Haltbarkeit von Tonbändern

Raumschiff

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Darin wird zumindest unterschwellig suggeriert, dass Tonbänder nach wenigen Jahrzehnten nicht mehr abspielbar sind. Komisch, dass bis etwa zur Jahrtausendwende und vereinzelt darüber hinaus noch routinemäßig Bänder im Radioprogramm liefen, die mitunter aus den 50ern stammten, und komisch, dass digiandi überhaupt irgend etwas digitalisiert bekommt. ;)
 
routinemäßig Bänder im Radioprogramm liefen, die mitunter aus den 50ern stammten
Meinste nicht, daß es sich dabei um (rechtzeitig angefertigte) Arbeitskopien vom Orignalband aus den 50ern handelte, welches ansonsten, bis zu seiner hoffentlich längst erfolgten Digitalisierung, gut verwahrt wurde? Im Prinzip sind fünf analoge Kopiergenerationen bei Studiobandmaschinen möglich, bevor die Qualität merklich abnimmt. Bei guter Lagerung reichen die ersten Kopiergenerationen eine Weile, um mit ihrer Hilfe neue Arbeitskopien für den täglichen Gebrauch zu erstellen. Letztendlich muß die Audioinformation aber digital vom Träger (Platte, Band, DAT, CD, CDR, HDD, SSD...) getrennt werden, bevor der Träger "zerfällt". Je eher das passiert, umso besser. Nur digitale Daten kann man für die "Ewigkeit" (durch erneutes Umkopieren) speichern. Das ist alles nur eine Frage des Aufwands (RAID, Netzwerk, Cloud...)
 
Ich weiß, was Du meinst... Bin mir aber unsicher, wie man sich das wirklich vorzustellen hat.

Nehmen wir meinetwegen mal so eine ganz alte Kamelle von den Comedian Harmonists aus den 1930er Jahren, "Mein kleiner grüner Kakuts" oder ähnlichen Klamauk aus der Zeit, der z.B. bis weit in die 90er noch regulär auf WDR 4 und auf den entsprechenden Schwesterwellen anderer Landesanstalten lief. Der Titel lag also zu Beginn in WERAG-Zeiten als Schellackplatte vor und wurde dann wahrscheinlich erstmals Ende der 40er oder spätestens in den 50ern auf Band überspielt, welches fortan im Programm verwendet wurde; ab 1956 dann weiter auf WDR 1, ab 1984 auf WDR 4, bis dort irgendwann nochmals später eine CD auftauchte. Das würde bedeuten, dass man die Bandkopie nun seit den 50ern entweder so lange verwendete, bis sie noch furchtbarer klang als die Platte selbst oder bis sie im Betrieb kaputtging, man dann die Platte oder die Erstkopie hervorholte und ein neues Sendeband davon herstellte - oder man notierte das Herstellungsdatum in der Kartei und fertigte alle 10 (?) Jahre routinemäßig pauschal ein neues Sendeband an. Und das dann nicht nur beim grünen Kaktus, sondern bei allen analog vorliegenden Titeln, die in der Rotation verwendet wurden? Ich kann mir nur ersteres vorstellen (Benutzung bis zum Versagen, dann Neuanfertigung).

Vielleicht kann @DigiAndi als ARD-Mitarbeiter ja etwas dazu sagen oder er kennt ältere/frühere Kollegen aus Technik und Archiv, die den Sendealltag in vollanalogen Zeiten mitgemacht haben.
 
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Der Titel lag also zu Beginn in WERAG-Zeiten als Schellackplatte vor und wurde dann wahrscheinlich erstmals Ende der 40er oder spätestens in den 50ern auf Band überspielt, welches fortan im Programm verwendet wurde
Da würde ich in diesem Fall Zweifel anmelden wollen, weil die Comedian Harmonists damals nicht gefragt waren. Das Material von den Comedian Harmonists gewann erst in den 60ern, eher noch in den 70ern mit der Hamburger Szene wieder spürbar an Publikum, und ich glaube, den "kleinen grünen Kaktus" hatte man bis Otto gar nicht mehr so richtig in der breiten Masse auf dem Schirm. Meines Wissens erschien auch auf kommerzieller Ebene die erste Zusammenstellung von Comedian-Harmonists-Material erst Anfang der 70er; würde mich nicht wundern, wenn das sogar die olle Amiga-Scheibe von '71 gewesen wäre.

Die Aufarbeitung des Katalogs dürfte also hier erst in den 60ern wirklich stattgefunden haben. Gilt für Deutschland, im Ausland waren ja einige Nachfolgegruppen von den Comedian Harmonists deutlich länger unterwegs. Harry Frommermann selig wäre mit seinen musikalischen Ideen sicher hierzulande ganz anders empfangen worden, wenn man sich noch an seine Leistungen erinnert hätte.

Nur ein Einschub, der eigentlich nichts zur Sache beiträgt, sondern nur sagen möchte: das Beispiel ist schlecht gewählt.

Gruß
Skywise
 
Nur ein Einschub, der eigentlich nichts zur Sache beiträgt, sondern nur sagen möchte: das Beispiel ist schlecht gewählt.
Kein Problem, Du magst ja Recht haben. Aber ich meinte ja bereits vorsorglich:
Und das dann nicht nur beim grünen Kaktus, sondern bei allen analog vorliegenden Titeln, die in der Rotation verwendet wurden?
Denken wir mal an Hits der Nachkriegszeit, Titel aus der Ära des Wirtschaftswunders, die damals gern und viel gehört wurden und die sich hielten, bis die Schlagerwellen umformatiert wurden. Frühe Titel von Margot Eskens oder Caterina Valente, die Anfänge von Freddy Quinn oder so etwas wie "Der Theodor im Fußballtor" mit Theo Lingen. Sollten die etwa allesamt alle paar Jahre neu überspielt worden sein?
Meines Wissens erschien auch auf kommerzieller Ebene die erste Zusammenstellung von Comedian-Harmonists-Material erst Anfang der 70er; würde mich nicht wundern, wenn das sogar die olle Amiga-Scheibe von '71 gewesen wäre.
Das würde aber dann auch zumindest dafür sprechen, dass die Harmonists-Titel, sofern sie denn doch mal vor 1971 im Radio liefen, eigentlich nur in Form von Schellackplatten oder viel eher deren Bandkopien gelaufen sein können.
 
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Komisch, dass bis etwa zur Jahrtausendwende und vereinzelt darüber hinaus noch routinemäßig Bänder im Radioprogramm liefen, die mitunter aus den 50ern stammten
An der Stelle möchte ich zwei Zahlen in den Raum werfen: 76 und 38. Die zugehörige Einheit: cm/s.

Es gab sowohl in West- als auch in Ostdeutschland die Umstellung auf 38 cm/s im Studio- und Sendebetrieb. Dazu u.a.


und


Vermutlich Mitte der 60er konnte also im Sendebetrieb nirgendwo mehr Altbestand mit 76 cm/s abgespielt werden. Da hatten die Archive halt zu tun, das umzuschneiden. Inwieweit man 76er Altbänder dann aufgehoben hat, wenn sie besonders wertvoll waren - keine Ahnung.


Dann hätten wir noch die Geschichte mit den zum Zeitpunkt des Wieder-Zugänglichseins ca. 45 Jahre alten Bändern, die gewiss nicht durchgängig ideal gelagert und gehandhabt wurden. Für deren Abspielen war soweit ich mich erinnere sogar eine RRG-Maschine mit leicht abweichenden mechanischen Parametern nötig, die aus dem BASF-Firmenmuseum kam:


"Kopfhörer nehmen!" gilt heute noch. Die Aufnahmen sind technisch nicht aufpoliert worden. Die waren so noch vorhanden 1989.

Zur Geschichte dieser und vieler weiterer Aufnahmen, die Klaus Lang Ende der 1980er Jahre wieder aufgespürt hat, gibt es etwas in diesem wunderbaren Feature:



Mal ab 9:48 reinhören.

Wilhelm Schlemm Diese Bänder waren zu dem Zeitpunkt mindestens 50 Jahre alt. Und wir konnten sie behandeln, als ob wir sie gestern gemacht hätten – viele, nicht alle, einige sind uns um die Ohren geflogen.

Monika Steffens Jedenfalls waren die Dinger schon uralt, und man hat ganz braune Finger davon gekriegt. Und es kam ein ordentlicher Ton von runter !



Zum Thema "Haltbarkeit" @DigiAndi:

Einem Band, vor allem einem professionellen Studioband, aus den 1950er Jahren fehlt nichts, wenn es einigermaßen gut gelagert wurde.
 
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Einem Band, vor allem einem professionellen Studioband, aus den 1950er Jahren fehlt nichts, wenn es einigermaßen gut gelagert wurde.
Sendebänder von vor vier oder fünf Jahrzehnten konnten bei guter Lagerung in den Funkhäusern allen Widrigkeiten stand halten. Schlimmstenfalls lösten sich die Klebestellen zwischen Vor- und Nachspannband vom Tonträger oder Bobbys setzten Rost an und wurden ausgetauscht.

Anderes kenne ich von 24- oder 48-Spur-Bändern (besonders AMPEX), an denen der Zahn der Zeit genagt hat und die mühsam durch Aufbacken einmailig wieder abspielbar waren.

Von regelmäßigem Umkopieren von 38er Viertelzoll-Stereo-Bändern in Sendern habe ich nie etwas gehört.
 
Als ich Anfang der 90er Jahre mehrfach bei WDR 4 zu Besuch war (mein Sprechererzieher war mit Charly Wagner befreundet), habe ich viele alte Bänder aus den 60er und 70er Jahren gesehen.
Da stand auf den Bandkartons auch das Herkunftsjahr (bei Industrie-Bändern, die direkt so von der Plattenfirma geliefert wurden), als auch das Überspiel-Datum (bei Umschnitten).
 
Ich selber habe Aufnahmen sowohl auf Heimtonbändern (Maxell, BASF etc.) als auch Studiobänder auf Bobby (BASF, Agfa) seit Mitte der 70-er, gelagert unter normalen Wohnraumbedingungen und es ist weder etwas zerbröselt noch haben die Aufnahmen irgendwie gelitten.
 
Es gab vereinzelt "Schmier-Chargen" wie PEM 469, später 468, alle Ampex 456 und sogar "Schmirgelbänder" wie das PER 555 ect.

Entweder löste sich die Beschichtung in Form von Staub von den Bänder, der Kleber schmierte oder die Trägerfolie brach, was seltener war.

Später wurde der Kopfspalt mit einer Glasperle versiegelt, damit kein Bandabrieb die Kopfpole kurzschließen konnte und auch die Lebensdauer mehr als verdoppelte.

Bei Studer heißen diese Köpfe ....417 und ....418 und bei Telefunken sind diese in den M20 / M21 zu finden.

Tipp:

alte Tonbänder nicht über scharfe Kanten oder dünne Bandführungen ziehen (Revöxe oder M5en), sondern mit schwächerem Bandzug und große Umlenkrollen führen, die Klebestellen danken es Euch!

1961-Agfa-Bandschneidemaschine.jpg

Tonband-Konvektionierung bei Agfa 1961 (Werksbild)
 
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