Dazu müsste es aber in weiten Teilen der Hörerschaft die Bereitwilligkeit geben, sich mit der jeweils anderen "Seite" zu beschäftigen. Viele Berliner werden Dir eiskalt sagen, dass es sie einen feuchten Kehricht interessiert, was in Perleberg, Angermünde oder Finsterwalde passiert. Köpenicker interessieren sich ja nicht mal für Spandau. Und umgekehrt werden Dir ganz viele Leute aus Prenzlau, Brandenburg an der Havel oder Senftenberg in voller Überzeugung mitteilen, dass sie mit Berlin überhaupt nichts zu tun haben wollen.
Deshalb ist das leider eine schöne, aber zugleich auch unrealistische Vorstellung.
Aber vielleicht gibt es auch Menschen, die froh sind, dass nicht alles mit allem verknüpft ist. Das sind immer so Idealvorstellungen, über die eigentlich auch gar nicht abgestimmt wird. Es wird vermutet, dass gegenseitiges Interesse irgendwie für gesellschaftlichen Frieden oder soetwas sorgt. Aber mitunter entstehen daraus auch ganz komische Situationen, die das Gegenteil bewirken. Ich wills dir mal am Beispiel Wohnungsmarkt deutlich machen.
Gemeinhin wird ja gerne davon geredet, dass bei Neubauten oder in Neubauvierteln alle gesellschaftlichen Schichten vereint werden sollen. Das klingt im ersten Moment ganz toll und nicht ausgrenzend. Nur was bedeutet es im Konkreten. Sind dann alle Parteien eingezogen, richtet sich der Tagesablauf natürlich nach den eigenen Belangen. Senioren haben eher mehr Zeit und können ausschlafen. Familien mit Kindern stehen früh auf. Entsprechend verhält sich die Geräuchkulisse. Was die Renter dann stört als Ruhebelästigung. Im Grunde findet dann schon der erste Bruch statt. Die Kinder werden natürlich nicht ruhiger. Auch abends nicht oder mittags. Kommen die Kids aus dem Kindergarten oder der Schule, ist es natürlich etwas lebhafter. Und häufig wollen ältere Leute dann auch Ruhe abends und wenn man dann am Wochenende mal eine Feier ausrichtet, passt es den älteren meist auch nicht, weil dann ja ab 22:00 Uhr Nachruhe ist. Im Grunde genommen sollen vom Ideal her alle tolerant sein, in der Realität pocht letztlich jeder nur auf sein Recht und das führt dann auch nicht dazu, dass ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Es gibt Streit über Sauberkeit und Ordnung, um Parkplätze, wer wann und wie oft im Keller das Licht brennen lässt, ums Heckeschneiden und wer es fristgerecht macht oder nicht usw.
Dann soll man Älteren immer noch helfen wird gesagt. Dann kommst du nach der Arbeit fertig nach Hause, dann wartet schon eine Meute darauf, dass man sich noch kümmert. Aber dass man selbst auch Bedürfnisse hat, interessiert keinen. Es entsteht also ein Ungleichgewicht. Und diejenigen, die solche Viertel planen, sind davon gar nicht betroffen. Ich finde, eine Meinung kann jeder dazu haben, fundiert wird es aber nur aus Sicht derjenigen, die sowas schonmal miterlebt haben. Und es siehr nur auf dem Papier toll aus.
Letztlich liegt es natürlich an den Menschen selbst. Aber die Grundlage für die eigenen Erwartungen sindeben oft solche Aussagen. Und wenn dann Streit entsteht, bleibt es zumeist so. Ich fände eher besser, wenn man Viertel schafft, wo der Takt der Viertel zu den Lebenswirklichkeiten der Leute passt. Müssen alle früh raus, dann stört es die meisten nicht, wenn da tagsüber Lärm wäre. Insofern empfinden das die meisten gleich. Wenn aber Unterschiede da sind, gibt es oft auch "Überwachung" und es reden immer diejenigen über diejenigen, die gerade nicht da sind. Und das sind ungute Seilschaften, weil hier auch viel interpretiert wird. Und welche Mutter nicht so gut sei, obwohl die Leute keine Ahnung haben. Aber alles unter dem schönen Deckmantel der Gemeinschaft.
Ich hab da schon die dollsten Dinger erlebt und komme zu dem Fazit: meine Welt ist das nicht. Ich schüttel oft den Kopf, über welchen Scheiß sich die Leute das Maul zerreißen und wie oft durch Indiskretion in das Leben anderer hineinregiert wird. Das finde ich nicht richtig. Und es sind auch häufig die älteren Semester, die den Ton angeben, weniger die jungen. Und ich halte auch nichts davon einzelne Gruppen für ursächlich zu erklären oder auf die Jugend zu schimpfen. Vielleicht liegt ja genau darin auch eine Lösung insgesamt.
Eigentlich, denke ich, würden sich Lösungen von selbst anbieten, in dem Vertrauen usw. von alleine wächst. Da man sich aber in den meisten Fällen sein Umfeld nicht selbst aussucht (und dies duch Wegzug) zweitweise mal besser oder mal schlechter werden kann, belässt man es meist dabei und resigniert. Weil es eben anstrengend ist, jedem gefallen zu wollen. Ein unerreichbares Ideal.
Und so ist es beim Radiohören wohl auch. Es ist schlicht nicht möglich, Programm für jeden und alle zu machen. Und beim RBB habe ich ohnehin den Eindruck, dass man auf die Hörfunkflotte insgesamt mehr Wert legt als auf Bewegtbild. Man sieht ja wie das Fernsehen abschmiert seit Jahrzehnten. Würde der RBB die Radioflotte eindampfen, sähe er Marktanteile dahinfließen. Ich glaub schon, dass der RBB im Hörfunk deutlich erfolgreicher ist als im TV. Den Wandel meint man mit immer mehr Podcasts beherrschen zu können, was ich eine blöde Entwicklung finde, weil ich keine Lust habe, ewig nach Inhalten zu suchen. Und so weltbewegend und erhellend sind die meisten Podcasts nicht. Da wird irgendwas altes verwurstet oder Dinge, die man schon weiß (meist zurückliegendes) neu aufbereitet. Man merkt, dass es eher darum geht, günstig zu produzieren. Nur Masse ist nicht Klasse.