Die Sprachlotterei treibt neue Blüten

AW: Die Sprachlotterei treibt neue Blüten

Je nun, Makeitso, das macht mir weitere Dackelfalten auf die zerfurchte Stirn, ob ich Dir da nicht mal widersprechen sollte. Du bist ja im Recht. "Voraufzeichen" ist sowas von doppeltgemoppelt. Nur: Wenn ich senderintern sage: "Ich möchte das aufzeichnen", meine ich hauptsächlich einen Mitschnitt meiner (Live-)Sendung. Wenn ich (sorry!) voraufzeichne, mache ich voicetracking zur späteren Ausstrahlung.

Aber immer sprachfeilend diskussionsbereit:
Otto
 
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Wird eine Eins-zu-eins-Kopie dann "Nachaufzeichnung" genannt?

Es duckt sich

der Hannsfan;)
 
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Vorher aufzeichnen = voraufzeichnen ; einfach verkürzen.....- nur nicht im Bruch..... ;)
 
Ist es Lotterei oder bin ich zu pingelig?

Heute Morgen kam ich als Mitfahrer unfreiwillig in den "Genuß"
von MDR 1 Radio Sachsen und den dortigen 9.00-Uhr-Nachrichten.
Der Specher blubberte pflichtgemäß die vom (Nachrichten-)Chef
persönlich verfassten Zeilen herunter und erzählte im Zuge derer,
Obama sei, sollte er die Wahl gewinnen,
"der erste schwarze Präsident der USA".

Bei der Formulierung trugen meine Nackenhaare schlagartig eine neue
Frisur. In meinen Nachrichten wäre Barack Obama bestenfalls
"der erste farbige Präsident".
 
AW: Ist es Lotterei oder bin ich zu pingelig?

In meinen Nachrichten wäre Barack Obama bestenfalls
"der erste farbige Präsident".
Aber nur in deinen Nachrichten.

Lies dir bitte mal folgendes durch:
Es gibt keine "Farbigen" (Informationen für Journalisten zu diskriminierungsfreier Sprache 3 - 4/2008)

Der Satz "der erste schwarze Präsident der USA" ist doch völlig in Ordnung? Hoffen wir nur, dass er es auch wird (ich bin zuversichtlich) ...
Eine spannende Wahlnacht wünsch ich euch.
 
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Der Satz "der erste schwarze Präsident der USA" ist doch völlig in Ordnung?

Ist er meiner Meinung nach eben nicht. Den hätte man sich (theoretisch)
komplett kneifen können und sollen.
Allerdings muss man die Zielgruppe des Senders bedenken, für die die Rand-
bemerkung möglicherweise wichtig ist.

Im übrigen danke für den Link, dm83. Das war immerhin hilfreich.
 
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1. Wie würde man sich ausdrücken wenn in Deutschland ein dunkelhäutiger Mensch zum Bundeskanzler gewählt würde. Schwarz wäre ja (u.U.) nicht nur beleidigend sondern im Zusammenhang auch völlig mißverständlich.

2. Auf PC heißt es "Afro-Amerikaner".
 
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Schon seltsam, daß Schwarze praktisch kein Problem damit haben, sich "schwarz" zu nennen (vgl. Blowfly, "The First Black President Of The United States"), während wir derartige Verrenkungen veranstalten, um nur ja nicht der PC-Polizei unangenehm aufzufallen.
 
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Umgangssprachlich nennen sich die Afro-Amerikaner untereinander gerne auch "Nigger". Aber wehe wenn das ein Weißer sagt.

Die Diskussion um die Hautfarbe des Bewerbers und die Aussagen einiger Wähler "den wähle ich nicht weil er schwarz ist" zeigt doch deutlich, daß die USA immer noch nicht dort angekommen sind wohin sie in den 60ern mal aufgebrochen sind.
 
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Afro-Amerikaner halte ich für "politisch korrekt". Es sei noch anzumerken, das die "farbige Bevölkerung der USA" (korrekt...?) gegenüber den Weißen das Wort "whitie" als Schimpfwort einsetzt.
"Don't call me nigger, whitie" - SLY & THE FAMILY STONE, 1969
 
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Umgangssprachlich nennen sich die Afro-Amerikaner untereinander gerne auch "Nigger". Aber wehe wenn das ein Weißer sagt.

Die Diskussion um die Hautfarbe des Bewerbers und die Aussagen einiger Wähler "den wähle ich nicht weil er schwarz ist" zeigt doch deutlich, daß die USA immer noch nicht dort angekommen sind wohin sie in den 60ern mal aufgebrochen sind.

Gibt es nicht Umfragen, über Deutsche, die Merkel ablehnen, weil sie aus dem Osten ist oder Wowereit weil er schwul ist?

Mit solchen Allgemeinplätzen wäre ich vorsichtig.

Apropos: Schimpfworte werden heutzutage von der diskriminierten Gruppe meistens so schnell absorbiert, dass das nutzbare Entrüstungs-Zeitfenster für die PC-Polizei immer kleiner wird. Schöner Mist.
 
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Vielleicht interessiert es ja einige, was The Economist in seinem Style Guide zum Thema schreibt:

ETHNIC GROUPS

Avoid giving offence. This should be your first concern. But also avoid mealy-mouthed euphemisms and terms that have not generally caught on despite promotion by pressure-groups. If and when it becomes plain that American blacks no longer wish to be called black, as some years ago it became plain that they no longer wished to be called coloured, then call them African-American (or whatever). Till then they are blacks.

Auch der Rest des Style Guides ist lesens- und auch für hiesige Medien überlegenswert, wird doch generell der Kürze das Wort geredet. Credo: "to include the maximum amount of information in a limited space". Kann ich nur befürworten!
 
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Den seit heute morgen wieder inflationär benutzen Begriff "Erdrutschsieg" finde ich lustig. Klar kennt jeder diesen Begriff, aber eigentlich ist er doch vollkommen absurd.

Woher kommt der Begriff eigentlich? Weiß das jemand? Wurden in grauer Vorzeit etwa "irgendwelche Feinde" von den späteren "Siegern" in eine Schlucht gelockt und dann mittels "Erdrutsch" besiegt? Die Sieger errangen also einen "Erdrutschsieg" - und das Wort war geboren... ;)

vg Zwerg#8
 
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... oder ist es gar ein Anglizismus? Der Engländer spricht auch vom "landslide victory" bzw "victory by a landslide".

Der Begriff ist wohl viel mehr an das Bild für eine plötzliche Veränderung der Landschaft angelehnt.
 
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Es dürfte sich um die Kurzform des "erdrutschartigen Sieges" handeln, mit dem die Veränderung (= Bewegung) der Wählerstimmen von einem Lager zum anderen oder im Vergleich zur letzten Wahl (z.B. auch Wahlbeteiligung) dargestellt werden soll.

Das Gegenteil dürfte der "Einbruch" sein.

Zwischen Sprachlotterei und kreativer Wortschöpfung ist ein schmaler Grat.

Gruß, Uli

Nachtrag: Das von BlueKO gemalte Bild finde ich auch sehr treffend.
 
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Es ist aber in der Tat ein richtig beknacktes Wort, weil es einen Widerspruch
in sich birgt:
Während ein Sieg etwas mit Aufstreben zu tun hat, bedeutet ein Erdrutsch
etwas Vernichtendes. Ist das etwa ein böses Omen?

Ich las heute morgen eine Textzeile, sinngemäß:
'Ich wünsche ihm viel Erfolg und niemals einen roten Punkt auf der Brust.'
 
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Zwerg#8 schrieb:
Den seit heute morgen wieder inflationär benutzen Begriff "Erdrutschsieg" finde ich lustig.
Angesehen von der Begriffsbedeutung, die BlueKO, glaube ich, ganz gut dargelegt hat, ist dieser Begriff angesichts eines Stimmenverhältnisses von ungefähr 52:48 zugunsten von Obama auch gänzlich unangebracht. Aber so ist das in den deutschen Medien: Gewinnt Republikaner Bush mit knappem Stimmenvorsprung, ist "Amerika zutiefst gespalten". Gewinnt Demokrat Obama mit vier Prozentpunkten Vorsprung, jubelt angeblich das ganze Land... :rolleyes:

Was mir, gerade im Zusammenhang mit der Berichterstattung aus den USA, in Sachen Sprachlotterei zunehmend unangenehm auffällt, ist die permanente und zunehmend prätentiös wirkende Verwendung des Begriffs "Administration", gern auch in Verbindung mit dem jeweiligen Präsidenten ("Bush-Administration"). Abgesehen davon, daß dieses Wort im Deutschen "Verwaltung" und nicht etwa "Regierung" (das wäre "Government") bedeutet, ist es in meinen Ohren nichts weiter als eine Sprachblase, die höhere Kompetenz des Benutzers suggerieren soll, der scheinbar (sic!) derart elaboriert zu kommunizieren versteht, daß das simple Wort "Regierung" schlicht unter seiner Würde ist. :wall:
 
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Der Begriff ist wohl viel mehr an das Bild für eine plötzliche Veränderung der Landschaft angelehnt.


Ja, diese Met..Meta... p...h... -ähm - dieses Bild leuchtet durchaus ein. Aber trotzdem ist der Begriff "Erdrutsch" doch grundsätzlich negativ besetzt, nicht nur bei den Leuten, deren Haus gerade von Schlammmassen als "Kleinholz" bis zum nächsten Fluß transportiert - und dann vom Fluß abtransportiert wurde.

Und da es ja auch einen englischen Begriff gibt - vielleicht kannten ja schon die ersten Auswanderer nach Amerika dieses Wort (auf Englisch oder Deutsch)?


vg Zwerg#8
 
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