Eignung und Charakteristika diverser Studiomikrofone

Also ich finde das BCM 104 wirklich schlimm. Keine Ahnung, warum das so ist, und warum das offenbar kaum jemanden stört. Es ist eben praktisch in der Handhabung und bildet mit den Mika-Armen eine gute Einheit – aber viele andere Mikrofone klingen einfach besser.
Feldversuch mit einem BCM 104 in einem akustisch sehr guten Raum: es ist in den Höhen wirklich etwas „diffus“, „verschliffen“, schwer zu beschreiben. Ansonsten kommt es mir sehr präsent vor, ähnlich einem Gefell M 930, dass die Höhen aber besser abbildet.

Wir besprechen nicht nah, daher wirkt der integrierte Popschutz gut (anders als in den Studios, wo extrem nah rangegangen wird, da muss man einen zweiten Popschutz davor verwenden).

Verglichen, beispielsweise mit einem TLM 170, zieht das BCM 104 natürlich den kürzeren, aber von „Schlimm“ würde ich nicht reden.

Bei einer Frauenstimme hatte ich neben einem Hochpass noch etwa 2 dB bei rund 7 kHz mit Q 2 weggenommen, das kann man so durchaus aufs Publikum loslassen.
… vor allem, wenn BCM 104 im Haus verfügbar sind - und man andere Mikrofone erst kaufen müsste (dann fiele die Wahl allerdings definitiv auf was anderes).
 
Das 104 ist auf Sprachverständlichkeit getrimmt. Das funktiniert durchaus gut. Aber Natürlichkeit oder klangliche Schönheit sind dabei auf der Strecke geblieben. Ich find das Ding nervig.
 
Der Begriff "eingebauter Popschutz" scheint mir beim BCM 104 stark übertrieben.
Ich kenne das Teil nicht in natura, aber was man auf Fotos sieht, ist ein "normales" Schutzgitter durch das die Kapsel/Membran deutlich zu erkennen ist.
Wie das ein Popschutz sein soll, bleibt mir beim Vergleich mit anderen Mikrofonen, die ein ähnliches Schutzgitter ohne Popschutzwirkung haben, ein Rätsel.
 
Mal fürs Protokoll, falls es jemanden interessiert: Sennheiser arbeitet sehr schnell. Vorgestern habe ich mein MD 441 (eigentlich ein BF 541) abgeschickt, gestern ist es dort angekommen und heute hatte ich schon die Fehleranalyse und das Reparaturangebot. Die Kapsel muss ausgetauscht werden, kostet ungefähr 500 EUR. Also die Hälfte von dem, was man heute für ein neues MD 441 bezahlen müsste. Und die ganz schwarze Variante, die mir sehr gut gefällt, würde man ja gar nicht mehr bekommen.

Also habe ich die Reparatur beauftragt. Kann nicht schaden, sowas mal griffbereit im Schrank zu haben.

Matthias
 
Sicher eine lohnende Investition, wobei sich mir die Frage stellt, wieso denn so eine Dynamo-Kapsel überhaupt kaputt geht, wenn man mal die Direktabnahme der Detonation einer 1000 Kilobombe ausschliesst.
Na ja, einfach so vom Küchentisch kann so ein Teil ja auch mal fallen. Bei meinen beiden MD 211 schätze ich auch, dass die Kapseln hinüber sind. Was soll da auch sonst kaputt gehen?
Aber unterschiedlicher können kaputte Kapseln eigentlich gar nicht klingen. Eins irgendwie hohl und topfig, das andere so überpräsent, dass man am EQ sämtliche Mitten und Höhen soweit wie möglich zurückdrehen muss. Dann klingt es etwa so wie ein "normales" Mikro, wo man die Höhen voll reingeknallt hat.
Verrückt. Und das wird verursacht durch sowas wie einen Membranriss? Weiss jemand da was drüber?
 
Ich habe das Mikrofon ja mal gebraucht gekauft. Da weiß man natürlich nie, wie es behandelt wurde. Womöglich hatte es da schon einen Vorschaden, der dann irgendwann zum Totalausfall geführt hat. Ich selbst habe noch nie ein Mikrofon kaputtgemacht. Lassen wir das MKH 8050 mal außen vor, welches sich beim ersten Einsatz mit einem lauten Piep verabschiedet hat. Da kein anderes verfügbar war, kam ich auf diese Weise zu einem Schoeps MK 41, welches mir seitdem gute Dienste beim geangelten Vor-Ort-Ton leistet.

Matthias
 
Kenne das so: Ein legendäres MD421 wurde im rauhen Studiobetrieb zeitweise auch als "Lautsprecher" für Kommandos benutzt. Auch sollte es keinen Schaden nehmen, wenn "versehentlich" an Phantomspannung betrieben. Im Bereich der Möglichkeiten der Beschädigung steht also, dass jemand einen "falschen" Verstärker an das Mikrofon angeschlossen hat, um es als Lautsprecher zu verwenden. Dabei ist die Membranspule wie bei einem überlasteten Lautsprecher beschädigt worden. Durch mechanische Verformung durch "Hitzeeinwirkung" stimmt der Frequenzgang nicht mehr wie vorher oder es verzerrt, es scheppert, weil nicht mehr frei beweglich im Magnetspalt.
 
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Ah, stimmt danke, ich erinnere mich, dass in der legendären "Sennheiser-Revue" damals drinstand, dass man das Mikro auch für "Rücksprechzwecke" verwenden könne, so robust sei es. Ich habe das selbst mal bei einem 421 ausprobiert, allerdings vorsichtig und so hat es auch keinen Schaden genommen. Man kann sich aber genau so gut vorstellen, wie weisser Rauch aus dem Mikro aufsteigt, wenn man da ordentlich Power draufknallt. 😱
 
Kenne das so: Ein legendäres MD421 wurde im rauhen Studiobetrieb zeitweise auch als "Lautsprecher" für Kommandos benutzt.

Und zu diesem Stichwort natürlich wieder der Hinweis: Beim Grubenunglück von Lengede wurden dynamische Mikrofone durch Bohrungen hinabgelassen, um mit den eingeschlossenen Bergleuten zu kommunizieren. Auf den Fotos vor meinem geistigen Auge sehe ich Beyer M 19b und Sennheiser MD 21, die abwechselnd als Mikrofon und Lautsprecher benutzt wurden.

Matthias
 
Habe mir das Schaltbild des M101 Reportermischpultes angesehen. Die "Phantomspannung" besteht aus R1 und R2 mit jeweils 180 Ohm an 12V. Mikro hat 200 Ohm. Da fließt IMHO ein zu hoher Strom dann. Evtl. hat jemand das Mikro an dieses Mischpult angeschlossen und "Phantomspannung" eingeschaltet. Auch weicht die Beschaltung des M101 von üblicher Phantomspeisung, unter dem, was man heute darunter versteht, nicht unerheblich ab.
 
Das M 101 hat keine Phantomspeisung sondern Tonaderspeisung. Das bedeutet + und - werden über die beiden 180 Ohm Widerstände auf die beiden Tonadern geschaltet. Das ist in der Regel das Ende eines dynamischen Mikrofones. Unbedingt darauf achten!
 
Da hier in diesem Thread ja viele Leute mitlesen, die zu den Fans der Mikrofone aus Gefell gehören, an dieser Stelle ein kleiner Bericht vom gestrigen Tage. Wir waren auf dem Rückweg aus dem Urlaub in Bayern. Da wollte ich mit dem Rest der Familie mal das deutsch-deutsche Grenzmuseum Mödlareuth besuchen. Mödlareuth ist heute ein Ortsteil von Gefell, so dass ich ein paar Tage zuvor mal eine Mail an Microtech geschrieben habe, um mich zu erkundigen, ob es die Möglichkeit zu einem kleinen Unternehmensbesuch gibt. Eine Vertriebsmitarbeiterin antwortete mir, dass ich mir genau den richtigen Tag ausgesucht habe, weil da das kleine Firmenmuseum geöffnet sein wird (in dieser Woche feiert die Stadt Gefell ihr 650-jähriges Bestehen).

Wir sind gegen Mittag eingetroffen und wurden von besagter Vertrieblerin begrüßt. Und plötzlich war da noch ein älterer Herr zugegen, bei dem ich mir sicher war, ihn von Fotos zu kennen. Da habe ich ihn gefragt: "Sind Sie Herr Kühnast?" – er nickte. Jochem Kühnast, der Vorname ist kein Schreibfehler, war bis 2010 Geschäftsführer und ist bis heute gemeinsam mit seiner Frau Eigentümer des Unternehmens. Sein Vater, Erich Kühnast, war der engste Mitarbeiter von Georg Neumann und hat im zweiten Weltkrieg den Standort in Gefell aufgebaut. Ich fragte ihn, ob er extra für uns in die Firma gekommen ist. Da meinte er: "Na Sie haben ja gesagt, dass Sie so gegen Mittag mit ihrer Familie erscheinen".

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So hatten wir eine ganz persönliche Führung durch das kleine Firmen-Museum vom Inhaber persönlich. Ich mag diese Gespräche mit Zeitzeugen total. Er hat uns unter anderem erzählt, dass es im DDR-Alltag teilweise nur mit List und Tücke gelang, an die nötigen Bauteile zu kommen, und dass die Stasi in der ganzen Zeit nicht mitbekommen hat, dass er immer noch als Mit-Geschäftsführer der Georg Neumann GmbH in West-Berlin eingetragen war.

Da die hohe Qualität nur durch präzise Messungen erreichbar und haltbar ist, gibt es dort natürlich auch einen reflexionsarmen Messraum – in welchem übrigens ein RL 904 aus Geithain die Mess-Signale abstrahlt. Jedes Mikrofon wird dort, bevor es das Haus in die weite Welt verlässt, einmal durchgemessen, um sicherzustellen, dass Frequenzgang und Richtcharakteristik so sind, wie sie sein sollen.

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Wobei Herr Kühnast ausdrücklich betont, was wir hier ja auch immer wieder diskutieren, nämlich dass die technischen Daten nur einen Anhaltspunkt liefern, aber dass am Ende das Ohr entscheiden muss, ob uns eine Aufnahme gefällt bzw. gefellt oder nicht.

In den Vitrinen finden sich natürlich Produkte aus allen Epochen des Unternehmens:

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Das UM 900 (das einzige Röhrenmikrofon mit Phantomspeisung) haben sie gerade aus dem Programm genommen, weil sie die Versorgung mit Ersatzteilen nicht mehr sicherstellen könnten, wenn sie noch mehr davon bauen. Es hapert vor allem an der Röhre. Das UM 57 hatte damals schon genau den Formfaktor wie die heutigen Röhrenmikrofone M 92.1s (mit M7-Kapsel) und M 990 (mit M930-Kapsel). Und das MT 71 wird heute noch genau so gefertigt wie damals, ebenfalls mit M7-Kapsel. In den 70er Jahren wurden sogar Richtrohre für den Filmton gebaut. Da besteht heute tatsächlich eine Lücke im Programm, aber vermutlich würde es nichts bringen, da gegen Sennheiser und Schoeps anzutreten. Man muss ja nicht alles machen.

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Am Ende waren das zwei spannende Stunden, und auch meine Damen, die große und die kleine, haben interessante Eindrücke mitgenommen, und können nun meine Begeisterung für solche technischen Meisterwerke etwas besser verstehen.

Matthias
 
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Wenn man wüsste, welche Röhre(n) in den Röhrenmikrofonen eingebaut sind, könnte man eventuell eine Suche nach Hersteller(n) erfolgreich gestalten. Bin jedenfalls mit den Röhren von JJ Slovakei sehr zufrieden. Ein Röhrenverstärker mit EL34L von JJ läuft bestens.

"We are proud of the fact that every component used in our vacuum tube production is manufactured in-house. This enables us to have complete quality control of every part of the manufacturing process."
 
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Tatsächlich findet man ganz grobe Hinweise über Heizspannung und Strom über diverse Angebote beim großen Auktionshaus. Und dass es sich bei der besagten Röhre in der Tat um die Telefunken AC701 handeln dürfte. (Ungewöhnlich: Die Bezeichnung erinnert mehr an Germaniumtransistoren.) Was bei Röhren häufig zu Problemen führte, war die Mikrophonie. Man erinnere sich nur an die Geräuschentwicklung der Wasserkühlung bei UKW/FM-Röhren-Sendeendstufen, die sogar einen bezifferbaren Wert aufwies: - 60dB. Wenn man das Geräusch im Radio gerade soeben noch wahrnehmen konnte, war der Empfangspegel auch hinreichend stereotauglich. Das nur als kurzer Exkurs.
Inwieweit der Hersteller dieses und diverse andere "Probleme" in den Griff bekommen hat, macht seine Expertise aus, und er hütet das Betriebsgeheimnis wie das Gold in Fort Knox.
Bestimmt könnte man heute "reverse"-engineeren, zum Beispiel unter Ersatz der Röhre durch Feldeffekt-Transistoren. Aber wer machte schon aufwändige Versuchsreihen, an deren Ende dann vielleicht Voraussetzungen für eine Massenproduktion geschaffen würden, wenn es lukrativer ist, durch die Verknappung des Gutes den Preis hoch zu halten?
 
Mir ist eigentlich nur noch Russland als aktueller Produktionsort von Röhren bekannt.
Habe selber aus der Ukraine und Russland noch https://de.wikipedia.org/wiki/Magisches_Auge_(Radio)"Magische Augen" vor etlichen Jahren beziehen können.
Leider traurige Nachrichten:
 
Also falls Jemand hier mal so eine Produktionsstätte in Aktion sehen will, da hab ich was. Ich kann leider kein Russisch aber sehenswert finde ich das Video allemal.
 
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