Die andere MA: was läuft am Baggersee?

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Musikminister

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Urlaubszeit, rekordverdächtige Hitze (ein ARD-Brennpunkt jagt den nächsten, n-tv zeigt nur noch das Thermometer am Studiofenster), Zeit um sich ans Wasser zu legen. Das habe ich in den letzten Wochen immer mal wieder getan und dabei auf die Beschallung geachtet. Was hört der durchschnittliche Wasserbesucher?

Da gibt es die Gruppe der Kopfhörernutzer. Womit sie sich berieseln lassen entzieht sich meiner Kenntnis. Und dann gibt es die hörbare Fraktion. Die Klangquelle ist in der Regel eine Bluetooth-Box gekoppelt an ein Handy. Diese Kombination wird in der Regel von Gruppen genutzt, das Durchschnittsalter dieser Gruppen ist irgendwo zwischen 16 und 22. Zu hören ist Non Stop Musik, sprich es laufen Files, Youtube-Clips oder Spotify (wenn dann Premium da ich bisher keine Werbespots beobachtet habe).

Was hören diese Gruppen? An erster Stelle steht deutschsprachiger Hip Hop, RAF Camora und UFO361 liegen hier weit vorn. Interessanterweise sprechen die Konsumenten auch ähnlich wie die Herren von RAF Camora (pseudoruntergeptichte Stimme mit Ghetto-Slang). Gefolgt von Black Music-Gejaule a la Drake und raggamäßig angehauchten Tracks a la „Unforgettable“ von French Montana. Ab und zu gibt es auch Trance und Electro (Armin van Buuren - Blablablablabla etc.). Bisher kaum beobachtet: radiotauglicher Dance a la Guetta, Jaehn und Schulz, Rockmusik (gibt es überhaupt noch neue und gute Rocktracks die nicht einschläfern?), Schlager, Geklampfe (Ed Sheeran & Co.) sowie Deutschpop (Bourani etc.).

Last But Not Least: Radioempfänger (UKW, DAB, Kurzwelle mit gespanntem Langdraht, Webradio) konnte ich bisher nicht beobachten. Diese Beobachtungen beziehen sich auf Gewässer in städtischer und ländlicher Umgebung und ist natürlich nicht repräsentativ. Um das Ganze evtl. etwas repräsentativer zu machen, bitte ich um weitere Beobachtungen.
 
Radio hört doch kaum noch einer. Entweder Handy (Spotify & Co.) oder eben Youtube. Wenn das nicht, dann Musik von der Speicherkarte. UKW-Radio mit Werbespots für Seitenbacher o.ä. oder 3 Hits am Stück mit Sicherheit nicht. Das wird sich keiner antun.
 
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Was hören diese Gruppen? An erster Stelle steht deutschsprachiger Hip Hop
Was sich mit den aktuellen Charts mehr als deckt. Und dann schauen wir uns mal diese Charts an und vergleichen das mit den Playlisten der allermeisten Hitdudler... und schon ist klar, warum aus dieser Zielgruppe kaum einer Radio hört. Wenn überhaupt, findet diese Musik höchstens auf den sogenannten Jugendwellen statt.

Radio am Strand gibt es aber trotzdem noch. Erst vor wenigen Tagen erlebt, als zu meiner Freude und Erstaunen zugleich der Stream von StarFM aus einer Bluethoot-Box in annehmbarer Lautstärke vor sich hin rockte. Auch DAB-Radios bei denen die üblichen Endlos-Festplattensender dudeln, sind mir schon begegnet. Absolut relax oder auch Radio Bob habe ich da verortet. Diese Radiohörer sind aber definitiv in der Unterzahl. Wenn dann ist es meistens tatsächlich irgendeine Spotify-Playlist oder auf dem Handy gespeicherte Musik die dudelt.
 
An einem See im süden Frankfurts ist der Radioempfang aufgrund der sehr niedrigen Elevation nur schwer möglich. Ich sehe/höre kaum Radios. Ausser I‘n walking on sunshine kennen die Sender kaum noch Sommermusik, abgesehen von italienischer oder spanischer Hits.
 
Im Urlaub ist mir an einem ausländischen Badesee ein älterer Herr aufgefallen, der über Kopfhörer Radio gehört hat, so eher altmodisch, mit ausgefahrener Teleskopantenne. Ansonsten mache ich an Seen und Nahverkehrshaltestellen die gleichen Beobachtungen wie der Musikminister (ohne dass mir die Künstlernamen so geläufig sind). Dass diese jungen Leute in der Öffentlichkeit Radio hören, würde aber auch nicht so recht ins Bild passen. Wer sich die Freiheit nimmt, alle Mitmenschen mit seinem Musikgeschmack zu behelligen, wird sich nicht von Rundfunkanstalten vorschreiben lassen, was da aus seinem Lautsprecher dröhnt. Ich glaube, kein Sender dieser Gegend besitzt die dafür nötige Coolness. War in früheren Ghettoblasterzeiten bestimmt nicht anders, oder? :thumbsdown:
 
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Waren das noch Zeiten in den 80ern: Wir am Badesee mit altem 70er-Jahre-Kofferradio, das zumeist SWF3 gepspielt hatte. Heute? Am Wochenende am See tatsächlich ein älteres Ehepaar gesehen mit klassischem Transistorradio. Ansonsten hören die meisten über Kopfhörer Musik vom Smartphone (ich wette, es ist KEINE Radiostation), und vor allem die Ethno-Gruppen streamen gerne auf Bluetooth-Boxen. Wer bisher nichts mit Balkan-Pop anfangen kann, der lernst es am Baggersee dort genauso kennen wie türkischen Hip-Hop. Eine Gruppe deutscher Jugendlicher hatte eine doch ganz interessante Playlist auf so ne Box gestreamt, da war sogar Rupert Holmes' Escape dabei und 10CC - Dreadlock Holiday, und sie hatten lautstark mitgesungen. Die kennen das noch!

Man kann das jetzt bei jungen Leuten weiter drehen auf Stadtpark, S-Bahn, Bus, Auto etc.: Radio ist tot und spielt keine Rolle mehr. Aber so lange sich die Branche mit MA-Zahlen selbst belügt und die Werbeindustrie mitspielt, müssen die Sender noch nicht dichtmachen.

Wir (35 bis 55) sind die letzte Radiogeneration. Darunter spielt dieses Medium keine Rolle mehr. Das Smartphone hat Audio revolutioniert und das Radio entsorgt.
 
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Ich kann mich noch daran erinnern, das es im Schwimmbad an der Ecke Alu-Tröten gab, wo nur Musik nach dem Geschmack des Bademeister dudelte...
 
War in früheren Ghettoblasterzeiten bestimmt nicht anders, oder? :thumbsdown:
Naja doch, ein bisschen schon, vor allem im Osten. Hier galt es durchaus als cool, wenn aus der Kofferheule SFB, Rias oder gar Radio Luixemburg plärrte, in den südlicheren Gefilden der Ex-DDR auch gerne Bayern3. Zwei Häuser weiter hatten wir damals einen Nachbarn, der es regelrecht übertrieb. Jeden Sommer hiefte er wochentags am Nachmittag die schweren Stereoboxen der Musikanlage auf den Balkon, um die halbe Straße samt angrenzender Gärten mit Bayern 3 (Gottschalk und Jauch) zu beschallen. Zum einen um damit zu protzen, das er eine Antenne zusammengezimmert hatte, mit der halt auch Bayern 3 im südlichen Brandenburg ging. Und zum anderen halt weils Gottschalk und Jauch waren. Irgendwann hörte das schlagartig auf. Warum habe ich nie ergründet. Vermutlich hatte ihm ein zu staatstreuer Mitbürger dann mal die Meinung dazu gesagt... keine Ahnung.

Vielleicht läßt es sich so erklären: Früher taten die unterschiedlichen Musikstile weniger "weh", weil man auch als Durchschnittsbürger ein doch recht umfangreiches Allgemeinwissen in Sachen Musik hatte. Man sehe sich nur Sendungen wie Ilja Richters "Disco" an oder höre mal Rundfunkmitschnitte aus den 80ern. Da waren vom üblichen Pop über Schlager bis hin zu den damaligen Anfängen des Rap alles vertreten. Und damit war dann halt auch jeder Hörer irgendwo zufrieden gestellt. Niemand hat sich ernsthaft dran gestört. Diese musikalischen "Gemischtwarenläden" gibt es aber heute nicht mehr. Durch die Individualisierung und Kategorisierung (übrigens auch bei Spotify & Co.) wird einem ohne es zu wollen genommen, neue oder auch andere Musik kennenlernen zu können. Ausserdem ist auch die Akzeptanz anderer Musik kleiner geworden, insbesondere unter Jugendlichen. Da hört man entweder Gangster-Rap oder harte Gitarrenklänge. Feine Zwischentöne gibt es dort nicht mehr. Davon abgesehen hat sich aber auch die gesamte Musiukindustrie gewandelt. Heute geht es ja leider nicht mehr wiirklich um die Künstler, sondern nur noch ums Geld verdienen. Die Folge davon ist dann unter anderem, das der Rapper mit der schlimmsten Fäkalsprache den größten Erfolg hat. Wie weit diese Entwicklung noch gehen wird und wo sie letztlich hinführt, keine Ahnung. Gut finde ich sie nicht.
 
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