AW: Den ganzen Tag denselben Sender?
NURadio schrieb:
Erstens: Verstehe deinen Einwand nicht. Die MoShows wiederholen doch ihre Programminhalte während der fünf Stunden andauernd. Und genau dahin zielt meine Kritik. Weil ich glaube, dass die "werberelevante Zielgruppe" morgens und auch sonst durchaus mehr Radio hört, als die PD's bei der Programmgestaltung zugrunde legen.
Möglich. Vielleicht sogar wahrscheinlich. Ich weiß es leider nicht, weil ich keine Zahlen kenne, zu welchen Zeiten und wie lange die "werberelevante Zielgruppe" Radio hört. Ich wollte nur deutlich machen, dass die ARD/ZDF-Studie zwar ganz interessant ist, aber eben nicht völlig ausreicht, um die Programmgestaltung der PDs als völlig irrational zu beurteilen (zumindest meine Hörgewohnheiten bedienen die PDs aber nicht - vielleicht ein Indiz für die Irrationalität der PDs
).
NURadio schrieb:
Zweitens: Die Hörerzahlen gehen zurück und das schon seit längerem. Übrigens zeichnet das Radio dort eine ähnliche Entwicklung wie das Fernsehen. Dort kämpfen die Privaten auch um ihre Pfründe. Digitalisierung scheint da ein möglicher Ausweg, der immer mehr in Angriff genommen wird.
Die ARD/ZDF-Studie kommt da zu einem etwas anderen Ergebnis: Die Nutzungsdauer des Hörfunks hat demnach von 2000 bis 2005 von 206 auf 221 Minuten pro Tag zugenommen (das beantwortet die Frage, wie lange ein Hörfunknutzer über 14 pro Tag durchschnittlich Radio hört). Die Reichweite ist in etwa stabil geblieben (von 85 auf 85 Prozent).
Das sind natürlich keine Daten für einen bestimmten Radiosender. Die sinkenden MA-Zahlen lassen sich aber vielleicht durch ein größeres Angebot erklären? Diesen Trend könnte die Digitalisierung verstärken, wenn sie zu einer größeren Programmvielfalt führen würde. Das ist aber sehr hypothetisch...
NURadio schrieb:
Drittens: Marktforschung ist ein besonderes Thema. In der Tat ist der Einheitsbrei das Ergebnis dieser Forschung. Doch wer hinterfragt die Methoden der Marktforschung? Welche Titel werden denn getestet? Alle? Wohl kaum. Das heißt, es findet eine Vorauswahl statt.
Wahrscheinlich. Mit Musiktests kenne ich mich nicht aus. Ich vermute aber, dass die grobe Richtung, in die getestet wird, durchaus durch Tests bestimmt wurde. Ich behaupte: Das Ergebnis breit angelegter Tests kann nur Einheitsbrei sei, egal was getestet wird. Das ist ein Problem der Empirie. Je mehr Menschen gefragt werden, desto bester schneiden Einheitsbrei-Titel ab. Das Problem ist vielleicht auch, dass genau das gewünscht wird: "Möglichst keine Ab- und Umschaltimpulse liefern" ist das Motto, das du glaube ich auch schon genannt hattest. Du hast Recht: Einschaltimpulse gehen dadurch unter.
NURadio schrieb:
Es ist außerdem ein Unterschied "Mehr Abwechslung" zu sagen, dann aber trotzdem durch mehr Wiederholungen aufzufallen.
In meinen Augen verpassen die Sender zunehmend den Absprung. Es scheint ein Bewusstsein über das eigene ungeliebte Programm zu bestehen und dennoch eine Ohnmacht, Veränderungen durchzuführen.
Es fehlt der Mut, habe ich den Eindruck. Das läuft ein wenig wie beim Beamten-Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Die Vertreter des Formatradios haben halt im Laufe vieler Jahre eine Masse an empirischen Daten über die Hörer gesammelt und daraus nette Modelle entwickelt, wie sich die Hörer verhalten. Wer traut sich, etwas zu tun, was diesen Modellen völlig widerspricht? Wer würde dafür Geld bezahlen, schließlich wäre damit ein vorher kaum kalkulierbares Risiko verbunden? (Damit will ich in keiner Weise behaupten, dass die angesprochenen Modelle die Realität angemessen abbilden.)
Sachsenradio2 schrieb:
die Sender sind sich bewusst, dass veränderungen in der regel geld kosten. und das würde den kurzfristigen profit schmälern. Gleichzeitig würde es ein eingeständnis verfehlter unternehmenspolitik sein.
Zweiteres glaube ich eher weniger. Dafür sind die theoretischen Veränderungschancen zu groß. Eigentlich könnte doch ein neuer PD seinen Gesellschaftern ein neues Konzept verkaufen, wenn es einem Sender schlecht genug geht. "Neuer PD" und "schlecht gehender Sender" scheinen mir recht häufig vorzukommen. Die "verfehlte Unternehmenspolitik" kann dann dem gegangenen PD angelastet werden. Image- und Formatwechsel können funktionieren, wie z. B. die lange Geschichte von R.SA zeigt. Ich glaube, das Geld und das mit einem völlig neuartigen Konzept/Format verbundene Risiko sind viel größere Einflussfaktoren.