Weder ist der genaue Geburtsort dieses Mannes bekannt,
Seit wann hat die Nationalität etwas mit dem Geburtsort zu tun?
noch lässt sich irgendwo eine Platzierung des 56er ESC finden.
Deutschland ist beim ersten ESC mit zwei Interpreten angetreten, mit Walter Andreas Schwarz und Freddy. Walter Andreas Schwarz hat den ersten deutschen Beitrag gesungen, Freddy den zweiten. Mehr wurde nicht gesagt.
Es lässt sich also von der Teilnahme eines Mannes, der Seemannslieder sang obwohl er Zeit seines Lebens niemals zur See fuhr, dessen Geburtsort keiner kennt, angetreten mit einem Song, dessen Ergebnis im Finale keiner kennt, überhaupt nicht auf die Popularität dessen schließen!
Über die Popularität sprachen wir doch gar nicht, oder? Ich zitiere abermals:
"Dabei geht es doch darum, mit einem typischen Sound das eigene Land zu vertreten."
Darum ging es nie. Eigentlich sogar exakt im Gegenteil, wenn man davon ausgeht, daß das Sanremo-Festival die Blaupause bildete. Es ging um das Bilden einer Plattform für Künstler (meint im Bereich ESC vor allem für die Autoren), und gerade der Umstand, daß die teilnehmenden Lieder kein Jahr auf dem Buckel haben dürfen, widerspricht der These mit dem "typischen Sound", viel eher spricht das für das Fördern von Innovation und nicht zuletzt das Erschließen internationaler Märkte. Darüber, daß man das nur noch geringfügig merkt, brauchen wir nicht zu diskutieren.
Und Boogie war auch anno 1956 kein "typischer Sound" Deutschlands, und Rock'n'Roll auch nicht. Bill Haley war mit mehrmonatiger Verspätung gerade erst in Januar/Februar jenes Jahres mit "Rock Around The Clock" in Deutschlands Hitparaden angekommen und Elvis war gerade erst dabei, in den USA erfunden zu werden.
"Warum der Typ von der Olsenbande (Egon oder Manfred) für Deutschland antreten muss, versteht doch kein Mensch. Das sind Dänen und die haben damals den ESC für Dänemark gewonnen. Dann können wir uns ja gleich Bengel-Benny aus Göteborg als Songschreiber holen und Agneta Falskög singt für uns."
Deutschland und Luxemburg haben sich beim allerersten Grand Prix jeweils Interpreten aus einem anderen Land gesucht, insofern steht es uns nicht zu, sich darüber zu beschweren. Blieb ja auch in beiden Ländern nicht nur bei diesem einmaligen Ausflug. Und um Luxemburg wär's schon schade gewesen, die hatten einige gute Titel in die Hände ihrer Interpreten gelegt, auch wenn die Vicky Leandros, France Gall, Nana Mouskouri, Anne-Marie David, Ireen Sheer, Baccara, Lara Fabian oder sonstwie hießen und nicht mit Luxemburger Herkunft dienen konnten. Jürgen Marcus durfte doch da auch mal, oder ...? Gerade zu faul zum Nachschauen ...
Ansonsten können wir wirklich stolz sein, dass wir gleich im zweiten Jahr den ersten Titel mit Zeilen in Fremdsprache hatten und 1960 wiederum den ersten fremdsprachigen Titel eines ESC-Beitragslandes überhaupt.
Margot Hielschers "Telefon, Telefon" habe ich deutlich später erstmals gehört und erst viel später gesehen, daß das ein ESC-Beitrag war. Ich dachte, "Für zwei Groschen Musik" sei ihr einziger Beitrag gewesen. Die Idee, französische, italienische etc. Zeilen einzubauen, fand ich danach irgendwie charmant. Und "Bonne nuit, ma chérie" war ein deutschsprachiges Lied mit einigen französischen Anleihen, unter anderem Im Titel. War damals chic, das hat auch Udo Jürgens ein paar Jahre später registriert, als er zum dritten Mal antrat.
Zu einer Zeit also, als noch kein anderes Mitgliedsland überhaupt auf die Idee gekommen wäre, nicht in seiner Amts- oder Verkehrssprache zu singen.
Doch, natürlich, eigentlich sogar drastischer, denn 1960 ist auch Nora Brockstedt mit "Voi voi" angetreten, und die hatte damals den Mut, ihr Norwegisch mit Samisch anzureichern, und das war damals noch keine Amtssprache.
Der erste Beitrag, der keinerlei Wortbrocken der Amts- oder Verkehrssprache des Herkunftslandes beinhaltete, war übrigens 1965 "Absent Friend" von Ingvar Wixell. Ein Schwede. Eventuell sogar ein alter.
Gruß
Skywise