Auweia, jetzt werden wieder die paar Hanseln (das darf man doch wohl noch so schreiben, da hier ja schließlich Leute mit dem Namen Hans diskriminiert werden, also hauptsächlich alte, weiße Männer)) als letzte, verzweifelte Begründung herangezogen. Ich schrieb es hier schon häufiger, aber wiederhole mich da auch gern nochmal. Was wäre wohl los, würden wir für jede mindestens genausogroße, mindestens genauso große Minderheit in Deutschland ein solches Gewese machen? Nochmal das immer wieder gern von mir gebrachte Beispiel: Bei uns in Deutschland leben ungefär 1,2 Mio Blinde und Sehbehinderte Personen, wie viele es genau sind, weiß man nicht, da hierüber keine offizielle Statistik erhoben wird. Das sieht bei den Diversen anders aus, denn hier gibt es freilich genaue Zahlen derer, die sich so haben melden lassen (mit Stand Februar 2021 etwa 400 Personen, neuere Zahlen konnte ich auf die Schnelle nicht finden). Zahlenmäßig ist der Personenkreis derer, bei denen es mit dem Sehen hapert, also um ein vielfaches größer als die jener, die sich weder als männlich, noch als weiblich betrachten. Wenn das Gendersternchen also nur dazu eingeführt worden ist, die Diversen zu berücksichtigen, könnten wir mit mindestens ebensogroßer Legitimation Änderungen an der Alltagssprache einfordern. Eigentlich wäre unsere Legitimation wohl sogar größer, weil wir zahlenmäßig einfach deutlich mehr sind, allerdings bezogen auf die Gesamtbevölkerung natürlich trotzdem eine Minderheit darstellen.Es geht hier nicht nur um männlich oder weiblich, und dass man nicht erkennen könnte, ob besagter Name männlich oder weiblich ist - es geht im die Diversen, die non-binären. Es könnte ja sein, dass Carles Magraner oder Ibn Hazm divers sein könnten... Daher müssen sie adäquat bezeichnet werden.
Doch, den Diversen...
Wenn es nur um männlich oder weiblich ginge, würde ich dem DLF die Form "die Politikerinnen und Politiker" empfehlen, aber dadurch werden die Diversen nicht abgedeckt. Daher braucht es die Form "die Politiker*innen". Erst der Stern schließt die Diversen mit ein.
Wir könnten also fordern, endlich diese auf die visuelle Wahrnehmung fixierte Sprache von diesen diskriminierenden Elementen zu säubern, denn es ist ja unerhört, dass gerade das gesprochene Wort, also unser wichtigstes Kommunikationsmittel, derartig wenig Rücksicht auf Blinde nimmt. Niemand sollte mehr davon sprechen, dass man ja auf der Internetseite des Senders "reinschauen" dürfe, das Fernsehen bräuchte einen neuen Namen, da im Zuge der immer häufiger angebotenen Audiodiskription auch immer mehr Leute das Gerät einschalten, die überhaupt nicht sehen können. Auch Talksendungen können von uns ja ohne Probleme verfolgt werden, allerdings darf man da dann auch nicht mehr von Zuschauern sprechen, immerhin gibt es ja auch Leute, die gar nicht zuschauen,sondern nur zuhören können. Die Floskel "Liebe Zuhörer", gleich in ob gegendert oder nicht, kann man aber auch nicht verwenden, da sonst die Gehörlosen auf die Barekaden gehen. Man müsste sich also auf "sehr geehrte Wahrnehmende" oder ähnliches einigen. Doch auch vor ganz einfachen, feststehenden Begriffen würden wir nicht Halt machen. Es darf doch nicht sein, dass das Gebiet, in welchem sich neben den Augen auch noch Mund und Nase befinden, einfach Gesicht heißt. Vielleicht muss dann ja ein ganz neues Wort erfunden werden oder wir bedienen uns eben einfach dem Englischen Face, gibt ja sowieso schon so viele Anglizismen, da fällt das gar nicht mehr auf.
So, das könnten wir jetzt alles versuchen, machen es aber nicht. Warum nicht? Weil es uns einfach völlig egal ist, das die Sprache davon ausgeht, dass man in der Lage ist, die Dinge visuell wahrzunehmen. Mehr noch, die meisten von uns stören sich sogar ziemlich daran, wenn irgendjemand aus falscher Rücksichtnahme meint, er dürfe Wendungen wie die oben vorgeführten und viele andere mehr in unserer Anwesenheit nicht verwenden. So fühlen wir uns nämlich erst recht als Sonderlinge. Die allermeisten von uns sind auch Blinde und Sehbehinderte und keine Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung. Das ist auch so eine sprachliche Leitlinie, durch die Blinde nicht mehr so sehr auf ihre Blindheit reduziert werden sollen. Theoretisch ein netter Ansatz, praktisch kommt es aber weitaus weniger darauf an, wie jemand etwas sagt, sondern viel eher, wie er es meint. Diese gestelzten Formulierung machen alles nur komplizierter, ohne im Gegenzug einen Vorteil für irgendjemanden zu erreichen.
Bliebe jetzt zu klären, wie die Diversen jetzt über den Genderstern denken. Halten sie ihn für notwendig oder finden einige von ihnen vielleicht auch, dass sowas nur unnötig auf Unterschiede verweist und damit schon wieder eher diskriminierend wirkt, weil jetzt ja andauernd unnötigerweise die Aufmerksamkeit auf die geschlechtliche Zugehörigkeit von Personen gelenkt wird. Ich weiß es nicht, weil ich ähnliche wie @Hochantenne bisher noch niemandem begegnet bin, der sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren kann und habe daher keine Ahnung, wie das von den Betroffenen selbst gesehen wird. Mir kam aber andererseits auch noch nie in den Medien irgendjemand unter, der unter die Sammelbezeichnung "divers" gefallen wäre und überzeugend klargemacht hätte, wie viel ihm dieses Zeichen zur gesonderten Ansprache im Alltag bringt und um wie viel besser er sich nun akzeptiert fühlt. Das kommt komischerweise immer nur von Leuten, die das Thema an sich gar nicht betrifft, die sich aber offenbar gemüßigt fühlen, als eine Art inoffizielles Sprachrohr der Diversen oder anderer Minderheiten einzusetzen. Aus dieser Ecke kommen doch zumeist die lautesten Rufe nach sogenannter geschlechtergerechter Sprache, also genauso wie bei den oben angesprochenen Sonderformulierungen für Blinde und Sehbehinderte, auf die wir selbst wohl am aller wenigsten Wert legen. Vielleicht ist das mit der Gendersprache und den Diversen ja genauso, vielleicht ist es ihnen im Gegensatz zu anderen Minderheiten ja aber auch wirklich ein Bedürfnis. Ich weiß es nicht.
Was ich aber sehr wohl weiß: Auch wenn die Mehrheit der Diversen Wert auf eine gesonderte Ansprache legen sollte, ist es weiterhin wichtig, mit Augenmaß vorzugehen. Das heißt für mich: Wenn ich irgendjemanden vor mir habe, der sich weder als männlich, noch als weiblich definieren kann, bin ich dern bereit, ihn so anzureden, wie er angeredet werden will. Ich werde aber nicht, wenn ich eine größere Gruppe von Menschen ansprechen will, auf Teufelkommraus anfangen zu gendern, weil da ja vielleicht, vielleicht irgendjemand dabei sein könnte, der sich von der männlichen und der weiblichen Form jeweils nicht angesprochen fühlt. Das ist nämlich ziemlich unwahrscheinlich, außer vielleicht, wenn man als Gastredner bei einem Selbsthilfeverband für Intersexuelle Menschen eingeladen worden ist. Dafür ist die Zahl derer, die eine solche Art des Sprechens als befremdlich empfinden, um einiges höher und da Sprache schon immer an den Befindlichkeiten der Mehrheit orientiert war, wenn man sie ließ, sehe ich keine Veranlassung, außerhalb des Kontakts mit emandem, der für sich eine solche Ansprache wünscht, die Sprache allein für die Diversen so elementar umzukrempeln, genauso, wie ich es nicht einsehe, dass sich die Entscheidung, keine Gendersprache zu verwenden, nachteilig auf die Bewertung von Hausarbeiten und Ähnlichem auswirkt. Das steht einfach in keinem gesunden Verhältnis mehr.