Der Anspruch

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divy

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Hallo, um nicht ständig bestimmte Sender-Threads aufzublähen, mal ganz generell. Bin gerade auf einen schönen Artikel mit folgendem Absatz gestoßen:

Aber der Anspruch, mehr als vertonte Agenturmeldungen, alberne Lebenshilfen, peinliche Gewinnspiele, halbdebilen Lifestyle-Tinnef und die Hits der letzten Jahrzehnte zu präsentieren, sollte schon vorhanden sein. (...) Das überhand nehmende Denglisch in den Papieren der Dudelfunk-Propagandisten ist nur Ausdruck einer vermeintlich schlauen Bluffer-Mentalität - und einer ausgemachten Unlust an schwerer Arbeit.

Auszug aus http://www.cut.biz/heft.php?abo_id=...ow_ausgabe=6&show_rubrik=.14Funk&show_id=1927
 
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Der Autor dieser Fundamentalsätze, Lionel van der Meulen, ist einer der besten Kenner der Radioszene überhaupt. Er hat legendäre Features über die deutsche Radiogeschichte gemacht und ist einer der Mitwirkenden hinter den Kulissen von "Der Tag" in hr2.
 
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"Denglish" ist sicher nicht ein Hauptproblem - aber es nervt, und immer weniger Kollegen machen sich inzwischen die Mühe, einen Anglizismus zu übersetzen und übernehmen ihn lieber direkt. Besonders in Nachrichtentexten ein Ärgernis. Ein Beleg das dies so ist, sieht man doch an dem Wort Public-Viewing: Hat sich eigentlich irgendjemand von uns Gedanken gemacht, dafür einen griffigen, nicht lächerlichen deutschen Begriff zu finden?
 
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fuzz654 schrieb:
Public-Viewing: Hat sich eigentlich irgendjemand von uns Gedanken gemacht, dafür einen griffigen, nicht lächerlichen deutschen Begriff zu finden?

Gestern geisterte in unserer Redaktion der Begriff "Schau-Arena" als deutsches Äquivalent durch die Räumlichkeiten. Ist auch eher zum Abduschen...
 
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Der Tag ist der noch immer lebendige Beweis dafür, dass auch ein Hörfunk, der sich nicht als ein dahinplätscherndes Begleitmedium für den Alltag begreift, Erfolg haben kann. Der Respekt vor der Neugier, der Intelligenz und der Bildung der Hörerschaft zahlt sich aus.
... schreibt von der Meulen. Das galt in gleichem Maße für die von ihm auch erwähnte Sendung Schwarzweiß - Musik in Farbe. Nach 20 Uhr überhaupt messbare Quoten zu haben ist eine Ausnahme in der heutigen Radiolandschaft - Schwarzweiß hatte sie. Ich verstehe bis heute nicht, welche Lobby es geschafft hat, den "Tag" zu erhalten, aber für Schwarzweiß hat es nicht gereicht. Noch zwei Jahre nach Abschaffung der Sendung schreiben immer wieder Hörer und fragen nach, ob nicht vielleicht doch ...

Im neuen hr1 aber ganz sicher nicht. Sollte jemand irgendwo anders in Deutschland einen Platz für eine solche Sendung ausmachen - bitte melden!

Was das Denglish betrifft, gibt es in der Tat eine Schmerzgrenze. Über Interviews, Songs, Charts und Comebacks zu sprechen ist für mich seit langem selbstverständlich (und sicher für die meisten anderen auch). Aber das interne neue Radiosprech geht mir auch gewaltig auf den Geist - von Call-Ins bis Shortbreaks, von Ramptalks bis BumperStingerDideldum. Viel Wind um nichts.
 
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Es scheint mir eine Tendenz zu sein, qualitativ hoch wertvolle Radiosendungen zwar aus den Popularwellen (wie z.B. hr1) zu vertreiben, sie aber nach einer gewissen Anstandspause, oft auch unter neuem Namen, in den Kulturwellen wieder aufleben zu lassen.
hr1 ließ vor zwei Jahren die traditionsreiche "Argumente"-Sendung (Diskussionssendung mit Hörerbeteiligung zu allen gesellschaftlich relevanten Themen) sterben.
Jetzt feiert das Format seit Anfang des Monats fröhliche Urständ' als "hr2-kontrovers".
Es wäre zu hoffen, dass hr2 Adoptivmutter von Schwarz-Weiß würde.
Die Wellenchefin Bierbaum hebt doch immer mal wieder solche Leckerlis (siehe: Der Tag) in ihr Programm...
 
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Ich glaube den Anspruch gutes Radio machen zu wollen haben viele Sender mittlerweile aufgegeben. Die Programme bestehen entweder nur aus Gewinnspielen oder aus dem geclaime für die ach so tolle und lustige Morningshow.Radio mit Anspruch macht macht für mich Österreich 1 . Selbst die Sendungen die sich mit dem Thema Wissenschaft befassen sind interssant und kurzweilig gestaltet. So einen Sender würde ich mir für Deutschland auch wünschen.
 
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Ja, ja, Onkel Otto, die Kulturwellen auf diese Weise zum Radiofeuilleton (siehe DLR-K). Aber ist das ein anspruchsvolles Kulturprogramm? Wohin wurden die Theaterkritiken verlegt? Die Geisteswissenschaften?

Von den ehemaligen Informationsradios hätte ich erwartet, knallharte Politik und Alltagsprobleme für den normalen Bundesdeutschen etc. verständlich zu vermitteln, ihn teilhaben lassen an diesen Dingen. Statt dessen sind es jetzt "Popularwellen", wie Du schreibts, bei denen die Situation im ALG 2 kaum noch eine Rolle spielt. Wichtig ist, dass Deutschland gegen Irland gewonnen hat, auflockert mit "ein paar Takten Musik", die inzwischen zu acht Minuten am Stück geworden sind.(Tippe ich jetzt mal, dass so in etwa die Prioritäten im Frühprogramm heute waren)

Diese Verlagerung der anspruchsvollen Sendungen zeigt, was die Verantwortlichen eigentlich von ihren Hörern halten. "Argumente" tauschen wir jetzt im Eliteprogramm mit seinen 15 Hörern aus, für den Rest ist das zu kompliziert. Wenn unsere Gebührenzahler wirklich so dämlich wären, wie so manche glauben, könnten wir die Demokratie ja auch abschaffen.

Darum hat mich dieser kleine Absatz von Deinem Kollegen so angesprochen. Nicht der Niveauverlust der Leute am Empfänger ist Schuld an der Entwicklung. Sie ist

nur Ausdruck einer vermeintlich schlauen Bluffer-Mentalität - und einer ausgemachten Unlust an schwerer Arbeit

Ok, ok, ich weiß, die Zeiten ändern sich.
 
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@ divy: Muss auf jeden Fall ausführlicher diskutiert werden. Will nur jetzt ganz kurz drauf antworten:
Bei einem 18-Stunden-Programm (minus Nachtkonzert) wie hr2 ist selbstverständlich genug Platz für die Kritiken und die Geisteswissenschaften und "der Tag" und "Schwarz-weiß" und den Schulfunk und das Gedicht und und und...hr2 ist also sowohl Radiofeuilleton als auch Einschaltprogramm für Spezialsendungen.
Das aber erst mal - zugegeben - nur als "quantitative" Antwort kurz vor meinem Feierabend
;)
 
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HR 2 macht auch ganz gutes Radio, obwohl ich HR Klassik doch lieber gehört hab. Und ein sehr gutes Padioprogramm mit Anspruch macht auch noch Bayern 4, obwohl auch hier das Programm vor der Reform besser war. Mein Lieblingsmoderator bei HR 2 ist der, der immer die Übertragungen aus der MET moderiert. Hab momentan leider seinen Namen vergessen. Der hat für mich die beste Radiostimme.
 
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Genau den hab ich gemeint, danke für die Info. Er ist einer der wenigen Moderatoren bei denen man hört, das er eine ausgebildete Stimme hat.
 
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OnkelOtto (über Öffentlich-Gucking) schrieb:
Gestern geisterte in unserer Redaktion der Begriff "Schau-Arena" als deutsches Äquivalent durch die Räumlichkeiten.
SCHLEICHWERBUNG!!!

Es ist ein Riesenskandal! Wir werden darüber noch ausführlich berichten!
 
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divy schrieb:
Diese Verlagerung der anspruchsvollen Sendungen zeigt, was die Verantwortlichen eigentlich von ihren Hörern halten. "Argumente" tauschen wir jetzt im Eliteprogramm mit seinen 15 Hörern aus, für den Rest ist das zu kompliziert.
Da wären wir wieder bei dem, was hier unter „hr1 und hr2: Soziale Selektion durch Programm-Segmentierung“ zu lesen ist. Man beachte besonders die Feststellungen zu den „von der Gesellschaft zugewiesenen Grenzen“.

Wobei der Beweis, daß ein Kulturprogramm eben kein Eliteprogramm sein muß, schon vom einstigen ORB erbracht worden ist. Damals, als es Radio Eins noch nicht gab ...
 
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Tondose schrieb:
"Guck-Theater" ist aber kaum einen Deut besser.
Früher sprach man von „Übertragung auf Großbildleinwand“ und sah keinen Bedarf dafür, diesen eher profanen Vorgang mit großartigen Bezeichnungen zu belegen.

Wenn man sich natürlich verpflichtet fühlt, beim schwarz-rot-geilen Theater der Neurotiker mitzuspielen ...
 
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fuzz654 schrieb:
Public-Viewing: Hat sich eigentlich irgendjemand von uns Gedanken gemacht, dafür einen griffigen, nicht lächerlichen deutschen Begriff zu finden?

Und dann? Selbst wenn du einen Begriff gefunden hättest: So schnell bringst du den doch gar nicht über den Äther, schon sagen sich selbst die unbedarftesten Hörer: "Was erzählt der Pfosten denn da? Das heiß Public Viewing!".
 
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Aber wenn der Begriff richtig griffig ist, würd ich mir den Pfosten-Vergleich anziehen, also ab auf die Antenne mit dem Wort. Vielleicht setzt es sich dann doch durch? Es zurücknehmen kann man ja immer noch.

Zumal, was heißt "und dann"? - Darf ich darüber nicht nachdenken, weil ich ja im Radio mit solchen Gedanken, die ich mir vor dem Texten einer Meldung oder eines Beitrags mache, deplatziert bin?

Außerdem: Es geht mir hier doch gar nicht um den Begriff "Public-Viewing", er war schlicht ein Beispiel. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, wie wenig über Denglisch inzwischen reflektiert wird. Aber: Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass Hörer den entsprechenden Autor/Sprecher/Redakteur für einen Pfosten gehalten haben, weil der zu viele supertolle Anglizismen benutzt hat. Aber da ist es ja wieder. Dass seine Radioleute Anspruch haben, will der Hörer ja nicht, gelle.
 
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Das lässt sich leider nicht verhindern. Wobei mich interessieren würde, ob "public viewing" in den USA oder UK überhaupt gebräuchlich ist. Es wäre nicht der erste von Deutschen erfundene Anglizismus, den es in der englischsprachigen Welt gar nicht gibt.
 
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