Gendern im Radio

Übrigens ist es nicht möglich, den Führerinnenschein beim Bürgerinnenamt zu erneuern, sondern bei der Führerinnenscheinbebehöre (!). Nicht betroffen sind Besitzerinnen von Sportbootführerinnenscheinen.

Ich bin immer etwas zwiegespalten, wenn ich so was in der Art lese. Einerseits hatte ich früher denselben Humor, andererseits sehe ich darin jetzt auch den Versuch, das Streben nach Sichtbarkeit von Frauen in der Sprache lächerlich zu machen.
 
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Frauen können sich doch nun wirklich nicht über mangelnde Sichtbarkeit beklagen. Sie stellen rund die Hälfte der Bevölkerung und sind bei allen lebensprägenden Entscheidungen die maßgebliche Instanz. Von daher frage ich mich wirklich, wer eigentlich dieses Märchen in die Welt gesetzt hat, dass Frauen angeblich nicht sichtbar genug seien, und dass man deshalb irgendwelche fürchterlichen sprachlichen Verunstaltungen erfinden müsse.

Der erste der drei Links führt ja zu welt.de, daher habe ich an dieser Stelle mal noch eine ganz grundsätzliche Frage: Wie sehen die hier Mitlesenden eigentlich die Praxis bei welt.de, den Leuten aus dem neurechten Spektrum, den "besorgten Bürgern" oder wie auch immer man sie nennen will, dort unten in den Kommentarbereichen eine äußerst breite Spielwiese zu geben? Die Zeitung an sich hat zwar eine bürgerlich-konservative Grundhaltung, und ich meine schon, dass die dortige Themenwahl durchaus sehr bewusst passiert, aber die haben dort eine sehr kritische Haltung gegenüber der AfD, so dass ich eigentlich nicht verstehe, warum man da unten dann diesen ganzen Schrott stehenlässt, den alle anderen wegmoderieren würden.

Also für alle, die welt.de nicht lesen: Unter allen Artikeln zu Migrationsthemen finden sich zu 95 Prozent gehässige Kommentare, wo dann auch schon mal Gefängnis für die Kanzlerin gefordert wird, unter allen Artikeln zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk finden sich zu 95 Prozent gehässige Kommentare, die dessen Abschaffung fordern, zu allen Artikeln über Elektroautos finden sich zu 95 Prozent gehässige Kommentare von Leuten, die Autos ohne Auspuff nicht leiden können. Und bei jeder erdenklichen Gelegenheit wird betont, dass die ganzen Corona-Maßnahmen angeblich total übertrieben seien. Und Trump ist natürlich toll... (Putin auch)

Nun frage ich mich: Was bezweckt eine Zeitung damit, Leuten eine Plattform zu geben, denen ansonsten kein seriöses Medium eine Plattform bietet? Zu zehn Prozent wäre das ja noch nachvollziehbar, aber doch nicht zu 95 Prozent...

Matthias
 
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Die zwei diesbezüglichen Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen zu verlinken hatte ich mir gespart, da nicht kostenfrei abrufbar.
 
Eine Sache ist mir noch aufgefallen: während ich bei meinem Beispiel "die Bürgermeister" tatsächlich zuerst an Männer denke, ist das bei "die Studenten" nicht so. Vielleicht, weil Bürgermeister ja auch real unterdurchschnittlich durch Frauen besetzt sind, während es bei Studenten recht gleiche Anteile gibt. Insofern frage ich mich, welchen Anteil die Sprache an der Diskriminierung wirklich hat, oder ob es nicht reale Gegebenheiten sind, die einen so denken lassen.
 
Drei Zeitungsartikel sollen mich nun BILDen und das korrigieren, was ich mir in meinen 37 Jahren an Meinungen selbst gebildet und gelernt habe?

Es gibt hier im Forum 2 verhärtete Fronten: Grundsätzlich würde ich schon feststellen, dass eine Haltung zu diesem Thema abhängig ist vom Alter, Geschlecht, aber auch die Tatsache, (nicht-) Mitglied einer Minderheit zu sein. Ich für meinen Teil gendere gar nicht die ganze Zeit, gehe aber sehr gern auf Wünsche und Bedürfnisse, aber auch Veränderungen ein. Und übrigens wird der Duden diese Schreibweise sicher bald aufnehmen 😉
 
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Wann war eigentlich der letzte Eingriff in die Struktur der deutschen Sprache (und Aussprache), um auf Diskriminierungen bestimmter Bevölkerungsgruppen aufmerksam zu machen?
 
Es ist halt erwiesen, dass das "Mitmeinen" im generischen Maskulinum nicht funktioniert
, aber indem man dieses "Gesamtwort" eben nicht eindeutig als maskulin definiert (was Sprachwissenschaftler nur irgendwie festlegen müssten), kann man es neutralisieren. Und dann funktioniert das auch gut. Können die Engländer schließlich auch.
 
Wann war eigentlich der letzte Eingriff in die Struktur der deutschen Sprache (und Aussprache), um auf Diskriminierungen bestimmter Bevölkerungsgruppen aufmerksam zu machen?

vielleicht zu lange her oder nie geschehen- es wird Zeit! Aber dass sich Sprache wandelt, anpasst, es im Duden (oder woanders) zu Veränderungen kommt und es Begriffe gibt, die (vom Mittelalter bis zur Gegenwart) häufig anders verwendet werden und wurden, sind wir uns einig?
 
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, aber indem man dieses "Gesamtwort" eben nicht eindeutig als maskulin definiert (was Sprachwissenschaftler nur irgendwie festlegen müssten), kann man es neutralisieren. Und dann funktioniert das auch gut. Können die Engländer schließlich auch.
Im Englischen gibt es kein generisches Maskulinum. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen, in denen es unterschiedliche Wörter für die weibliche und die männliche Form gibt (waiter - waitress z. B.).

Es geht bei dem Problem mit dem generischen Maskulinum aber ja nicht um Definition, sondern um Assoziation. Wenn von "Studenten" die Rede ist und die meisten, obwohl Studentinnen mit gemeint sind, nur männliche Studenten vor Augen haben oder Frauen sich dadurch nicht angesprochen fühlen, ist das ein Problem.
 
Wenn von "Studenten" die Rede ist und die meisten, obwohl Studentinnen mit gemeint sind, nur männliche Studenten vor Augen haben oder Frauen sich dadurch nicht angesprochen fühlen, ist das ein Problem.
Eben. Das müsste geändert werden und ist der Gesellschaft so beigebracht werden. Das ist nichts was angeboren ist,ganau wie bei Rassismus auch. Denn das Nicht Vorhandensein des Maskulinum im Englischen ist nichts anderes als unsere zur männlichen Form degradierten Bedeutung.
 
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Im Sinne der Gemeinschaft sollte dies aber unser aller Problem sein.
Es kann doch nicht mein Problem sein, was andere vor Augen haben, wenn sie etwas hören?!

das Nicht Vorhandensein des Maskulinum im Englischen
Wat?!

unsere zur männlichen Form degradierten Bedeutung
?!? Du solltest Dir mal fünf Minuten Zeit nehmen und die von mir verlinkten Artikel lesen.
 
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Sprachempfinden ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Und so sollte auch mit dem Gendern verfahren werden. Die Nichtnutzung sollte ebenso selbstverständlich sein wie die Nutzung. Auch im professionellen Bereich.
Wir erleben jedoch derzeit, und das sehe ich als Hauptursache für die Gereiztheit in dieser Diskussion, immer stärker die Erwartungshaltung, gegenderte Sprache anzuwenden. Ich gehöre zu dem Personenkreis, der bei "die Hörer" sowohl an Hörerinnen als auch Höreriche sowie jegliche Menschen, die sich weder männlich noch weiblich identifizieren, denkt. Die Idee, dass damit nur Männer gemeint sein könnten, wirkt in meinem Kopf völlig absurd. Und wenn in Studien 70 % der Probanden das anders beantworten, existieren die anderen 30 % und ihr Sprachempfinden trotzdem. Entsprechend alarmiert bin ich über die Erwartung, gegen mein Empfinden gendern zu müssen, um nicht als hinterwäldlerischer Misogynist dazustehen. Aus dem akademischen Umfeld vernahm ich neulich sogar Freude darüber, dass bei einem Meeting selbst die Doktoranden konsequent gegendert hätten. Als wäre das ein objektiver Erfolg und keine persönliche Entscheidung aufgrund des eigenen Sprachempfindens.

Der DLF war hier ja bereits Thema. Dort gab es vor einigen Wochen in der Sendung Streitkultur eine Ausgabe zum Thema, in der eine interne Handreichung zur sprachlichen Sensibilität erwähnt und auszugsweise zitiert wurde. Während daraus keine Pflicht zur Nutzung gegenderter Sprache hervorgeht, können solche Maßnahmen meiner Meinung nach durchaus zu einem großen psychologischen Druck führen, Sprachformen auch gegen das eigene Empfinden zu nutzen. Und in der Tat, es ist gerade das Programm aus dem Kölner Süden, bei dem ich oft den Höreindruck habe, für das Gendern würden Fleißbienchen verteilt.

Anfangs fiel hier der Begriff gendersensibel. Und vielleicht ist das ein guter Ansatz, denn auch ich bin nicht frei von Zweifeln ob der sprachlichen Gerechtigkeit. Beispielsweise habe ich mir, von Tendenzen im Englischen inspiriert, angewöhnt, im Zweifelsfall den Plural zu verwenden. Statt, um das Beispiel hier aus dem Faden aufzugreifen, von "dem Täter" nun von "den Tätern" zu reden. Vorausgesetzt, die Genauigkeit leidet nicht und wir wissen nicht wie viele Personen an der Tat beteiligt waren. Damit entledige ich mich des männlichen Artikels. Wobei andererseits der Plural im Deutschen wiederum grundsätzlich weiblich ist, denn es sind DIE Bürgermeister und DIE Leser, womit unsere Sprache ja vielleicht doch ausgewogener ist, als wir für gewöhnlich denken.

Ich finde es zudem großartig, wenn Frauen voller Selbstbewusstsein sagen "ich bin Österreicher" oder "ich bin Arzt". In einer gleichberechtigten und emanzipierten Gesellschaft spielt das Geschlecht für die Ausübung und Qualität der ärztlichen Tätigkeit schließlich keine Rolle. Hierin sehe ich persönlich eine Lösung des Problems der Sichtbarmachung: Frauen, erobert die generische Form!

Am Ende dürfen wir das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren: Die Gleichberechtigung und Sichtbarmachung von Frauen und geschlechtlichen Minderheiten. Und dafür muss primär und immer wieder über die Mißstände inhaltlich gesprochen und Lösungen gefunden werden! Das :innen mitzuschleppen sowie an ihre logischen Grenzen stoßende Konstrukte wie Studierende zu nutzen, bleibt meiner Meinung nach eine Mode, die in den nächsten emanzipatorischen Entwicklungsschritten wieder abgeschnitten werden wird, weil sie oft weder als ästhetisch noch als praktisch empfunden wird.
 
sind wir uns einig?
Svennie, ich vermute mal, dass wir sogar in sehr vielem übereinstimmen. Nur lasst mir doch die Sprache in Ruh'! Du weißt von mir nichts weiter, als dass ich ein älterer Mann bin, der fast 40 Jahre beim Radio gearbeitet hat. Du weißt weder, ob ich schwul oder hetero bin, noch ob ich rechts, grün oder seit Urzeiten SPD wähle. Du schließt aus einer Bonsai-Parzelle meines Wesens (ich will nicht gendern und vertrete das massiv) auf meine Gesamtgesinnung. Vielleicht war mein Neffe mal eine Frau und ich habe ihren gesamten Weg durch seine Transition begleitet, vielleicht habe ich einen schwul-lesbischen Radiosender in Frankfurt mitbegründet. Trotzdem halte ich Gendern für eine hässliche Verbiegung meiner geliebten deutschen Sprache. Ich mein' ja nur...
 
Trotzdem halte ich Gendern für eine hässliche Verbiegung meiner geliebten deutschen Sprache.
"Verbiegung" empfinde ich noch als einen sehr gemäßigten Ausdruck, ich selbst würde dazu "Vergewaltigung" (im Sinne von Missbrauch) sagen.

@OnkelOtto
Du willst ja auch mit der deutschen Sprache niemanden zu irgendeiner Gesinnung oder zu einem (Schein-) Bekenntnis hinzwingen, sondern Du willst lediglich mit dieser Sprache journalistisch (im Idealfall sogar auch noch elegant, je nachdem, wie sein Sprachvermögen ausgebildet ist) kommunizieren, so dass der Empfänger schnell und klar versteht, was der Absender ihm mitteilen möchte.
 
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