unschöner Regelmäßigkeit an Konstruktionen vorgesetzt bekommt, ist zum Davonlaufen. Als ein Beispiel von vielen sei das beliebte, aber deswegen nicht weniger falsche "im Mai dieseN Jahres" genannt.

*grusel*
 
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erste einmal stelle ich fest, daß DAS Radio auch die Kultur, Klassik und Info-Wellen sind. Also Sender, bei denen ein gewisses Maß an Bildung ganz direkt notwendig ist, um mit den Inhalten umgehen zu können.
Darüberhinaus halte ich aber auch eine gesunde Allgemeinbildung, oder besser: eine gehörige Portion Vernunftbegabtheit und/oder Reflexionsvermögen auch bei Pop-Gewinnspiel-, Boulevard-, Positionierungs-Sendern von Vorteil, oder sogar vonnöten. Einfach aus dem Grund, da Radio, in welcher Form auch immer, eine große Macht bei der Meinungsbildung hat. Der Einsatz dieser Macht will gut überlegt sein.
Ich erinnere mich an eine Diskussion zu fast genau diesem Thema, dabei fiel von einem Kollegen der Satz: "Mein Job ist klar: ich sende, was der Hörer will und was Quote bringt".
Ich meine, ganz so einfach ist es nicht.....
 
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:rolleyes:

Das sinkende Niveau hängt auch mit fehlender bzw. stark nachlassender Kontrolle der Sendeinhalte zusammen. Trotz ziemlich konkreter Anforderungen in den Lizenzbedingungen der (Privat)Sender, kann doch eigentlich jeder machen was er will. Vor einigen Jahren (sagen wir mal 7 bis 8 Jahre her) haben die Landesmedienanstalten noch genau mit eigenen Aircheck´s Inhalte und Machart z.Bsp. von Beiträgen geprüft. Nachrichten waren zwingend in der eigenen Redaktion zu erstellen usw. Da mußte man schon Leute mit Ahnung, sprich: Ausbildung in den Redaktionen haben. Sonst gab es Ärger. Inzwischen hängen sich die Landesmedienanstalten nicht mehr so ins Programm. Hauptsache der informative Wortanteil stimmt. Ob dieser Rückzug gut ist oder nicht, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall hat es den Sendern eine Lücke zum Sparen aufgemacht. Betriebswirtschaftlich gesehen haben sich die Privatfunker dann vorbildlich verhalten. Habe ich die Möglichkeit, Nachrichten vom Volontär/Praktikant machen zu lassen, dann ist der festangestellte Redakteur überflüssig. Bei Reportern, Moderatoren usw. ist es genauso. Das Geld liegt nun mal nicht auf der Strasse. So folgte die schleichende Auswechselung des ausgebildeten Personals gegen Hilfskräfte jeder Art. Damit ging natürlich auch ein Verjüngung der Mannschaft einher, was aber nicht zwingend mit Jugendwahn zu tun hatte. Es sind nun mal immer die Jüngeren, die ohne Erfahrung (oft mit irgendeiner abgebrochenen Ausbildung) auf die Verheißungen der PC´s von der Radiokarriere reinfallen. Wenn dann so ein junger Mensch mit 18,19 oder 20 Jahren z.Bsp. Nachrichten machen darf/soll, dann stößt er sehr schnell an seine Grenzen, krass gesagt: kann Bundesrat und Bundestag nicht unterscheiden oder hält Big Brother Nominierungen für einen bundespolitischen Vorgang.
Aber: Wie Jasemine sagte: ..."die Medieninhalte und die Art und Weise ihrer Erstellung ändern sich". Deswegen ist das aus obengenannten Gründen gesunkene Niveau kein Problem bzw. Weltuntergang. Radiosender haben keinen journalistischen Auftrag mehr. Deswegen werden die Sender inzwischen nach anderen Kriterien geleitet, bzw. auf dem Markt positioniert. Ein paar vereinzelte ÖR INfokanäle mal ausgenommen.
Ich glaube aber auch, daß das Bildungsniveau nachgelassen hat. Ich merke das bei meinen Praktikanten. Das sind zum Teil UNi-Studenten, aber auch Abi-Frischlinge. Viele haben massive Rechtschreibschwächen und/oder kämpfen mit erheblichen Wissenslücken. Letztens wollte mir ein Praktikant erzählen, die Gründung von DDR/BRD wäre 1961 gewesen. Als ich das für nicht ganz korrekt hielt, hat der junge Mann sogar versucht mich zu überzeugen! Unglaublich! Am Ende stellte sich heraus, daß er Geschichte beim Abi abgewählt hatte. Ich wußte garnicht, daß das geht. Wie dem auch sei, ich vermute noch folgendes: Hat das offenbar gesunkene Bildungs-Niveau bei Radiomitarbeitern vielleicht auch mit einem Werte-Verfall (Prestigeverfall) des Jobs zu tun? Wer nichts so richtig weiß, der geht halt zum Radio??


einen schönen abend noch, wünscht ganz subjektiv

nomos ;)
 
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Makeitso schrieb:
Latinum und Doktorhut :)

Mir würde es ja schon reichen, wenn Moderatoren, Korrespondenten und Reporter ihrer Muttersprache mächtig wären. Was man da, leider auch bei den Öffis, mit unschöner Regelmäßigkeit an Konstruktionen vorgesetzt bekommt, ist zum Davonlaufen. Als ein Beispiel von vielen sei das beliebte, aber deswegen nicht weniger falsche "im Mai dieseN Jahres" genannt.

*grusel*

Da bin ich prinzipiell Deiner Meinung, Makeitso. Allerdings finde ich es schlimmer, daß es in den Sendeanstalten fast keinen "Airchecker" bzw. Vorgesetzten mehr gibt, der seine Moderatoren auf solche Fehler hinweist. Vielleicht weil er es selbst nicht besser kann oder weil er es eben nicht als Fehler sieht. Ich bin mir sicher, daß viele Mitarbeiter dankbar wären, wenn sie jemand auf ihre Sprach- und Betonungsfehler aufmerksam macht, denn ein guter Mod zeichnet sich auch dadurch aus, daß er ständig an sich arbeitet.
Ich will ganz ehrlich sein und einen Fall schildern, der mich persönlich betrifft.
Seit meinem 18. Lebensjahr moderiere ich und erst als ich 31 war, hat mich ein Kollege einmal darauf aufmerksam gemacht, daß ich die Endungen mancher Wörter falsch spreche. Ich sagte immer "Charivari achtundneunZIG sechs" oder "15 Uhr zwanZIG". Er sagte mir, daß man es nicht ZIG, sondern ZICH spricht. Seit diesem Tag spreche ich es richtig und habe mich gefragt, warum mir das in den ganzen Jahren zuvor noch niemand gesagt hatte.
Das Problem ist also meiner Meinung nach nicht nur der Mensch am Mikro, sondern auch die Leute, die ihn eigentlich auf seine Fehler aufmerksam machen müssten. Dafür sind sie ja auch da, oder?

Gruß

Markus

P.S. Habe neulich bei Günter Jauch in der Sendung "Wer wird Millionär" übrigens festgestellt, das er ebenfalls zu den ZIG-Sagern gehört ;)
 
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@Nomos

Mit der Einführung des privaten Rundfunks waren ursprünglich die gleichen Forderungen, wie an die Öfre (allerdings etwas abgespeckt) verbunden: Vorrang hatte Vielfalt in Form von Vollprogrammen, die den Leistungsbeitrag des Rundfunks mit Blick auf die demokratische Meinungs- und Willensbildung sichern sollten. Viele der "alten" Sender sind auch heute noch als Vollprogramme lizensiert, ohne dies aber inhaltlich oder in der Programmierung zu erfüllen. Das Problem an der Aufsicht durch die LMA liegt darin, dass diese tatsächlich kaum Handlungsspielraum haben. Die Programmgestaltungsfreiheit darf nicht angetastet werden. Die Aufsicht der LMA über die privaten Veranstalter von Rundfunksendungen ist eine Rechtsaufsicht. Somit können LMA nur dann eingreifen, wenn ein Vorstoß gegen eine konkrete Rechtsnorm vorliegt. Jede Intervention ist zugleich ein problematischer Eingriff in die Veranstalterautonomie und die Programmfreiheit. Die theoretische Option der Ahndung von Vergehen im Sendebetrieb besteht, allerdings ist die Aufsicht und Kontrolle insbesondere in all den Fällen, in denen sich die Aufsichtsorgane nicht auf Normen beziehen können, die ohne Widerspruch eindeutig zu operationalisieren, sondern auf Generalklauseln und unbestimmte Rechtbegriffe angewiesen sind, die weite Ermessensspielräume eröffnen erschwert. Also halten sich die Aufsichtsinstanzen insbesondere bei der Durchsetzung von programmbezogenen Normen vergleichsweise zurück, während Werbeverstöße (betreffend z.B. Zeit, Dauer, Plazierung etc.) eindeutig zu fassen und somit zu rügen sind. Die eigentlichen Lenkung und Kontrolle der Sender liegt in der Phase vor Sendebeginn und wird durch Selektion ausgeübt. Selektionskriterien sind u.a. die Wirtschaftlichkeit der Sender und ein als erwünscht angesehener Programmtyp. Lenkungsinstrumente sind Ausschreibung und Erteilung von Lizenzen und Frequenzen (und auch deren Verknappung).

Im laufenden Sendebetrieb wird somit kaum beanstandet. Das Wort-Musik-Verhältnis wird (ganz traditionell) rein quantitativ bewertet. Qualität (z.B. durch strukturelle Vielfalt) wird nicht beachtet. Zudem fokussieren die LMA sehr stark das wirtschaftliche Wohl ihrer Sender. Gegen Sparmaßnahmen in der Medienkrise ist kaum etwas einzuwenden. So lange nicht gegen Gesetze verstoßen und der Mindestwortanteil eingehalten wird, ist alles in Butter. Die Produktionsbedingungen sind nicht das Thema der Medienaufsicht.

Kostengünstige Produktion ist absolut im Interesse eines kommerziellen Radios. Mir stellt sich allerdings die Frage, ob die Sparmaßnahmen angesichts des schlechten Images des Radios (wie von Honk in einem anderen Thread angesprochen) auf den Gipfel getrieben werden sollten. Denn: Radio ist unglaubwürdig geworden. Dies liegt auch in den Selektionskriterien von Nachrichten und in ihrer Aufbereitung begründet; und dieses wieder in der geringen Personalstärke und in dem mangelnden (Aus-)Bildungsgrad der Mitarbeiter.

Aber: Abhilfe kann hier nicht durch die LMA kommen, sondern durch Einsicht in den Führungsetagen der Sender.

Gruß postit
 
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Radio ist heute als Medium anders definiert als noch vor 15 Jahren. Ich würde daraus nicht schließen, dass die Mitarbeiter schlechter geworden sind.

Norbert Bolz meint zB Infotainment wird küntig die einzige Form der Informationsvermittlung sein - und Radio ist - so Nachrichten auf Sendern überhaupt ernst genommen werden - schon ein Stück des Weges gegangen. Das mag man beklagen, das ist aber eine schlichte Folge des Wettbewerbs, in dem der gewinnt, der dem Hörer die spannendste und aktuellst klingende Nachricht verkauft. (Imagefaktoren lasse ich einmal beiseite)

Damit ist aber auch das Anforderungsprofil ein anderes: Da sich die meisten Sender Agenturen bedienen, geht es oft darum, aus dem dpa-Teig den besseren Kuchen zu backen als der Mitbewerb. Natürlich ist Allgemeinwissen da auch wichtig, aber eben nur mehr eine Qualifikation von mehreren. Die Fähigkeit zu Texten, Aufhänger zu finden (angewandte Bild-Zeitungstalente), den richtigen Mix zu machen - das alles ist wichtiger geworden. Dummerweise sind Nachrichten nicht mehr so wichtig.

Generell wird das Geld dort investiert, wo es Rendite bringt. Nach allgemeiner Auffassung sind das die drei M´s - Morning, Music, Marketing - damit bleibt für die Nachrichten oder liebevoll gestaltete Drive-Time Breaks entsprechend weniger.

Dennoch: Wenn man die Chance hat, Content in einem Massenmedium zu gestalten, sollte man es mit Liebe und Hingabe machen. Das gilt auch für die Weitergabe von Wissen, dem Vorantreiben neuer Ideen und Gestaltungsweisen.

Objektivierbare Gut-Schlecht Richtig-Falsch Szenarien suchen wir in einer komplexer werdenden Zeit immer wieder, sie sind aber nicht spielentscheidend, wie das Beispiel Günther Jauchs -zig Sager zeigt. Was er aber auch eindrucksvoll beweist: Allgemeinbildung hilft weiter - seine knapp 10 Millionen Zuseher hat er sich damit aber nicht geholt, sondern mit sozialer Kompetenz.

Ähnlich glaube ich, dass wir mit Rechtschreibung keine Marktanteile gewinnen werden. Wohl aber damit, unser Tun zu hinterfragen: Wie kann ich meine 11 Uhr Newssendung so machen, dass sie a) den Hörer unterhält b)meinen Sender positioniert c)mich als Absender positioniert.

Die Landesmedienanstalten sollten sich aus dem gesamten Prozess tunlichst raushalten, letztlich hat der Recht, der Recht behält - und das entscheidet am Ende des Tages der Hörermarkt.
 
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Hallo radio watch,

ich muss dir in vielem zustimmen. Eine kleine Korrektur: "Infotainment" ist ein Begriff von Neil Postman, der hier falsch interpretiert wird. Postman war ein Medienökologe, (-> "Wir amüsieren uns zu Tode"), der mit diesem Begriff durchaus Negatives verband. Sein Grundgedanke war, dass Medien immer eine ganz bestimmte (Um-)Welt hervorbringen. Sie können die öffentliche Kommunikation und die sie umgebende "Landschaft" verschmutzen, ein ökologisches Gleichgewicht stören bzw. es umgekehrt auch erst produzieren. Unabhängig davon, wie einzelne Menschen Medien nutzen, üben sie auf das gesellschaftliche Klima eine Wirkung aus. Will man also eine Kultur untersuchen (das bedeutet für Postman ihre Stärken und Schwächen beurteilen), so muss man sich mit den Werkzeugen ihres kommunikativen Austauschs beschäftigen. Diese Betrachtungsweise steht in scharfem Gegensatz zu den bis in die späten 60er Jahre und heute wieder aktuellen Ansätzen der Massenkommunikationsforschung, nämlich dem "Stimulus-Response"- und dem "uses-and-gratifications"-Ansatz. Die Reihenfolge ist hier umgekehrt. Nicht der Rezipient prägt, sondern das Medium. Wie ich finde: gar nicht so dumm. Wenn ich mir die Situation des Mediums Radio heute angucke: die scheinbare Zielgruppenorintierung (Bedürfniserfüllung für die Masse) und die Suche nach dem heiligen Gral der absoluten Erfolgsformel, gefolgt von bedingungslosem Kopieren, verbunden mit der Diktatur der kostengünstigen Produktion (womit ich wieder auf gut ausgebildete und damit teure Mitarbeiter komme) haben zu Gleichheit und Stagnation geführt. Gleichheit ist die Feindin von Vitalität und Kreativität. Stagnation ist ein Kennzeichen dafür, dass nichts Neues und Unterschiedliches von außen in ein System eindringt. Wo immer Differenz zugelassen wird, entstehen Wachstum, Stärke und Intelligenz. Wenn ein Mitarbeiterstab aber nur aus einer Führungskraft und leicht zu beeindruckenden (und zu führenden), widerspruchslosen Volontären und Praktikanten besteht, sind wirkliche Innovationen ausgeschlossen.

Aber: wie gesagt, da kann und darf keine LMA eingreifen. Das muss systemintern geregelt werden.

Sehr subjektive Ansichten und Grüße von
postit
 
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Hallo Postit, lese Deine Beiträge immer gern. Ich möchte ein paar Elemente Deines obigen Beitrags kritisch aber konstruktiv abklopfen:

postit schrieb:
Wenn ich mir die Situation des Mediums Radio heute angucke: die scheinbare Zielgruppenorintierung (Bedürfniserfüllung für die Masse)...

Wo ist das Problem bei Zielgruppenorientierung? Und die Masse ist etwas sehr abstraktes und relatives. Wie groß die Masse sein muss, damit ein Sender als erfolgreich gilt oder wirtschaftlich tragfähig ist, hängt in Deutschland von Faktoren ab, die die Radiomacher nur schwer ändern können. Sie können nur die Produktion eines Radioprogramms verbilligen.

postit schrieb:
...gefolgt von bedingungslosem Kopieren, verbunden mit der Diktatur der kostengünstigen Produktion (womit ich wieder auf gut ausgebildete und damit teure Mitarbeiter komme) haben zu Gleichheit und Stagnation geführt. Gleichheit ist die Feindin von Vitalität und Kreativität. Stagnation ist ein Kennzeichen dafür, dass nichts Neues und Unterschiedliches von außen in ein System eindringt.

Zu Kopieren: In einem regionalen und lokalen Märktesystem wie Deutschland ist eine Idee überall neu. Wo ist das Problem, wenn 30 Programme in Deutschland Cashcall, Secret Sound oder Beat-the-bomb spielen, die Rezipienten es aber nur bei einem der 1,5 Radiosender hören, den sie täglich einschalten? Wo ist das Problem, wenn im nächsten Jahr der andere von den 1,5 im Sendegebiet wahrgenommenen Radiosender die Idee seines Konkurrenten aufgreift und das Spiel noch konsequenter durchzieht?

Zu angeblicher Stagnation und Deiner Wahrnehmung, nichts würde von außen eindringen: Die Aktion von BigFM mit Pinks Zunge und die noch aufmerksamkeitsstärkere Kopie dieser Idee von 104.6-RTL nehme ich als kreative, innovative Promotionidee aus einem ausländischen Radiomarkt wahr. Das fand Medienecho (weiß ich), erzeugte Gesprächswert (vermute ich), erhöhte die Bekanntheit (behaupte ich).

postit schrieb:
Wo immer Differenz zugelassen wird, entstehen Wachstum, Stärke und Intelligenz. Wenn ein Mitarbeiterstab aber nur aus einer Führungskraft und leicht zu beeindruckenden (und zu führenden), widerspruchslosen Volontären und Praktikanten besteht, sind wirkliche Innovationen ausgeschlossen.

Sicher kann bei einer miesen Führungskraft mit willfährigen Radfahrern keine gute Unternehmenskultur aufkommen. Aber Differenz führt noch lange nicht automatisch zu Wachtum, Stärke und Intelligenz. Da braucht es noch ein paar andere Faktoren, die meiner Ansicht darauf hinauslaufen, dass du eine oder mehrere kompetente Führungskräfte brauchst, wenn Du das Potential deiner Mitarbeiter, deiner Marke, deiner Kommunikationskraft usw. voll ausschöpfen willst.

Und damit genug der Kommentare von Jasemine an postit.
 
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Mein Professor, ein überaus weiser Mann, pflegte zu sagen, Bildung scheitere meistens an der Faulheit und am Desinteresse der Menschen. (Sinngemäß) Auch ein akademischer Titel sichert nicht die Allgemeinbildung und die Fähigkeit zur Reflexion. Ich habe festgestellt, dass sich nur wenige im Rundfunk beschäftigte Menschen wirklich mit der Zeitgeschichte auseinander setzen. (Ich kann dabei nur von meinem "Dunstkreis" sprechen. Vielleicht hat ein anderer das anders wahrgenommen.) Es gibt sogar Kollegen, bei denen hört die Beschäftigung mit anderen Medien auf, wenn sie sich aus der Zeitung drei nette Schlagzeilen abgeschrieben haben.
Unabhängig vom Status des Mitarbeiters, sollte es doch irgendwie schon selbstverständlich sein, sich in immer wieder kehrende Themen (Nahost, Irak, Reformpolitik etc.) einzuarbeiten. Wie viele Kollegen nutzen dazu beispielsweise das sehr gute, schwierige Themen prägnant und übersichtlich darstellende, wenig preisintensive Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung? Und das ist nur eine mögliche Quelle. Auch ein Manko im Umgang mit der deutschen Sprache lässt sich aufarbeiten!
Also: bei aller Kritik an den Sender-Chefs ist Bildung eine Sache der Eigenverantwortlichkeit. Egal wo: Wer beim Rundfunk arbeitet und feststellt, dass er selber immer wieder an Grenzen stößt, der sollte schleunigst was dafür tun, diese Grenzen zu erweitern. Wer nicht zum "Nachrichtenbeamten" mutieren will, muss sowieso - egal ob mit Dr. oder ohne - permanent am Ball bleiben. Aber es ist ein Widerspruch in sich, dass viele Kollegen sich schrecklich intellektuell geben und was vom eigenen Anspruch an die journalistische Arbeit daher heulen - und dann nicht genügend Anspruch besitzen, diesen Ansprüchen auch gerecht zu werden.
 
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@ postit

Wenn ich den guten Postman richtig verstanden habe, hat er sich aber auf die Medien im Allgemeinen bezogen. Und er hat auch nicht ausgeklammert, dass Medien rezipiert werden müssen, um diese Wirkung zu haben. Nun ist es Gott sei Dank nicht so, dass unsere Medienlandschaft beim Dudelradio aufhört. Die Bereitschaft der Menschen, sich mit anderen Medien und Inhalten zu beschäftigen, schon eher - so sie sich mit dem Informationsangebot des "Dudelradios" zufrieden geben. Also ist der Bruch mit Postman für mich eher eine Frage des allgemeinen Interesses und der Medienkompetenz. Aber das haben wir ja schon an anderer Stelle diskutiert.
 
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@radiohexe
Ja, Postman hat eine universelle Theorie angestrebt. Aber du musst drei verschiedene Abstraktionsebenen unterscheiden. Das einzelne Produkt, das Sinnlich-Gegenständliche existiert ja nicht ohne das abstrakte Allgemeine seines Einzelmediums oder die noch größere Allgemeinheit der Medien insgesamt. Also das einzelne Radioprogramm verweist auf das übergeordnete Medium Radio, das wiederum nur einen Einzelfall von Medium allgemein darstellt.

Postman ist nur ein Beispiel für eine Vielzahl von Medientheorien. Welche Denkrichtung gerade "in" ist, hat wohl mit Interessen und Perspektive zu tun. Ich versuche, mich nicht auf einen Guru zu versteifen, sondern zu vergleichen und auszugleichen. Was mich an Postman interessiert ist der Verweis auf eine vierte Abstraktionsebene: die Gesellschaft.

Gruß postit
 
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Hallo Jasemine,

danke für das Lob, geht mir mit deinen Beiträgen ebenso!

Jasemine schrieb:
Wo ist das Problem bei Zielgruppenorientierung? Und die Masse ist etwas sehr abstraktes und relatives. Wie groß die Masse sein muss, damit ein Sender als erfolgreich gilt oder wirtschaftlich tragfähig ist, hängt in Deutschland von Faktoren ab, die die Radiomacher nur schwer ändern können. Sie können nur die Produktion eines Radioprogramms verbilligen.

Das ist mir zu passiv und ein Ausdruck der "Nutznießermentalität".

Jasemine schrieb:
Zu angeblicher Stagnation und Deiner Wahrnehmung, nichts würde von außen eindringen: Die Aktion von BigFM mit Pinks Zunge und die noch aufmerksamkeitsstärkere Kopie dieser Idee von 104.6-RTL nehme ich als kreative, innovative Promotionidee aus einem ausländischen Radiomarkt wahr. Das fand Medienecho (weiß ich), erzeugte Gesprächswert (vermute ich), erhöhte die Bekanntheit (behaupte ich).

Also, die RTL-Fussball-Aktion fand ich einfach grandios, eben weil sie keine Kopie, sondern ein verfälschtes Zitat war. Das war witzig und durchdacht und funktionierte auf verschiedenen Ebenen. Es war eine Karikatur der Zungenaktion, die absolut daneben war und mit der Vergabe des schwarzen-Spielverderber-Peters an Pink noch tiefer in den Keller rutschte. Bei RTL hingegen war von Anfang an klar, dass es sich um einen Spaß handelte. Da wurden selbstironisch die Spielregeln des eigenen Mediums verulkt: der ewiggleiche Appell an die Gewinngier der Zuhörer als Zuhörmotivation, gefakete PR-Aktionen. ABER (auch wenn Herta ein wenig vorgeführt wurde, aber das war nicht bösartig): die Aktion war ohne Häme und wurde mit einer Charity-Aktion aufgelöst. DAS war meisterhaft. Ich weiß nicht, wer für die Aktion verantwortlich war, aber es muss (wir wollen ja wieder auf das Thema des Threads zurückkommen :D ) ein kluger Kopf gewesen sein.

Jasemine schrieb:
Sicher kann bei einer miesen Führungskraft mit willfährigen Radfahrern keine gute Unternehmenskultur aufkommen. Aber Differenz führt noch lange nicht automatisch zu Wachtum, Stärke und Intelligenz. Da braucht es noch ein paar andere Faktoren, die meiner Ansicht darauf hinauslaufen, dass du eine oder mehrere kompetente Führungskräfte brauchst, wenn Du das Potential deiner Mitarbeiter, deiner Marke, deiner Kommunikationskraft usw. voll ausschöpfen willst.

Da hast du sicher recht, auch mit der Differenz muss richtig (moderierend) umgegangen werden. Dafür brauchst du Führungskräfte, die nicht nur fachliche, sondern auch soziale Kompetenzen aufweisen. Wer allerdings nicht in der Lage ist, in einer mittel- bis längerfristigen Perspektive zu denken, oder Angst um seinen eigenen Stuhl hat (gerade in Krisen), wird kritische, weil unbequeme Mitarbeiter (und das sind meist, nicht immer, die erfahrenen und gut ausgebildeten) scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

Ich hatte vor ein paar Monaten das Glück, eine "Grande Dame" des Privatradios (inzwischen leider in einer anderen Branche tätig, die Erfolgsleiter emporgeklettert) kennenzulernen. Eine großartige Frau, die einige Jahr GF bei einem privaten Spartensender war. Sie hat (als die Vermarktung ihres Programmes über RMS nicht funktionierte) auf Druck der Gesellschafter das Programm zunächst weitgehend automatisiert (-> kostengünstige Produktion). Bei den Mitarbeitern hat sie auf eine kleine, aber qualifizierte Rumpfmannschaft geachtet. Diskurs war erwünscht und wurde gefördert. Sie hat sich mit diesem Zustand nicht zufrieden gegeben, sondern alternative Vermarktungskonzepte entwickelt, die sich unmittelbar auf die Programmqualität auswirkten. Und dies höchst erfolgreich. Nach 2 Jahren wurden schwarze Zahlen geschrieben, die Hörerzahlen stiegen (bei stagnierender technischer Reichweite). Dann wurde sie von einem Headhunter abgeworben. Die Gesellschafter krempelten das Konzept analog zu der allgemein gebräuchlichen Formel um, formatierten das Programm, setzten wieder auf Spotwerbung, betrieben Marktforschung ... vergebens. Trotz Expansion im Frequenzbereich sanken die Hörerzahlen rapide, die Vermarktung funktionierte nicht. Das professionalisierte Programm passte ins Schema, wurde aber nicht angenommen. Ok, das ist ein Beispiel für ein Spartenradio und auf Massen-Wellen nur bedingt zu übertragen. Aber mir hat es gezeigt, dass der Mut, einen anderen Weg zu gehen von Erfolg gekrönt sein kann. Panikstarre bringt nichts.

Gruß postit
 
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Liebe Postit,

und dann gibt es noch die Leute die sagen, die Perzeptionswirklichkeit entsteht über drei Ebenen der Selektion: 1. Die Stichprobenselektion 2. Die Wahrnehmungsselektion 3. Die kognitive Selektion. Oder auf das Radio bezogen: Welche Sender kann ich empfangen? Welche Sender nehme ich davon wahr? Und welche Sender/Inhalte bleiben dann bei mir hängen?

Wie Dir bekannt ist, wohne ich im tiefsten Sachsen, die Radioszene hier ist komplett verrufen. Dennoch habe ich heute früh im Auto zuerst ein bisschen Musik, dann einen ziemlich guten und langen und ausführlichen Beitrag über die aktuellen Geschehnisse im Irak und dann eine gute Presseschau gehört. Auf dem Weg nach Hause habe ich einer ausgezeichneten Aufnahme aus dem Bereich Jazz gelauscht und mich dann auf MDR info über das aktuelle Tagesgeschehen informiert. Manchmal fahre ich mitten in der Nacht auf der Autobahn. Dann bleibe ich gerne an den vielen exzellent produzierten Hörspielen oder literarischen Sendungen eines großen, deutschlandweit empfangbaren Senders hängen, den manche Macher (!) hier gerne als politisch und tröge bezeichnen. Neulich war in Berlin. Da gab es eine ziemlich interessante Sendung, in der Hörer ihre Lieblingsliteratur oder allgemeine Ansichten zum Lesen präsentieren konnten. Was meinst Du, wie viele junge Leute dort richtig gute Literatur und tiefe Gedanken losgeworden sind?! Es gibt eine Menge Angebote jenseits des Dudelfunkes, wenn man mal ein bisschen danach sucht. Jemand, der das nicht tut, der wird den Eindruck haben, alle spielen das selbe.

Ich glaube auch daran, dass die Medien die Gesellschaft prägen. Aber ich glaube ebenfalls daran, dass ich als Medienvertreter nichts dagegen tun kann, dass gewisse Leute gewisse Dinge nicht wahrnehmen (wollen). Das ist mein größter Kritikpunkt an den Theorien Postmans: Die Diskurskultur, die er mit seinen Spitzen gegen die "Neuen Medien" schützen wollte, ist dadurch nicht verschwunden. Sie wird sicher anders wahrgenommen. Im Endeffekt sehe ich aber die Menschen, die sich ihrer Vernunft wirklich bedienen, nicht dem hilflos ausgesetzt, was nach dem Knopfdruck aus dem Radio dudelt oder im Fernsehen spielt - anders, als es uns nicht zuletzt Postman glauben machen wollte. Wer sich seiner Vernunft nicht bedienen möchte, der hat sicher auch gute Gründe dafür.

Viele Grüße
Die Hexe


PS: Da hattest Du schon das nächste geschrieben, und ich war noch nicht fertig..... Soziale Kompetenz ist immer wichtig. Aber ich würde behaupten, dass der Eindruck, im Privatradio fehle das generell, trügt. Ich kenne eine Menge fachlich hervorragende Menschen, denen es auch an sozialer Kompetenz nicht mangelt. Dafür kann auch das offene Forum ein ganz guter Indikator sein: Es ist immer die gleiche Handvoll Sender/Chefs, über die dort in abstoßender Weise hergezogen wird. Alles andere findet entweder gar nicht statt oder ohne permanente Angriffe unter der Gürtellinie. Beides ist für mich ein Abdruck von Unternehmenskultur...
 
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Wenngleich ich an der Trefflichkeit dieses Satzes, "wer sich seiner Vernunft nicht bedienen möchte, der hat sicher auch gute Gründe dafür", erhebliche Zweifel habe, weil der NS dem HS entgegensteht, stimme ich Dir insoweit zu, als das Angebot an anspruchsvollem Programm bei deutschen Sendern unterm Strich nicht das schlechteste ist.
Aber hier ging es ja um das Bildungsniveau in unseren Redaktionen. Dazu gehört sicherlich auch die Auseinandersetzung mit den Wirkungsstrukturen und -möglichkeiten unseres Mediums, die ich, ehrlich gesagt, bisher nur selten angetroffen habe. Allerdings steigt meinem Eindruck nach die Intensität der Auseinandersetzung mit der Höhe der Position. Zumindest unterm Strich.
Auf der anderen Seite stehen aber die Anforderungen an Mitarbeiter, wo ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Haltung, "unsere Leute müssen auch nicht viel mehr wissen als unsere Hörer", eine allzu geläufige ist. Wenn man selbst vom PD belächelt wird, weil man hin und wieder DIE ZEIT liest, dann halte ich das für bitter. Nicht dass irgendjemand auf die Idee gekommen wäre, im ZEIT-Stil Nachrichten zu verfassen, aber die intensive Themenkenntnis beeinflusst die Auswahl und den Umgang mit Themen erheblich. Dass aber darauf wert gelegt würde, entspricht nicht meiner Erfahrung.
Im Gegenteil: Der wichtige und gute Leitsatz, der ein hohes Maß an fachlicher Kenntnis, grundsätzlicher Denk- und sprachlicher Ausdrucksfähigkeit erfordert, "mach es einfach", scheint mir von der Herangehensweise für die Vermittlung von Themen auf den Umgang mit Themen ausgeweitet worden zu sein. db
 
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Naja, Mike, wir wollen es ja nicht zu einem Grammatik-Thread verkommen lassen, aber wegen mit Genitiv haben neben dem als verbindlich erachteten weitere renommierte Grammatikwerke als statthaft bezeichnet. Zeugt in meinen Ohren zwar nicht von guter Sprache, zu änden ist es dennoch kaum. db
 
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"Wegen" mit Genitiv zeugt für Dich nicht von guter Sprache? Ich bin irritiert.....

Um aufs Eingangsposting und das Ur-Thema einzugehen: Ich habe diesen Eindruck auch gewonnen. Allgemeinwissen sowie intensive Beschäftigung mit aktuellen (politischen) Themen sind keine Einstellungsvoraussetzungen mehr. Perfekte Beherrschung der deutschen Sprache ist ebenfalls nicht mehr essentiell. Der Grund ist in meinen Augen einfach: Die genannten Eigenschaften werden in erster Linie von Journalisten erwartet. Aber Journalisten werden beim Radio kaum noch gebraucht (von einigen Ausnahmen abgesehen, wie radiohexe zutreffend beschrieb). Radio ist zwar noch immer ein Medium, aber nicht mehr ein mehrheitlich journalistisches. Fertigkeiten am Computer und Unterordnung im vorgegebenen System sind wichtiger geworden
 
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Ich rutsche auf Knien, berlinreporter, und sehe, wie miss-, ja, unverständlich ich mich ausgedrückt habe. Also: "wegen" mit Gen. zeugt von Sprachgefühl, nach gestellt ("der Grammatik wegen") geradezu formvollendet. Und der DUDEN - das Wort habe ich im obigen Posting unerklärlicherweise unterschlagen - erlaubt "wegen" mit Dativ. Das wollte ich sagen. Jetzt habe ich's gesagt. Geschafft. ;)

Deine weiteren Ausführungen und Beobachtungen teile ich. Als ich vor Jahren einen PD sagen höre, Journalisten brauche man beim Radio im Grunde nicht mehr, Radio sei kein journalistisches Medium mehr, war ich reichlich desillusioniert. Hatte wenigstens den Newsbereich für den letzten Hort von Wissen und Bildung gehalten, wurde von ihm und einigen Kollegen aber bald desillusioniert.
Das Umdefinieren von Radio zum Nebenbei-Medium hat die Notwendigkeit von Kenntnis und Bildung deutlich reduziert. Inzwischen ist sie in dringenden Notfällen nicht mehr oder kaum noch abrufbar, weil nicht vorhanden. So erlebe ich es jedenfalls.
Die Konsequenz scheint mir, dass Radioleute, die sich weiter als Journalisten verstehen, dem Hörfunk den Rücken wenden oder zu ausgesprochen informationslastig ausgerichteten Sendern gehen. Privatfunkredaktionen bluten bildungsmäßig geradezu aus. db
 
AW: Bildungsniveau ... gesucht? gefunden?

Mich wundert an dieser Diskussion, dass hier gelegentlich von "willfährigen Mitarbeitern" oder "unkritischen Volontären" die Rede ist.

Diese Erfahrung kann ich überhaupt nicht bestätigen. Über den Stand der Allgemeinbildung läßt sich streiten, aber bei allen meinen bisherigen Stationen war es ein ausgesprochen diskussionsfreudiges Klima, und das auch ressort-übergreifend. Da haben mich Moderatoren kritisch hinterfragt, warum ich nicht dieses oder jenes Thema in den News habe, und umgekehrt habe ich auch zum restlichen Programm meinen Senf dazugegeben. Einer der Senderbosse hat sogar mal ausdrücklich die versammelte Mannschaft dazu aufgerufen, mehr zu kritisieren: "Ihr seid zu lieb."
 
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