Aber wir wissen auch, dass sogenannte "Jugendprogramme" auch teils deutlich älteres Publikum haben - im Falle von FM4 gehe ich ohne Zahlen zu kennen auch sehr davon aus, da hier nicht "Jugendprogramm" sondern "Popkultur" im Vorderund steht, wenn es um Musik und musikredaktionelle Aspekte geht.
Popkultur hat man ansonsten in Österreich nirgendwo in dieser Form. FM4 ist massiv daran "schuld", dass die österreichische Musikszene überhaupt wahrgenommen wird. Das Programm ist für die österreichische Popkultur massiv wichtig - und hat darüber hinaus ja auch noch manchen wertvollen Wortanteil, den man anderswo nicht finden kann. Wortanteil, der erwachsener ist als der auf den meisten "Erwachsenenprogrammen".
Nahezu aktuell:
"Das ist natürlich ein Programm, um den ORF kaputtzusparen", sagt die neue Mediensprecherin der Grünen im STANDARD-Gespräch über ÖVP-Pläne bei den Regierungsverhandlungen
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2 Jahre alt, anderer Anlass, ähnliche Bedrohung:
"Anschlag auf gesamte Kulturszene des Landes": Wanda, Bilderbuch, Tocotronic, Voodoo Jürgens, Soap & Skin, Josef Hader, Verena Altenberger, David Schalko, Pia Hierzegger, Kati Strasser unterzeichneten
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Ink-Music-Gründer Hannes Tschürtz würde FM4 nicht als jüngeres Ö3 positionieren, sondern aus Ö3 ein älteres FM4 machen. Er vermisst Mut und Innovation
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Popkultur ist nicht auf "Jugend" beschränkt. Die ältesten "Popkulturellen" hatten ihre Jugend wohl mit den Beatles und sind inzwischen längst tief im Rentenalter. Bei FM4 ist es nicht so krass, aber auch Ü50 interessiert sich heute noch teils für was anderes als deutschen Schlager, "Evergreens" oder - wiederum Minderheit - Klassik/Jazz (was ja nicht ausschließt, dass sie sich auch dafür zusätzlich interessieren).
Ich bin inzwischen auch Ü50 und finde via FM4 immer wieder für mich neues, interessantes "Zeugs". Ich bin ja nicht bei der Musik der 1980er Jahre stehen geblieben (auch wenn ich für manches von damals natürlich noch immer "zu haben" bin). Ich entscheide bei Musik nicht nach Jahrzehnten, sondern danach, ob die Musik etwas aussagt, das mich anspricht, das wichtige Themen anspricht, ob die Musik neue Räume eröffnet oder ob sie einfach nur erkennbar zum Verkauf produzierte Fließbandware darstellt.
FM4 leistet da nach wie vor sehr gute Arbeit.
Das bräche dann auch weg beim ORF. Auf Tiktok oder andere Kiddie-Plattformen, die mit "Radio" nichts zu tun haben, gehen doch schon erwachsen gewordene Mittdreißiger nicht mit. Das ist unzumutbar. Tiktok veranstaltet auch keine Festivals mit lokalen Bands. Tiktok ist eine gesichtslose Plattform für Trash jeglicher Art, deren einziges Ziel das Generieren möglichst vieler Klicks ist.
Generell sind solche Plattformen ja schon dadurch im kulturellen Wert geringer, als dass sie nicht kuratiert sind. Da können alle und jede/r was auch immer reinkippen, solange es schön bunt ist und zappelt. Da drin dann Perlen zu suchen - evtl. auch öffentlich-rechtliche Perlen - ist eine letztlich entwürdigende Tätigkeit. Dafür gibt es kuratierte Plattformen wie im Falle Österreichs dankenswerterweise FM4 und mit anderen abgedeckten Bereichen OE1.
Die wirklich "erwachsenen", noch an Radio interessierten Menschen, die ich kenne, sind schon "raus", wenn sie statt im linearen Programm in irgendwelchen "Audiotheken" graben sollen - zumal sie das Wort "Podcast" an Laientheater mit schlimmen Stimmen, übler Audioqualität und massiv Selbstdarstellung erinnert.
Bei einer Vernichtung von FM4 müsste man die popkulturellen Inhalte und manche Wortinhalte von FM4 mit auf OE1 packen - ein Ding der Unmöglichkeit, bei dem beide Wellen bzw. ihre Inhalte massiven Schaden nehmen würden. Diesen Schaden sehe ich als Absicht der eigentlichen politischen Attacke. Starke Kulturplattformen sind einfach störend auf dem Weg in die gesamtgesellschaftliche Kulturlosigkeit. Und die ist offenbar gewollt aus niederen politstrategischen Gründen.
Die SPÖ drängte auf eine Absicherung im Koalitionsabkommen, finanziert aus dem ORF-Budget. Die ÖVP will aber die ORF-Finanzierung im Medienkapitel einfrieren
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