Gendern im Radio

Wenn man glaubt, dass mit dem korrekten Gendern in Wort und Schrift gleichzeitig auch im Kopf und im Verhalten der Menschen das Gewünschte passiert, dann wäre das ja überlegenswert. Es kann aber durchaus genau das Gegenteil in Denken und Handeln passieren, weil es Reaktanzen auslöst, wenn man sich zu etwas genötigt fühlt, von dem man nicht wirklich überzeugt ist. So geht es mir, wenn man mich nötigt, eine nicht gewachsene, sondern eine konstruierte und im Gebrauch unkomfortable Sprache zu verwenden.
Umgekehrt bietet das Gendern natürlich auch den ganz Schlauen eine willkommene Attrappe, hinter der sie sich verstecken können: Ich gendere, also bin ich unangreifbar (egal, was ich in Wirklichkeit denke). So gesehen verbirgt sich hinter manchem eifrigen Genderer vielleicht ein ausgewachsener Macho.
 
Mal kurz Rauch aus dem Kalumet in die Runde: Radiotroll, Du formulierst immer recht zugespitzt. Das mag ich eigentlich. Es sollte nur nicht schwarzweiß werden. Möglicherweise habe ich für Geschlechtergerechtigkeit und Sicht- (und Hörbarkeit!!) von Minderheiten mehr getan, als Du glauben magst. Ich komme beruflich und von dem, was ich gelernt habe, aus der Phonetik, Grammatik usw. Deswegen bin ich auch so quergebürstet, wenn es an die Klangästhetik des Deutschen geht. Zwei Dinge sind es, die mich stören, und nur diese zwei: Subtiler Zwang und Klanghässlichkeit. Deswegen habe ich auch keinerlei Probleme mit Doppel- bzw. Beidnennungen, bei Partizipialkonstruktionen mucke ich schon manchmal auf - und's Sternsche finde ich absonderlich. Sonst alles gut.
 
Ich bin gar nicht in Unfrieden, im Gegenteil. Hust hust, entschuldige bitte, bin Nichtraucher, vielleicht habe ich mich dahingehend unglücklich ausgedrückt, das der Eindruck entstand, ich würde nur an dem vom Onkel geschriebenen Text herummäkeln. Ich meinte das allerdings ganz allgemein.
 
Ich hab das schon mal hier geschrieben: Das "Mitmeinen" funktioniert ja nicht. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Dazu auch im Duden-Ratgeber "Richtig Gendern":
Das widerspricht zumindest meiner Lebenserfahrung und auch mancher Tatsache. So ist der Anteil von weiblichen Studenten an höheren Bildungseinrichtungen seit Jahren etwa gleichauf mit den männlichen. Offenbar liessen sich die Frauen nicht davon abschrecken, gemeinhin als Studenten bezeichnet zu werden.

Der zitierte Gender-Ratgeber scheint ja mehr als ein Ratgeber sondern eher ein Manifest zu sein, wenn er mal eben alle (!) einschlägigen Untersuchungen ins Feld führt. Auf das Feld der Genderwissenschaften begebe ich mich nicht.

Ein anderer Aspekt als der ästhetische ist die sprachliche Unschärfe. Etwa das zum Substantiv vergewaltigte Partizip I ist die Verlaufsform, die anzeigt, das eine Handlung gerade stattfindet. Ein Studierender ist also eine Person, die gerade aktiv am Lehrbetrieb teilnimmt, etwa in Vorlesungen oder beim Erarbeiten einer Thesis. Um Student zu sein, reicht die formale Einschreibung an einer Hochschule. Dieser Unterschied kann in Diskussionen durchaus bedeutsam sein, etwa wenn es um die Effizienz des Studiums geht. Gendern und anderes politisch motiviertes Klempnern an der Sprache nimmt dieser unter Umständen ihre Schärfe.
 
Das Beispiel zeigt nur die gewollte Unflexibilität, in Diskussionen diesem Unterschied einen Ausdruck zu geben.
 
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Gendern und anderes politisch motiviertes Klempnern an der Sprache nimmt dieser unter Umständen ihre Schärfe.
Du bist mir bei diesem Thema generell zu politisch. Jemand, der gendert, ist vielleicht nur

ein ausgewachsener Macho.

Vielleicht verbirgt sich hinter einem, der gendert, aber auch nur ein überzeugter CSU-Wähler, der in Wirklichkeit progressive Linkspolitik verabscheut. Alles ist möglich....

[um falsche Schlüsse zu ziehen, etwas abgeändert]
 
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Hier wird doch die Diskussion sehr interessant. Eine durchaus relevante Sachfrage:

Sorry, ich habe mich vielleicht ein wenig zu blumig ausgedrückt (alte Redakteurs-Macke, kontraproduktiv). Ich unterstelle (mal so in den luftleeren Raum), dass Gendern z.B. im Radio zwangsläufig dazu führt, dass der Gendernde am Mikrofon permanent ans Gendern denken muss, um nicht in die eigene Falle des generischen Maskulinums zu tappen - und diese Gehirn-Rechenkapazität wird vom eigentlichen Inhalt abgezogen. Wenn dem nicht so sein sollte, isses ja gut. Das glaube ich aber nicht.

Menschen, die On-Air gendern (mit welcher Methode auch immer), sprechen tatsächlich davon, dass es Gewöhnungssache ist. Es gibt sicher auch ein paar ganz konkrete Tricks, das zu üben. Der Anfang ist aus meiner Sicht, sich mit der Thematik auseinander zu setzen. Zu fragen, ob eventuell etwas dran sein könnte an den befürwortenden Argumenten. Warum wird denn gendern von einigen als so wichtig erachtet? Erstmal das. Und dann geht es erst im zweiten Schritt darum, es auch umzusetzen. Doch selbst Leute, die Gendern richtig finden, können es nicht automatisch selbst immer gut. Es erfordert tatsächlich Konzentration. Hier muss man sich bewusst machen: Neues zu lernen, etwas anders zu machen als immer, das ist ja für alle erstmal schwer, auch bei anderen Veränderungen (neues Schnittprogramm, andere Beitragsformen, mehr Sport machen, weniger Fleisch essen usw.)
Wer etwas wie gendersensible Sprache umsetzen möchte, muss erstmal für sich selbst entscheiden, ob es Sinn macht. Das ist aus meiner Sicht der größte Teil der "Rechenleistung". Die findet aber in der Regel nicht im dem Moment des Sprechens On-Air statt, sondern ist ein Prozess. Wer findet, dass Gendern Sinn macht, kann es dann mit weniger Rechenleistung im Kopf gut umsetzen. Etwas sinnvoll zu finden, lässt sich nicht diktieren. Daher ist es wichtig, darüber im Gespräch zu sein.

Ich habe in diesem Thread auch nirgenwo gesehen, dass jemand schrieb: "Ihr müsst unbedingt gendern, sonst... " Daher kann ich das Zwang-Argument, dass oft angeführt wurde nicht ganz nachvollziehen. Es ist eher so, dass die, die das Gendern ablehnen von anderen verlangen, es auch zu zu lassen.

So, und wo, bitte, soll dann die Grenze sein?
Ins Lächerliche wird die Diskussion dann gezogen, wenn Dinge und Gegenstände gegendert werden: "Tischinnen und Stuhl*innen".

Also kurz: Gendern bezieht sich auf Personen.
 
Ich habe in diesem Thread auch nirgendwo gesehen, dass jemand schrieb: "Ihr müsst unbedingt gendern, sonst... " Daher kann ich das Zwang-Argument, dass oft angeführt wurde nicht ganz nachvollziehen.
Aha. Nur zum Beispiel. Google hat endlose Treffer zu existierenden Vorschriften. Konkret zum verlinkten Text:

Wenn mir eine Lehrerin erklärt, sie fühlt sich beim Betreten eines Lehrerzimmers diskriminiert, erkläre ich sie für bekloppt. Aber vielleicht bin ich es ja.

Dann wieder dieser Unsinn mit dem Partizip. Ein Lehrender ist nicht gleichzusetzen mit einem Lehrer. Was ist dann überhaupt die Berufsbezeichnung?

'Ja hallo, ich bin von Beruf Schornsteinfeger.
- Und ich bin Lehrende.
Ach ja sorry ich bin natürlich Schornsteinfegender...'

Echt jetzt?
 
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Lustig auch: Alle berufen sich auf Luise Frohmuth Pusch. Nur hat jene im hier im Thread verlinkten Gespräch schon längst ziemlich kräftig zurückgerudert - nach dem Motto "Die Geister, die ich rief..."
 
[OT]
Wie sieht es denn bei "Schüler/Schülerin" aus? - Ist für mich spätestens in vier Wochen wieder relevant, wenn die Ferien vorbei sind. Da die meisten von ihnen kaum zwei ganze Sätze halbwegs korrekt heraus bekommen oder gar lesen können (von "schreiben" will ich gar nicht schreiben), sehe ich bei "Sternchen" und "-Innen" doch einige Probleme. Werden diese Personen dann als der/die "Beschulte(n)" angesprochen? Der/die "Schulende" geht ja nun nicht, weil dieses Wort eine andere Bedeutung hat.
Dann bleibe ich doch bei meinem Standpunkt, "Schülerin(nen) und Schüler" zu schreiben und sprechen, statt ein Kunstwort wie "Schüler*in" zu kreieren. Soviel Zeit beim Sprechen oder Platz beim Schreiben sollte schon vorhanden sein.
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Zum verlinkten Artikel: Darin geht es um die Rechts- und Verwaltungssprache der Hansestadt Hamburg und weder ums Gendern im Radio, noch um diesen speziellen Thread in diesem Forum, worauf sich mein Statement bezog, das in Antwort Nr 284 zitiert wurde. Die wenigen journalistische Leitfäden, die mir aus Medienhäusern bekannt sind, haben iim Gegensatz zum zitierten Link einen eher anregenden Charakter und keinen vorschreibenden, soweit ich das beurteilen kann.

Es ist aber natürlich eine durchaus berechtigte Frage, wie damit im Radio umgegangen werden kann/soll/muss (?), wenn Pressemitteilungen von Institutionen, Städten, Unternehmen u.a. , O-Töne von Privatmenschen, Personen des öffentlichen Interesses oder Expertinnen und Experten sowie Interviewantworten gegendert werden. Das ist sicherlich keine Diskussion, in der es eindeutige, immer geltende Lösungen geben kann....
 
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Noch mal ein etwas provokanter Einwurf: Wenn die alte Radiomacherregel gilt, wonach man im Radio am besten so spricht, wie "draußen im Alltag die Menschen sprechen", dann hat sich die Diskussion hier eigentlich erledigt. Denn "im Alltag", also im freien Kommunizieren zwischen Freunden, in Familien, in der Freizeit etc., habe ich bisher bei der überwältigenden Mehrheit der Menschen gegenderte Sprache nicht als die bevorzugte und selbstverständliche Variante erlebt.
 
Seitenaspekt: Diese Denke, man müsse im Radio so sprechen, wie "draußen im Alltag die Menschen sprechen", hat das Niveau des Hörfunks in Deutschland ziemlich in die Wurst gefahren (um mal einen rheinhessischen Regiolektausdruck zu verwenden). Nur pro forma: Ich weiß, das ist nicht Deine Meinung, Manni :)
 
Provokanter Einwurf zurück: Wenn man im Radio so spricht wie draussen, dann dürfte man auch nicht die Sprecher hofieren, so wie es hier ja in einem eigenen Faden zurecht getan wird. Mit der Sprachmelodie und dem Ductus spricht doch keiner da draussen. Kurz, dieses Argument ist ein Totschlagsargument für einige Fäden hier.
 
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Ist ja auch nicht Mannis Meinung, vermute ich mal stark. Es gäbe dazu hunderte Seiten zu schreiben. Ist aber der falsche Thread.
 
Ich bin übrigens froh, das im Radio heute Alltagssprache gesprochen wird. Für die Altvorderen ist das eine Gleichsetzung mit Kultur und Niveau vor die Wand fahren, für mich ist es leichtverständliche Sprache geworden.
 
Den Einwurf, von Manni finde ich gar nicht sooo provokativ, sondern sogar sehr gut. Darüber kann man nachdenken.

Aber es ist natürlich auch so, dass es "die Leute" da draußen sehr unterschiedlich sprechen, manche gendern tatsächlich auch im Alltag, viele (die meisten?) tun es nicht. Die Frage ist aber: tun sie es nicht, weil sie es nicht kennen, noch nie/nicht so oft gehört haben, weil sie es also nicht gewöhnt sind oder tun sie es nicht, weil sie es aus Überzeugung und nach der Auseinandersetzung mit dem Thema ablehnen? Das sind verschiedene Gruppen....

Oder sind diejenigen, die im Radio zu hören sind, "höhere" Wesen, von denen erwartet wird, dass sie sich anders ausdrücken? Bspw. ist bei vielen Sendern ja kein regionaler Dialekt gewünscht und bzw. gestattet...
 
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Was ist daran inhaltlich und sprachlich verkehrt? Umgangsprachlich werden LKWs Brummis genannt und die können nunmal gegen Brückenpfeiler fahren. Und das kann man mit etwas gutem Willen als in Brückenpfeiler krachen bezeichnen. Jeder weiß, was gemeint ist.
 
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Seitenaspekt: Diese Denke, man müsse im Radio so sprechen, wie "draußen im Alltag die Menschen sprechen", hat das Niveau des Hörfunks in Deutschland ziemlich in die Wurst gefahren (um mal einen rheinhessischen Regiolektausdruck zu verwenden). Nur pro forma: Ich weiß, das ist nicht Deine Meinung, Manni :)
Stimmt schon: Die Moderatoren sollen nicht direkt so 'wie draussen auf der Straße' sprechen, oder wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Zum Moderator-Job gehört schon vorrangig Begabung, dazu ein Berufsethos und eine gewisse Grundintelligenz.
Gibt es eigentlich Streit zwischen den Redaktionen, die Texte formulieren, und Sprechern, die solche durchgegenderten Texte - manchmal gefühlt 'gequält' - 1:1 einsprechen müssen?
 
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